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Gefahr für die Demokratie

Medien. Die Axel Springer AG ist der mächtigste deutsche Meinungskonzern. Er nutzt diese Position für reaktionäre politische Ziele

Von Gert Hautsch *

Wird 2012 zum Springer-Jahr? Die Führung des Medienkonzerns hätte das gern. Im April beging sie den 100. Geburtstag des Firmengründers Axel Cäsar Springer, im Mai feierte sie den 60. ihres erfolgreichsten Produkts, der Bild, und am 16. August wurde die Verlegerwitwe Friede Springer 70. Der Verlag präsentiert sich als biederes, ehrenwertes und wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen. Aber die glänzende Fassade trügt: Springer beeinflußt durch pure Marktmacht große Teile der Medienwelt. Und er nutzt dies wie kaum ein anderer für politische Zwecke.

Am 22. April 2008 richtete Angela Merkel dem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann eine Geburtstagsfeier im Kanzleramt aus. Anwesend waren 32 Personen, darunter sechs Medienleute. Unter diesen wiederum kamen drei vom Konzern Axel Springer: Verlegerin Friede Springer, Vorstandschef Mathias Döpfner und Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. Selten wurde so deutlich, welche Wertschätzung die oberste Politik diesem Verlagskonzern zukommen läßt. Das ist allerdings nicht erstaunlich. Springer ist ein sehr mächtiges Unternehmen, denn es handelt mit Medien – und zwar mit solchen, die besonders stark die öffentliche Meinung prägen. Die Masse der Straßenverkaufszeitungen, ein Fünftel aller wöchentlichen Zeitschriften und die einflußreichsten Nachrichtenwebsites kommen von ihm. Die Politiker in Berlin und anderswo wissen: Wer auf den Medienmärkten das Sagen hat, kann politische Macht ausüben. Das ist ausdrücklich Springers Ziel. Der Konzern hat »Unternehmensgrundsätze« formuliert, die Bestandteil der Arbeitsverträge sind. Sie verpflichten die Redakteure auf eine klare rechts orientierte Haltung (»Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft«, »Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus« usw.). Bei Nichtbeachtung droht die Entlassung. Die Axel Springer AG hat in den Jahrzehnten ihrer Existenz immer wieder bewiesen, daß sie ihre publizistische Macht politisch einzusetzen bereit ist.

Der Konzern ist zwar eine Aktiengesellschaft, aber die Witwe des Verlagsgründers, Friede Springer, kontrolliert die Mehrheit der Aktien. An der Spitze des Vorstands steht mit Mathias Döpfner ein smarter, bei Bedarf auch brutaler Manager. Er hat Erfolg: Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um zehn Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Springer ist damit der zweitgrößte deutsche Medienkonzern hinter Bertelsmann (15,3 Milliarden) und vor ProSiebenSat.1 (2,8 Milliarden). Der um Sonderfaktoren bereinigte Nettoprofit war 2011 um 21,2 Prozent auf 343 Millionen Euro angewachsen. Im ersten Halbjahr 2012 ging das Wachstum weiter: Der Umsatz hat um 6,2 Prozent zugenommen, der Bruttogewinn um 6,9.

Spitzenreiter bei Zeitungen

Mit deutschen Zeitungen und Zeitschriften hat Springer im vergangenen Jahr 1,6 Milliarden Euro umgesetzt, mit digitalen Medien (Internet und Rundfunk) 962 Millionen. Letztere haben 2011 rund 35 Prozent höhere Erlöse erzielt (hauptsächlich durch Zukäufe) und steuerten 30 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Aus dem Ausland kamen 1,1 Milliarden Euro. Springers deutsche Printmedien haben einen Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von 386 Millionen Euro abgeliefert, ihre Umsatzrendite (Gewinn in Prozent des Umsatzes) lag deutlich über 20 Prozent und war damit sensationell hoch. Von einer Krise der gedruckten Medien ist hier nichts zu spüren.

Wie groß ist Springers publizistische Macht? Die Bild erlebte nach dem Start 1952 einen märchenhaften Aufstieg. Der Höhepunkt war 1982 erreicht, als zeitweilig 5,4 Millionen Exemplare täglich verkauft wurden. Dann ging es wieder bergab; selbst die Markterweiterung durch den Anschluß der DDR änderte daran nichts. Heute liegt die Auflage mit 2,7 Millionen halb so hoch wie einst. Trotzdem ist das Blatt äußerst profitabel – durch Anzeigeneinnahmen ebenso wie durch mehrfache Preiserhöhungen. Die hohen Profite, die Springer im Segment »Zeitungen Inland« erzielt (brutto 283 Millionen Euro) gehen wesentlich auf das Konto der Bild.

