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Dresden wehrt sich gegen Neonazis

Gedenken an Orten der NS-Verbrechen / Erste Blockaden und Rangeleien am frühen Abend

Von Hendrik Lasch, Dresden *

Ein »Spaziergang« auf den Spuren von NS-Tätern und NS-Verbrechen bildete gestern (13. Feb.) am Jahrestag der Zerstörung Dresdens den Auftakt für vielfältige Proteste gegen Neonazis, die das Datum erneut zu vereinnahmen suchten. Am späten Nachmittag kam es zu ersten Blockaden gegen Rechtsextremisten.

Die Vernichtung erfolgte streng nach bürokratischen Regularien. »Heimeinkaufsvertrag« heißt ein Papier, aus dem der Kabarettist Manfred Breschke gestern an einer Kreuzung in der Dresdner Johannstadt zitierte. Den Vertrag mussten jüdische Bürger unterzeichnen, bevor sie ihr Vermögen an den NS-Staat abtraten und erzwungenermaßen in ein »Judenhaus« umzogen. Eine von 37 solcher Einrichtungen befand sich in der Günzstraße. Im Sommer 1942 wurden dessen 47 Bewohner deportiert. Lediglich zwei überlebten.

Die Kreuzung ist die zweite Station eines »Spaziergangs Täterspuren«, der am gestrigen Jahrestag der Zerstörung Dresdens auf die Orte von NS-Verbrechen und die Arbeitsstellen von NS-Tätern hinwies. So wolle man »Anstoß für ein anderes Gedenken geben, als es bisher in Dresden üblich war«, sagte eine Sprecherin des Bündnisses »Dresden nazifrei«, das den Rundgang organisiert hatte. Es solle gezeigt werden, dass die im Februar 1945 großflächig zerstörte Stadt zuvor »Teil des nationalsozialistischen Systems und nicht ihr Opfer« war.

Die Opferrolle betonen vor allem Neonazis, die das Gedenken an die Kriegszerstörung Dresdens missbrauchen und seit Ende der 90er Jahre regelmäßig »Trauermärsche« veranstalten. Sie wurden mit bis zu 6500 Teilnehmern zum europaweit größten derartigen Szenetreff. Die Stadt wehrte sich zunächst nur halbherzig und hielt lange an einem »stillen Gedenken« fest.

Manfred Breschke verwahrt sich gegen die Vereinnahmung durch Neonazis und hält es deshalb für wichtig, dass sich die Bürger der Stadt nicht nur an die Zerstörungen des 13. Februar, sondern auch an dessen Vorgeschichte erinnern. Nach Breslau habe Dresden den zweithöchsten Anteil an NSDAP-Mitgliedern gehabt. Heute gebe es in der Stadt den prozentual höchsten Anteil an NPD-Mitgliedern, an rechten Szenelokalen und Kameradschaften. Dies sei, mahnt der Künstler, »ein Erbe, gegen das man etwas unternehmen muss«.

Der »Spaziergang«, der 2011 wegen des Versuchs der strikten und weiträumigen Trennung von Nazis und Gegendemonstranten noch verboten worden war, ist ein Beitrag dazu. Rund 2000 Menschen nahmen teil. Unter ihnen war die LINKE-Bundeschefin Gesine Lötzsch, die das Anliegen »sehr verdienstvoll« nannte: Es sei »wichtig, die konkreten Erinnerungen« an die NS-Zeit in der Stadt »wachzuhalten«. Jetzt sei der »Aufstand der Zuständigen« gefragt. »Ich fordere die Kanzlerin und ihr Kabinett auf, sich am kommenden Sonnabend einzureihen in den Kampf gegen die NPD und ihr braunes Terrorumfeld.« Ähnlich äußerte sich Grünen-Chefin Claudia Roth. Ihr falle »kaum ein Bundesminister ein, der nach der erschütternden Mordserie von Rechtsextremen an diesem Tag nicht nach Dresden gehören würde«.

Die Stadt hatte gestern zum dritten Mal zu einer Menschenkette als Protest gegen den für den Abend angemeldeten Neonazi-Aufmarsch aufgerufen. 13 000 Teilnehmer, darunter prominente Bundes- und Landespolitiker beteiligten sich an der Lichterkette. Auch Sachsens Regierung hatte dazu aufgerufen.

