Schwere Geburt für neuen Menschenrechtsrat
Letzte Sitzung der UN-Menschenrechtskommission in Genf
Von Hans Voß*
Heute soll nach mehrmaliger Verzögerung in Genf mit der 62. zugleich die letzte Sitzung der UNMenschenrechtskommission
beginnen. Das umstrittene Gremium wird von einem
Menschenrechtsrat abgelöst, der am 15. Juni seine Arbeit aufnimmt.
Auch der neue Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat mit Problemen zu kämpfen. Die USA
haben dem Beschluss der Generalversammlung über seine Bildung die Zustimmung verweigert, weil
der Rat sich nicht nach den Washingtoner Vorstellungen formen ließ. Vetomächte sollten einen
ständigen Sitz erhalten, gewisse »Schurkenstaaten« von vornherein ausgeschlossen werden.
Eine Mehrheit der UN-Generalversammlung lehnte diese Ansinnen ab. Die Zusammensetzung des
Rates erfolgt nun nach dem Grundsatz der souveränen Gleichheit. Niemand ist privilegiert, niemand
wird diskriminiert. Die USA mussten zur Kenntnis nehmen, dass es ihnen nicht mehr in jedem Falle
gelingt, der Staatengemeinschaft ihren Willen aufzuzwingen.
Bei einem flüchtigen Blick auf den neuen Menschenrechtsrat könnte man zu der Meinung kommen,
dass es sich nur um eine einfache Namensänderung handelt. Hatte die Kommission 53 Mitglieder,
wird der Rat aus 47 Staaten zusammengesetzt sein. Wie bisher erfolgt die Nominierung nach einem
territorialen Schlüssel. Afrika und Asien erhalten je 13, Lateinamerika acht, die westliche
Staatengruppe sieben und Osteuropa sechs Sitze. Doch beim näheren Hinschauen werden
wesentliche Unterschiede sichtbar. So war die Kommission an den Wirtschafts- und Sozialrat als
nachgeordnete Einrichtung gebunden, das schmälerte ihren Einfluss. Der Wirtschaft- und Sozialrat
bestätigte ihre Zusammensetzung, wobei er im Wesentlichen die nominierten Staaten ohne Prüfung
anerkannte.
Der Menschenrechtsrat hingegen ist Organ der Generalversammlung. Dieser wählt die Mitglieder
des Rates mit absoluter Mehrheit. Eine Auswahl wird möglich, indem die territorialen Gruppen mehr
Staaten vorschlagen als gewählt werden können. Damit besteht die Chance, Länder von der
Mitgliedschaft auszuschließen, in denen es nach Überzeugung der Mehrheit der UN-Staaten
massive Menschenrechtsverletzungen gibt.
Die Autorität des Menschenrechtsrates wächst aber auch dadurch, dass er mit dem Recht
ausgestattet wird, Staaten bei Verfehlungen vorzeitig abzulösen. Eine Wahlperiode beträgt drei
Jahre. Eine sofortige Wiederwahl nach zwei Perioden ist nicht möglich.
Was den Rat zudem von der Kommission unterscheidet, ist die Tatsache, dass er nicht nur einmal
im Jahr für wenige Wochen tagt. In der Regel soll er drei Mal im Jahr zusammentreten, wobei er
insgesamt mindestens zehn Wochen beraten soll. Aber auch außerhalb festgelegter Zeiten sind
Zusammenkünfte möglich, wenn die Umstände es erfordern. Und schließlich gibt es einen weiteren
gravierenden Unterschied. Die Kommission befasste sich je nach politischer Sicht ihrer Mitglieder
stets nur mit ausgewählten Staaten, wobei diese Auswahl häufig heftig umstritten war. Der Rat wird
neben der Beschäftigung mit aktuellen Menschenrechtsverletzungen die Aufgabe haben, universelle
Einschätzungen der Lage anzufertigen und sie der Generalversammlung vorzulegen. Damit werden
sich beispielsweise auch die USA nicht länger einer kritischen Betrachtung entziehen können.
Natürlich wird erst die Zukunft zeigen, wie der Rat mit seinen erweiterten Möglichkeiten umgeht. Die
USA wurden zwar niedergestimmt; jedoch ist damit die Sonderposition Washingtons nicht aus der
Welt. Die Formierung des Rates, die Wahl seiner Mitglieder sowie die Handhabung der Probleme
durch das Gremium bieten noch genügend Zündstoff. Dennoch bleibt festzuhalten, dass mit dem
Neuanfang in der Behandlung von Menschenrechtsfragen die UNO-Reform einen bedeutenden
Schritt vorangekommen ist. Ende des vergangenen Jahres hatte die Generalversammlung durch die
Schaffung einer »Kommission zum Friedensaufbau« bereits ein wichtiges Signal ausgesendet. Die
Kommission soll Staaten unterstützen, die nach einem militärischen Konflikt nicht im Stande sind,
dessen Folgen allein zu meistern. Der Menschenrechtsrat ist ein weiteres wesentliches Element auf
der Agenda von Generalsekretär Kofi Annan zur Modernisierung der Weltorganisation.
* Aus: Neues Deutschland, 27. März 2006
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