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Rolf Mützenich (SPD): "Die Beteiligung der deutschen Marine ist vor allem eine humanitäre Operation" / Paul Schäfer (DIE LINKE): "Man muss vom Tunnelblick auf das Militärische wegkommen"

Bundestagsdebatte und Abstimmung über den Marineeinsatz vor Somalia zur Bekämpfung der Piraterie

Der Bundestag beriet über den Einsatz der Bundeswehr zur Bekämpfung der Piraterie in erster Lesung am 17. Dezember 2008 (siehe unsere Dokumentation). Zwei Tage darauf, am 19. Dezember, fand die Debatte ihre Fortsetzung und es wurde entschieden: Mit großer Mehrheit (dagegen stimmte nur die Fraktion der LINKEN und vereinzelte Abgeordnete anderer Fraktionen enthielten sich) wurde der Militäreinsatz beschlossen.
Im Folgenden dokumentieren wir die Bundestagsdebatte vom 19. Dezember nach dem amtlichen Plenarprotokoll.
In der Debatte sprachen in dieser Reihenfolge:


Plenarprotokoll - Vorab-Veröffentlichung
197. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2008

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
(...) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf:
- Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 18461846 (2008) vom 2. Dezember 2008 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008

- Drucksachen 16/11337, 16/11416 -

(...) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann können wir offensichtlich so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Rolf Mützenich von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Rolf Mützenich (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bekämpfung der Piraterie eignet sich nicht für Schnellschüsse. In diesem wie in anderen Fällen gibt es keinen Freibrief für voreiliges und rechtloses Handeln. Wir Sozialdemokraten achten und befolgen das Völkerrecht. Wenn der Einsatz des Militärs beabsichtigt wird, müssen Sorgfalt und Augenmaß vor Übereile gehen. Die Bundesregierung hat deshalb zu Recht alle völker- und verfassungsrechtlichen Fragen eingehend geprüft und daraus angemessene Schritte abgeleitet: Die Bundeswehr darf weder in ein militärisches Abenteuer noch in eine rechtliche Grauzone geschickt werden.

(Beifall bei der SPD)

Mittlerweile sind alle erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Sicherheitsratsresolution 1846 der Vereinten Nationen vom 2. Dezember 2008 erlaubt die Bekämpfung der Piraterie in den somalischen Küstengewässern auch durch Regionalorganisationen. Für ein deutsches Engagement bietet deshalb die Mission "Atalanta" der Europäischen Union den geeigneten Rahmen.

Die Versuche, unter dem Deckmantel der Pirateriebekämpfung bewährte Regelungen unserer Verfassung auszuhebeln, waren unverhältnismäßig und zeitraubend. Nicht ohne Grund wurden der Polizei und der Bundeswehr eindeutige und klar getrennte Aufgaben zugewiesen. Daran müssen wir festhalten. Manche Bemerkungen der letzten Wochen waren ebenso sachfremd wie irreführend. Auf hoher See kann die Bundesmarine auch heute schon gegen Piraterie vorgehen. Das Seerechtsübereinkommen und das Völkergewohnheitsrecht erlauben derartige Reaktionen. Deshalb ist die Behauptung der Linksfraktion, dass nur die Polizei die Gewalt auf See bekämpfen dürfe, falsch. Hilfe in der Not, auch durch die deutsche Marine, ist jederzeit möglich.

Allerdings hätte die Bundesmarine nicht in den somalischen Küstengewässern operieren oder vorbeugend aktiv werden können. Erst mit den Sicherheitsratsresolutionen 1816 und 1846 sind solche Operationen möglich. Der Umweg über das Grundgesetz war daher von Anfang an überflüssig und bedenklich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Aufklärung, Schutz und Abschreckung sind zur Bekämpfung der Piraterie die richtigen Maßnahmen. Dass sich die Bundesmarine dabei vor allem auf die Sicherheit der humanitären Hilfe konzentrieren will, findet die Unterstützung der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Fast alle Transporte erfolgen auf dem Seeweg, und mehr als ein Drittel der Menschen in Somalia sind auf diese Hilfen angewiesen. Deshalb ist es konsequent, besonders die Schiffe mit humanitären Gütern zu schützen. Das Überleben der Hungernden in Somalia hat absoluten Vorrang. Die Beteiligung der deutschen Marine ist daher zuerst und vor allem eine humanitäre Operation.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Dass auch andere Schiffe geschützt werden müssen, steht außer Zweifel. Allerdings möchte ich auch daran erinnern, dass die Reedereien gleichermaßen Verantwortung tragen: Größere und besser ausgebildete Besatzungen, bauliche und andere Maßnahmen könnten dazu beitragen, die Gefahren einer Kaperung zu reduzieren. Die Veranstalter von Kreuzfahrten und Freizeitschiffer sollten sorgfältig abwägen, ob gegenwärtig Reisen auf gefährdeten Wasserwegen verantwortbar sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Schiffseigner müssen bedenken, dass sie nicht nur die Passagiere und sich selbst in Gefahr bringen, sondern auch diejenigen, die ihnen dann Hilfe leisten wollen oder müssen.

Die Ankündigung der Bundesregierung, sich gezielt für die Schaffung einer internationalen Gerichtsbarkeit gegen Piraterie einzusetzen, ist richtig. Wir unterstützen diesen Ansatz.

(Beifall bei der SPD)

Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg wäre aus meiner Sicht ein geeigneter Rahmen. Ich bitte die Bundesregierung, in den kommenden Monaten gerade in diesem Feld um Vorschläge und Initiativen. Bis dahin sollte es ein abgestuftes Verfahren bei der Strafverfolgung geben. Wenn deutsche Staatsbürger getötet oder verletzt oder unter deutscher Flagge fahrende Schiffe angegriffen werden, muss die Strafverfolgung in Deutschland stattfinden. In allen anderen Fällen sollten der Piraterie verdächtige Personen an den Staat übergeben werden, der ein Interesse angemeldet hat und dessen Strafverfolgung unseren rechtsstaatlichen Maßstäben und Grundsätzen entspricht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Piraterie ist heute in weiten Teilen Afrikas und Asiens ein schwerwiegendes Problem. Verarmte Bauern, Fischer, Kriminelle und Kämpfer aus den Bürgerkriegen bilden einen gewaltbereiten Kern. In Somalia hat sich dabei ein regelrechtes Geschäftsfeld herausgebildet, das mit weltweiten Netzwerken verbunden ist. Die Zahl der Überfälle hat mittlerweile erschreckende Ausmaße angenommen. Nicht nur ausländische Schiffe sind Ziel der Attacken, ebenso leidet die Bevölkerung Somalias unter den Angriffen und der Unordnung.

Durch die EU-Mission "Atalanta" kann der Schutz vor Piraten verbessert werden. Doch nur Entwicklungsfortschritte an Land sind langfristig erfolgversprechend. Die Voraussetzungen dafür sind aber leider alles andere als günstig. Somalia ist ein klassisches Beispiel für die Folgen eines langjährigen Bürgerkrieges verbunden mit tiefgreifenden Entwicklungsproblemen, umstrittener kolonialer Grenzziehung, der Einflussnahme auswärtiger und angrenzender Staaten und einem nicht vorhandenen Gewaltmonopol. Die gegenwärtige innenpolitische Krise macht die Situation noch schlimmer und unübersichtlicher.

Das Land steht aber auch stellvertretend für das Versagen der Weltgemeinschaft in Afrika. Wie vollmundig waren noch die Ankündigungen Anfang der 90er-Jahre. Deshalb ist es zwar notwendig, dass sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen weiterhin mit Fragen der Gewalt auf See am Horn von Afrika befasst. Die neue Sicherheitsratsresolution 1851 fordert zu Recht eine bessere Koordination der beteiligten Staaten. Wichtig sind dann aber auch koordinierte und effektive diplomatische Maßnahmen, um auf die Konfliktparteien insgesamt einzuwirken.

(Beifall bei der SPD)

Was wir an Land brauchen, sind abgestimmte und langfristige Programme, die zur Lösung der unhaltbaren politischen Zustände in Somalia beitragen können.

Ein Beispiel für die wirksame Bekämpfung der Piraterie findet sich in Asien. Als die Zahl der Überfälle vor den Küsten Indonesiens vor einigen Jahren rasant zunahm, konnte die Gewalt auf See durch wirtschaftlichen Wiederaufbau in den betroffenen Gebieten, gute Regierungsführung, ein Friedensabkommen für Aceh und die Zusammenarbeit der Nachbarstaaten beim Küstenschutz zurückgedrängt werden.

(Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Genau!)

Eine vergleichbare Strategie muss auch am Horn von Afrika verfolgt werden. Das wäre langfristig der beste und erfolgversprechendste Schutz vor den Auswirkungen der Piraterie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE))

Derzeit - davor drücken Sie sich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion - ist dieser Weg aber nicht leicht begehbar. Zu tief ist die innenpolitische Zerrüttung, und zu groß sind die Gegensätze der Nachbarstaaten.

Die Bundesregierungen haben zusammen mit anderen Ländern immer wieder versucht, die politischen Verhältnisse zugunsten von Zusammenarbeit und Ausgleich zu beeinflussen. Leider waren die Anstrengungen aller Bundesregierungen bisher nicht erfolgreich. Dennoch möchte ich uns gemeinsam ermutigen und auffordern, auch in Zukunft nichts unversucht zu lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat einen ausgewogenen, angemessenen und gut begründeten Antrag vorgelegt. Deutschland sollte sich an der Mission "Atalanta" beteiligen, weil die Verbesserung der humanitären Situation in Somalia, die Sicherung der Seewege und der Respekt gegenüber einer Anfrage der Vereinten Nationen auch in unserem, im deutschen Interesse sind. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält nun die Kollegin Birgit Homburger, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Birgit Homburger (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Wochen viel über das Piraterieproblem am Horn von Afrika diskutiert. Ich denke, wir sollten uns in der heutigen Debatte auch einmal über die Frage unterhalten, wie dieses Problem eigentlich entstanden ist. Es ist entstanden, weil in Somalia seit über 15 Jahren eine staatliche Ordnung fehlt. Dieser rechtlose Zustand wurde durch asiatische, aber auch durch europäische Staaten ausgenutzt, indem in somalischen Hoheitsgewässern illegal Müll verklappt wurde und beispielsweise die Fischbestände massiv reduziert wurden, wodurch auch die Chancen somalischer Fischer auf Ernährung ihrer Familien gesunken sind. Davon hat die Welt in den letzten Jahren nicht oder nur schlaglichtartig Kenntnis genommen. Jetzt, wo die Seehandelsrouten betroffen sind, wird das Problem erkannt. Ich bin der Auffassung, dass wir in der Politik alles dafür tun sollten, dass an solchen Stellen ein Frühwarnsystem installiert wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir beobachten ein Phänomen: Aus einer anfänglich wilden, unorganisierten Piraterie ist zwischenzeitlich eine organisierte Piraterie entstanden, mit logistischen Basen an Land, mit größeren Schiffen, sogenannten Mutterschiffen, als Einsatzplattform und vielen kleinen Einsatzbooten, die letztlich Schiffe kapern. Ob allerdings die strategische Planung für Schiffskaperungen noch vor Ort oder längst in anderen Staaten stattfindet, ist unklar. Ob Piraten mit der international organisierten Kriminalität oder schon mit dem internationalen Terrorismus, mit al-Qaida, zusammenarbeiten, ist nicht endgültig geklärt. Aber die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion geantwortet, dass das zumindest nicht auszuschließen sei. Ich füge hinzu: Es spricht manches dafür.