Bild ist zwar die größte, aber nur eine von Springers Zeitungen. Weitere Boulevardblätter sind das Hamburger Abendblatt, die Berliner Morgenpost und die B.Z.. Im Bereich der sogenannten Kaufzeitungen erreicht der Konzern damit einen Marktanteil von 78,6 Prozent; Bild allein kommt auf 74,6 Prozent. Kaufzeitungen sind wegen ihrer Massenwirksamkeit besonders geeignet für politische Kampagnen. Das beweist gerade die Bild immer wieder.

Neben der Boulevardpresse bringt der Verlag als sogenannte überregionale Qualitätszeitung Die Welt samt ihrem Ableger Welt kompakt heraus (Auflage zusammen 242000). Bis 2009 hielt Springer auch noch Minderheitsbeteiligungen an verschiedenen Regionalzeitungen. Die hat der Konzern bis auf wenige verkauft, er bleibt aber mit großem Abstand Spitzenreiter auf dem Zeitungsmarkt. Hinzu kommt der Markt für Sonntagszeitungen. Hier ist Springer mit Bild am Sonntag und Welt am Sonntag (zusammen 1,8 Millionen Auflage) ebenfalls seit Jahrzehnten Marktführer. Der Anteil an der Gesamtauflage aller Sonntagszeitungen beträgt 60 Prozent.

In keiner Statistik erfaßt werden die diversen Anzeigenblätter, die die Zeitungsverlage regional herausbringen. Mit 93 Millionen Gesamtauflage pro Woche sind sie ein wenig beachtetes, gleichwohl gewichtiges und auch meinungswirksames Medium (Gesamtauflage Tageszeitungen: 21 Millionen). Springer bringt in Hamburg, Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein etliche dieser Blätter heraus, ohne daß Details darüber bekannt sind. (Immerhin weiß man, daß der Konzern in Berlin 2,8 Millionen und in Hamburg 1,1 Millionen Exemplare verbreiten läßt.)

Der zweite wichtige Markt für gedruckte Medien sind die Publikumszeitschriften. Auch hier gehört Springer zu den führenden Verlagen. Sein Schwerpunkt sind diverse Bild-Ableger (Auto Bild, Bild der Frau, Sport Bild usw.) sowie Fernsehprogrammzeitschriften (Hörzu, TV digital u.a.). Insgesamt bringt der Verlag 24 Titel heraus, davon neun wöchentliche. Auf dem Gesamtmarkt für Publikumszeitschriften ist Springer mit 12,7 Prozent der Gesamtauflage die Nummer drei. Bei den wöchentlichen und zweiwöchentlichen Titeln (die die Masse der Publikumspresse ausmachen) steht er mit 21,6 Prozent Anteil auf Platz zwei (hinter Bauer und vor Burda).

Zwischenbilanz: Axel Springer ist bei den Tages- und Sonntagszeitungen mit Abstand Marktführer, bei den häufig erscheinenden Zeitschriften die Nummer zwei auf dem Markt. Außerdem unterhält er mit der ASV Vertriebsservice GmbH den größten deutschen Pressevertrieb mit einem Marktanteil von 28 Prozent. Damit ist er der mächtigste deutsche Pressekonzern. Eine Stellung, die er auch in anderen Mediensektoren auszunützen weiß, insbesondere im Internet.

Internet und Fernsehen

Rund 30 Prozent seines Umsatzes erzielte der Springer-Konzern 2011 mit sogenannten digitalen Medien, womit hauptsächlich die Onlineangebote gemeint sind. Der größte Teil hiervon sind Plattformen, die mit dem Mediengeschäft im engeren Sinne wenig bis nichts zu tun haben: Idealo (Preisvergleich), Zanox (E-Handel), StepStone (Stellenbörse), Immonet (Immobilien), Gofeminin (Onlineportal für Frauen) usw. Der Konzern betreibt aber auch etliche Plattformen, auf denen redaktionelle Inhalte dargeboten werden. Neben dem Finanzportal finanzen.net sind das die Websites der verschiedenen Zeitungen. Sie gehören zum Segment der Nachrichtenportale und werden statistisch getrennt erfaßt und gemessen. Bild.de ist hier der Spitzenreiter (vor Spiegel online); mit Welt online ist Springer noch ein weiteres Mal unter den zehn stärksten Angeboten vertreten. 28 Prozent aller Einzelbesuche (»Visits«) auf Nachrichtenseiten erfolgten 2011 bei diesen beiden Portalen.

