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Kein Geld für Raketen

Pentagon will den Abwehrschirm für Europa nur noch bis 2013 finanzieren

Von Rainer Rupp *

Bei dem geplanten NATO-Raketensystem in Europa (MEADS), (angeblich zur Abwehr nicht vorhandener iranischer Atomraketen, ) hat es eine ebenso überraschende wie kuriose Wendung gegeben. Am Montag (14. Feb.) erklärte der beim Pentagon für das Budget zuständige Robert Hale in Washington vor der Presse, daß die USA das MEADS-System terminieren. Das System werde nur noch bis 2013 finanziert, und das auch nur, um »kostspielige Strafzahlungen zu verhindern«.

Noch vor wenigen Monaten war die angebliche Raketendrohung aus dem Iran so groß, daß MEADS von der Obama-Administration als Top-Priorität den anderen NATO-Mitgliedern beim Gipfel in Lissabon aufgedrängt worden war. Jetzt erklärte Hale, das Pentagon habe kein Geld mehr, um die »notwendige weitere Forschung und Entwicklung zu bezahlen«. Falls die Europäer das System dennoch haben wollten, sollten sie es selbst finanzieren. Ob diese Wende tatsächlich mit fehlenden Haushaltsmitteln zu tun hat, ist fraglich, denn in der Vergangenheit hat das Pentagon auch bei knapperen Mitteln immer Wege gefunden, um seine Prioritäten zu finanzieren.

Ebenfalls am Montag hat US-Präsident Obama seinen Haushalt für das Fiskaljahr 2011/2012 vorgestellt, das bereits im letzten Quartal dieses Jahres beginnt. Im US-Repräsentantenhaus verfügen die Republikaner seit den Wahlen im vergangenen Herbst über eine komfortable Mehrheit, während im Senat die Demokraten ihre Dominanz verteidigen konnten. Angesichts der gefährlich ausufernden Haushaltsdefizite der US-Obama-Administration wetteifern beide Parteien miteinander, wer zu den größeren Ausgabenkürzungen fähig ist.

Um eine nennenswerte Senkung des Haushaltsdefizits zu erreichen, kommen nur Kürzungen bei den drei großen Sozialprogrammen Social Security, Medicare und Medicaid sowie im Haushalt des US-Kriegsministeriums in Frage.

Trotz der dramatisch gewachsenen Bedürftigkeit in der US-Bevölkerung richteten sich die Kürzungsvorschläge der von Obama berufenen überparteilichen Defizit-Kommission bisher hauptsächlich gegen die Sozialprogramme. Aber nun soll auch bei den Militärausgaben gespart werden. Wäre es nach dem Pentagon gegangen, dann wären dessen Ausgaben wie in jedem Jahr seit dem 11. September 2001 auch diesmal wieder auf einen neuen Rekord geklettert. Statt dessen soll der Haushalt der Obama-Administration dieses Jahr auf dem Vorjahresniveau (2009/2010) eingefroren bleiben und im nächsten Jahr leicht gekürzt werden.

Pentagon-Chef Robert Gates hat deswegen am vergangenen Wochenende die traditionell militärfreundlichen Republikaner in einer scharfen Rede beschuldigt, sie würden den Krieg nicht unterstützen. Damit zielte er insbesondere auf etliche neue Kongreßabgeordnete, die aus der Tea-Party-Bewegung kommen. Gates warf all jenen Abgeordneten, die einen neuen Rekordmilitärhaushalt verhindern wollen, vor, »realitätsfremd« zu sein und eine »Krise« im US-Militär zu verursachen.

* Aus: junge Welt, 16. Februar 2011


Milliardengrab

Von Olaf Standke **

Es ist nicht der erste Partner, der diesem transatlantischen Rüstungsprojekt verloren geht. Schon in der Anfangsphase des Luftverteidigungs- und Raketenabwehrsystems MEADS hatte sich Frankreich verabschiedet. Doch wenn nun auch die USA den Geldhahn zudrehen, muss die Bundesregierung endlich umdenken. Das Pentagon könne sich die zusätzlichen Entwicklungsausgaben nicht mehr leisten, hieß es in Washington. Kritiker hierzulande fordern schon lange den Stopp des teueren Rüstungsprogramms, das vor allem Sponsoring für heimische Waffenschmieden zu Lasten der Steuerzahler sei. Es hat bisher fast eine Milliarde Euro verschlungen. Die Beschaffung soll mindestens drei Milliarden Euro kosten. Der Bundesrechnungshof veranschlagte insgesamt sogar über sechs Milliarden Euro. Dabei wurde der vorgebliche militärische Nutzen von Anfang an bezweifelt. MEADS soll vor allem vor Kurzstreckenraketen und Drohnen schützen. Aber ist Deutschland nicht von Freunden umzingelt? Die Gefahr geht doch angeblich von noch nicht existierenden ballistischen Raketen diverser »Schurkenstaaten« aus. Und gegen diese wäre das taktische System schlicht unbrauchbar. Allerdings könnte man es überall dorthin verlegen, wo die Bundeswehr gerade deutsche Konzerninteressen verteidigt – vorausgesetzt, man verfügt über ausreichend teure Großraumtransporter des Typs Airbus 400M. Wer wirklich sparen will bei der Bundeswehr, hier könnte er Milliarden holen.

** Neues Deutschland, 17. Februar 2011 (Kommentar)


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