Parallel dazu begannen weitere Protestaktionen gegen die bis zu 1000 Neonazis, deren Kolonne sich kurz vor 18 Uhr in Bewegung setzte. Das Bündnis »Dresden nazifrei« hatte angekündigt, den Neonazi-Aufzug zu blockieren oder zumindest zu behindern - trotz eines erneuten massiven Polizeieinsatzes mit rund 6000 Beamten sowie Hubschraubern, Räumpanzern und Wasserwerfern. In der Freiberger Straße kam es gegen 17 Uhr zu einer ersten friedlichen, später auch genehmigten Blockade, an der rund 2000 junge Leute aus Antifagruppen, LINKE, Gewerkschafter, Piraten, Grüne und Jusos teilnahmen. Auch Abgeordnete aus dem Bundestag und aus Landesparlamenten hatten sich eingereiht. Aus Lautsprecherwagen tönte Musik.

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, sagte bei der Vorstellung eines Positionspapiers gegen Rechtsextremismus: »Es ist eine der undankbarsten Aufgaben überhaupt, Demonstrationen einer politischen Bewegung zu schützen, die wir als Polizisten, Staatsbürger und Gewerkschafter zutiefst verabscheuen.« Die GdP trete dafür ein, dass der zivilgesellschaftliche Protest gegen neonazistische und rechtsextremistische Demonstrationen unüberhörbar, umfassend und legal in den vom Versammlungsrecht zulässigen Formen wahrgenommen werde.

Am Montag (13. Feb.) gedachten Bürger der Tausenden Toten der Bombardierung, unter anderem auf dem Heidefriedhof. Das dortige offizielle Zeremoniell war neu gestaltet worden - mit dem Ergebnis, dass die zuvor stets präsente NPD erstmals fernblieb.

* Aus: neues deutschland, 14. Februar 2012


Einmal um den Block

Blockierer, Menschenkette, Protest in Sicht- und Hörweite - Dresden macht den Nazis das Marschieren schwer

Von Hendrik Lasch, Sarah Liebigt, Jörg Meyer und Markus Drescher **


Hand in Hand gegen Nazis und die braunen Kameraden schmollen. Der 13. Februar in Dresden war bei aller Kälte geprägt von Protest und Blockaden.

Dass der 13. Februar 2012 in Dresden ein guter Tag ist, zeigt sich spätestens, als sich die Nazis abends ab halb neun faktisch selbst zu blockieren beginnen. Nur 600 Meter haben die etwa 2000 teils von weither angereisten Rechtsextremen da zurückgelegt - und damit doch bereits die Hälfte der Marschstrecke, die ihnen an diesem Tag zugebilligt wird.

Auf direktem Wege ist der von einem massiven Polizeikordon gesäumte Zug von seinem Sammelplatz nahe des Hauptbahnhofs zum Sternplatz geleitet worden, wo er von den »Nazis raus!«-Rufen Tausender Bürger empfangen wird, die über einen Wall aus Polizeifahrzeugen herüberhallen. Von dort soll es um zwei weitere Straßenecken nur noch zum Ausgangspunkt zurückgehen. Als dem hinteren Teil des »Trauermarschs« schwant, dass der Aufmarsch nicht mehr sein wird als einmal um den Block zu laufen, verfallen die etwa 300 - eher aktionsorientierten - Autonomen Nationalisten am Ende des Aufzugs in einen »Stehstreik«.

Versuche des herbeigeeilten Versammlungsleiters, die »Kameraden« wieder in Bewegung Richtung Abschlusskundgebung zu setzen, scheitern. Stattdessen muss er sich wüste Beschimpfungen anhören. Es sei »der gleiche Mist wie jedes Jahr«, flucht ein Nazi; ein anderer zischt im Davonlaufen, es handele sich um »ein Trauerschauspiel«; auch ein »Macht euren Scheiß alleine« wird durch die Nacht gebrüllt. »Du musst ja nicht herkommen«, hält ein Ordner dagegen. Die Moral der Nazis, die seit 2010 immer neue Dämpfer versetzt bekommen hat - an diesem 13. Februar ist sie wohl endgültig in den Keller gegangen.

Dresden hat dazugelernt

Dafür hauptverantwortlich ist das überregionale Bündnis »Dresden nazifrei!«, das es in den vergangenen drei Jahren schaffte, die zweigeteilten Aktionen der Nazis ganz zu blockieren oder massiv zu stören: die reinen »Trauermärsche« am 13. Februar und die am darauffolgenden Wochenende stattfindenden Aufmärsche, die sich mit 7000 bis 8000 Teilnehmern zu den größten Europas entwickelt hatten. Dresden am 13. Februar - das war viele Jahre lang ein äußerst schwieriges Kapitel. Die Stadt erinnert sich an diesem Tag ihrer großflächigen Zerstörung im Jahr 1945 und tausender Toter. Lange Zeit geschah dies in stiller Trauer und dem Bewusstsein, unverschuldet zum Opfer des Krieges geworden zu sein. Diese Haltung machte es den Nazis leicht, das Datum zu besetzen. Sie überhöhten die Opferzahlen in grotesker Weise und setzten die alliierten Luftangriffe mit der industriellen Vernichtung der Juden im NS-System gleich; von »Bombenholocaust« war die Rede. Die Stadt wehrte sich zunächst kaum; 2009 konnten 6500 Nazis quasi ungestört demonstrieren. Dann wurde »Dresden nazifrei!« gegründet.

