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Treffen der Kriegstreiber

Verhältnis von USA und Rußland im Mittelpunkt der Münchner "Sicherheitskonferenz". US-Außenminister sieht »neue Differenzen« mit Moskau

Von Knut Mellenthin *

Die NATO hat auf der Münchner »Sicherheitskonferenz« am Wochenende ihr Festhalten an der Ausdehnung nach Ost­europa und der gegen Rußland gerichteten »Raketenabwehr« bekräftigt. Das Treffen von Rüstungslobbyisten, Militärs und sogenannten Sicherheitspolitikern wurde 1962 unter dem Namen »Wehrkundetagung« ins Leben gerufen. Seinen gegenwärtigen Namen trägt der Event, der alljährlich im Februar stattfindet, seit 2010. Angeblich handelt es sich um das weltweit größte Ereignis dieser Art.

Besondere Aufmerksamkeit der Medien fand in diesem Jahr die Rede von US-Vizepräsident Joe Biden, obwohl er kaum Interessantes oder gar Neues zu erzählen hatte. Ein zentraler Teil seiner Ansprache beschäftigte sich mit dem Verhältnis zu Rußland. Vor vier Jahren hatte Biden ebenfalls in München einen »Reset«, einen Neustart der Beziehungen nach der achtjährigen Amtszeit des republikanischen Präsidenten George W. Bush, versprochen. Aus Sicht der USA habe sich dieser durchaus bezahlt gemacht, bilanzierte Biden jetzt. Als Beispiele nannte er: die Aushandlung, Unterzeichnung und Umsetzung des neuen START-Abkommens über die zahlenmäßige Reduzierung der strategischen Atomwaffen der USA und Rußlands; die Zustimmung Rußlands im UN-Sicherheitsrat zu einer »beispiellosen« Ausweitung und Verschärfung der Sanktionen gegen Iran; die »Einigkeit« zwischen Washington und Moskau beim Vorgehen gegen Nordkorea; die russische Mitwirkung bei der Versorgung der Besatzungstruppen in Afghanistan mit Nachschub.

Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Staaten bestünden dennoch weiter, hob Biden in seiner Rede hervor. Beispielsweise werde die US-Regierung auch künftig die Republiken Abchasien und Südossetien nicht anerkennen, die sich schon vor zwanzig Jahren von Georgien losgesagt hatten und seither als unabhängige Staaten existieren. Grundsätzlich seien die USA nicht bereit, irgendeiner Nation – zu ergänzen wäre wohl: außer sich selbst – eine Einflußzone zuzugestehen. Neue Differenzen seien in den vergangenen Jahren hinzugekommen, sagte Biden weiter. »Es ist kein Geheimnis, daß wir ernste Meinungsverschiedenheiten zu Themen wie Syrien, Raketenabwehr, NATO-Vergrößerung, Demokratie und Menschenrechten haben.«

Am Rande der Konferenz trafen Biden und Rußlands Außenminister Sergej Lawrow sowie der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi zu getrennten Gesprächen mit dem Präsidenten des syrischen Rebellenbündnisses »Nationale Koalition der Oppositionskräfte«, Ahmad Moaz Al-Khatib zusammen. Lawrow und Salehi äußerten anschließend ihre Zufriedenheit mit Khatibs Ankündigung, die Opposition sei zu Gesprächen mit der syrischen Regierung bereit, um über einen Ausweg aus dem Bürgerkrieg zu diskutieren. Allerdings hatte Khatib dieses Zugeständnis an vermutlich unrealistische Bedingungen, wie etwa die Freilassung aller Gefangenen und Häftlinge, deren Zahl er auf 160000 bezifferte, geknüpft. Außerdem hatten sich andere Oppositionsvertreter sofort scharf von Khatibs Gesprächsangebot distanziert.

Ebenfalls am Wochenende berichtete die New York Times aufgrund anonymer Quellen, daß Außenministerin Hillary Clinton und CIA-Chef David Petraeus für die offene Bewaffnung und Ausbildung der syrischer Rebellen gewesen seien, aber von Präsident Barack Obama ausgebremst wurden. Petraeus verlor seinen Posten im vergangenen Jahr wegen einer Privataffäre, Clinton verabschiedete sich vor wenigen Tagen vom State Department.

* Aus: junge Welt, Montag, 4. Februar 2013


Maskerade im Bayerischen Hof

Von Arno Klönne **

Die Münchener internationale Sicherheitskonferenz, einst Wehrkundetagung genannt, ist wieder einmal absolviert, mit einem "Paukenschlag" am Ende - so nannten ihre PR-Leute die Äußerungen des US-amerikanischen Vizepräsidenten und des iranischen Außenministers, ein Gespräch über den atompolitischen Streit der beiden Staaten sei vielleicht möglich. "Frieden durch Dialog" nimmt dieses alljährliche Treffen von, wie es üblicherweise heißt, "hochkarätigen" Politikern, Experten und Wirtschaftsvertretern als Zielsetzung für sich in Anspruch, öffentlich und vertraulich könne dort die Bereinigung zwischenstaatlicher Konflikte besorgt werden.

