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"Und das sind wir"

Mit toten Soldaten für Auslandseinsätze werben? Wie das geht, zeigen Trauergottesdienste

Von Michael Schulze von Glaßer *

Die Fernsehübertragung im WDR sei ein »großes Glück«, freute sich der Leiter des Presse- und Informationszentrums des Heeres am 10. Juni vor versammelten Journalisten in Detmold. Gesendet wurde der Trauergottesdienst für einen am 2. Juni in Afghanistan getöteten Bundeswehr-Soldaten. Bei der Berichterstattung überließen die Militärs nichts dem Zufall: Den Fotografen und Kamerateams wurde vor Beginn in einer »Einsatzbesprechung« genau gezeigt, wo sie zu stehen hatten, wer fotografiert werden darf und wer nicht. Fotos vom Gottesdienst selbst durfte nur das Team einer Fotoagentur machen, zudem hatte der WDR gleich fünf Fernsehkameras im Innern der Heilig-Kreuz-Kirche in Detmold aufgestellt.

Zu Beginn der Zeremonie sprach der evangelische Militärdekan Ulrich Brates die Gefühle der Zuhörer an: »Ich weiß von seinen Kameraden, daß sie ihn vermissen.« Sein katholischer Amtskollege Rainer Schnettker sprach vom »Vertrauen darauf, daß der Einsatz seines Lebens [des gefallenen Soldaten, d.A.] nicht sinnlos war.« Verteidigungsminister Thomas de Maizière lobte den toten Soldaten – den er wohl nie persönlich kannte – in seiner Rede in höchsten Tönen: »Wir können als Bundesrepublik stolz sein auf ihn, dankbar für den Dienst, den er unserem Land geleistet hat.« Zudem nutzte der Minister die Aufmerksamkeit für Durchhalteparolen: »Noch immer ist Afghanistan weit davon entfernt, ein befriedetes Gebiet zu sein. Aber unser Weg ist richtig. Unsere Ziele sind richtig. Opfer dürfen nicht vergeblich sein.«

Perfekt inszeniert war ebenfalls die Trauerfeier für drei in Afghanistan getötete deutsche Soldaten am 3. Juni in Hannover. Der NDR brachte die Bilder aus der Epiphanias-Kirche live in die Wohnzimmer der Republik – die Bundeswehr hatte den Ort extra nach dem Kriterium ausgewählt, ob er für eine Fernsehübertragung geeignet war. Die vorn in der Kirche aufgebahrten Särge waren jeweils mit einer Deutschland-Flagge verhüllt, darauf ein Stahlhelm. Vor den Särgen hingen die Orden und Auszeichnungen der Gefallenen.

Die Fürbitten wurden von einem katholischen und einem evangelischen Militärseelsorger vorgetragen: »Für unsere gefallenen Soldaten, die verantwortungsvoll dort ihren Dienst getan haben, wo große Not ist, und für alle Soldaten, die in den Krisengebieten unserer Erde beim Einsatz für mehr Gerechtigkeit und Frieden ihr Leben lassen mußten. Gott unser Vater, wir bitten dich – erhöre uns.« Verteidigungsminister de Maizière, der eigentlich auf dem Kirchentag in Dresden sein wollte, nutzte die Gelegenheit, um in Hannover gleich neben den drei Särgen für den Afghanistan-Krieg zu werben: »Zweifel an einem solchen Einsatz sind erlaubt, ja sie sind notwendig. Gerade in solchen Tagen. Wer nicht zweifelt, der sollte zweifeln. Aber solche Zweifel müssen überwunden werden, wenn wir vom Ziel insgesamt überzeugt sind. Und das sind wir.« Wen de Maizière damit meinte, blieb unklar. Die Bevölkerungsmehrheit aber wohl nicht, denn die ist keineswegs vom Militäreinsatz am Hindukusch überzeugt, sondern würde die deutschen Truppen lieber sofort zurückholen.

Die Politik nutzte die Trauergottesdienste in Detmold und Hannover, um die Bevölkerung auf noch mehr getötete deutsche Soldaten einzustimmen. Der Krieg in Afghanistan – das wird immer deutlicher – ist militärisch nicht zu gewinnen, doch dies will sich die regierende Politik nicht eingestehen. Sie will ihn fortführen und buhlt in der deutschen Bevölkerung um Rückhalt für den gefährlichen ­Engagement. Die Kirchen zeigten sich regierungstreu und verloren bei den Gottesdiensten kein kritisches Wort zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen halfen bei der Verbreitung der Durchhalteparolen. Sowohl Kirchen als auch Medien machen sich damit zu Steigbügelhalterinnen der Kriegspolitik.

* Aus: junge Welt, 21. Juni 2011


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