Seither hat man in Dresden gelernt. Das zeigt sich diesmal schon beim traditionellen Gedenken auf dem Heidefriedhof, wo viele der Toten des 13. Februar begraben sind. Bisher wurden dort Kränze niedergelegt - in einem Zeremoniell, das es seit dem Einzug der NPD in den Landtag im Jahr 2009 auch ihr erlaubte, sich einzureihen. Vertreter der jüdischen Gemeinde waren der Veranstaltung deswegen zwischenzeitlich ferngeblieben. In diesem Jahr wird der Ablauf verändert; statt Kränzen werden weiße Rosen niedergelegt - nicht nur an der Steinmauer, auf der an die Dresdner Toten erinnert wird, sondern auch an den Stelen für die Opfer verschiedener Konzentrationslager. Die Folge: Die NPD bleibt der offiziellen Ehrung fern. Sie legt unbeachtet einen Kranz ab, der umgehend entfernt wird. Die Braunen wurden, kommentiert ein SPD-Mann später, »erfolgreich vertrieben«. Sie auch von der Straße zu vertreiben, hatte sich erneut »Dresden nazifrei!« vorgenommen.

»Wir. Wolln. Weiter! Wir. Wolln. Weiter!«, tönt es aus dem vorderen Teil des Pulks von rund 350 Menschen, die quer über die Kreuzung verteilt sind. Die Masse drückte nach vorn, beult die Polizeikette aus, ein weiterer Trupp Polizeibeamter rennt hin. »Redet mit denen!«, ruft ein Beamter seinen Kollegen hinterher. »Mit denen«, das sind die Blockierer des Bündnisses, die die gesamte Kreuzung Freiberger- und Ammonstraße einnehmen wollen, von der angenommen wird, dass sie auf der Nazi-Route liegt. Kurz nach vier steht die Blockade, wenige Minuten später kreist der erste Polizeihubschrauber über dem Platz - noch bevor die Sambagruppe anfängt zu spielen. Sabine Leidig, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, meldet die Versammlung auf der Kreuzung an und ist froh, dass im Vergleich zum vergangenen Jahr alles relativ glimpflich über die Bühne geht: »Der politische Druck ist so hoch, dass eine Eskalation von Seiten der Polizei wie noch 2011 nicht mehr möglich ist.« Es sei ein Erfolg, dass die politische Situation sich derart verändert hat.

Picknickinseln im Schneematsch

»Wir sind auf der Wilsdruffer Straße einfach mit unserer Gruppe aus dem Täterspurengang abgebogen und losgelaufen. Die Polizei war völlig überrascht, und bis die genug Kräfte zusammengezogen hatten, waren wir schon am Blockadepunkt«, erzählt ein Blockierer. »Es war viel einfacher als im letzten Jahr«, ergänzt ein anderer. 2011 hatte die Polizei Versuche, ihre Ketten zu »durchfließen« noch massiv mit Pfefferspray, Faust- und Knüppelhieben beantwortet. Ruppig wird es diesmal erst, als es darum geht, die gesamte Kreuzung dicht zu machen. Als die Blockierer zu Schiebern und Drückern werden und von einem eifrigen Beamten nicht angesprochen, sondern mit Pfefferspray besprüht werden. Seine Kollegen ergänzen durch Tritte in die Schienbeine und an die Knie. Kurz darauf ist die Kreuzung doch dicht. Komplett dicht.

Bis zuletzt bleibt die genaue Route der Nazis unklar, doch das Gebiet, das in Frage kommt, ist leicht einzugrenzen, weil hermetisch abgeriegelt. Absperrungen mit Wasserwerfern, Gittern, Bussen, dichten Polizeiketten ziehen einen Ring durch die Willsdruffer Vorstadt. Gehwege, Parkplätze, jeder verfügbare Platz, so scheint es, ist mit grün-weißen und blau-silbernen Polizeifahrzeugen vollgestellt. Dazwischen immer wieder die Reiterstaffel, die mit trappelnden Hufen Streife reitet.

