Gegen die Strategie des Tötens
Erklärung des pax christi-Präsidenten zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2011
In Afghanistan und auch jenseits der Grenze zu Pakistan sind Luftangriffe mit Drohnen inzwischen tägliche
Realität. Direkte willkürliche Tötungen und Einsätze über große Distanzen machen für den Angreifer eine für
ihn risikoarme Kriegsführung möglich, die darüber hinaus noch als zielgenau gilt. Der so genannte
Kollateralschaden ist und bleibt jedoch Realität auch dieser Kriegsführung.
Eine Sicherheitsstrategie, die verdächtige Personen tötet, statt sie der Justiz zu überstellen, wird immer
mehr zur Normalität. Bekannt geworden sind vor allem die von US-Präsident Barack Obama und seinen
engsten Mitarbeitern im vergangenen Mai live mitverfolgte Tötung von Osama bin Laden sowie die gezielte
Tötung des US-Bürgers Anwar al-Awlaki im September im Jemen. Der größte Teil der Einsätze richtet sich
im militärisch wenig aussichtsreichen Kampf gegen die so genannten Taliban auf niedriger Hierarchieebene.
Der internationale Militäreinsatz in Afghanistan bekennt sich spätestens seit der Londoner
Sicherheitskonferenz 2010 offen zu dieser „Shoot-and-Kill“-Strategie. Dies bedeutet, dass die als
Aufständischer identifizierte Person oder die entsprechende Personengruppe direkt getötet („targeted
killing“), statt angeklagt oder gefangen genommen werden. An die Stelle militärischer Fronteinsätze treten
Methoden verdeckter Kriegsführung.
Dieser dramatische Paradigmenwechsel in Selbstverständnis und Strategie von Militär hin zu einer Art
ständigen Intervention, stellt eine neue Phase der Anwendung kriegerischer Gewalt dar. Diese Art der
Gewalt ist unvereinbar mit den Regeln des Kriegsrechts und bedeutet schwere Menschenrechtsverletzungen. Auch ein Terror-Verdächtiger hat unveräußerliche Menschenrechte. Wenn
eine Aktion der Aufstandsbekämpfung nicht mehr die Festnahme, sondern die Tötung des Gegners zum Ziel
hat, bricht internationales Recht.
Der jahrelange Krieg in Afghanistan hat zu einer gefährlichen Eigendynamik des Wirkens von militärischen
Sondereinheiten und von unkonventionellen Methoden militärischen Gewalteinsatzes geführt. Die
Aufwertung und Sonderstellung von Streitkräften bei der militärischen Aufstandsbekämpfung und ihre
Vermischung mit polizeilichen und geheimdienstlichen Strukturen ist fatal, weil sie menschenrechtliche
Standards aufweicht. Dies ist insbesondere bei der unerträglichen Rehabilitation der Folter und bei Aktionen
der Fall, die extralegale Tötungen darstellen oder diesen gleichkommen.
Drohnen wurden bislang hauptsächlich von den USA, Großbritannien und Israel eingesetzt. Die Bundeswehr
will nun eine in Gemeinschaftsproduktion der Düsseldorfer Rheinmetall und dem israelischen
Drohnenhersteller IAI entwickelte Drohne im Afghanistankrieg einsetzen. Die Heron/Eitan-Drohne kann nicht
nur aufklären, sondern auch eine erhebliche Nutzlast an Raketen mitführen. pax christi sieht in diesem
Vorhaben einen Schritt hin zu einer weiteren Aufweichung menschenrechtlicher Normen, die auch im Krieg
und bei der Aufstandsbekämpfung gelten.
pax christi fordert die Bundesregierung zum Tag der Menschenrechte auf, sich der Strategie des gezielten
Tötens als Mittel der Aufstandsbekämpfung und Kriegführung zu widersetzen. Jede Beteiligung der
Bundeswehr daran, auch durch Informationsweitergabe, Zielbestimmung, etc., ist sofort zu beenden.
Internationale Friedenspolitik muss immer eine Stärkung der Menschenrechte zum Ziel haben.
pax christi als internationale katholische Friedensbewegung betont die uneingeschränkte Geltung der
allgemeinen Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Es sind
dies Rechte, die jedem Menschen zustehen, weil er Mensch ist. „Die Menschenrechte sind deshalb
vorstaatliche Rechte; sie werden nicht vom Staat gewährt, sondern binden und verpflichten ihn“ (Wort der
deutschen Bischöfe „Gerechter Friede“ vom 27.9.2000, Nr. 72).
Berlin/Fulda, 8. Dezember 2011
Heinz Josef Algermissen
Präsident von pax christi Deutschland
Bischof von Fulda
Quelle: www.paxchristi.de
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