Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Auf Patrouille in die NATO?

Schweden und Finnland sollen an Luftüberwachung Islands teilnehmen

Von Gregor Putensen *

Seit Monaten dauert die Debatte um die Beteiligung finnischer und schwedischer Flugzeuge an der militärischen Kontrolle Islands aus der Luft durch die NATO an.

Island ist zwar NATO-Mitglied, verfügt jedoch nicht über eigene Streitkräfte. Seit der Schließung des USA-Stützpunktes in Keflavik im Jahre 2006 sieht sich die NATOFührung dazu veranlasst und befugt, die Kontrolle der Sicherheit Islands durch Patrouillenflüge von Bündnisstaaten zu gewährleisten. Diese Luftpatrouillen mit voller Kriegsausrüstung werden als »air policing« bezeichnet. Durch entsprechende Flüge – unter Beteiligung der bundesdeutschen Luftwaffe – wird im NATO-Verständnis bereits seit Langem auch die militärische Sicherheit Estlands, Lettlands und Litauens gewährleistet. Ohne ausdrückliche Nennung dessen, der diese Sicherheit in Frage stellt, besteht sowohl hinsichtlich des Baltikums als auch des Nordatlantiks und Islands unausgesprochener Konsens darin, dass solche Gefahren nur von Russland ausgehen könnten.

Allerdings gehören Finnland und Schweden formell noch immer nicht dem Nordatlantikpakt an. Dies, obwohl sowohl die NATO-Führung als auch die Regierungen in Helsinki und Stockholm intensiv danach streben, nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Europa gemeinsam militärisch zu agieren. Die inzwischen jährlichen gemeinsamen Militärmanöver im Norden Europas reichen ihnen offensichtlich nicht mehr. Die Beteiligung beider Staaten an den Island-Patrouillen der NATO wäre ein nächster Schritt. Während eines Besuchs in Helsinki und Stockholm Mitte November 2012 versicherte sich NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen der grundsätzlichen Bereitschaft der Regierungen zur Teilnahme an der Luftüberwachung Islands. Für die mehrheitlich immer noch ablehnende Haltung der Bevölkerung beider Länder gegenüber einer NATOMitgliedschaft finden sich scheinbar gut verdauliche Argumente: Vorerst sollen finnische und schwedische Patrouillenflüge nicht im Rahmen der militärischen Beistandsverpflichtungen des NATOVertrages erfolgen, im Gegensatz zum »air policing« im Baltikum sollen sie also unbewaffnet sein. Und man will der Bevorzugung einer »nordischen Verteidigungsidentität « in der Bevölkerung Rechnung tragen.

Diese »nordische Verteidigungsidentität« in scheinbarer Distanz zur NATO stellt nichts anderes als eine Verzerrung des Zusammengehörigkeitsgefühls der nordeuropäischen Völker im Dienste der Militarisierung dar. Nicht nur Linke in Finnland und Schweden durchschauen das. Auch die ehemalige finnische Verteidigungsministerin Elisabeth Rehn meldete sich: »Das Gerede von mehr nordischer Zusammenarbeit, das sind nur leere Worte.« Wie die Vorsitzende des Sicherheitspolitischen Ausschusses im finnischen Reichstag, Tarja Cronberg (Grüne), sieht Rehn die geplanten Island-Patrouillenflüge »in einer allzu engen Kopplung an die NATO«. Dies wohl nicht zuletzt angesichts der jüngsten Umfrage der Zeitung »Hufvudstadsbladet«: Nur 7 Prozent der Befragten waren für einen direkten Beitritt, 17 Prozent für eine größere Nähe zur NATO.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 3. Januar 2013


Zurück zur NATO-Seite

Zur Island-Seite

Zur Finnland-Seite

Zur Schweden-Seite

Zurück zur Homepage