In den nächsten Stunden wächst die Zahl der Blockierer auf der Kreuzung auf etwa 2000 an. Auf goldenen Schutzdecken werden die pinkfarbenen Sitzkissen mit dem »Nazifrei!«-Logo ausgelegt, dazwischen Thermoskannen, Zigaretten, Äpfel, Müsliriegel. Ein paar solcher Picknickinseln entstehen im Schneematsch und wirken, als es dunkel wird, im Flutlichtscheinwerferlicht der Polizei ein wenig surreal. Die Blockadierer sind mit sich beschäftigt, man redet, tanzt zur Musik aus dem Lautsprecherwagen, lacht, die Leute werden mit heißem Tee und Suppe versorgt. Die Polizeiketten, die Wasserwerfer, die zahllosen Polizeibusse scheinen nichts weiter als Kulisse. Die Beamten stehen sich die Beine in den Bauch, gucken abwesend in Richtung Blockade, zerpiken schillernde Seifenblasen, die ab und zu von der Blockade herübertrudeln.

Drei Opfer der NS-Ideologie

Ein symbolisches Zeichen setzt gegen Abend die Menschenkette, zu der zum dritten Mal die Stadt aufgerufen hat und in die sich diesmal 13 000 Menschen einreihen. Auf 3,6 Kilometern Länge, so teilt das Rathaus später mit, erstreckt sich die dichte Reihe, an Zwinger und Semperoper, Synagoge und Frauenkirche vorbei sowie über zwei Brücken. CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich, mehrere Minister und die Fraktionschefs der fünf demokratischen Fraktionen reihen sich ein, aber auch die Bundestagsvizepräsidenten Petra Pau (LINKE) und Wolfgang Thierse (SPD) sowie der Vorstand der Grünen. Anderswo stehen »Schüler gegen Nazis« und die Mitglieder des Staatsschauspiels.

Das Anliegen der Menschenkette fasst der amtierende Bürgermeister Dirk Hilbert in klare und berührende Worte. Er erinnert an drei Dresdner Kinder: an Max Goldschmidt, der wegen seiner jüdischen Herkunft als 14-Jähriger im KZ starb, an Gerda Baumann, die im gleichen Alter den Bomben auf Dresden zum Opfer fiel - und an das ungeborene Kind der Ägypterin Marwa El-Sherbini, die 2010 von einem Rassisten in einem Dresdner Gerichtssaal erstochen wurde. Alle drei seien einer NS-Ideologie zum Opfer gefallen, die »heute wie vor 70 Jahren« Hass und Gewalt säe. Das Gedenken an die Dresdner Toten, fügt Hilbert hinzu, dürfe man »nicht losgelöst davon betrachten«. Klarer Protest sei wichtig - solange er »friedlich und verfassungskonform« bleibe.

Mit diesem Ziel ziehen tausende Teilnehmer der Menschenkette anschließend in Richtung der Marschroute der Nazis. Sie wollen »in Sicht- und Hörweite« ihren Protest ausdrücken, wie es DGB-Landeschefin Iris Kloppich formuliert. Die Polizei, die diesmal besser vorbereitet, aber deutlich um Deeskalation bemüht wirkt, lässt den Zug bis zum Sternplatz passieren - wo das Pfeifen und laute Rufen anschwillt, als die Nazis schließlich vorbeigeführt werden. Kurz darauf beginnt ihr Streit.

** Aus: neues deutschland, 15. Februar 2012


Kramer lobt Blockaden als Grundrecht

Dresden wappnet sich erneut ***

Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat friedliche Straßenblockaden gegen Naziaufmärsche wie am Montag in Dresden verteidigt. Im nd-Interview sagte er: »Unser Verfassungsgericht hat friedliche Blockaden unter den Schutz des Grundgesetzes gestellt. In Sachsen ist man zu sehr damit beschäftigt, friedliche Demonstranten zu kriminalisieren, anstatt den Nazis das Leben schwer zu machen.« Kramer hatte selbst an den Protestaktionen teilgenommen.

Die Ereignisse am Montag (13. Feb.) wurden indes weitgehend als Erfolg gewertet. Es sei gelungen, das Motto »Mit Mut, Respekt und Toleranz - Dresden bekennt Farbe« mit Leben zu füllen, erklärte der amtierende Bürgermeister Dirk Hilbert. Lob von vielen Seiten gab es für den deeskalierenden Einsatz der Polizei. Sachsens Linksfraktionschef André Hahn übte aber Kritik an der Versammlungsbehörde. Das Demonstrationsrecht umfasse nicht »das Recht auf einen Fackelmarsch«. »Hier werden Bilder produziert, die in Deutschland seit 1945 nichts mehr zu suchen haben«, so Hahn.