Fakt ist: Die Strukturen verändern sich, Herr Minister, und zwar rasant. Ich möchte, dass die Bundesregierung und die internationale Staatengemeinschaft das nicht ignorieren, sondern es intensiv beobachten, versuchen, dieses Phänomen wahrzunehmen, und, bevor sich der internationale Terrorismus dort endgültig und dauerhaft festsetzt, gemeinsam Gegenstrategien entwickeln. Das ist die Aufgabe für die Zukunft.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, sagen: Wenn heute das Mandat beschlossen wird, dem die FDP-Bundestagsfraktion mit großer Mehrheit zustimmen wird, dann sind Sie nicht am Ende,

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Sicher nicht!)

sondern erst am Anfang des Weges zur Bekämpfung der internationalen Piraterie und ihrer Ursachen.

(Beifall bei der FDP)

Das hat unserer Ansicht nach mehrere Konsequenzen für das Mandat. Herr Minister, die Bundesregierung sagt, es sei ein robustes Mandat. Wenn das so ist, dann wollen wir, dass dieses robuste Mandat auch umgesetzt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Es geht hier nicht nur darum, Schiffe zu begleiten, sondern auch darum, Piraterie zu bekämpfen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn die Herren Minister Steinmeier und Jung in einem Schreiben an die Fraktionen mitteilen, primäres Ziel sei nicht die Festnahme piraterieverdächtiger Personen, sondern das Schwergewicht der Operation liege auf der Verhütung seeräuberischer Handlungen, und wenn der Kollege Mützenich hier ausführt, das sei vorrangig eine humanitäre Aktion, dann möchte ich Ihnen sehr deutlich sagen: Das Mandat lässt die Bekämpfung der Piraterie zu, und wir bitten Sie, das jetzt nicht politisch einzuschränken.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben jetzt schon eine Situation, in der unter der Operation Enduring Freedom am Horn von Afrika Piraterie bekämpft werden kann. Die deutsche Marine durfte daran bisher nicht teilnehmen, weil Sie es nicht zugelassen haben, meine Damen und Herren von der Regierung, obwohl Deutschland das Seerechtsabkommen längst ratifiziert hat.

(Beifall bei der FDP)

Damit haben Sie den Soldatinnen und Soldaten vor Ort das Leben schwer gemacht. Außerdem haben Sie die deutsche Marine mit diesem Verhalten ziemlich blamiert.

Deshalb sagen wir Ihnen deutlich, dass die Bekämpfung der Piraterie für uns mindestens ein gleichrangiges Ziel ist. Nachdem dieses Mandat beschlossen worden ist, möchte ich nicht mehr lesen müssen, die Piraten hätten abgedreht, seien aber nicht verfolgt worden. Es geht nicht nur darum, Piraten zu verjagen, sondern es geht auch darum, Piraten zu jagen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP - Unruhe bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Grenzüberschreitender internationaler Terrorismus ist von Piraterie und organisierter Kriminalität oft nicht mehr zu unterscheiden. Deshalb sagen wir Ihnen sehr deutlich: Es kann nicht sein, dass wir auf Dauer zwei oder drei Operationen vor Ort haben.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nach der Operation Enduring Freedom wird nun die Operation "Atalanta" beschlossen. Die NATO plant, ab Februar 2009 mit demselben Auftrag wieder vor Ort zu sein. Das Seegebiet überschneidet sich weitgehend. Nach Auffassung der Regierung war es bisher nicht möglich, unter der Operation Enduring Freedom Piraterie zu bekämpfen. Zukünftig soll es allerdings möglich sein, dass die deutsche Fregatte vor Ort kurzfristig in die Operation "Atalanta" einbezogen wird. Das heißt, dasselbe Schiff darf unter einem neuen Mandat genau das, was Sie ihm bisher nicht zugestanden haben. Das ist ein Treppenwitz der Geschichte, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiterer Punkt. Es ist international darauf zu drängen, dass unter Piraterieverdacht stehende Verhaftete nicht im Rahmen des nationalen Rechts der Strafverfolgung zugeführt werden. Sie sollten nach Auffassung der FDP-Fraktion vielmehr an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt werden oder aber notfalls an einen neu zu schaffenden internationalen Gerichtshof, der für die Bekämpfung von Piraterie zuständig ist. Es kann auf Dauer nicht richtig sein, dass der Piraterie verdächtige Personen unter verschiedenem Recht abgeurteilt werden und diese versuchen, sich auszusuchen, von wem sie aufgegriffen werden. Das kann nicht das Ziel sein. Deshalb müssen Sie hier tätig werden.

Ich sage zum Schluss: Wenn die internationale Gemeinschaft nicht auch Wert auf die politische und wirtschaftliche Stabilisierung Somalias legt, dann wird dies ein Endloseinsatz ohne Perspektive. Das wollen wir nicht. Mit Soldaten allein ist dieses Problem nicht zu lösen. Das gilt auch für die neue Resolution, die jetzt im UN-Sicherheitsrat beschlossen worden ist. Es müssen die Ursachen bekämpft werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Bundesregierung, das ist Ihre Aufgabe. Wir sehen Sie in der Pflicht, hier die Initiative zu ergreifen, damit insgesamt eine Stabilisierung der Region erreicht wird und hier auf Dauer eine Lösung geschaffen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Eckart von Klaeden ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Sosehr es mich freut, dass die FDP-Fraktion dem Mandat mit großer Mehrheit zustimmen wird, so sehr muss ich aber auch sagen, dass Sie sich mit Ihrer Kritik an der Koalition und der Bundesregierung deutlich verrannt haben.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Nein! Nicht schon wieder!)

Es ist ein neuer Zug in der Politik der FDP, dass Sie die Prävention gegen die Repression, dass Sie die Verhinderung von Straftaten gegen die Verfolgung von Straftaten ausspielen wollen,

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Wir wollen beides!)

wie es gerade die Kollegin Homburger getan hat. Sie hat sinnentstellend aus dem Schreiben zitiert und dabei beklagt, dass angeblich der Schwerpunkt nicht ausreichend auf die Strafverfolgung, sondern dass zu viel auf die Prävention, auf die Verhinderung von Piratenangriffen gelegt wird. Lesen Sie die Rede der Kollegin einmal nach! Das ist doch ein deutliches Verrennen der FDP.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Das ist unerhört von Ihnen!)

Zu beklagen, dass mit dem Mandat für den Einsatz derselben Fregatte eine klare und unmissverständliche Rechtsgrundlage geschaffen wird, ist wirklich ein neuer Zug in der Rechtsstaatspartei FDP.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Sie haben vergessen: wirtschaftsfreundliche Rechtsstaatspartei!)

- Herr Kollege Westerwelle, wenn Sie die Dinge nicht verstanden haben, können Sie gerne eine Zwischenfrage stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Ich bin halt ein bisschen dümmer!)

Stellen Sie eine Zwischenfrage, wenn Sie Aufklärungsbedarf haben!

Meine Damen und Herren, die Verschränkung von innerer und äußerer Sicherheit ist gerade an der intensiven Diskussion über das "Atalanta"-Mandat exemplarisch deutlich geworden. Wir haben es bei diesen Formen der Piraterie oder des transnationalen Terrorismus mit neuen Gefahren und alten Gefahren in neuem Gewand zu tun. In den Zeiten des Kalten Krieges haben wir uns darauf beschränken können, unseren Anteil zur kollektiven Territorialverteidigung im NATO-Bündnis zu leisten. Heute müssen auch wir unseren angemessenen Beitrag dazu leisten, dass NATO und ESVP ihre geografisch über Europa hinausgehenden Aufgaben erfüllen können. Der langwierige und schwierige Diskussionsprozess zeigt, dass wir in Deutschland noch ein Stück weit von dieser Normalität entfernt sind.

Dabei haben wir als weltweit größte Exportnation ein besonderes Interesse an der Sicherung der Welthandelswege insbesondere auf See. Das gilt besonders für die Route durch den Golf von Aden, die in zunehmendem Maße von Piraten bedroht wird. Piraterie ist sicherlich kein neues Phänomen, wie wir alle wissen. Aber seit den 90er-Jahren wird sie als eine internationale Bedrohung angesehen. Sie ist nicht nur auf die Seegebiete um das Horn von Afrika beschränkt, auch wenn wir in dieser Diskussion unseren Fokus auf diese Region richten.

Die amerikanische RAND Corporation hat festgestellt, dass es in den Jahren 2000 bis 2006 insgesamt 2 463 durchgeführte oder versuchte Angriffe von Piraten auf See gegeben hat. Dies ergibt im Durchschnitt 352 Fälle pro Jahr im Vergleich zu 209 Fällen in den Jahren 1994 bis 1999. Dies ist ein Anstieg von nahezu 75 Prozent. Zusätzlich hat das International Maritime Bureau in Malaysia festgestellt, dass man davon ausgehen muss, dass die Zahl der Angriffe um 50 Prozent höher liegt, weil aus verschiedenen Gründen Überfälle nicht gemeldet werden.

Was sind die zentralen Faktoren, die zu diesem Anstieg der Piraterie geführt haben?

Das ist erstens das massive Anwachsen des Seehandels im Zuge der Globalisierung, was mit einer höheren Zahl an Überseehäfen einhergeht.

Es ist zweitens die hohe Dichte des Schiffsverkehrs insbesondere in schmalen Seefahrtsstraßen wie der Straße von Malakka, aber auch der weniger bekannten Straße Bab al-Mandab am Ausgang des Roten Meeres zwischen Jemen, Eritrea und Dschibuti. Diese Meerengen zwingen die Schiffe dazu, ihre Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren, und machen sie dadurch zu einer leichten Beute für Piratenangriffe.

Es ist drittens die Schwäche vieler Küstenstaaten. Über die fehlende Stabilität in Somalia ist hier schon vieles gesagt worden. Das gilt aber leider auch für Eritrea und Jemen und - in Südostasien - für Indonesien, also für Staaten, die sich schwertun, ihre Küsten zu sichern.

Es ist viertens die mit der fehlenden Staatlichkeit eng verknüpfte katastrophale wirtschaftliche Lage in vielen dieser Länder und Gebiete. Junge Männer ohne legale Erwerbsmöglichkeiten, aber im Umgang mit Waffen, kleineren Schiffen und Booten vertraut, sind eben ein ideales Rekrutierungspotenzial für Piraterie. In diesen Ländern und Regionen hat sich die Piraterie zu einem lukrativen Wirtschaftszweig entwickelt.

