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Embedded in Strausberg

Bundeswehrkonferenz bei Berlin: Truppe will ihr Image verbessern und verstärkt um Jugendliche werben. Eingebunden werden auch Journalisten, Wissenschaftler und IT-Experten

Von Frank Brunner *

Wenn es jemand schafft, aus der Bundeswehr eine richtig sympathische Truppe zu machen, dann ist es Detlef Schachel. Der Oberstleutnant ist eloquent, witzig, und er beherrscht das Kunststück, die Armee innerhalb von Sekunden in einen Hort humanitärer Helfer zu verwandeln. Schachel ist Lehrstabsoffizier an der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation (AIK) in Strausberg bei Berlin. Dort schult er Soldaten im Umgang mit Journalisten, bildet sogenannte Jugendoffiziere und Wehrdienstberater aus, die Schülern die »Bedeutung und Notwendigkeit der Sicherheits- und Verteidigungspolitik« nahebringen. »Bei uns lehren Redakteure aus verschiedenen Medien«, so Schachel.

Es ist Dienstag kurz nach 13 Uhr, als Oberstleutnant Schachel seine Charme­offensive startet. Vor wenigen Minuten hat sein Chef die Konferenz »Govermedia«-Journalismus und bürgernahe Kommunikation im digitalen Zeitalter« eröffnet. Drei Tage diskutierten die Militärs, wie die Streitkräfte ihr Image aufpolieren könnten und welche Rolle Onlinemedien dabei spielen. »Ich bin ihr Ansprechpartner, Sie können sich mit allen Fragen an mich wenden«, sagt Schachel freundlich. Der Presseoffizier ist bestens informiert. Seinen Gesprächspartner erkennt er schon vor der ersten Begegnung. »Sie können sich hier ganz frei bewegen«, versichert Schachel. Eine gewagte Behauptung. In den nächsten drei Stunden wird der Oberstleutnant dem Journalisten nicht von der Seite weichen. Man kann das als eine besonders zuvorkommende Betreuung auffassen. Aber auch als eine Art Kontrolle. »Keine Angst, ich will Sie nicht überwachen«, sagt Schachel, so, als könne er Gedanken lesen.

Die vergangenen Wochen müssen für ihn nicht einfach gewesen sein. Die Koalition diskutiert über Kürzungen im Verteidigungsetat. Der Spiegel schreibt über Rekruten, die saubere Gewehre reinigen oder wochenlang ein Telefon bewachen müssen, das nicht angeschlossen ist. Die Wehrpflichtigen bekämpfen demnach vor allem die Langeweile und vernichten dabei Unmengen an Alkohol. Quasi als Kollateralschäden entstehen dabei bestenfalls alberne Filmchen, die jedermann im Internet anschauen kann. Dazu kommt eine Bevölkerung, die den Afghanistan-Einsatz mehrheitlich ablehnt. Und deshalb redet Schachel viel von Vertrauen, Offenheit und »neuen Strukturen«. Man wolle hier in Kontakt mit den Menschen kommen, betont er und führt durch die Räume der AIK.

Bis 1990 befand sich hier der Sitz des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR. In der Lobby hängt noch immer das Enblem des Warschauer Vertrages. Mehrmals tagten die Generäle des sozialistischen Militärbündnisses im großen holzvertäfelten Konferenzraum. Davor wacht bis heute eine Plastik des DDR-Bildhauers Gerhard Thieme von 1963. »Dieser Ort hat eine lange Geschichte«, schwärmt Schachel. Doch eigentlich will er über die Zukunft sprechen. »Unsere Soldaten genießen hohes Ansehen«, so der Offizier. Schließlich sei man am Hindukusch, um Terroranschläge in Deutschland zu verhindern und Ordnung sowie demokratische Strukturen zu schaffen, betont er gegenüber junge Welt.

Nicht überall scheint diese Botschaft anzukommen. Die Bundeswehr befürchtet, daß in Diskussionen antimilitaristische Inhalte dominieren. Besonders im Internet. Wenn auch »Nichtberufene« ungebremst und ungefiltert twittern, welche Relevanz haben dann noch offizielle Verlautbarungen, Entscheidungen und abgestimmte Pressemitteilungen? Das fragt besorgt ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums bei der Eröffnung des Symposiums. Es bestehe die Gefahr, daß das Erscheinungsbild eines Ministeriums »an Konturen verliert«. Wenigstens hofft man, via Onlinemedien bei Jugendlichen zu punkten. Bislang allerdings mit eher bescheidenem Erfolg. »Wie man soziale Netzwerke für die Bundeswehr gewinnbringend einsetzen kann, ist noch nicht ganz klar«, so Steffen Moritz, der Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Deshalb hat die Bundeswehr Experten nach Strausberg geladen. Wissenschaftler von der »Forschungsgruppe Krisenkommunikation« der TU Ilmenau beispielsweise, die Chefs von Spiegel online und Focus online, dazu diverse IT-Firmen. Und Beate Frees. Die Leiterin der ZDF-Onlineforschung bombardiert die Bundeswehroffiziere mit massenhaft Diagrammen, die Auskunft über die Nutzer des Senders geben sollen. Das ist amüsanter, als man glaubt. Denn die findigen Mitarbeiter vom Mainzer Lerchenberg haben anscheinend ein äußerst genaues Bild von ihrem Publikum. So unterscheiden die Fernsehmacher die »jungen Wilden« von den »zielstrebigen Trendsettern«; vergleichen »kulturorientierte Traditionelle« mit den »Unauffälligen« oder »Häuslichen«. Letztere seien leider »ökonomisch etwas eingeschränkt«, bedauert ZDF-Frau Frees.

Tips zu möglichen Zielgruppen gibt es auch von der privaten Konkurrenz. Eine Angestellte des Onlineriesen Google erläutert, wie man Suchanfragen abfängt und die User dann auf eigene Informationsangebote umleitet. Carsten Grueber vom Google-Tochterunternehmen Youtube wirbt mit den über 18 Millionen deutschen Nutzern der Videoplattform. »Wir können Sie gerne bei einer Kampagne auf Youtube unterstützen«, so ­Grueber. Thomas Mickeleit, Kommunikationschef von Microsoft Deutschland, glaubt, daß Menschen weniger den Medien, sondern Freunden in 'sozialen Netzwerken' vertrauen. »Das ist ein guter Grund, sich darin zu tummeln«, behauptet er. Das Softwareunternehmen beschäftigt hierzulande 50 Mitarbeiter, die sich nur um diese Internetportale kümmern. Die Firma kanalisiere so zum Beispiel den Unmut gegen das eigene Haus, indem sie - natürlich kontrolliert - auch Kritiker einbinde, erläutert der Microsoft-Manager den Offizieren.

Doch allzuviel Offenheit ist der Bundeswehr weiter suspekt. So sorgt bereits die Bitte um ein kurzes Gespräch mit dem Organisator der Veranstaltung für Verwirrung. »Ich bin nicht autorisiert«, erklärt AIK-Mitarbeiter Gottfried Linn, nachdem er eine halbe Stunde zuvor noch Bereitschaft signalisiert hatte. Irgendwann taucht dann Fregattenkapitän Klaus Hatzenbühler vom Pressestab des Verteidigungsministeriums auf. »Die Bundeswehr hat kein Kommunikationsproblem, wir werben ja verstärkt auch in Schulen«, betont er gegenüber jW. Ein Interview könne er aber nicht vermitteln. Leider. PR-Profi Schachel zuckt bedauernd mit den Schultern. Das neue Denken sei eben noch nicht überall angekommen.

* Aus: junge Welt, 3. Juli 2010


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