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NATO sucht neue Schlachtfelder

42. Sicherheitskonferenz München: Unterschiedliche Sichten auf transatlantische Partnerschaft

Von Hans Voß*

Während in der Münchner Innenstadt die Polizei protestierende Kriegsgegner zu vertreiben suchte, debattierten an diesem Wochenende im noblen Hotel Bayrischer Hof etwa 300 Politiker und Militärs aus 50 Ländern über die künftige globale Sicherheitspolitik.

In den vergangenen Jahren beherrschten der Streit um die USA-Aggression gegen Irak und ihre Folgen die Debatte. In diesem Jahr war Harmonie angesagt, ganz im Sinne des Konferenzmottos: »Europa und die Vereinigten Staaten – die Erneuerung der transatlantischen Partnerschaft«. Auf dem ersten Blick mangelte es auch nicht an Freundschaftsbeteuerungen. Doch eine ausdrückliche Billigung der USA-Interventionspolitik gab es nicht. Allerdings stieß selbstbewusstes Auftreten der Europäer, etwa der Bundeskanzlerin, dieses Mal nicht auf verärgerte Reaktionen der Vertreter aus Washington, wie zuletzt üblich. Unübersehbar, dass sich das internationale Klima für die USA verschlechtert hat.

Durchaus in der Kontinuität Gerhard Schröders forderte Angela Merkel eine politische Reform der NATO. Das Bündnis müsse wieder zum Zentrum politischer Konsultation und Koordination der Teilnehmerstaaten werden. Man müsse sein »Primat« anerkennen, bevor man sich anderer Einrichtungen bediene. Die Ausweitung des Aktionsradius über das eigentliche Vertragsgebiet hinaus, die Aufnahme neuer Mitglieder sowie der Zwang zur intensiveren Abstimmung des politischen Vorgehens sollten zu einer Neufassung des strategischen NATO-Konzepts führen. 2008, 2009 wäre der geeignete Zeitpunkt für den Beginn der Ausarbeitung.

Pentagonchef Donald Rumsfeld reagierte darauf mit keinem Wort. Er versuchte vor allem, aus der These vom langwierigen Krieg gegen den Terrorismus die Notwendigkeit weltweiter Bündnisse zur Abwehr der Gefahren zu begründen. Die NATO kam in seinen Ausführungen nur insofern vor, als er die mangelnden Militärausgaben einiger Staaten beklagte. Auch NATO-Generalsekretär Jaap de Hop Scheffer erwähnte Merkels Vorschläge nicht. Die NATO befinde sich in ihren Reformübungen auf dem rechten Weg. Den Fortgang dieses Prozesses sieht er vor allem in der Stärkung der militärischen Fähigkeiten des Bündnisses, seiner besseren finanziellen Ausstattung sowie in der Erweiterung des Aktionsradius über den euro-atlantischen Raum hinaus. Nach dem NATO-Einsatz in Afghanistan sollte man auf solche Staaten wie Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea zugehen.

Erwartungsgemäß spielte der Konflikt um das iranische Atomprogramm eine herausgehobene Rolle. Angela Merkel hielt Teheran vor, die Furcht vor einer iranischen Bedrohung durch unverantwortliche und völlig inakzeptable Auslassungen des Präsidenten geschürt zu haben. Der anwesende iranische Vize-Außenminister bestritt dagegen, dass sein Land eine Bedrohung darstelle. Abbas Araghtschi verwies auf die jahrelange gute Zusammenarbeit mit der IAEA. Im Gegensatz zu Rumsfeld und Senator McCain trat die Kanzlerin für eine Fortsetzung der Verhandlungen unter stärkerer Beteiligung Russlands und Chinas ein. Die Einbeziehung des Weltsicherheitsrates stehe dem nicht entgegen.

Demgegenüber überboten sich die USA-Vertreter mit aggressiven Auslassungen. Iran wurde beschuldigt, Zentrum des internationalen Terrorismus zu sein. Offen wurde zu einem gewaltsamen Regimewechsel aufgerufen und die Verhängung von Sanktionen gefordert. Senator McCain steigerte sich zu der Androhung, wenn das am Widerstand Russlands und Chinas scheitern sollte, müsse man sich erneut auf eine Koalition von Willigen stützen. Schlimmer als ein Krieg gegen Iran wären Kernwaffen in den Händen religiöser Fanatiker. Und damit nicht genug, drohte er Moskau den Ausschluss aus der G 8-Gruppe an, sollte man die USA-Sicht nicht übernehmen. Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier bekräftigten dagegen das Festhalten an der strategischen Partnerschaft mit Russland, wozu der Bau der Ostsee-Pipeline gehöre. Und sicherheitspolitisch dürfe der NATO-Russland-Rat nicht einschlafen.

* Aus: Neues Deutschland, 06.02.2006


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