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US-Regierung verliert Sitz in UN-Menschenrechtskommission

Schwere Schlappe für Bush - Abstrafung selbst verschuldet - Abwahl auch aus einem anderen UN-Gremium

Seit Gründung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen im Jahr 1947 gehören die USA diesem Gremium ununterbrochen an. Gehörten, muss es jetzt heißen, denn am 3. Mai 2001 wurde dem mächtigsten Staat der Welt der Sitz in der Kommission entzogen. Eine diplomatische Ohrfeige erster Güte und eine politische Sensation mit Folgen. Nun gibt es nur noch zwei Länder, die seit 1947 uinunterbrochen der Kommission angehören: Russland (bzw. die Sowjetunion) und Indien.

Jeweils etwa ein Drittel der 53 Mitglieder der Menschenrechtskommission wird im Rotationsverfahren nach einem regionalen Verteilungsprinzip für drei Jahre gewählt. Gewählt wird im Wirtschafts- und Sozialrat der UNO (ECOSOC), dem 54 Mitglieder angehören, darunter auch die USA. Von den vier Kandidaten für die neu zu vergebenden drei Sitze westlicher Staaten erhielten die USA bei der Abstimmung am Donnerstag mit 29 Voten die wenigsten Stimmen. Die meisten Stimmen erhielt Frankreich mit 52, gefolgt von Österreich (41) und Schweden (32). Für Asien wurden Bahrain, Südkorea und Pakistan in die Kommission gewählt, Iran scheiterte. Für Osteuropa wurden Kroatien und Armenien gewählt, für Afrika waren es Sierra Leone, Sudan, Togo und Uganda sowie für Lateinamerika Chile und Mexiko.

Erklärungen für die Abstimmungsniederlage der USA gibt es viele. Eine davon führt sie auf eine "Regiefehler" zurück. Die Gruppe der westlichen Länder hätte für drei zu wählende Sitze nicht vier Länder aufstellen sollen. Also nur eine Panne? Kaum, denn die USA und die anderen Staaten des Wetsblocks sind doch wohl in der Lage, bis drei zu zählen. Und Situationen, wo mehr Kandidaten sich um die freien Sitze bewerben, als berücksichtigt werden können, gibt es immer wieder. In der Asien-Gruppe war es nicht anders: Dort scheiterte der "Schurkenstaat" Iran. Die UNO-Vertreter der Vereinigten Staaten haben es wohl nicht für möglich gehalten, dass sie gegenüber Ländern wie Österreich oder Schweden den Kürzeren ziehen würden.

Die Abwahl der USA muss doch wohl als bewusste Abstrafung der USA gewertet werden. Gründe dafür gibt es eine Menge. Da ist zum Einen das arrogante und selbstbezogene Verhalten der USA in der Menschenrechtskommission selbst. Mit großer Regelmäßigkeit stimmen die USA - häufig als einziges Land - gegen alle Resolutionen, die sich auf eine Stärkung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte gemäß einem seit 1976 geltenden Pakt beziehen. Nicht einmal ein "Recht auf Nahrung" wollen die USA den Menschen zugestehen. Demgegenüber werden die US-Vertreter im Menschenrechtsausschuss nur munter, wenn es um eine Verurteilung der Intimschurken Kuba und China geht. Hierzu bringen die USA immer wieder Anträge in die Kommission ein, die, was China betrifft, mit ebenso großer Regelmäßigkeit verworfen werden. So auch in diesem Jahr: Zum zehnten Mal in Folge (die Menschenrechtskommission tagt jährlich) gelang es nicht, eine Mehrheit zu einer Verurteilung der chinesischen Menschenrechtspolitik zustande zu bringen (im Fall des kleinen Kuba hat es zu einer Mehrheit gereicht). Wenn der Vorsitzende des Repräsentantenhaus-Ausschusses für internationale Beziehungen, Henry Hyde, in der Abstimmung eine "durchdachte Bestrafung" der Vereinigten Staaten für ihre Bemühungen sieht, Menschenrechtsverletzungen aufzudecken, "wo immer sie vorkommen" (NZZ, 05.05.01), dann hat eine ähnlich eingeschränkte politische Wahrnehmung wie die US-Vertreter im Menschenrechtsausschuss.