Dresden bereitet sich derweil bereits auf die nächsten Aktionen vor. Das Bündnis »Dresden nazifrei« will am Samstag gegen »sächsische Verhältnisse« protestieren. Gemeint sind die Grundrechtsverletzungen durch die Funkzellenabfrage im Februar 2011 und die anhaltende Verfolgung von Blockadeteilnehmern. Zu der Demo werden etwa 9000 Menschen erwartet. Sie beginnt um 11 Uhr am Hauptbahnhof und führt zum Haus der Begegnung, das die Polizei 2011 gestürmt hatte. Stefan Thiele, Sprecher des Bündnisses, mahnte gestern zugleich, den »Druck« auf die Naziszene »aufrecht zu erhalten«. Es gebe Hinweise, dass die rechte Szene zu »symbolträchtigen Aktionen« mobilisiert. Um 13 Uhr soll eine Kundgebung auf dem Schlossplatz beginnen, die von der »Arbeitsgemeinschaft 13. Februar« vorbereitet wurde - in Sichtweite des Ortes, an dem die inzwischen abgesagte Nazidemo stattfinden sollte.

*** Aus: neues deutschland, 15. Februar 2012


Auch Cottbus soll nazifrei sein

Bürger wehren sich gegen Aufmarsch in der Stadt

Von Andreas Fritsche ****


Im brandenburgischen Cottbus formiert sich breiter Widerstand gegen den geplanten Naziaufmarsch am 15. Februar. Auch am Protest in Dresden will man sich beteiligen.

»Cottbus fährt nach Dresden!« lautet eine Losung. Eine andere heißt: »Cottbus bekennt Farbe!« Es geht darum, dass sich die Einwohner der zweitgrößten Stadt Brandenburgs Naziaufmärschen entgegenstellen - sowohl am 15. Februar in ihrer Heimatstadt als auch am 18. Februar in der nicht allzu weit entfernten Sachsenmetropole.

Am 15. Februar 1945 erlebte Cottbus den schwersten Luftangriff im Zweiten Weltkrieg durch die Alliierten, ungefähr 1000 Menschen starben. Viele Wohnhäuser und Fabriken wurden zerstört oder beschädigt.

Die Nazi-Gegner wollen verhindern, dass die Rechtsextremisten die Jahrestage der Bombenangriffe auf Cottbus und Dresden propagandistisch für sich ausschlachten. Schließlich entfesselten die deutschen Faschisten und ihre Geldgeber den Zweiten Weltkrieg. Sie tragen letztendlich die Verantwortung für die Schäden der Bombardements im Februar 1945.

Es werden Busse mit Gegendemonstranten nach Dresden fahren. Auch der LINKE-Kreisverband Lausitz stellt einen solchen Bus. Der Kreisvorstand beschloss einstimmig, die Initiative »Potsdam bekennt Farbe« zu unterstützen. »Wir rufen unsere Mitglieder auf, sich an allen friedlichen Protestformen zu beteiligen«, erklärt der Kreisvorsitzende Matthias Loehr.

Es scheint diesmal zu gelingen, alle Nazigegner unter einen Hut zu bringen: So einerseits die Stadtverwaltung, die Technische Universität, die Kirchen und andere, die sich im Verein Cottbuser Aufbruch engagieren, und andererseits Antifa, Attac, Jusos, Linksjugend oder auch die Grüne Liga, die das Bündnis »Cottbus nazifrei« unterstützen. Mehr als 300 Einwohner der Stadt beteiligten sich während des Naziaufzugs im vergangenen Jahr an Sitzblockaden, erinnert das Bündnis »Cottbus nazifrei«, das sich als Teil der Initiative »Potsdam bekennt Farbe« betrachtet. Man habe deutlich gemacht, Gesichtsrevisionismus nicht zu dulden. »Das werden wir auch in diesem Jahr wieder tun!« Blockaden seien »legitim und notwendig«.

Auf den Internetseiten des Cottbuser Aufbruchs wird zum gemeinschaftlichen Agieren aufgerufen. Das Wichtigste sei, den Neonazis den Raum zu nehmen. Bereits 2011 habe es Menschen gegeben, die in Ruhe der Betroffenen der Bombardierung von Cottbus gedenken wollten, Menschen, »die ihren Protest mit Musik bunt und laut nach außen trugen«, und Menschen, die sich den Neonazis in den Weg setzten. »Niemand wollte, dass Neonazis durch Cottbus laufen. Das verbindet all diese Menschen.« Jede friedliche Protestform habe ihre Berechtigung.

www.cottbus-nazifrei.info, www.cottbuser-aufbruch.de

**** Aus: neues deutschland, 14. Februar 2012


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