Wie stark die Piraterie und die wirtschaftliche Lage in diesen Ländern zusammenhängen, haben wir im Rahmen der Asienkrise Ende der 90er-Jahre beobachten können, die unter anderem in Indonesien zum Sturz von Präsident Suharto geführt hat. Als Indonesien ganz besonders von dieser Krise betroffen war, ist die Piraterie in dieser Region sprunghaft angestiegen.

Was sind die besonderen Gefahren, die mit diesem höheren Ausmaß an Piraterie verbunden sind?

Es ist zunächst die Gefahr für das Leben der Schiffsbesatzungen. Nach dem bereits von mir zitierten International Maritime Bureau ist es allein in den Jahren 2005 und 2006 bei 515 erfolgten Piratenangriffen zu 54 Opfern gekommen. Es sind 54 Menschen entweder getötet oder verletzt worden.

Es sind zum Zweiten die großen volkswirtschaftlichen Kosten: einmal durch direkte Verluste und Lösegeldzahlungen, aber auch durch indirekte Effekte wie höhere Risikoprämien oder die Inkaufnahme längerer Routen. Sie wissen, dass einige Reeder ihre Kapitäne angewiesen haben, das Rote Meer und den Suezkanal zu meiden und stattdessen um das Kap der Guten Hoffnung zu fahren.

Drittens sind es die negativen Auswirkungen auf die Heimatstaaten, aus denen die Piraten kommen. Piraterie führt zu einer weiteren Unterminierung und Schwächung der Legitimität von Regierungen und Institutionen durch die von ihr ausgehende korrumpierende Wirkung auf staatliche Bedienstete. Deswegen besteht eine Wechselwirkung zwischen der Schwächung und dem Zerfall von Staaten unter Piraterie. Es ist nicht so monokausal, wie es hier von der Vorrednerin dargestellt worden ist, sondern es besteht eine Wechselwirkung zwischen der Piraterie einerseits und der Destabilisierung, dem Zerfallen von Staaten andererseits. Ohne Bekämpfung der Piraterie wird es auch keine Chance geben, tatsächlich zu einer Stabilisierung dieser Staaten zu kommen.

Die vierte große Gefahr, die ich hier nicht unerwähnt lassen möchte, ist die, dass große ökologische Katastrophen drohen, wenn ein Tanker wie die jetzt entführte saudische Sirius Star in Brand gesetzt würde und sinken sollte.

Was ist zu tun? - Zunächst einmal geht es in der Tat um den Schutz von Schiffen und die Abschreckung von Piratenangriffen in der gegenwärtigen akuten Bedrohungslage am Horn von Afrika. Deswegen ist die Mission ?Atalanta? auch mit diesem Mandat und mit dieser Aufgabenstellung richtig und wichtig. Denn die Alternative, dass wir auf die Sicherheit der Seeschifffahrtswege verzichten oder unseren Seeschifffahrtsverkehr einschränken, kann wirklich nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass der Containerverkehr die Hauptschlagader des Welthandels ist, von dem auch insbesondere unser Land profitiert.

Es gibt aber eine Reihe weiterer konkreter Maßnahmen, die ergriffen werden können. Dazu gehört erstens, die Sicherheit an Bord zu verbessern, um Piratenangriffe zu vereiteln, zum Beispiel durch eine bessere Kommunikation zwischen den Schiffen und durch mehr Schutz durch die mit der Seeschifffahrt befassten Stellen in den Küstenstaaten.

Zweitens gehört dazu, die Küstenstaaten selber mehr in die Lage zu versetzen, für Seesicherheit zu sorgen.

Drittens sollte das Piracy Reporting Centre des International Maritime Bureau in Malaysia ausgebaut und die Möglichkeiten zur Lagebilderstellung verbessert werden.

Viertens ist eine Stärkung und Verbesserung des Hafenmanagements ganz besonders wichtig. Denn der größte Teil der Piratenangriffe erfolgt nicht auf hoher See und auch nicht in den Küstengewässern, sondern in den Häfen selbst.

Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland ist nach Art. 100 des Seerechtsübereinkommens verpflichtet, an der Bekämpfung von Seeräuberei und Piraterie auf hoher See mitzuwirken. Dieser Verpflichtung kommt die Bundesregierung und kommt der Bundestag durch die Zustimmung zu dem "Atalanta"-Mandat nach. Ich darf alle, die sich auch diesem Auftrag des Völkerrechts verpflichtet fühlen, bitten, dem Antrag der Bundesregierung zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Paul Schäfer, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Piraten am Horn von Afrika sind nicht die Robin Hoods der Neuzeit, auch wenn sie zum Teil aus Fischern rekrutiert werden, denen man die Existenzgrundlage geraubt hat. Wir haben es heute mit organisierter Kriminalität zu tun, der man entgegentreten muss.

Was den deutschen Beitrag anbetrifft - darüber haben wir hier zu entscheiden -, so muss er sich im Rahmen der Verfassung bewegen; er muss effektiv zu einer Problemlösung beitragen, und er muss nachhaltig wirken.

Es ist schon gesagt worden: Die Piraterie am Horn von Afrika erwächst aus dem tiefgreifenden Zerfall staatlicher Strukturen in Somalia und dem damit gegebenen Freiraum für lokale Kriegsherren und Gewaltkriminelle. Diese Herrschaften sind durch Waffenschmuggel, Menschenhandel vor allem am Golf von Aden groß geworden und haben seit einiger Zeit die Piraterie als lukrative Geldquelle entdeckt. Alles übrigens unter den Augen einer beachtlichen Marinepräsenz der NATO und der 5. Flotte der US-Marine.

(Beifall bei der LINKEN)

Ohne nachdrückliche Erfolge bei der Bekämpfung der Probleme an Land wird es nicht gehen. Das sagen alle. Auch alle Dokumente belegen das. Worüber beschließen wir aber hier? Über die Entsendung von Kriegsschiffen.

Um es noch einmal klarzustellen: Piraten müssen bekämpft werden; Piratenbekämpfung ist Kriminalitätsbekämpfung. Kriminalitätsbekämpfung ist nicht nur nach unserer Verfassung eine polizeiliche Aufgabe. Das ist für uns nicht nur ein abstrakter, dogmatischer Grundsatz. Wir haben seit 2001 bittere Erfahrungen gemacht und wissen, was passiert, wenn man ein Kriminalitätsproblem, Terrorismus, zu einem Kriegsproblem umdefiniert.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Davor warnen wir.

Starrköpfig sind wir auch an einer anderen Stelle: Die Durchsetzung des Völkerrechts - hier: des Seerechtsübereinkommens - ist für uns bei den Vereinten Nationen, bei den Regionalorganisationen und bei den Anrainerstaaten angesiedelt. Davon gehen wir nicht ab.

Was schlagen wir vor?

(Zuruf des Abg. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

- Herr Kollege, hören Sie erst einmal zu. - Erstens. Die Linke befürwortet den raschen Aufbau einer internationalen Küstenwache unter Führung der UNO in enger Abstimmung mit der Afrikanischen Union. Deutschland sollte sich mit den Mitteln der Bundespolizei beteiligen und finanzielle Unterstützung leisten. Der Leiter der Bundespolizei See hat jüngst zu Recht erklärt, dass die Polizei zur internationalen Pirateriebekämpfung befugt ist und die Bundespolizei grundsätzlich über die für die Piratenbekämpfung erforderlichen Mittel und Fähigkeiten verfügt. Unter bestimmten Voraussetzungen, so hat er gesagt, gilt das auch im Falle Somalias. Wir reden hier nicht über Schlauchboote. Die Bundespolizei hat durchaus hochseetaugliche Schiffe. Außerdem hat sie Erfahrungen mit dem Aufbau von Küstenwachen gesammelt, zum Beispiel jüngst in Katar.

Man mag über eine solche Konzeption ja diskutieren können, beklemmend finde ich aber, dass diese Option gar nicht in Erwägung gezogen wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Es heißt wie so oft: Wir haben ein Gewaltproblem. Fregatten und Korvetten: Leinen los! Das macht die Linke nicht mit.

Der Vorschlag der Linken ist nicht so weit aus der Welt, wie viele von Ihnen vielleicht denken. Die Vereinten Nationen wären in der Lage, eine solche Mission schnell zu beschließen. Andere europäische und afrikanische Staaten könnten mithelfen. Ich habe mir die Zahlen genau angesehen.

Was auch hilft, ist ein Blick auf die andere Seite Afrikas. Man muss vom Tunnelblick auf das Militärische wegkommen. Die an den Golf von Guinea angrenzenden Küstengebiete werden von der Piraterie ähnlich stark heimgesucht wie Somalia. Vor mehr als einem Jahr haben die Internationale Seeschifffahrtsorganisation und die 24 Staaten der Seeschifffahrtsorganisation West- und Zentralafrikas begonnen, ein umfassendes Konzept zur Verbesserung der Seesicherheit umzusetzen, um illegalen Fischfang, Schmuggel und Piraterie zu unterbinden. Die UNO und auch Versicherungsunternehmen sind eingebunden. Dieses Projekt scheint Erfolge zu verzeichnen.

(Dr. Rolf Mützenich (SPD): Es sind andere Rahmenbedingungen!)

- Ich weiß, dass man das nicht eins zu eins auf Somalia übertragen kann. Deshalb sagen wir: mithilfe der Bundespolizei und anderer europäischer Staaten. Das muss substituiert werden. Das Grundkonzept ist aber vernünftig. Es ist vor allen Dingen deshalb vernünftig, Kollege Mützenich, weil es auf eine regionale Konfliktlösung fokussiert ist und die Überleitung zu einer somalischen Lösung beinhaltet; denn ohne eine Küstenwache Somalias wird es nicht gehen. Wie lange wollen Sie Ihre Hochseeflotte denn dort stationieren?

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Was kann man damit erreichen? Man kann die Zugänge zu wichtigen Häfen offenhalten - das ist wichtig für die Hilfslieferungen -, man kann Aufklärung über die Küstenstützpunkte der Piraten betreiben - der Kollege von Klaeden hat darauf hingewiesen, dass vor allen Dingen da Angriffe stattfinden -, und man kann den Piraten den Rückzug verlegen, was besser ist als das Katz-und-Maus-Spiel auf offener See. Das alles ist mit polizeilichen Mitteln zu machen.

Also noch einmal: Sie sollten den Tunnelblick auf das Militärische überwinden und nach dauerhaften Lösungen suchen! Der Militäreinsatz setzt auf Abschreckung. Das hilft bei den Personengruppen, von denen wir hier reden, aber herzlich wenig. Einen flächendeckenden Schutz können Sie nicht gewährleisten. Sie gaukeln der Öffentlichkeit etwas vor. Die Piraten werden dort hingehen, wo die Fregatten nicht sind. Außerdem haben Sie nicht genug Schiffe, um die Handelsschiffe zu eskortieren, obwohl es doch vor allem um diese geht.