Zum Anderen muss das Abstimmungsergebnis auch als Quittung betrachtet werden für Fehler und Alleingänge der USA, die auf anderen außenpolitischen Feldern liegen. In den letzten Jahren hatten sich die Vereinigten Staaten beispielweise der Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs widersetzt, das Ottawa-Protokoll zum Verbot von Antipersonenminen ("Landminen") nicht unterzeichnet und sind schließlich - vor kurzem - aus dem Kyoto-Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgase ausgestiegen. Hierzu gehört auch die neue Politik des US-Präsidenten George Bush jr., die die Attitüde des "Amerika zuerst" noch bewusster zur Schau stellt als sein Amtsvorgänger. Darin eingschlossen ist auch eine systematische Vernachlässigung der UNO-Organisationen. So hat es Bush bis heute nicht für nötig gehalten, den nominierten UNO-Botschafter John Negroponte im US-Senat bestätigen zu lassen. Der Posten des amerikanischen UNO-Botschafters, den unter Clinton der prominente und politisch gewichtige Richard Holbrooke bekleidete, ist seit Januar verwaist.

Wahlen für die UN-Menschenrechtskommission finden jedes Jahr statt. Die USA haben also die Möglichkeit im nächsten Jahr wieder zu kandidieren und ihren angestammten Sitz einzunehmen. Die Unterstützung aus dem westlichen Lager werden sie dafür mit Sicherheit erhalten. Die erste Frau der UN-Kommission, die Menschenrechtskommissarin Mary Robinson, beeilte sich in einer ersten Stellungnahme darauf hinzuweisen, dass sie hoffe, die Vereinigten Staaten würden bald wieder in das Gremium zurückkehren, denn sie hätten einen wichtigen "historischen Beitrag" zu deren Arbeit geleistet. Das stimmt vor allem für die Gründungsphase der Kommission, deren erste Vorsitzende Eleanor Roosevelt war, die Witwe des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt. Eleanor Roosevelt beteiligte sich aktiv an der Formulierung der Erklärung der "Allgemeinen Menschenrechte" der UNO im Jahr 1948. Das ist lange her.
Pst

Neuer Denkzettel für Bush

Am 8. Mai 2001 meldeten die Agenturen und online-Dienste, dass die USA nun auch aus einem weiteren UN-Gremium abgewählt wurden. Und zwar wurde der US-Vertreter Herbert Okun nicht mehr in den Internationalen Suchtstoff-Kontrollrat (INCB) gewählt.

Okun gehörte dem INCB seit 1992 an und war zeitweilig Vizepräsident. Er wurde bei der Abstimmung von den gleichen Ländern abgelehnt, die wenige Tage zuvor einen erneuten Einzug der USA in die Menschenrechtskommission verhindert hatten.

Der von 13 Fachleuten gebildete INCB ist ein unabhängiges UN-Gremium. Er soll die Einhaltung der internationalen Suchtgift-Kontrollabkommen überwachen und Schwachstellen der internationalen Drogenkontrollen aufzeigen. Die 54 Mitglieder des Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC) wählten Iran, Brasilien, Indien, Peru, Frankreich, Österreich und die Niederlande in den INCB.

Bei den Vereinten Nationen verlautete aus Diplomatenkreisen, die USA hätten sich nicht genug engagiert. UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte, viele Staaten seien enttäuscht über die ablehnende Haltung Washingtons zur Schaffung eines internationalen Strafgerichtshofs. Zudem lehnen es die USA ab, den Vertrag zum Verbot von Atomwaffentests zu ratifizieren.

Quelle: SZ-online, 8. Mai 2001

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