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NATO zieht Richtung Osten

Neue Eingreiftruppe kommt / Protest auf Gegengipfel

Von Olaf Standke *

Über 100 Freiwillige der britischen Kampagne für Nukleare Abrüstung (CND) haben zuletzt am Friedenscamp im Tredegar Park von Newport gearbeitet. Gruppen wie »Stop the War« organisierten Busse für Aktivisten aus London, Birmingham, Norwich oder Newcastle. Viele hundert Teilnehmer auch aus dem Ausland wurden zum NATO-Gegengipfel im Rathaus unter dem Motto »Nein zu neuen Kriegen – Nein zur NATO« erwartet. In Südwales wollen in dieser Woche die Staats- und Regierungschefs der 28 Paktstaaten über die künftige Strategie des weltweit größten Militärbündnisses beraten – unter dem Schutz von 9500 Polizisten , umgeben von 20 Kilometern Stacheldraht und Zäunen. Am Sonnabend warf die Vorsitzende der walisischen Grünen, Pippa Bartolotti, der Allianz vor, sich von einer »Verteidigungs- zu einer aggressiven Kraft gewandelt« zu haben. »An Russlands Stelle wäre ich angesichts der wachsenden militärischen Präsenz vor meiner Haustür auch besorgt«, sagte einer der Redner auf der Kundgebung mit über 1000 Friedensaktivisten. Die ständige Ausdehnung der NATO habe Sicherheitsprobleme wie in der Ukraine erst heraufbeschworen, so die Teilnehmer aus Großbritannien, den USA, Belgien, Irland und anderen Ländern zum Abschluss des Protestmarsches.

Am Wochenende wurde aus Brüsseler NATO-Kreisen bekannt, dass die Allianz fünf neue Stützpunkte im Baltikum und in Polen errichten wolle. Sie sollen jeweils mit bis zu 600 Soldaten aus den Paktstaaten dauerhaft besetzt werden – was bisher immer verneint wurde. Die Allianz verpflichte sich zudem, »die Fähigkeit der östlichen Alliierten zu erhöhen, Truppenverstärkungen aufzunehmen«. Weitere Details des Aktionsplans sollen nach dem Gipfel ausgearbeitet werden. Mehrere Mitgliedstaaten wollen zudem die NATO-Russland-Gründungsakte kündigen.

Zugleich verdichten sich die Hinweise, dass zur bisherigen NATO Response Force eine spezielle Schnelle Eingreiftruppe nicht zuletzt mit Blick auf Osteuropa entsteht. Der Londoner Premierminister David Cameron will diese Pläne laut »Financial Times« in seiner Rolle als Gastgeber ebenfalls auf dem Gipfel in Wales bekannt geben. Nach jetzigem Stand wollen die sechs beteiligten Mitgliedsländern unter britischem Oberkommando – neben den drei baltischen Staaten auch Dänemark und die Niederlande – Flugzeuge, Schiffe und rund 10 000 Soldaten stellen sowie gemeinsam für weltweite Operationen trainieren. Zudem erwägt Kanada eine Beteiligung an dieser Joint Expeditionary Force. Überhaupt könne der Truppenverband im Ernstfall aufgestockt werden. Diese Pläne seien in die NATO-Strategie eingebettet, betonte am Wochenende das britische Verteidigungsministerium.

Deutschland will Medienberichten zufolge im NATO-Rahmen weitere Einheiten nach Osteuropa entsenden. Anfang nächsten Jahres soll eine Kompanie mit etwa 150 Soldaten im Zuge der Rotation von Kampftruppen in das Baltikum oder nach Polen verlegt werden und eine US-Einheit ablösen. Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt lehne Berlin weiterhin ab, so Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonnabend. Zuvor hatte der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk angekündigt, dem Parlament in Kiew einen Entwurf zur Aufhebung des blockfreien Status vorzulegen.

* Aus: neues deutschland, Montag 1. September 2014


Frieden statt NATO

Tausende demonstrieren in Newport gegen den Gipfel des Militärpakts

Von Christian Bunke **


Einige tausend Menschen haben am Samstag nachmittag in Newport gegen den NATO-Gipfel demonstriert, der am Donnerstag in der südwalisischen Stadt beginnen soll. Die Veranstalter sprachen von 9000 Teilnehmern, die Polizei wollte nur 600 Menschen gezählt haben. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte ein Bündnis aus Gruppen der Friedensbewegung und linken Organisationen. Ein Schwerpunkt war dabei die jüngste Eskalation im Konflikt zwischen Israel und Palästina. Die Demonstranten kritisierten die Unterstützung der NATO-Mitgliedsländer für die jüngsten Angriffe auf den Gazastreifen und griffen den Nordatlantikpakt als internationale Kriegstreiberorganisation an.

Vor Ort kommt Unverständnis über die Belästigungen hinzu, die das Gipfeltreffen mit sich bringt. Die Konferenz dauert zwar nur zwei Tage, doch die Städte Newport und Cardiff werden aus diesem Anlaß zwei Wochen lang militärisch besetzt. Im Einsatz sind unter anderem 9000 Polizisten, Reserveeinheiten des Militärs sowie sieben Kriegsschiffe der britischen Marine. Die Kosten für den Einsatz werden verheimlicht, sollen aber bei 50 Millionen Pfund (63 Millionen Euro) liegen. Krankenhäuser wurden teilweise für die Normalbevölkerung geschlossen, um für die anreisenden Staatschefs zur Verfügung zu stehen. Auch Schulen und andere öffentliche Einrichtungen sind gesperrt.

Ein Sprecher des Demonstrationsbündnisses erklärte, die Ortswahl für den Gipfel zeige die große Unpopularität der NATO. Hätte der NATO-Gipfel etwa in London stattgefunden, hätte das Militärbündnis mit wesentlich größeren Protesten rechnen müssen.

Seit Sonntag findet in Wales zudem ein »Gegengipfel« der Friedensbewegung statt. Für diese Woche sind zudem weitere Proteste geplant. Höhepunkt soll ein Aktionstag am Donnerstag sein.

** Aus: junge Welt, Montag 1. September 2014


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