Ich frage mich: Woher nehmen Sie eigentlich die Zuversicht, dass diese robuste Militäroperation die Piraterie beenden kann? Elf Kriegsschiffe, sprich: Fregatten, sind bereits in dem Gebiet, von dem wir reden. In den letzten 48 Stunden sind vier Schiffe gekapert worden. Woher nehmen Sie die Gewissheit?

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Wir haben nicht die Gewissheit!)

Unser zweiter Vorschlag ist, alle diplomatische Kraft auf eine politische Stabilisierung Somalias zu richten. Das heißt im Kern, darauf einzuwirken, dass im Land eine Regierung gebildet wird, die sich auf relevante Teile der Bevölkerung stützen kann und die nicht von Korruption durchsetzt ist.

Wie wichtig eine funktionierende Regierung ist, hat die sogenannte Union Islamischer Gerichte 2006 gezeigt. Das hatte nichts mit Good Governance, mit guter Regierungsführung in unserem Sinne zu tun. Es hat aber gezeigt, dass schnelle Erfolge möglich sind, wenn man das Problem landseitig angeht. Die Piraterie war eingedämmt.

(Kurt Bodewig (SPD): Wollen Sie ernsthaft diese Form der Lösung?)

Das wird niemand bestreiten wollen.

Wenn Sie sagen, Somalia sei verfallen und niemand habe etwas damit zu tun gehabt, weise ich darauf hin, dass die Regierung durch äußere Einwirkung, durch eine Militärintervention gestürzt worden ist. Es gibt dort jetzt eine Regierung, die nicht in der Lage war, Akzeptanz im Lande zu entwickeln, und in der die vernünftigen Personen durch Machtbesessene blockiert werden. Dies hat die schlimme Folge - wir müssen über die Situation an Land reden -, dass die islamistischen al-Shabaab-Milizen auf dem Vormarsch sind.

(Dr. Rolf Mützenich (SPD): Wollen Sie an Land?)

Wenn jetzt, lieber Kollege Mützenich, der UNO-Sicherheitsrat beschließt, den Weg zu militärischen Operationen an Land zu öffnen, und schon Stimmen aus den USA laut werden, dass man auch diese Milizen bekämpfen will, dann schließt sich der Kreis. Da kann einem angst und bange werden. Wer wissen will, wie das enden kann, der möge sich noch einmal den Film Black Hawk Down anschauen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Militärmission, die wir hier beschließen sollen, wird in diesen Strudel hineingezogen werden, auch wenn Sie beschwörend sagen: Wir haben damit nichts zu tun, wir beschäftigen uns mit einer ganz anderen Sache.

Unser dritter Vorschlag: Unmittelbare Hilfsmaßnahmen für die somalische Bevölkerung. Dabei geht es nicht nur um humanitäre Hilfe und Lebensmittellieferungen, sondern darum, den Menschen an der Küste wieder eine eigenständige Existenz zu ermöglichen. Deshalb brauchen wir Sofortmaßnahmen gegen illegalen Fischfang. Die Verklappung von Sondermüll an den Küsten muss unverzüglich aufhören. Reintegrationsprogramme für ehemalige Fischer müssen aufgelegt werden. Hier geht es um Handlungen. Denn schon Bertolt Brecht wusste: Geschwätz macht nicht satt.

(Thomas Oppermann (SPD): Deshalb seid ihr immer so hungrig!)

"Freiheit der Meere" ist eine schöne Losung. Aber ohne eine gerechte Weltwirtschaftsordnung läuft das auf den aussichtslosen Versuch hinaus, die auf der Sonnenseite der Globalisierung dauerhaft zu privilegieren.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

- Ja, darüber reden wir jetzt hier; denken Sie es einfach einmal durch und lesen Sie vielleicht im Weißbuch der Bundesregierung die Stelle über die Sicherheitspolitik.

Wer meint, er könne die westlichen oder die nördlichen Handelsinteressen auf militärischem Weg durchsetzen, während auf der anderen Seite die sozialen und demokratischen Belange der Menschen in den Entwicklungsländern sträflich vernachlässigt werden, wird die heutigen Gewaltkonflikte nicht loswerden, nicht am Horn von Afrika und auch nicht anderswo. Im Gegenteil: Bei der Bekämpfung der Piraterie wird sich zeigen, ob man diese Lehre beherzigt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält der Kollege Jürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Bitte auch mit Filmempfehlung!)

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde schon, dass man aufmerksam zur Kenntnis nehmen muss, was Herr Schäfer hier gesagt hat. Anders als bei den Friedenseinsätzen im Sudan und anders als bei dem Friedenseinsatz im Libanon sagt die Linkspartei: Hier ist es notwendig, etwas zu tun. Die Linkspartei sagt auch: Man muss dabei gegebenenfalls Gewalt anwenden. - Das ist ein erheblicher Lernfortschritt, den Sie hier demonstriert haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Wenn Sie das aber als Ausrede nutzen wollen, jetzt wieder Nein zu sagen, dann will ich Ihnen kurz zwei Argumente nennen.

Das Erste ist, dass jeder, der sich einmal mit dem Thema Küstenwache beschäftigt hat, weiß, dass es keine Küstenwache ohne eine Stationierung an Land gibt. Das ist genau das Problem, vor dem wir hier stehen. Wir sind nachdrücklich der Auffassung, dass man in Somalia nicht an Land gehen soll, weil das eine Involvierung in den Krieg dort bedeuten würde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Das ist nicht zwangsläufig!)

Zweites Argument. Wenn Sie sagen, das alles solle durch Polizei gemacht werden - Ihr Kronzeuge geht übrigens davon aus, dass die Bundespolizisten auf den Schiffen der Bundesmarine mitfahren -,

(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

dann frage ich Sie: Wollen Sie ernsthaft eine Polizei, die mit solchen militärischen Mitteln ausgestattet ist, um in der Lage zu sein, ein Seegebiet von 500 mal 500 Kilometern zu überwachen?

(Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Das ist doch heute schon so!)

Jedenfalls mit meinem Verständnis von Polizei ist diese Vorstellung nicht zu vereinbaren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir als Grüne werden diesem Mandat der Bundesregierung mehrheitlich zustimmen. Der Einsatz ist notwendig. Piraten haben 14 Schiffe mit 280 Seeleuten aus 25 Nationen in ihrer Gewalt. Es geht hier um die Durchsetzung kollektiven Rechts. Es geht auch um die Durchsetzung des Prinzips der Sicherheit der Meere, und es geht ebenfalls darum, den Schutz der Schiffe, etwa der des World Food Programme, sicherzustellen.

Wir alle wissen, dass es dazu nur wenige vertretbare Alternativen gibt. Wollen Sie die Sicherung der Schifffahrtswege privaten Firmen wie Blackwater überlassen? Wollen Sie sie unilateralen Militäraktionen überlassen? Nein, das kann nicht sein. Deswegen sagen wir: Dieses Mandat ist völkerrechtlich völlig korrekt und klar legitimiert. Wir halten auch die rechtlichen Voraussetzungen nach dem Grundgesetz für erfüllt. Und: Wir stellen fest, dass es sich um eine gemeinsame Operation der Europäischen Union handelt.

Diese gemeinsame Aktion beinhaltet auch klare Regeln, wie vorzugehen ist. Sie bezieht sich ausdrücklich auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Ich sage an dieser Stelle mit allem Nachdruck: Diese gemeinsame Aktion verbietet solche Praktiken, wie sie die Dänen angewendet haben, als sie Piraten aufgegriffen und im Jemen am Strand ausgesetzt haben. Das ist mit dem Völkerrecht nicht vereinbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, gerade gegenüber der Bundesregierung haben wir allerdings auch Kritik zu üben und ihr Fragen zu stellen. Ich will deutlich sagen: Ich finde die politische Abstinenz im Hinblick auf die Lösung des Konflikts, die Sie, Herr Bundesaußenminister, aber auch die Bundesregierung insgesamt in den letzten Jahren demonstriert haben, vor diesem Hintergrund nicht akzeptabel. Auch wir wissen, dass ein gescheiterter Staat wie Somalia nicht von heute auf morgen zu einer Demokratie wird. Aber wir hätten von Ihnen, von der Bundesregierung, zumindest erwartet, dass Sie den Antrag, den die Fraktionen dieses Hauses gemeinsam beschlossen haben, ernsthaft und mit Nachdruck umsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie des Abg. Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE))

Dieses Haus hat die Bundesregierung gemeinsam aufgefordert, an politischen Initiativen zur Lösung des Grenzkonflikts zwischen Äthiopien und Eritrea mitzuwirken. Sie sind aufgefordert worden, Initiativen für einen regionalen Dialog zu ergreifen. Dieses Haus hat gesagt - an diesem Punkt schließe ich mich Herrn Schäfer an -, dass Sie mit dem politischen Islam in Somalia endlich differenziert umgehen müssen. Dort sind nicht alle gleich Dschihadisten, nur weil sie sich als islamisch Orientierte verstehen.

Ich frage Sie: Was haben Sie gemacht? Haben Sie die Rolle, die Deutschland bei der Lösung des Grenzkonflikts zwischen Äthiopien und Eritrea spielen könnte, wirklich genutzt? Nein! Haben Sie sich als deutsche Bundesregierung dafür eingesetzt, dass nicht Schiffe aus der EU die Fischgründe vor Somalia leerfischen und dort in Absprache mit lokalen Warlords ihren Müll verklappen? All das ist nicht passiert. Ich sage das deshalb mit diesem Nachdruck, weil das kein Argument gegen die ?Atalanta?-Mission ist - sie ist notwendig. Die Frage, ob diese politischen Initiativen ergriffen werden, werden für den Erfolg von "Atalanta" entscheidend sein. Daran wird sich entscheiden, ob daraus eine Neverending Story oder eine erfolgreiche Mission wird, die auch zum Abschluss gebracht wird. Deswegen müssen Sie hier handeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt zu den anderen Bereichen, in denen Sie herumeiern. Frau Homburger hat bereits auf das Flaggenwirrwarr hingewiesen. Mit der Bekämpfung von al-Qaida zwischen den Seychellen und dem Horn von Afrika ist es ja nicht sehr weit her. Deswegen haben Sie jetzt einen Mechanismus entwickelt, der ermöglicht, dass OEF-Einheiten fallweise auch im Rahmen von "Atalanta" agieren können.

Ich hätte mir gewünscht, lieber Herr Bundesaußenminister, dass Sie hier mehr Mut bewiesen hätten. Schauen Sie der Realität ins Auge! Sagen Sie: Der OEF-Einsatz ist in dieser Form überflüssig. Wir brauchen diese Fregatte aber dort, wo es notwendig ist, und zwar zur Bekämpfung der Piraten. - Unterstellen Sie diesen Einsatz komplett diesem Mandat der Vereinten Nationen und der EU, und hören Sie mit Ihrem Herumeiern, was Sie mit dem Mandat vorhaben, und mit Ihrem permanenten Aus- und Einflaggen auf!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



In einem anderen Punkt demonstriert die Koalition von CDU/CSU und FDP ihre offenkundige -

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP - Dirk Niebel (FDP): Erst nach der Wahl! - Ernst Burgbacher (FDP): Ja, erst in ein paar Monaten! Ein bisschen müssen Sie sich noch gedulden, Herr Kollege!)

