Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Nato-Chef Rasmussen: Allianz ist auf Partnerschaft mit Russland eingestellt

Interview mit der Russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti *

Für eine weitere Vertiefung des politischen Dialogs und die Umsetzung gemeinsamer Kooperationsprojekte mit Russland hat sich Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in einem RIA-Novosti-Interview ausgesprochen.

Er als Nato-Chef sei auf eine „umfassendere praktische Zusammenarbeit“ mit Russland eingestellt, unter anderem zu den Themen Afghanistan, dem Kampf gegen den Terrorismus und der Bekämpfung von Drogenhandel und Piraterie.

„Ich hoffe, dass die Nato und Russland Fortschritte bei der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Raketenabwehr machen“, sagte Rasmussen in einem Exklusiv-Gespräch mit RIA Novosti im Vorfeld der Tagung des Russland-Nato-Rates.

Seine persönlichen Beziehungen mit Russlands Top-Politikern bewertete er als „herzlich und in professioneller Hinsicht produktiv“. „Ich weiß das moderne und frische Herangehen von Präsident Dmitri Medwedew an die Nato zu schätzen“, so Rasmussen. „Meine zahlreichen Beratungen und Telefonate mit Minister Sergej Lawrow in den letzten Monaten waren stets positiv und produktiv. Ich kenne Premier Wladimir Putin durch die vielen Jahre der Zusammenarbeit recht gut. Wir haben stets überaus offene Diskussionen geführt.“

Wie der Nato-Generalsekretär weiter ausführte, ist die Nato an einem Kompromiss zum Vertrag über die Konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE) interessiert. „Wir betrachten den KSE-Vertrag als eine Grundlage der europäischen Sicherheit und als ein überaus wichtiges Instrument für die Steigerung der Transparenz und Berechenbarkeit in Europa“, sagte er.

„In Wien hat es mehrere wichtige Diskussionen gegeben mit dem Ziel, eine Konzeption über die Hauptprinzipien der zukünftigen Verhandlungen festzulegen. Ich denke, das alle Teilnehmer an Lösungen für die noch offen gebliebenen Probleme interessiert sind.“

Im Dezember hatte Russland ein einseitiges Moratorium über die Einhaltung des KSE-Vertrages beschlossen, weil die Vertragspartner ihre Verpflichtungen nicht in vollem Umfang umgesetzt haben. 2009 unterbreitete Medwedew eine Initiative zur Konzipierung eines neuen europäischen Sicherheitsvertrags, deren Bestimmungen für alle Teilnehmer verbindlich wären. Laut diesem Vorschlag sollen nicht nur einzelne Staaten, sondern auch internationale Organisationen, die für die Sicherheit im euroatlantischen Raum zuständig sind, zu Teilnehmern des zukünftigen Vertrags werden.

Zum Thema Afghanistan äußerte der Nato-Generalsekretär seine Hoffnung darauf, dass mit Russland in Lissabon eine Abmachung zum „Afghanistan-Paket“ geschlossen wird. „Momentan erörtern wir drei Elemente dieser Unterstützung“, so Rasmussen. „Erstens: Wir hoffen auf eine endgültige Vereinbarung, die das jetzige Transitabkommen erweitert. Dies würde den Bodentransport über das Territorium Russlands nach und aus Afghanistan ermöglichen. Darüber hinaus soll die Liste der für den Transit zugelassenen Güter erweitert werden… Zweitens: Wir könnten den afghanischen Streitkräften helfen, ihre Hubschrauber effektiver einzusetzen, indem wir ihnen Ersatzteile liefern und Piloten ausbilden. Drittens: Wir werden das Spektrum unserer gemeinsamen Expertenausbildung auf dem Gebiet der Bekämpfung der Drogentransporte aus Afghanistan und den Nachbarländern erweitern.“

Darauf angesprochen, wie sich die Beziehungen zwischen der Allianz und Afghanistan nach dem endgültigen Abzug der Nato-Truppen aus diesem Land gestalten werden, betonte Rasmussen, es gehe momentan nicht um einen Truppenabzug, sondern darum, dass die Verantwortung für die Gewährleistung der Sicherheit auf dem Territorium dieses Landes an die Afghanen übertragen werde. „Ich hoffe, dass dieser Prozess Anfang nächsten Jahres beginnen kann. Das Ziel besteht darin, dass die Afghanen bis 2014 die Top-Positionen in all dem beziehen, was die Verantwortung für die Sicherheit auf dem Territorium des gesamten Landes betrifft.“

