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Blockaden gegen rechts

Geplante Aufmärsche von Neofaschisten in Dresden sollen wieder verhindert werden. Anwälteverein fordert zum Kampf um Grund- und Freiheitsrechte auf

Von Markus Bernhardt *

Erneut bereiten sich Antifaschisten aus der gesamten Bundesrepublik darauf vor, den traditionellen Aufmarschversuch von Neonazis und Geschichtsrevisionisten im Februar in Dresden mittels Massenblockaden zu verhindern. Aktuell hat die rechtsextreme »Junge Landsmannschaft Ostdeutschland« (JLO) für den 11., 13. und 18. Februar Aufmärsche mit jeweils etwa 2000 Teilnehmern angemeldet und will dann die Erinnerung an die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 durch alliierte Streitkräfte mißbrauchen, um die Verbrechen während des Faschismus zu verharmlosen und die deutsche Bevölkerung als unschuldige Opfer eines alliierten »Bombenholocausts« zu inszenieren.

An welchem Tag die Neonazis tatsächlich aufmarschieren wollen, gilt derzeit noch als unklar. So meldeten die Rechten in der Vergangenheit stets Aufmärsche an verschiedenen Tagen an, um ihre Gegner zu verunsichern und eine antifaschistische Mobilisierung zu erschweren. Jedoch spricht einiges dafür, daß es sich beim 18. Februar um den tatsächlichen Aufmarschtag handelt, zu dem seitens der Neonazis überregional mobilisiert wird. Für diesen Tag hat auch eine parteiübergreifende Arbeitsgemeinschaft der Stadt Dresden eine Großdemonstration angemeldet, die in Sicht- und Hörweite des braunen Aufmarsches stattfinden soll.

Wie bereits in den vergangenen beiden Jahren ruft das bundesweite antifaschistische Bündnis »Dresden Nazifrei!«, das unter anderem von Politikern aus Linkspartei, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DKP, Kulturschaffenden, autonomen Antifaschisten und Gewerkschaftsjugend unterstützt wird, dazu auf, die neuerliche Provokation der Rechten zu verhindern. Dies war sowohl 2010 als auch 2011 gelungen, als die Neofaschisten ob der antifaschistischen Massenblockaden unverrichteter Dinge die Heimreise antreten mußten, da die polizeiliche Durchsetzung ihrer Aufmärsche aufgrund der anwesenden Tausenden Antifaschisten unmöglich war.

Gleichzeitig ist auch in diesem Jahr zu erwarten, daß Sachsens Polizei und Justiz massiv gegen antifaschistische Blockierer vorgehen werden. Und es damit zu rechnen, daß erneut Tausende martialisch ausgestattete Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet nach Dresden kommen und den Innenstadtbereich hermetisch abzuriegeln versuchen.

Unterdessen veröffentlichte der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) Einschätzungen zu den staatlichen Reaktionen auf die antifaschistischen Blockaden in den vergangenen beiden Jahren. Darin kommen die Juristen zu dem Schluß, daß »die obrigkeitsstaatliche Art« der Dresdner Versammlungsbehörde, Auflagen zu erlassen, lediglich das Ziel verfolgt hätte, »die Arbeit der Polizei zu erleichtern, den Neonaziaufmarsch möglichst störungsfrei ablaufen zu lassen und zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Protest in Hör- und Sichtweite zu unterbinden«. Fazit des RAV: »Bei der Verfolgung antifaschistischer und zivilgesellschaftlicher Aktivitäten gegen den ehemals größten Neonaziaufmarsch in Europa greifen die Strafverfolgungsbehörden systematisch zu offensichtlich rechtswidrigen Maßnahmen. Diese Repression richtet sich nicht gegen einzelne ›Gewalttäter‹, sondern betrifft sämtliche Formen des Protestes gegen den Neonaziaufmarsch und die Aktionsform des zivilen Ungehorsams im Besonderen.«

Vor dem Hintergrund der vom neofaschistischen Terrornetzwerk »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) begangenen Morde und Bombenanschläge hatte Gesine Lötzsch, Bundesvorsitzende der Linkspartei, bereits im vergangenen November gegenüber junge Welt angekündigt, sich an den friedlichen Blockaden gegen die Nazis beteiligen zu wollen. »Wir sind Zeuge des größten Verfassungsschutzskandals in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Verfassungsschutz hat gezeigt, daß er unsere Verfassung nicht schützt, sondern gefährdet. Er hält die Naziszene mit Steuergeldern am Leben«, konstatierte Lötzsch. Gegen die verfassungsfeindliche NPD und ihr terroristisches Umfeld helfe daher nur das Engagement von vielen Bürgerinnen und Bürgern, die »friedlich zeigen, daß sie die Nazis weder in Dresden noch in einer anderen Stadt haben wollen«.

* Aus: junge Welt, 9. Januar 2012

Lesen Sie auch:

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.: "Rechtsstaat auf sächsisch"
Einschätzungen zu den staatlichen Reaktionen auf die antifaschistischen Aktivitäten zum 13. und 19. Februar 2011 gegen den (ehemals) größten Neonaziaufmarsch Europas (9. Januar 2012)




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