Ähnlich liegen die Verhältnisse beim mobilen Internet (auf Smartphones und Tabletrechnern). Hier ist Springer mit Bild.de mobil und Welt mobil unter den zehn wichtigsten Produkten vertreten und erreichte Ende 2011 einen Marktanteil von 21,5 Prozent. Bei den Onlinevermarktern (sie beschaffen Reklameerlöse für Websites) steht die Tochterfirma Axel Springer Media Impact auf Platz vier in der deutschen Rangliste.

Der Konzern besitzt mehr als 30 Tochterunternehmen und Beteiligungen im Internet. Mit schwergewichtigen Zukäufen ist in nächster Zeit zu rechnen, denn im März 2012 hat er einen Deal mit dem Finanzinvestor General Atlantic geschlossen. Für 237 Millionen Euro bekam dieser 30 Prozent an Springers wichtigster Internetholding. Dadurch erhöhte sich deren Finanzierungsspielraum erheblich. Das alles bedeutet: Axel Springer ist nicht nur bei Zeitungen und Publikumszeitschriften einer der stärksten Anbieter, sondern auch bei redaktionellen Onlineseiten und bei Internetangeboten überhaupt. Fehlt nur noch das Fernsehen, um das Spektrum der wirkungsmächtigen Medien komplett zu machen.

Genau das hatte die Axel Springer AG Ende 2005 versucht: Sie wollte die zweitgrößte private TV-Senderkette, die ProSiebenSat.1 Media AG, kaufen. Damit hätte sie Sat.1, Pro Sieben, Kabel 1 und diverse andere Kanäle im Besitz gehabt. Vier Milliarden Euro wollte man sich das Geschäft kosten lassen. Wollte – denn die Übernahme scheiterte am Widerstand des Bundeskartellamts (BKA) und der Medienkontrollkommission KEK. Den Verantwortlichen in diesen Gremien erschien der Medienmoloch, der durch diese Übernahme zu entstehen drohte, zu gefährlich.

Schützenhilfe aus der Politik

Die deutsche Politik sah das anders: Auf BKA und KEK wurde auf geradezu schamlose Weise Druck ausgeübt, um ein positives Votum zu erzwingen. Insbesondere die CSU zog fast alle Register: Ministerpräsident Edmund Stoiber forderte lautstark die Genehmigung, sein Parteifreund Michael Glos sollte als Bundeswirtschaftsminister das Verbot des BKA aufheben, Hans-Dieter Ring (ebenfalls CSU) trommelte als Chef der bayerischen Landesmedienanstalt dafür, den Beschluß der KEK vom Tisch zu wischen. Womöglich wäre das alles auch erfolgt, wenn nicht Springer selbst entnervt verzichtet hätte.

Die Koalitionspartner in der Bundesregierung, CDU und SPD, unterstützten dieses Treiben. Sie waren bereit, dem Konzern eine publizistische Machtposition zu verschaffen, durch die er alle meinungsrelevanten Märkte dominieren oder wesentlich beeinflussen hätte können. Es wurde nicht einmal darüber diskutiert, ob eine solche Entwicklung problematisch sein könnte. Hier schließt sich der Kreis zu solch persönlicher Kontaktpflege wie der bei der Geburtstagsfeier für Josef Ackermann.

Nachdem der Fernsehcoup gescheitert war, stellte man bei Springer die Weichen neu. Der Blick wurde jetzt verstärkt über die deutschen Landesgrenzen hinaus gerichtet. Lange Zeit war der Auslandsanteil am Gesamtumsatz vergleichsweise gering gewesen (2006: 16 Prozent). Trotzdem hatte es der Konzern geschafft, z.B. in Polen eine neue Zeitung (Fakt) zu gründen und Marktführer zu werden. In Ungarn allerdings gelang das nicht; auch das Projekt einer französischen Bild wurde 2007 im letzten Moment abgebrochen.

Im Geschäftsjahr 2010 waren schon 28 Prozent des Umsatzes im Ausland erzielt worden – hauptsächlich durch Firmenübernahmen im Internet (z.B. Stepstone). Der Konzern hatte sich eine starke Stellung in Frankreich, Spanien und der Schweiz geschaffen. Dann kam ein Überraschungsschlag: Gemeinsam mit dem Schweizer Pressekonzern Ringier bildete Springer im Frühjahr 2010 eine Osteuropa-Holding, an der beide Verlage je 50 Prozent halten (Springer hat die Option, eine Aktie mehr zu kaufen). In sie haben sie die meisten ihrer Zeitungen, Zeitschriften und Onlineportale eingebracht.