Die Zukunft der Allianz betreffend betonte der Nato-Generalsekretär: „Die Zusammenarbeit mit den internationalen Organisationen und mit vielen Ländern innerhalb und außerhalb der Euroatlantischen Region ist eine reale, von der Natur der heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen diktierte Notwendigkeit. Ich denke, dass unsere multinationale Operation in Afghanistan, die auf der Grundlage einer Resolution des UN-Sicherheitsrates erfolgt und Militäreinheiten aus rund 50 Ländern vereint und von der gesamten Weltgemeinschaft finanziert wird, eine Illustration für die Wichtigkeit unserer Partnerbeziehungen ist.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 19. November 2010; http://de.rian.ru


Nato-Gipfel: Russland tritt auf die Euphoriebremse - „Nesawissimaja Gaseta“

Am Freitag und Samstag (19./20. Nov.) findet in Lissabon der Nato-Gipfel statt, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Freitag (19. Nov.).

Im Mittelpunkt des Gipfels steht die neue Strategie der Allianz. Das neue Konzept war von den Nato-Weisen mit der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright an der Spitze erstellt worden. Sensationen sind darin nicht enthalten. Es hat zwar Versuche gegeben, in vergangenen zehn Jahren entstandene Elemente ins Konzept einzubringen, die sich jedoch kaum als erfolgreich erwiesen haben. Es handelt sich wie im Konzept von 1999 um Bemühungen, die globale Rolle der Allianz und die Kampfbereitschaft im Sicherheitsbereich zu festigen. Es gibt jedoch einen Zusatz: die Bekämpfung der Cyber-Gefahren.

Von größerer Bedeutung ist wohl die Debatte um den Abzug der Koalitionstruppen aus Afghanistan und die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Armee 2014/2015.

Laut Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen stellt der Russland-Nato-Gipfel einen Durchbruch dar. Die Staats- und Regierungschefs der 28 Nato-Mitglieder treffen sich mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, um über eine engere Kooperation zu sprechen. Wie Rasmussen betonte, erwartet er „konkrete Ergebnisse in Bezug auf die Raketenabwehr“.

„Erstens streben wir die gemeinsame Bewertung der Gefahren für die Sicherheit an“, sagte Rasmussen. „Zweitens rechnen wir mit der Wiederaufnahme der Zusammenarbeit bei der regionalen Raketenabwehr. Wir hatten in diesem Bereich bis 2008 eng kooperiert und bereits gemeinsame Übungen abgehalten. Deswegen ist es sehr leicht, diese praktische Zusammenarbeit wiederaufnehmen“, so der Nato-Generalsekretär.

Außerdem soll eine Kooperation beim territorialen Raketenabwehrsystem der Nato erreicht werden. Wie Rasmussen betonte, muss beim Gipfel die Schaffung dieses Systems beschlossen werden und Russland eingeladen werden, sich daran zu beteiligen.

Russlands Nato-Botschafter Dmitri Rogosin tritt allerdings auf die Euphoriebremse. „Das Problem besteht darin, dass die Nato-Staaten untereinander noch nicht vereinbart haben, wie dieses System aussehen soll und wie viel Geld dafür ausgegeben werden muss“, sagte Rogosin.

Moskau hat mit der Allianz bereits einige Kompromisse beim Antiterror-Kampf, Schutz der Schifffahrt, Kampf gegen Piraten sowie gegen die Gefahren aus Afghanistan erreicht. Auch beim Schutz wichtiger Infrastrukturobjekte vor Anschlägen und bei Umweltkatastrophen konnten sich die beiden Seiten einigen.

In Lissabon soll zudem ein Abkommen über den Transit der Nato-Frachten durch Russland unterzeichnet werden.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 19. November 2010; http://de.rian.ru


Zurück zur NATO-Seite

Zur Russland-Seite

Zur Afghanistan-Seite

Zurück zur Homepage