Piratenmangel: Nicht jeder kann einen fangen
Immer neue maritime Operationen werden kreiert – die USA versuchen, das Kommando zu erlangen
Von René Heilig *
Wer Marinenachrichten liest, bemerkt: Immer mehr Länder finden Gefallen an einem neuen globalstrategischen
Spiel. Es heißt zwar »Piratenjagd«, doch es geht um viel mehr.
Marinestützpunkt Eckernförde. Morgen wird dort großer Auftrieb sein. Ein Marinemusikkorps spielt
auf, Admirale kreuzen auf und Korvettenkapitän Alexander Koch sagt auf, dass er und seine 33-
köpfigen Besatzung bereit sind, alle gestellten Aufgaben zu erfüllen. Koch kommandiert U34; das
wird ausgeschickt, um Terroristen und Waffenschmuggler zu jagen. Im Mittelmeer. Fünfeinhalb
Monate soll das Boot, das zu den modernsten der Welt gehört, unterwegs sein. Der Auftrag ist
ungewöhnlich für ein U-Boot. Und es geht auch gar nicht so sehr darum, der Hamas am Strand von
Gaza Angst einzujagen oder Al Qaida beim Segeln zu überraschen. Es geht vielmehr darum,
Handelswege zu observieren, zu wissen, wer, wann, was, wohin bringt oder holt.
Wer wissen will, wie strategisch diese Aufklärung ist, sollte übernehmen, was Kapitän zur See
Reinhard Wollowski vom Führungsstab der Marine bildhaft so beschrieb. Egal, wo in Deutschland
ein Auto gebaut wird, man braucht dafür rund 40 Rohstoffe, die über die Meere herangeführt
werden. Ein Gutteil der Karossen wird über See nach Übersee geschafft. Zum Verkauf. Und da die
Dinger nicht ohne Energie fahren, benötigen wir Sprit, der nur zu einem geringen Teil auf
heimischen Feldern wächst.
Gut 95 Prozent des globalen Güterfernverkehrs und rund 90 Prozent des EU-Außenhandels werden
über die Meere abgewickelt. Und obwohl der Anteil der im vergangenen Jahr von Piraten im Golf
von Aden gekidnappten Schiffe – so rechneten Experten aus – gerade einmal bei 0,13 Prozent lag,
mag man derartige »Störungen« nicht.
Umso größer war die politische Welle, die man in den USA, in Europa und anderswo initiierte.
Während die Task Force 150 fernab der eigenen Küsten im arabischen Raum Terroristen sucht,
doch nicht findet – derzeit ist die deutsche Fregatte »Mecklenburg-Vorpommern« das Flaggschiff der
Operation »Enduring Freedom« – stellte die EU eine Armada unter dem Namen »Atalanta«
zusammen. Daneben kreuzen Kriegsschiffe aus Frankreich, den Niederlanden, Russland, Indien,
Deutschland, Großbritannien, China, den USA und anderen Staaten unter nationalem Kommando
vor Somalia.
Während man Ende vergangenen Jahres fast täglich Meldungen über erfolgreiche Abwehrkämpfe
lesen konnte, gab es in den ersten 20 Tagen dieses Jahres nur zwei Kaperversuche. Woher kommt
die plötzliche Ruhe? Die Antwort ist vermutlich simpel. Die Piraten, die mit kleinen Mutterschiffen auf
Beute lauern, um sie dann mit leichten Speedbooten anzugreifen, haben weniger Angst vor den
Kriegsflotten, wohl aber vor dem Wetter. Und das ist übel. Die See geht hoch. Das wurde den
Piraten zum Verhängnis, die sich mit millionenschwerer Beute vom Tanker »Sirius Star« auf den
Weg zu ihren heimischen Schlupflöchern aufgemacht hatten. Sie kenterten, fünf Freibeuter
ertranken.
So gibt es derzeit einfach zu wenige Piraten, um viele Fänge zu vermelden. Verzweifelt suchen
Kommandanten zivile Kollegen, die für ihre Frachter oder Tanker Geleitschutz erbitten.
Zwischendurch hat man sogar Zeit für kleine politische Machtspielchen. So bot China der aus seiner
Sicht abtrünnigen Provinz Taiwan an, auch deren Schiffe zu beschützen. Was Taipeh natürlich
ablehnt.
Eine andere Art von »Spielchen« zettelte die USA vor knapp zwei Wochen an. Der erste Preis ist die
Oberhoheit beim angeblichen Kampf gegen die Piraterie vor den Küsten Afrikas. Um die zu
erlangen, stellte das NAVCENT-Kommando die Task Force 151 auf. Flaggschiff ist die USS »San
Antonio« und jede Nation ist aufgerufen, ihren Beitrag in eine abermalige Koalition der Willigen
einzubringen. Noch wehren sich die europäischen Verbündeten gegen diese Art der Kaperei und
wollen innerhalb der Piraterie-Kontaktgruppe, an der 24 Staaten sowie UNO, NATO und EU
teilnehmen, andere »Koordinierungsmöglichkeiten« suchen.
* Aus: Neues Deutschland, 21. Januar 2009
Auch chinesische Kriegsschiffe auf der Suche
Die folgende Meldung entnahmen der Internetausgabe der Beijing Rundschau, 21. Januar 2009
Chinesische Marine absolviert mehrere Einsätze vor Somalia
Bis zum 20. Januar hat die chinesische Marine in den Gewässern vor Somalia bereits sechs Einsätze absolviert und dabei 16 Schiffe eskortiert.
Dies teilte der stellvertretende Leiter des strategischen Amtes der Operationsabteilung des Generalstabs der chinesischen Volksbefreiungsarmee, Cai Huailie, am 20. Januar mit.
Weiter sagte Cai Huailie, die Mission der chinesischen Marine vor Somalia basiere auf einschlägigen Resolutionen des Weltsicherheitsrates. Zudem habe die somalische Übergangsregierung diese Mission genehmigt.
Die chinesischen Kriegsschiffe sind Ende Dezember 2008 von Sanya aus in den Golf von Aden vor Somalia aufgebrochen. Seit ihrer Ankunft eskortieren sie Handelsschiffe durch die dortigen Gewässer.
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