- Ich wollte sagen: die Koalition von CDU/CSU und SPD. Herr Niebel, da Sie gerade "Erst nach der Wahl!"" gerufen haben: Es wird wohl nicht die Mehrheit werden.

(Dirk Niebel (FDP): Abwarten!)

Ein anderer wichtiger Punkt ist die Frage: Wie geht man mit Gefangenen um? Nach den Beratungen in den Ausschüssen ist klar, dass Personen, die festgehalten werden, selbstverständlich nach rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Grundsätzen zu behandeln sind. Auch wenn es keinen verfolgungsbereiten rechtsstaatlichen Drittstaat gibt, ist klar, was mit den Gefangenen zu passieren hat: Im Zweifel müssen sie hier vor Gericht gestellt werden.

Wir haben Sie gefragt: Wie läuft denn das? Was passiert denn da? - Sie haben gesagt: Eine Strafverfolgung in Deutschland kommt nur infrage, wenn durch solche Angriffe deutsche Interessen direkt berührt werden, wie etwa deutsche Staatsangehörige oder Schiffe. - Ich habe dazu noch eine Nachfrage: Was ist das für eine Definition des deutschen Interesses? Werden Sie einen Piraten, der beispielsweise gegen ein Schiff des World Food Programme vorgeht, der sich also sozusagen gegen etwas vergeht, was die höchste Priorität bei den Gründen für diesen Einsatz besitzt - das steht in der ersten Ziffer der gemeinsamen Aktion; das ist die erste Ziffer in Ihrem Mandat -, anschließend laufen lassen, oder werden Sie ihn dorthin bringen, wo er hingehört, nämlich vor ein ordentliches Gericht? Im Zweifelsfall heißt das: Werden Sie ihn in Hamburg vor Gericht stellen? Dieser Frage sind Sie bis heute ausgewichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen auch sagen, warum: In Ihrer Koalition glaubt der Teil der CDU/CSU, dass es einen neuen Aufruf darstellt, hier in Deutschland Asyl zu suchen, wenn man die Strafverfolgung rechtsstaatlich vollzieht. Sie tun so, als würden die Somalis in Somalia jetzt auf die Boote springen und rufen: Hallo, ich bin ein Pirat; nehmt mich fest, damit ich nach Deutschland komme. - Absurd!

Ich finde, wer es ernst meint mit seiner Gegnerschaft zu nichtrechtsstaatlichen Verfahren und mit seiner Ablehnung von Guantánamo, der muss nachdrücklich dafür eintreten, dass Menschen, die sich solch schwerer Verbrechen schuldig machen - wie Angriffe auf Schiffe des World Food Programme bzw. der Piraterie vor Somalia -, in einem ordentlichen Verfahren vor Gericht gestellt werden.

Wenn das im Zweifelsfall nur vor einem deutschen Gericht geschehen kann, dann muss das in Deutschland auch passieren. Dazu sollten gerade Sie als CDU/CSU sich mit Nachdruck bekennen. Ich habe gedacht, Sie seien die Partei der inneren Sicherheit, aber Sie scheinen offensichtlich gewillt zu sein, Schwerverbrecher lieber laufen zu lassen, anstatt sie einem ordentlichen Gerichtsverfahren zuzuführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Trittin als Gangsterfänger! Oh weh!)



- Herr Kauder, ich freue mich ja, dass Sie das trifft.

Sie werben hier um die Zustimmung des Bundestages. Ich finde, Sie haben in der Begründung dieses Antrages viel Herumgeeiere demonstriert. Ich sage Ihnen aber auch: Meine Partei bekennt sich nachdrücklich zum Primat der Vereinten Nationen. Wir möchten nicht, dass Deutschland abseits steht, wenn die Vereinten Nationen gemeinsam darangehen, ein schwerwiegendes Problem zu lösen. Wir Grünen sind überzeugte Europäer. Wir möchten, dass Europa in der Außenpolitik gemeinsam handlungsfähig ist. Dazu kann Deutschland in diesem Fall einen Beitrag leisten. Das ist für uns der überragende Grund, warum wir an dieser Stelle trotz des Herumgeeieres der Bundesregierung zustimmen werden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Oppermann (SPD))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Rainer Arnold, SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Rainer Arnold (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In Stuttgart läuft zurzeit eine Ausstellung über Piraterie. Sie wird von Schülern und Schulklassen sowie von Kindern überrannt, die dort ihren Geburtstag feiern. Dieses romantisierende Bild der Seeräuber, die Ruhm erreichen und Geld und Gold stehlen, hat sich in den Köpfen festgesetzt.

Wir reden aber über etwas anderes, nämlich über organisierte Kriminalität. Die Drahtzieher sitzen in ihren Villen in Somalia, bewegen sich in den internationalen Hotels der Welt und steuern ihre Geldströme. Es werden Menschen als Geiseln genommen und nicht nur Reedereien erpresst, sondern ganze Nationen und Länder werden erpressbar.

Herr Kollege Schäfer, deshalb ist es absurd, uns zu unterstellen, wir würden eine schnelle und einfache Antwort geben, indem wir angesichts dieser wirklich ernsten Bedrohung Militär einsetzen, und wir würden schnell Ja zu militärischen Einsätzen sagen.

(Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Sie haben die andere Option überhaupt nicht in Erwägung gezogen!)

Wir überlegen uns bei jedem Einsatz von Streitkräften, ob er unseren Interessen entspricht, ob er ethisch begründet ist, ob er wirksam ist und ob er rechtlich auf einer sauberen Basis stattfinden kann.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der LINKEN: Ja, ja!)

Ich denke, es gibt kaum einen Einsatz, bei dem dies so sichtbar wird wie bei diesem, über den wir heute entscheiden werden.

(Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Ist es nicht!)

Ich denke, die Menschen in Deutschland verstehen sehr genau, warum es im nationalen Interesse liegt, dass wir unseren Beitrag zusammen mit anderen Nationen dort leisten. Es kann doch nicht ernsthaft sein, dass sich das Handelsland Nummer eins darauf verlässt, dass wieder einmal die anderen die Kastanien aus dem Feuer holen. Nein, wir leisten unseren Beitrag.

Der Einsatz ist ethisch begründet, weil es ohne Sicherheit in diesem Seeraum nicht gelingen wird, die notleidenden und hungernden Menschen in Somalia überhaupt zu versorgen. Es ist die Hauptaufgabe dieses Mandats, dafür zu sorgen, dass die Schiffe mit Hilfslieferungen an Land kommen. Der Einsatz ist deshalb ethisch begründet, weil Menschen in Geiselhaft genommen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine Debatte über die Rechtsfragen ist eigentlich unnötig. Dieser Auftrag ist eher doppelt mandatiert: einmal über die Resolution der Vereinten Nationen und Art. 24 unseres Grundgesetzes, der einen Beitrag in kollektiven Sicherheitssystemen erlaubt, aber auch - in der Tat - über die internationale Seerechtsübereinkunft und Art. 25 unseres Grundgesetzes, der dies legitimiert.

Nun gab es in den letzten Tagen immer wieder die Debatte: Kann dies so, wie die Marine vorgehen wird, wirklich wirksam sein? Ich finde es spannend, dass die FDP zusammen mit dem Bundeswehr-Verband das eigentlich gute Prinzip der deutschen Streitkräfte hier infrage stellt, das nämlich lautet - so wird es dort erst recht sein -: Erst denken, Frau Homburger, dann schießen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt überhaupt keinen Grund, in diesem Zusammenhang davon abzugehen. Die Marine hat alle rechtlichen Möglichkeiten, dort tätig zu werden. Sie darf abhalten, sie darf stören, sie darf schützen, sie darf stabilisieren. Laut diesem Mandat gilt: Wenn alle anderen Maßnahmen nicht funktioniert haben, dann darf die Marine auch Gewalt einsetzen.

Bringen wir das einmal auf den Punkt, Frau Homburger: Wollen Sie schon militärische Gewalt einsetzen, bevor die anderen Möglichkeiten gescheitert sind? Das heißt doch am Ende, dass Sie von diesem Mandat und dem Einsatz der Marine erwarten, dass das gute Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel aufgegeben wird. Das ist eine ziemlich absurde Debatte. Ihr Kollege Stinner hat das Bild ?vom Haifisch zum Hering? - das führt zu schönen Schlagzeilen; das ist doch klar - geprägt. Nach den Worten von Frau Homburger, Herr Kollege Stinner, nehme ich dieses Wort gern auf.

(Dirk Niebel (FDP): Jetzt seien Sie aber nicht uncharmant!)

Ich sage dann aber: vom Haifisch zum Schwertfisch. Aber gut.

Dieses Mandat wird wirksam werden. Wir haben in den Vereinten Nationen in den letzten Tagen darüber einen schwierigen Prozess erlebt. Ich glaube, es war gut, dass die UNO die Staatengemeinschaft zusätzlich auffordert, alle Maßnahmen, die im Seeraum ergriffen werden, wie ?Atalanta?, OEF und möglicherweise NATO-Schiffe, vielleicht auch noch chinesische, russische und indische Schiffe, besser zu koordinieren. Diese Forderung ist ausdrücklich zu unterstützen.

Wir unterstützen auch den Prozess, den der Außenminister bei OEF längst eingeleitet hat. Herr Kollege Trittin, es ist nicht so, dass er nichts tut. Beim neuen OEF-Mandat gab es einen wichtigen Schritt. Wir unterstützen den Außenminister bei seiner Arbeit, eines Tages so weit zu kommen, dass alle Schiffe, die in dem Seeraum unterwegs sind, unter einem Kommando fahren. Das ist das Beste. Aber hier billige populistische Forderungen zu stellen, das ist für die Opposition einfach. Deutschland ist nicht allein auf der Welt. Meistens müssen wir noch ein paar andere von unseren Plänen überzeugen. Das ist nicht immer so ganz einfach.

Nein, dieser Einsatz am Horn von Afrika ist aus unserer Sicht ohne Alternative. Was die Linke hier tut, Herr Kollege Schäfer, ist, Scheinalternativen aufzubauen.

(Beifall des Abg. Kurt Bodewig (SPD))

Sie wissen genauso gut wie wir, dass in Somalia seit 17 Jahren Anarchie herrscht und dass Diplomatie und militärische Interventionen immer wieder neu scheitern. Auch der letzte Versuch dieser Art steht in diesen Tagen wieder vor dem Scheitern. Solange es in Somalia nicht gelingt, dass sich die Menschen, also die ethnischen Gruppen und Interessen, auf einen wirksamen internen und ehrlichen Versöhnungsprozess einlassen, ist alles andere wohlfeile Rhetorik. Natürlich müssen wir dabei helfen: diplomatisch und humanitär. Aber zu glauben, dass man das von außen so einfach tun kann, ist nur eine Scheinalternative.

(Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Die Regierung ist doch von außen gestürzt worden mit westlicher Hilfe! So viel zur Scheinheiligkeit!)

Wir müssen Somalia helfen und auf See für Sicherheit sorgen. Beides gehört zusammen.

Die zweite Scheinalternative, die Sie genannt haben, bezieht sich auf die Idee der Coast Guard, des Küstenschutzes. Unabhängig davon, dass dies nicht schnell zu organisieren ist, muss Folgendes beachtet werden: Kein Land hat angesichts der terroristischen Bedrohungen an so vielen Küsten Kapazitäten frei. Das müsste nach den Beschlüssen neu aufgebaut werden, was ein jahrelanger Prozess ist. Schiffe brauchen auch gut ausgebildetes Personal. Aber selbst wenn es gelingen würde, würde das die Probleme dort nicht lösen, Herr Kollege. Diese Coast Guard würde Teil der militärisch geführten Konfrontation an dieser Küste mit den verschiedenen Gruppierungen und den Warlords, die in Somalia leider alltäglich ist.

Es würde auch aus einem zweiten Grund nicht funktionieren. Das Problem beschränkt sich nicht auf 12 bis 20 Meilen Küstenraum, sondern es erstreckt sich auf die hohe See.

(Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Das lösen Sie mit Fregatten? Viel Erfolg!)

Polizeiliche Fähigkeiten enden nun einmal auf hoher See. Das führt zu der Frage, ob Sie für die Polizei Kriegsschiffe wollen. Dann ist es besser, wenn das Militär diese Aufgabe gleich übernimmt, weil es dazu in der Lage ist und über die notwendigen Schiffe verfügt. Wir dürfen nicht länger zuschauen, Herr Kollege Schäfer. Es ist eine billige Ausrede, um einen Grund zu finden, zu diesem Mandat Nein zu sagen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Es ist billig, sich nicht damit beschäftigen zu müssen!)

Über eines sollten wir uns in diesem Hause aber einig sein: Bei den afrikanischen Konflikten ist bei aller Komplexität und bei allen Unterschieden, die es zwischen Somalia, Ruanda, Kongo und anderen gibt, eine Gemeinsamkeit festzustellen. Wir alle wissen, dass die Afrikanische Union, die zum Glück zumindest politisch zu einer einigermaßen funktionierenden Gemeinschaft geworden ist, dringend in die Lage versetzt werden müsste, Konflikte selbst zu bewältigen. Im Afrika-Aktionsplan der G-8-Staaten wurde dies bereits im Jahr 2002 formuliert.

Ich glaube, zu einer ernsthaften Debatte gehört, dass wir alle uns mehr anstrengen müssen, um den afrikanischen Staaten zusätzliche Hilfestellungen in den Bereichen Ausbildung, Technologie, militärische Aufklärung, Kommunikationstechnik und Lufttransport zu geben. Erst dann, wenn die Afrikaner technisch und vom Ausbildungsstand her selbst in der Lage sind, mit Konflikten umzugehen, werden solche Debatten im Deutschen Bundestag nicht mehr notwendig sein.

(Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Schöne Worte! - Weiterer Zuruf von der LINKEN: Geschwätz!)

- Es ist schön, Herr Kollege Schäfer, wenn wir uns darüber einig sind, dass wir dort helfen müssen.

(Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Immer wieder schöne Worte!)

Damit erkennen wir allerdings an, dass auch die Afrikanische Union über militärische Mittel verfügen muss, um mit den Konflikten in Afrika umzugehen. Ich glaube, das muss die strategische Ausrichtung der langfristigen europäischen Politik sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bin sicher, dass die Marine gut vorbereitet, gut ausgebildet und gut ausgestattet ist, um diesen Auftrag zu erfüllen. Ich bin sicher, dass das positive Bild, das die Streitkräfte insgesamt für Deutschland abgeben, von der Marine zusätzlich positiv gestaltet wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Für die FDP-Fraktion erhält nun die Kollegin Marina Schuster das Wort.

(Beifall bei der FDP)

[Marina Schuster (FDP): Im vorläufigen Protokoll fehlt der größere Teil der Rede!]

(...)
Ohne eine Einbindung der Nachbarländer wird man nicht weit kommen. Es gilt verschüttete Kommunikationswege freizulegen. Das kann die Region nicht aus eigener Kraft; denn Äthiopien, Kenia und Eritrea sind Teil des Problems. Denken wir an den Grenzstreit, der vor sich hinbrodelt! Denken wir an die unterschiedlichen Eigeninteressen der Nachbarstaaten oder an andere Akteure wie den Jemen! Es ist klar: Bei der Analyse von Ursachen und Akteuren der Krise muss stärker differenziert werden. Eine Lösung kann nicht an den teilautonomen Regionen Somaliland und Puntland sowie den gemäßigten Teilen der islamischen Opposition vorbeigehen.

Auch die wirtschaftliche Lage gibt Anlass zur Sorge. Die Lebensmittelpreise sind rasant gestiegen, um 250 Prozent innerhalb eines Jahres. Die Versorgungslage ist dramatisch. Die entscheidende Frage ist: Welche ökonomischen Alternativen kann es für die Bevölkerung vor Ort geben? Hier bedarf es eines Aufbaus der Landwirtschaft, der Strukturen und einer Wiederbelebung des Handels. Die Delegation aus Somaliland, die den Bundestag besucht hat, sucht händeringend Geschäftskontakte und wünscht sich deutsches Engagement bei der Polizeiausbildung. Auch hier habe ich keine Antworten der Bundesregierung gehört.

Es geht beim Horn von Afrika um weit mehr als um den Kampf gegen die Piraterie. Wer meint, mit dem Einsatz von Fregatten ließen sich alle politischen und wirtschaftlichen Probleme in der Region lösen, der ist wirklich auf dem Holzweg.

(Beifall bei der FDP)

Fakt ist: Ohne Sicherheit und ohne einen Aufbau staatlicher Strukturen an Land wird es keine Sicherheit auf See geben. Hier ist die Bundesregierung mit neuen politischen Initiativen gefordert. Sie hat viel zu lange untätig zugeschaut.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält nun der Kollege Ruprecht Polenz, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ruprecht Polenz (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne mit einem Zitat beginnen:

Deutschland hat aufgrund seiner immer engeren Verflechtung in der Weltwirtschaft besonderes Interesse an internationaler Stabilität und ungehindertem Warenaustausch. Wie viele andere Länder ist es in hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab abhängig und auf funktionierende Informations- und Kommunikationssysteme angewiesen. Verwerfungen im internationalen Beziehungsgefüge, Störungen der Rohstoff- und Warenströme, beispielsweise durch zunehmende Piraterie, und Störungen der weltweiten Kommunikation bleiben in einer interdependenten Welt nicht ohne Auswirkungen auf die nationale Volkswirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden.

So weit das Zitat aus dem Weißbuch der Bundesregierung. Ich habe deshalb darauf Bezug genommen, weil der Verteidigungsminister, der damals dieses Weißbuch vorgelegt hat, unter anderem wegen dieser Passage heftig kritisiert wurde. Ich möchte hervorheben: Er hat mit dieser Analyse richtiggelegen. Das, was wir heute mit großer Mehrheit im Deutschen Bundestag beschließen, ist ein Ergebnis dieser Analyse einer ganz konkreten Situation. Herr Minister Jung, ich will festhalten: Sie haben damals richtiggelegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das deutsche Interesse ist in Folgendem begründet: Wir haben weltweit die größte Containerflotte und die drittgrößte Handelsflotte. 17 Prozent des Außenhandelswertes werden über Seewege erwirtschaftet. 56 Prozent unseres Rohölbedarfs kommen über See nach Deutschland. Deshalb beteiligen wir uns nun an einer europäischen Anstrengung, in einem ganz bestimmten Bereich die Seewege zu sichern.

In der Debatte, sowohl in der ersten Lesung als auch in der heutigen abschließenden Beratung, ist viel von dem Failed State Somalia und dem Piratenproblem die Rede. Ich will daran erinnern - Herr Trittin hat ebenfalls darauf Bezug genommen -, dass wir uns vor einem Jahr im Zusammenhang mit einem mit großer Mehrheit angenommenen Somaliaantrag mit dieser Frage sehr differenziert und intensiv auseinandergesetzt haben. Wenn ich es richtig gelesen habe, ist dieser Antrag damals übrigens gegen die Stimmen der Linksfraktion bei Zustimmung aller anderen Fraktionen angenommen worden. Aber, Herr Trittin, ich habe den Antrag nicht so verstanden, als hätte der Bundestag damals die Meinung vertreten, Deutschland könne das Problem Failed State Somalia alleine stemmen. Wenn man den Ton Ihrer Rede gehört hat - vielleicht nicht, wenn man nachher im Manuskript die Worte nachliest - und die Vorwürfe an den Außenminister zur Kenntnis genommen hat, dann konnte man schon den Eindruck bekommen, Sie meinten, Deutschland könne das. - Wenn Sie mir jetzt durch Ihr Kopfschütteln recht geben, dann sind wir wieder auf der Basis des gemeinsamen Antrags. Wir können bescheidene Beiträge dazu leisten, um Somalia zu stabilisieren.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Sie leisten gar keine! Was machen Sie denn?)

- Frau Künast, auch Sie reden immer sehr hochtourig und erwecken die gleichen Eindrücke.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man wird doch mal fragen dürfen!)

Daher meine ich,

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hören Sie doch mal auf mit Ihrem psychiatrischen Gerede!)

es ist ein Gebot der Fairness, gegenüber der deutschen Öffentlichkeit nicht den Eindruck zu erwecken, es liege ein großes Versäumnis der Regierung vor. Das sollte man nicht tun, nur um die Regierung zu kritisieren, obwohl wir eigentlich alle derselben Meinung sind.

Es gibt aber noch einen Ansatz neben dem Aufbau eines Failed State und der aktuellen Piratenbekämpfung, auf den ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, weil in dieser Hinsicht mehr geschehen muss. Ich nenne das Stichwort organisierte Kriminalität; denn die Piraten brauchen ein Netzwerk an Land, um erfolgreich zu sein. Sie müssen Informationen über Schiffsrouten, Schiffsladungen, über Besatzungen und über die Abwehrmöglichkeiten, die vielleicht gegeben sind, bekommen, sie brauchen Käufer für die gestohlenen Waren, und sie brauchen gefälschte Dokumente. Ein Ansatz muss also auch die Bekämpfung der internationalen Kriminalität sein. Die Geldströme müssen unterbrochen werden. Das ist ein Aspekt, der in der internationalen Sicherheitszusammenarbeit künftig eine größere Rolle spielen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht auch darum - das ist der Frage, wie man Somalia wieder auf die Beine helfen kann, vorgelagert -, dass man zur Verbesserung der Lebensgrundlagen der Fischer etwas gegen die Umweltverschmutzung in den Gewässern vor Somalia, gegen die Verklappung und gegen die illegalen Fangflotten unternimmt.