Seltsamerweise gehören allerdings Rüstungskonzerne zu den Sponsoren der Konferenz, die in Public-Private-Partnership betrieben wird; an ihrer Finanzierung ist auch das fürs Militärwesen zuständige Ministerium der Bundesrepublik beteiligt. Will die Waffenbranche dialogisierend ihr Auftragsvolumen schmälern, die Bundeswehr sich in ihrer geopolitischen Funktion überflüssig machen? Derart suizidale Neigungen sind nicht sehr wahrscheinlich.

Der erwähnte "Paukenschlag" ist keineswegs ein Indiz dafür, daß in der Auseinandersetzung um den Iran die militärischen Optionen aus dem Spiel sind.Wer sich die Mühe macht, den Auftritten bei der Münchener Sicherheitskonferenz und der realen internationalen Austragung von Konflikten historisch nachzugehen, kann erkennen: Kriegsvorbereitung bedient sich gern der Zurschaustellung von Versuchen, Frieden zu erhalten. Der öffentlich vorgeführte "sicherheitspolitische Dialog" ist nur zu oft ein mit allen Finessen ausgetragenes Vorgefecht für weitere gewalttätige Operationen in der Staatenwelt, ein Kampf um das Terrain in der öffentlichen Meinung.

Aufschlußreich ist, worüber bei der Sicherheitskonferenz nicht gesprochen wurde: Geschwiegen wurde über die Militärindustrie und deren globale Geschäftsfelder, auch über den technologischen "Fortschritt" in diesem blutigen Gewerbe, über die Wirkungen, die der staatliche Waffengebrauch erzeugt. Aber ein Dialog hierüber hätte wohl doch die theatralischen Fähigkeiten der Beteiligten überfordert.

"Sicherheit" , wie sie im Bayerischen Hof zum Thema gemacht wurde, bedeutet: Absicherung der jeweiligen Interessen in der Verteilung internationaler Macht und im Welt-"Markt", mit militärischen Instrumenten. "Gewaltkunde" wäre die zutreffende Bezeichnung für den fachlichen Gegenstand einer solchen Tagung.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 5. Februar 2013 (Kommentar)


Brüchiger Krieg

Zoff auf der "Sicherheitskonferenz"

Von Werner Pirker ***


Die Münchner »Sicherheitskonferenz« ist ein Forum, das der Verständigung zwischen den für die Unsicherheit auf der Welt hauptsächlich Verantwortlichen dienen soll. Sie verfolgt natürlich auch den Zweck, Deutschlands bedeutende Rolle im Konzert der Großen deutlich zu machen. Auf diese im wesentlichen westliche Veranstaltung werden aber immer auch Vertreter von Ländern eingeladen, deren Sicherheitsvorstellungen von denen des Hegemonialkartells doch einigermaßen abweichen. So war es diesmal dem russischen Außenminister Sergej Lawrow gestattet, seine Bedenken über die Einmischung des Westens und des Golf-Kooperationsrates in die inneren Angelegenheiten ­Syriens zu äußern. Und der iranische Außenminister Ali Akbar ­Salehi durfte gar Verhandlungen über das Atomprogramm seines Landes anbieten, was aber umgehend als nicht ernst zu nehmend zurückgewiesen wurde.

Was auf der diesjährigen »Sicherheitskonferenz« deutlich spürbar zum Ausdruck kam: Es läuft nicht sonderlich rund für die imperialistischen Interventen. Man weiß nicht so recht, wie es in Syrien weitergehen soll. Die islamistischen Geister, die sie riefen, werden den westlichen Warlords immer unheimlicher. Am deutlichsten brachte dies der scheidende israelische Verteidigungsminister Ehud Barak zur Sprache. Zu viele Extremisten befänden sich unter den Rebellen, als daß man mit allzu großen Hoffnungen in die Zeit nach Assad blicken könne. Dem syrischen Oppositionsführer Ahmed Al-Khatib wiederum kann der von einer ausländischen Militärintervention erhoffte Sturz des legitimen syrischen Präsidenten nicht schnell genug gehen.

US-Vizepräsident Joe Biden meinte, sich für die transatlantische Solidarität stark machen zu müssen, wohl wissend, daß es diesseits des Atlantiks mit der Solidarität zwischen den führenden EU-Staaten nicht allzuweit her ist. Das machte auch der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière klar, als er mehr Kooperation zwischen den Interventionsmächten anmahnte. Er wünsche sich für die Zukunft ein »NATO-freundlicheres Frankreich und ein EU-freundlicheres Großbritannien«, sagte er.

In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Frankreich hat sich unter Sarkozy wieder in die Militärstrukturen der NATO eingegliedert, um sich den Bemühungen Berlins, eine EU-Streitmacht unter deutscher Führung aufzubauen und eine Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu entwickeln, zu entziehen. In enger Kooperation mit EU-Dissident Großbritannien begab sich Paris in Libyen auf einen eigenen Afrika-Interessen folgenden Kriegskurs und setzt das nun in Mali fort. Hatte sich die deutsche Außenpolitik im Fall Libyen noch gegen eine Militärintervention ausgesprochen, trägt sie nun in Mali das französische Eingreifen ohne spürbare Begeisterung mit. Die innere Brüchigkeit der westlichen Aggressionsgemeinschaft tritt offen zutage. Darüber können auch die »gemeinsamen Werte« nicht hinwegtäuschen.

*** Aus: junge Welt, Montag, 4. Februar 2013 (Kommentar)


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