Die Ringier Axel Springer Media AG fing mit ihrer Expansion in den ehemals sozialistischen Ländern zu einem Zeitpunkt an, als andere deutsche Konzerne – Gruner+Jahr (Bertelsmann), Holtzbrinck, WAZ-Gruppe – ihr Engagement dort gerade beendeten. Auch deshalb spielen Springer und Ringier mittlerweile in Polen, Tschechien, Ungarn, Serbien, Rumänien und der Slowakei die erste Geige. Gestützt auf die starke Position auf den Printmärkten sowie auf das Geld und die Erfahrung zweier starker Mutterkonzerne ist die Holding nun dabei, ihre Stellung auf dem Onlinesektor auszubauen. In Serbien und der Slowakei sei man bei den Nutzerzahlen schon die Nummer eins, heißt es, in den anderen Ländern gehöre man zur Spitzengruppe.

Kaltschnäuzig und skrupellos

Der geschäftliche Erfolg Axel Springers in der jüngsten Vergangenheit hat mehrere Ursachen. Eine davon ist die Bereitschaft, sich von Konzepten, die nicht mehr in die Strategie passen, bedenkenlos zu verabschieden. So hat der Konzern 2003 seine Buchverlage (Ullstein, Heyne, List u.a.) und die Fernsehproduktion (Studio Hamburg) verkauft, 2009 wurden die Minderheitsbeteiligungen an Regionalzeitungen abgestoßen. Das brachte nicht nur Geld (insgesamt rund eine Milliarde Euro), sondern erlaubte auch eine Bündelung der Investitionen auf die Wunschmärkte.

Die zweite Quelle des Erfolgs heißt Rücksichtslosigkeit. Am deutlichsten zeigte sich das 2007 am Beispiel des Postdienstleisters PIN. An diesem hatte Springer die Mehrheit erworben, und zwar im Vertrauen darauf, daß er mit Hungerlöhnen (unter Hartz IV) der Deutschen Post Marktanteile abnehmen könne. Was er nicht für möglich gehalten hatte, war, daß die Bundesregierung für diese Branche einen Mindestlohn festlegte. Als das feststand, war Springers Geschäftsmodell gescheitert und PIN wurde postwendend Ende 2007 in die Insolvenz getrieben. Mathias Döpfner nahm dafür sogar einen Verlust von 572 Millionen Euro in Kauf. Daß mindestens 3000 Beschäftigte ihren Job verloren, hat ihn nicht gehindert.

Der Springer-Konzern gehört zu den Pionieren bei der Zusammenfassung bislang getrennter Redaktionen. Für die Zeitungen Welt, Welt am Sonntag und Berliner Morgenpost wurde schon 2006 eine Gemeinschaftsredaktion geschaffen. Zwar ist es dadurch nicht unmittelbar zu Entlassungen gekommen, aber es wurden Stellen, die andernfalls neu zu besetzen gewesen wären, blockiert. Inzwischen ist das Modell erweitert worden: Es gibt nun einen »integrierten Newsroom« für diese drei Zeitungen und zusätzlich das Hamburger Abendblatt. In der neuen Einrichtung werden die Texte für die Printausgaben und für die Onlineseiten produziert. In der Zeit nach 2006 sind andere Verlage dem Beispiel Springers gefolgt und haben mit Gemeinschaftsredaktionen die Personalkosten gedrückt.

Wenn solche Maßnahmen nicht reichen, ist Springer auch zum Tarifbruch bereit. Was die viel gerühmte »Kostendisziplin« bedeutet, konnten im Frühjahr 2012 die Beschäftigten der Computer-Bild-Gruppe in Berlin erleben. Weil die Profite nicht wunschgemäß ausfielen, sollten sie in eine tariflose Tochtergesellschaft ausgegliedert werden. Von den 86 Betroffenen – hauptsächlich Redakteure – weigerten sich 57. Sie wurden trotz Warnstreiks und öffentlichkeitswirksamer Proteste entlassen.

Für einen Personenkreis gilt die Maßgabe der Sparsamkeit allerdings nicht: das Spitzenpersonal. Axel Springer ist zwar ein weltweit agierender Konzern und als Aktiengesellschaft organisiert, er gehört aber mehrheitlich der Verlegerwitwe Friede Springer. Sie hat in den letzten beiden Geschäftsjahren auf ihren persönlichen Aktienanteil (fünf Prozent) 23 Millionen Euro Dividende kassiert, über die von ihr zu 90 Prozent beherrschte Axel Springer Gesellschaft für Publizistik mbH weitere 150 Millionen Euro. In bar, wohlgemerkt. Auch der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner wurde großzügig bedacht: Sein Jahresgehalt wird zwischen zehn und elf Millionen Euro geschätzt. Zusätzlich bekommt er Aktienoptionen, aus denen er 2010 beispielsweise neun Millionen Euro kassieren durfte. Und bei Gelegenheit gibt’s auch noch ein Zuckerl obendrauf – so wie Mitte August 2012, als Friede Springer ihrem Sonnyboy zwei Prozent Konzernanteile im Wert von 73 Millionen Euro schenkte.