"Atalanta" soll abschrecken. Dass das erfolgreich sein kann, haben asiatische Länder gezeigt. In der Mitte der 90er-Jahre gab es ein großes Piratenproblem in der Straße von Malakka. Dort ist es gelungen, die Zahl der Piratenüberfälle von 2003 bis 2007 um etwa zwei Drittel zu senken, weil 14 asiatische Staaten gemeinsam und gut koordiniert gegen die Piraterie vorgegangen sind.

Ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen, der mir in der Debatte zu kurz kam. Wir sprechen über ein Seegebiet von 3 Millionen Quadratkilometern. Diese Fläche ist achtmal so groß wie Deutschland. Selbst wenn wir unterstellen, dass die Schifffahrtsrouten, die man kontrollieren muss, nicht durch das gesamte Gebiet führen, ist der Ansatz der Abschreckung wahrscheinlich realistisch. Wer glaubt - das klang vorhin auch bei Herrn Schäfer ein bisschen an -, man könne jetzt jeden Piratenüberfall von vornherein verhindern

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Oder jeden festnehmen!)

und wenn das nicht gelinge, sei "Atalanta" ein Misserfolg, der legt die Latte auf eine Höhe, die mit Sicherheit nicht übersprungen werden kann. 15 Länder beteiligen sich an "Atalanta". Neben den Ländern aus der Europäischen Union sind das Indien, Pakistan, Saudi-Arabien, die USA, China und Russland. Ich finde, ein besonders positives Signal ist, dass sich Russland an der Pirateriebekämpfung beteiligt. Wir sollten das zum Anlass nehmen, in besonderer Weise mit Russland Erfahrungen auszutauschen und über Koordinierungsmaßnahmen bei der Pirateriebekämpfung zu sprechen. Das ist eine Chance, Russland in ein gemeinsames Projekt einzubeziehen. Daraus kann möglicherweise, was die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Russland angeht, mehr werden. Wir sollten die Pirateriebekämpfung als Chance begreifen und für Weiteres nutzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich habe die Länder aufgeführt, die mitmachen. Das ist praktisch die ganze Weltgemeinschaft. Man muss hinzufügen: die ganze Weltgemeinschaft, minus die Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

und das, obwohl es um die Bekämpfung organisierter Kriminalität geht, die die Rückgewinnung staatlicher Strukturen erschwert, und obwohl es um den Schutz der Ernährung der somalischen Bevölkerung geht; denn es geht vor allen Dingen um den Schutz der Schiffe des World Food Programme.

Ein letzter Punkt: Die Frage der Strafverfolgung hat auch in der heutigen Debatte und in der Diskussion um das Mandat eine große Rolle gespielt. Der Einsatz wird zweifellos etwas länger dauern. Nachdem sich aber nun alle fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates an dieser Mission beteiligen, sollte es gelingen, einen internationalen Strafgerichtshof zur Verfolgung der Piraterie einzurichten,

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar einschließlich der dann erforderlichen Strafverfolgung. Ich hoffe, dass die Bundesregierung mit ihren darauf gerichteten Anstrengungen Erfolg hat.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält nun der Kollege Kurt Bodewig, SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kurt Bodewig (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einer namentlichen Abstimmung ist es immer gut, wenn das wichtige Thema, um das es geht, von vielen aufmerksamen Zuhörern verfolgt wird. Hier geht es meines Erachtens um zwei Dinge: zum einen um die maritimen Lebensadern, etwas, was eine Exportnation wie Deutschland direkt betrifft, und zum anderen um die internationale Humanität.

Wenn rund 3,5 Millionen Menschen in Somalia existenziell bedroht sind, Lebensmittelhilfe der Weltgemeinschaft brauchen und diese durch Piraterie bedroht ist, dann ist das ein Thema, das uns alle angeht. Die Tatsache, dass 90 Prozent dieser Hilfeleistung über die Meereswege gehen, zeigt: Wir müssen aktiv werden. Das gilt umso mehr, als "Atalanta" nicht nur den humanitären Aspekt sicherstellt. Dieses Seegebiet ist die wichtigste Handelsroute zwischen Europa und Asien. Es ist ein Nadelöhr, und es ist relativ einfach, es zu schließen. 20 000 Schiffe fahren jährlich hindurch. Das heißt, wir haben hier eine Verantwortung, und zwar eine weltweite Verantwortung.

Es geht nicht darum, dass Fischer, deren Existenz zerstört worden ist, sich nun eine neue Erwerbsquelle suchen. Die Zerstörung und das Leerfischen dieser Fanggründe ist ein riesiges Problem; dafür brauchen wir eine internationale Lösung. Die Hauptursache für die Piraterie besteht darin, dass dort ein Failed State ohne staatliche Ordnungsstrukturen existiert und sich Piraterie daher immer wieder neu generieren wird. Es geht um Big Business. Nach den Statistiken der UNO werden rund 90 Millionen Euro über diesen Weg ?erwirtschaftet?. Bisher gibt es keine Rückschlüsse darauf, dass diese Mittel in neue Waffen oder Logistik reinvestiert werden, aber meines Erachtens ist dies nur noch eine Frage der Zeit. Der Umstand, dass sich zurzeit 17 Schiffe in der Hand von Geiselnehmern befinden und 200 Menschen wirklich existenziell bedroht sind, zeigt, dass wir heute eine richtige und wichtige Entscheidung treffen werden.

Piraten, liebe Frau Homburger, sind keine Terroristen. Wir sollten hier auch kein Al-Qaida-Phänomen aufbauen. Wenn Sie ins Jagdhorn blasen, dann jagen Sie nicht mit falschen Tönen. Ich halte Prävention für wichtiger als das, was Sie eben so lautstark formuliert haben. Es geht darum, etwas zu verhindern, darum, die Sicherheit auf dem Meer wiederherzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich das an dieser Stelle noch einmal deutlich machen: Selbstverständlich ist die Bekämpfung der Ursachen in der Region nötig; aber wir müssen auch die Symptome ernst nehmen. Wir müssen Somalia helfen, diese Probleme zu lösen. Deswegen gibt es ein internationales Mandat, und deswegen gibt es auch eine Reihenfolge bezüglich des Schutzes der Schiffe. Folgende Prioritäten gelten für den Schutz ziviler Schiffe: erstens Schiffe des Welternährungsprogramms, zweitens andere Schiffe und Ladungen für humanitäre Zwecke, drittens Schiffe unter der Flagge eines EU-Mitgliedstaates oder beteiligter Drittstaaten und schließlich die sonstigen Schiffe. Dies halte ich für eine klug gewählte Prioritätenfolge, weil es dazu führt, dass die Weltgemeinschaft Verantwortung übernehmen muss, und zwar in ihrem eigenen Interesse, im Interesse der jeweiligen Länder.

Die Argumentation des Kollegen Schäfer, die ich eben gehört habe, fand ich sehr interessant. Alle Fraktionen des Deutschen Bundestages unterstützen diese Mission; nur die Linke tut es nicht und zieht dafür eine Scheinargumentation heran. Es gibt keine Polizeifregatten, es wird sie nicht geben, und das ist auch gut so. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine militärische Operation im Rahmen eines europäischen, über UN-Mandat belegten Operationskommandos. Es ist wichtig, sich dies deutlich zu machen. Das heißt auch, dass wir in europäischen Fragen weiterkommen. An der ESVP haben wir Deutsche ebenfalls ein elementares Interesse.

Sie von der Linken sagen Nein zu diesem Einsatz. Es ist nicht das erste Nein. Sie sagen Nein zu Europa. Sie sagen Nein zum Vertrag von Lissabon. Es passt auch, dass Sie hier eine humanitäre Hilfestellung verweigern - mit der Argumentation, dass man vielleicht über Polizeischiffsaktionen helfen könnte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Somalia eine kenianische Küstenschutzkommandoeinheit akzeptiert würde. Das würde auch zu neuen regionalen Konflikten führen. Sie sollten einmal davon wegkommen, für Ihr jeweiliges Nein immer ein anderes Motiv anzugeben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Aber die USA werden akzeptiert?)

Tragen Sie Verantwortung! Wenn Sie Verantwortung tragen wollen, sollten Sie heute zustimmen.

Ich möchte einen Dank an den Bundesverteidigungsminister richten. Herr Dr. Jung, sagen Sie es bitte auch den Soldaten. Es handelt sich um eine Mission, die verantwortungsvoll wahrgenommen wird. Herr Admiral Nolting, diejenigen, die dort beteiligt sind, handeln verantwortungsvoll.

Ich will einen zweiten Dank aussprechen, nämlich einen Dank an den Bundesaußenminister. Der Bundesaußenminister hat in seiner Rede am Mittwoch klargestellt: keine Ausweitung dieses Mandats durch die neue Resolution des UN-Sicherheitsrats. - Das ist für alle, die sich heute für diesen Einsatz aussprechen werden, eine gute und wichtige Klarstellung.

Ich würde mich freuen, wenn der Bundesaußenminister seine internationalen Bemühungen um einen internationalen Strafgerichtshof zur Piraterie fortsetzte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich weiß, dass er dazu sehr positiv eingestellt ist. Hamburg mit dem Internationalen Seegerichtshof wäre der richtige Standort dafür.

Wir sollten die Internationale Transportarbeiter-Föderation stützen. Wir sollten die Reeder in ihrem Bemühen stützen, Sicherheit auf den Schiffen herzustellen. Vor allem sollten wir unser internationales Mandat verantwortungsvoll wahrnehmen. Es ist also eine richtige Entscheidung, die wir heute treffen wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Unruhe)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Bevor ich dem letzten Redner zu diesem Tagesordnungspunkt das Wort erteile, bitte ich die Kolleginnen und Kollegen, die noch hinreichend vorhandenen Plätze einzunehmen. Ich weise der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die namentliche Abstimmung erst nach Schluss der Aussprache erfolgt.

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ulrich Adam für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ulrich Adam (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Das Wort Hysterie ist vielleicht gewagt, aber im Moment kommt man dem sehr nah. Oftmals ist man sehr nervös, auch einfache Fischer werden häufig als Piraten angenommen und gemeldet.

Dieses Zitat ist einem Beitrag des ZDF vom Anfang dieser Woche entnommen. Der Kommandant der "Mecklenburg-Vorpommern", den ich in seinen bisherigen Verwendungen kennengelernt und schätzen gelernt habe, beschreibt hier mit klaren und verständlichen Worten den Alltag unserer Marine aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Seegebiet vor Somalia.

Die Piraterie in diesem Gebiet hat in den vergangenen Monaten ein Ausmaß angenommen, welches von der Weltgemeinschaft nicht länger toleriert werden kann. Die Vereinten Nationen und die Internationale Gemeinschaft werden die notwendigen Anstrengungen unternehmen, um in Somalia eine Stabilisierung zu erreichen. Deutschland wird auf See - ich betone: auf See- einen Beitrag zur Bekämpfung der Piraterie leisten.

Ich begrüße die Vertreter der Deutschen Marine auf der Besuchertribüne.

(Beifall)

Ich möchte an dieser Stelle meiner Kollegin Homburger widersprechen. Ich bin nicht der Meinung, dass sich die Deutsche Marine bei ihren bisherigen Einsätzen blamiert hat;

(Dirk Niebel (FDP): Das hat sie nicht gesagt! Unverschämtheit! - Weitere Zurufe von der FDP)

vielmehr hat sie eine hervorragende Arbeit geleistet, mit Umsicht gehandelt und ihre Aufgaben sehr gut erfüllt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Man darf sich gar nicht vorstellen, was passierte, wenn sich Piraten mit der al-Qaida einlassen würden. Die eine Seite verfügt über viel Lösegeld und die andere Seite über viele moderne Waffen und eine gute Ausbildung - eine brisante Mischung, die jedem Schiffskapitän schlaflose Nächte bereiten muss. Die Forderung unserer Reedereien nach einem Schutz der Schiffe ist daher nur allzu verständlich.

Trotz der Finanzkrise machen die Globalisierung und der damit einhergehende weltweite Handel das 21. Jahrhundert ganz sicher zu einem maritimen Jahrhundert. Die global vernetzte Wirtschaft kann nur dank eines ausgeprägten und leistungsfähigen Seehandels funktionieren. Für uns, die Bundesrepublik, gilt, dass wir als rohstoffarme Nation auf den Import der für unsere Wirtschaft notwendigen Ressourcen angewiesen sind. 80 Prozent des weltweiten Warenverkehrs werden über See abgewickelt. Ohne einen sicheren Seehandel wird die deutsche Wirtschaft noch mehr geschädigt, als dies durch die schlimmsten Auswirkungen der Finanzkrise der Fall sein kann. Deutschland ist folglich nicht nur moralisch, sondern auch aufgrund seiner wirtschaftlichen Interessen dazu verpflichtet, den freien Seehandel zu gewährleisten und mit aller Entschiedenheit gegen die brutalen Piratenangriffe vorzugehen. Unsere Marine tut dies in gewohnter Weise nicht allein, sondern im Rahmen eines bestehenden Bündnisses. Erstmals hat sich die Europäische Union darauf geeinigt, gemeinsam entschlossen gegen die Bedrohung durch die Piraterie vorzugehen.

Die Deutsche Marine hat in den vergangenen Jahren immer wieder ihre hohe Flexibilität und Einsatzbereitschaft unter Beweis gestellt. Allerdings müssen für die Zukunft sowohl die personelle als auch die materielle Durchhaltefähigkeit der Marine ausgebaut werden. Bereits heute stößt die Deutsche Marine mit den Einsätzen UNIFIL, der jetzt zu beschließenden Operation ?Atalanta? und der derzeit laufenden OEF an die Grenzen von Material und Personal. Wenn Deutschland im maritimen 21. Jahrhundert seine Interessen auf See wahren will, müssen wir heute an die Aufgaben der Marine in 10 und 20 Jahren denken, das hierfür notwendige Personal ausbilden und moderne Schiffe beschaffen.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Darf ich einen Augenblick unterbrechen? - Ich darf auch all die Kolleginnen und Kollegen, die in der Zwischenzeit eingetroffen sind, bitten, Platz zu nehmen, damit wir nach Schluss der Aussprache die angekündigte namentliche Abstimmung vornehmen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Bitte schön, Herr Kollege.

Ulrich Adam (CDU/CSU):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich bin mir sicher, dass die Marineführung der Politik die notwendigen Schritte hierzu ausführlich darlegen wird. Es ist an uns, diese dann rechtzeitig umzusetzen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen uns, dass hierfür auch neue Denkansätze gefordert sind. Der Kampf gegen Piraten kann nur mit bordeigenen Hubschraubern und Spezialkräften durchgeführt werden. Alles andere führt zu einem vermehrten Risiko für die Sicherheit unserer Besatzung. Daher sind auch diese Kräfte entsprechend zu schulen und materiell auszustatten.

Der Bundesminister der Verteidigung hat mehrere Kolleginnen und Kollegen des Verteidigungsausschusses eingeladen, mit ihm in der kommenden Woche die Besatzungen unserer beiden Schiffe, der "Karlsruhe" und der "Mecklenburg-Vorpommern", vor Ort zu besuchen und uns von deren Einsatzfähigkeit und hoher Motivation zu überzeugen. Ich danke dem Minister für diese Einladung, zeigt das doch wieder einmal, dass die Bundeswehr und somit die Marine eine Parlamentsarmee ist und der enge Kontakt zum Parlament, das diesen gefahrvollen Einsatz beschließt, gewährleistet ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Weihnachtszeit ist nicht nur eine Zeit der Besinnlichkeit, sondern auch des Schenkens. Was, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist aber wohl, nach meiner Meinung zumindest, das Wertvollste, was wir einem anderen Menschen heutzutage schenken können?

(Dirk Niebel (FDP): Zeit!)

Es sind Zeit und Aufmerksamkeit. Zeit und Aufmerksamkeit möchten ich und meine Kolleginnen und Kollegen den Besatzungen der beiden deutschen Schiffe bei unserem Besuch schenken. Stehen unsere Fregatten doch auch symbolhaft für die gelungene deutsche Einheit. Die Fregatte ?Karlsruhe? wird von einem Fregattenkapitän aus dem Vogtland befehligt,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

die "Mecklenburg-Vorpommern" von einem Fregattenkapitän aus Hamburg. Sie stehen an der Spitze der Soldatinnen und Soldaten, die den von uns zu beschließenden Auftrag zu erfüllen haben. Diesen Soldatinnen und Soldaten möchte ich für ihre Arbeit danken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Fraktion und ich stimmen dem Mandat zu, weil wir wissen, dass unsere Soldatinnen und Soldaten diese Aufgabe erfüllen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nun erhält noch die Kollegin Homburger für eine knappe Erklärung nach § 30 unserer Geschäftsordnung das Wort. Dann können wir zur Abstimmung kommen. Ich bitte einen Augenblick um Aufmerksamkeit. - Bitte, Frau Kollegin Homburger.

Birgit Homburger (FDP):

Herr Kollege Adam, Sie haben mich in Ihrer Rede eben gerade direkt angesprochen und hier behauptet, dass ich gesagt hätte, die Deutsche Marine habe sich blamiert. Das ist eine Unterstellung, die einzig und allein zeigt, dass Sie mir nicht zugehört haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage an dieser Stelle ganz ausdrücklich - das ist immer die Haltung der FDP-Bundestagsfraktion gewesen, auch jetzt noch -: Die Deutsche Marine ist exzellent ausgebildet; die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz machen einen ganz hervorragenden Job. Wir haben das immer wieder feststellen können.

(Beifall bei der FDP)

Die Tatsache allerdings, dass die Bundesregierung der Meinung war, dass unter dem Mandat Operation Enduring Freedom eine Pirateriebekämpfung nicht zulässig sei, obwohl Deutschland das Seerechtsübereinkommen ratifiziert hat, hat dazu geführt, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten vor Ort in schwierige Situationen gebracht wurden. Während nämlich andere Nationen im Rahmen der Operation Enduring Freedom Piraterie bekämpft haben, durften unsere Soldatinnen und Soldaten nur Nothilfe leisten. Darauf habe ich hingewiesen. Damit hat man die Soldatinnen und Soldaten vor Ort in eine schwierige Situation gebracht und sie oft genug dem Spott anderer Nationen ausgesetzt. Insofern sage ich ganz klar: Die Bundesregierung hat mit dieser Handlungsanweisung die Deutsche Marine blamiert. Wir haben hohen Respekt vor den Leistungen der Soldatinnen und Soldaten, aber wir haben kein Verständnis für das Handeln der Bundesregierung.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation "Atalanta" zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11416, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 16/11337 anzunehmen. Hierzu ist namentliche Abstimmung verlangt. Wir stimmen nun über diese Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich mache schon jetzt darauf aufmerksam, dass wir im Anschluss an diese namentliche Abstimmung eine weitere Abstimmung namentlich durchführen werden.

Zu der jetzt anstehenden Abstimmung über die Beschlussempfehlung liegen mir Erklärungen zahlreicher Kolleginnen und Kollegen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor.

Haben alle Schriftführerinnen und Schriftführer ihre Plätze eingenommen? - Das ist offenkundig noch nicht der Fall. Ich bitte um ein entsprechendes Signal. - Ich eröffne die Abstimmung.

Könnte bitte einmal ein Geschäftsführer aus den Reihen der Oppositionsfraktionen sicherstellen, dass die Abstimmungsurne vor der Lobby mit einem zweiten Schriftführer bestellt wird?

Gibt es noch einen anwesenden Kollegen, der noch nicht Gelegenheit hatte, seine Stimmkarte abzugeben? - Wenn der Kollege Dressel sich im Augenblick im Plenarsaal aufhält, möge er bitte zum Präsidium kommen.

Ich habe den Eindruck, dass alle Anwesenden ihre Stimmkarten abgegeben haben. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung werden wir wie immer später bekannt geben.

Wir setzen die Abstimmungen mit den Entschließungsanträgen fort. Zunächst stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 16/11425 ab. Auch hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt.

Könnten mir bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer ein Zeichen geben, ob die entsprechenden Abstimmungsurnen jeweils von Koalition und Opposition besetzt sind. - Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung.

Gibt es noch jemanden, der anwesend ist, aber seine Stimmkarte für die zweite namentliche Abstimmung noch nicht abgegeben hat? - Nachdem auch die Spitze der Bundesregierung nachweislich ihren Abstimmungspflichten und -möglichkeiten nachgekommen ist, frage ich zum letzten Mal, ob es noch jemanden gibt, der seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat. - Das ist offenkundig nicht der Fall. Dann schließe ich auch die zweite Abstimmung und bitte um Auszählung der abgegebenen Stimmkarten.

Bevor wir zur Abstimmung über weitere Entschließungsanträge kommen, kann ich Ihnen das Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung mitteilen - mit besonderem Dank an die wieder einmal außergewöhnlich schnell und präzise arbeitenden Schriftführerinnen und Schriftführer, die im Übrigen, wie ich finde, zum Abschluss dieses Jahres einen besonderen Applaus aller Fraktionen verdient haben.

(Beifall)

- Kollege Fuchtel ist erwartungsgemäß tief beeindruckt. - Nach seiner mir gerade übergebenen Mitteilung sind 558 Stimmen abgegeben worden. Von diesen haben 491 mit Ja und 55 mit Nein gestimmt bei 12 Enthaltungen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich rufe nun den Entschließungsantrag der FDP-Fraktion auf der Drucksache 16/11422 auf. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.

Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11423 auf. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Auch dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der übrigen Fraktionen abgelehnt.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 16/11424? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser Entschließungsantrag hat bei Ablehnung der übrigen Fraktionen keine Mehrheit.


Quelle: Deutscher Bundestag, Vorläufiges Plenarprotokoll 16/197 (2008)


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