Bei so viel warmem Regen hat Friede Springer Anfang 2011 ihre soziale Ader entdeckt und eine Stiftung gegründet. Diese ist mit einem Vermögen von 80 Millionen Euro ausgestattet, verfolgt »philanthropische Zwecke« und fühlt sich – wie könnte es anders sein – »dem demokratischen Gemeinwesen« und der »Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft« verpflichtet. Steuerbegünstigt, versteht sich.

Springer enteignen

Springers publizistische und – darauf gestützt – politische Macht ist nicht unbegrenzt. Das hat sich am Beispiel PIN gezeigt, als der Konzern einen Mindestlohn im Briefgewerbe nicht verhindern konnte. Das zeigte sich im Fall zu Guttenberg, als Bild trotz schamloser Kampagnen den Freiherrn nicht im Ministeramt halten konnte. Gerade der Fall Guttenberg bewies aber auch, daß der Springer-Konzern seine Medien sehr gezielt für politische Zwecke einsetzt. Diese Einflußnahme ist durch nichts legitimiert. Deshalb ist der Springer-Konzern eine Gefahr für die Demokratie.

Als 1967/68 die linke Protestbewegung auf ihrem Höhepunkt war, da gehörte die Parole »Enteignet Springer!« zu den Forderungen, die den breitesten Zuspruch fanden. Das speiste sich vordergründig aus dem Widerstand gegen die Hetzkampagnen in den Blättern des Konzerns. Als das eigentliche Übel galt aber nicht die Person Axel Springer, sondern dessen publizistische Macht, gestützt auf das Privateigentum an seinem Verlag. Diese Erkenntnis war weit verbreitet und gab der Forderung nach Enteignung ihre politische Stoßkraft. Durchgesetzt wurde sie bekanntlich nicht. Aber an dem Skandal, daß Privatpersonen über ihre Medien politischen Druck ausüben und Hetzkampagnen lostreten können, hat sich nichts geändert. Heute gilt schon die Frage nach dem Privateigentum an Medienunternehmen als tabu. Es wäre an der Zeit, daß sich das ändert.

* Gert Hautsch ist Medienforscher, Mitglied im ver.di-Fachgruppenvorstand Frankfurt und verfaßt vierteljährlich Berichte über die Situation der deutschen Medienwirschaft

Aus: junge Welt, Donnerstag, 23. August 2012


Die Axel Springer AG

Eigentümer:
  • 51,5 % Axel Springer GmbH
  • (89,8 % Friede Springer; 10,2 % Ariane und Axel Sven Springer)
  • 5 % Friede Springer
  • 3,3 % Mathias Döpfner
  • 0,6 % eigene Anteile
  • 39,6 % Streubesitz
Eigentum (unter anderem):
  • 10 Zeitungen in Deutschland
  • 3 Zeitungen im Ausland
  • 24 Zeitschriften in Deutschland
  • 29 Zeitschriften im Ausland
  • Minderheitsbeteiligung an 3 TV-Sendern
  • Minderheitsbeteiligung an 27 Radiosendern
  • 7 Online-Portale
  • 19 Mehrheitsbeteiligungen an Onlineportalen
Über die Ringier/Springer-Osteuropaholding (50/50 %):
  • 13 Zeitungen
  • 60 Zeitschriften
  • mehr als 70 Onlineportale
Geschäftszahlen 2011:
  • Umsatz: 3,2 Milliarden Euro
  • Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen:
  • 593 Millionen Euro
  • Nettoprofit, bereinigt: 343 Millionen Euro
  • Beschäftigte: 12 855


Meinungsmacht Springer

Marktanteile des Konzerns auf deutschen Medienmärkten (in Prozent)

Jahr/Märkte 1991 2000 2010 2012
Boulevardzeitungen 74,7 81,0 79,8 78,6
Alle Tageszeitungen 23,9 23,6 19,6 18,8
Publikumszeitschriften,
mindestens 14tägliche Titel
- 22,0 21,6 21,6
Publikumszeitschriften, alle Titel 16,9 15,4 13,4 12,7
Nachrichtenportale,
Visits August 2011 (Bild.de und Welt Online)
--- 27,6

Quelle: Media-Perspektiven 5/2012 und 6/2012; meedia.de, 13. 9. 2011 (nach IVW)


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