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Reporter ohne Grenzen: Alarmierende Bilanz zur Situation der Pressefreiheit

Zum weltweiten Tag der Pressefreiheit: Schlechte Nachrichten und ein Beitrag des UN-Generalsekretärs

01. 05. 2003 Reporter ohne Grenzen: Alarmierende Bilanz zur Situation der Pressefreiheit
Eine alarmierende Zwischenbilanz zur Situation der Pressefreiheit zieht Reporter ohne Grenzen (RoG) am Internationalen Tag der Pressefreiheit. 15 getötete Journalisten seit Januar 2003, davon allein neun im Irak, eine Verhaftungswelle in Kuba, gewalttätige Übergriffe auf Journalisten und Angriffe auf unabhängige Medien in Kasachstan, Zensur in Serbien-Montenegro; in den ersten vier Monaten diesen Jahres wurde die Pressefreiheit vielerorts schwer attackiert. In ihrem Jahresbericht"Freedom of the Press throughout the World" der am 3. Mai erscheint, dokumentiert die internationale Organisation, wie es um die Pressefreiheit in 156 Ländern im Jahr 2002 bestellt war und veröffentlicht die Liste der schärfsten Widersacher der Pressefreiheit mit 42 Namen.

Gewalt nimmt zu

"Das Jahr 2002 war ein schlechtes Jahr für die Pressefreiheit," fasst Robert Ménard, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen, den 587-seitigen Bericht zusammen. "Die Gewalt stieg rasant und viele Länder nutzen den Anti-Terror-Kampf, um schärfer gegen die unabhängige Presse vorzugehen."

RoG registrierte im Jahr 2002 1420 gewalttätige Übergriffe auf Journalisten. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl damit nahezu verdoppelt. Auch die Zahl der Journalistinnen und Journalisten, die vorübergehend festgenommen, verhört oder entführt wurden, liegt um über 40 Prozent höher als im Vorjahr. 692 Journalisten saßen zeitweilig hinter Gittern.

25 Journalisten wurden 2002 getötet, 23 starben im eigenen Land. Die hohe Zahl von Reportern, die im Irak während des Kriegsgeschehen ums Leben kamen, darf daher nicht darüber hinweg täuschen, dass einheimische Journalisten ständig bedroht sind. Die russische Provinz gehörte mit vier getöteten Journalisten zu den gefährlichsten Ländern für Berichterstatter gefolgt von Kolumbien (3), die Philippinen (3) und Israel (3).

Die ersten vier Monate des Jahres 2003 lassen wenig Hoffnung auf bessere Aussichten. 127 Journalisten befinden sich zur Zeit in Haft. 246 Journalisten wurden bedroht oder schikaniert. 120 Medien zensiert oder eingestellt.

Irak-Krieg

Der Irak-Krieg dominierte die Berichterstattung weltweit und wie in kaum einem Krieg zuvor, wurde von den Frontlinien aus direkt berichtet. Er kostete neun Journalisten und einen Medienmitarbeiter das Leben, zwei weitere Journalisten gelten immer noch als vermisst. Nach wie vor haben die US-Streitkräfte weder die Bombardierung des arabischen Senders al Dschasira noch den Beschuss des Hotels Palestine, in dem die meisten ausländischen Journalisten wohnten, aufgeklärt. "Die Erklärungen des Pentagon, die auf unsere Protestschreiben folgten, sind lapidar und allgemein. Daraus können wir nur schließen, dass es kein Interesse an Aufklärung gibt", kommentiert Robert Ménard, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen. In beiden Fällen hatte die Organisation angemahnt, dass nach der Genfer Konvention Medien als zivile Partei gelten und gezielte Angriffe "auch auf sogenannte Propaganda-Medien" daher völkerrechtswidrig sind.

Erosion der Pressefreiheit im Schatten des Irak-Kriegs: Das Beispiel Kuba

Im Schatten des Krieges verschlechterte sich die Situation in Kuba dramatisch. Im März wurden bei landesweiten Razzien 78 Dissidenten innerhalb einer Woche festgenommen, darunter 26 unabhängige Journalistinnen und Journalisten. Wenig später standen sie bereits vor Gericht. In der Regel dauerten die Verhandlungen einen Tag, weder ausländische Journalisten noch Diplomaten wurden als Prozess-beobachter zugelassen. Die Anklagepunkte wiederholten sich: konspirative Tätigkeit zugunsten der USA. Am Ende standen drakonische Haftstrafen zwischen 14 und 26 Jahren. Die Verfahren verstoßen nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen gegen rechtsstaatliche Mindestanforderungen und die Menschenrechte.

Kuba ist mit 28 inhaftierten Journalisten das derzeit größte Gefängnis für Journalisten, gefolgt von Eritrea (18), Nepal (16), Birma (16) und China (11).

Liste der Feinde der Pressefreiheit verlängert

Jedes Jahr am 3. Mai nennt Reporter ohne Grenzen die schlimmsten Feinde der Pressefreiheit beim Namen.

Drei Länder und ihre Staatschefs sind in diesem Jahr neu auf der Liste: aus Kasachstan Präsident Nursultan Nasarbajew, aus Singapur Ministerpräsident Goh Chok Tong, und aus Liberia Präsident Charles Taylor. In Kasachstan wird Nursultan Nazarbajew verdächtigt, rund 20 Milliarden Dollar aus Ölgeschäften veruntreut zu haben. Er schreckt vor nichts zurück, um Journalisten, die Licht in diese Affäre bringen könnten, zum Schweigen zu bringen. Charles Taylor nutzt den Krieg mit den Rebellen, um kritische Stimmen in Liberia einzuschüchtern, u.a. wurde Hassan Bility, Direktor der Zeitschrift The Analyst mehrere Monate an einem geheimen Ort gefangen gehalten. Goh Chok Tong regiert in Singapur seit mehr als zehn Jahren und obwohl die Bürger Zugang zu ausländischen Medien haben, lesen und sehen sie in den nationalen Medien keine Kritik am System. Dafür sorgt die Androhung hoher Haftstrafen. In allen drei Ländern wird die Pressefreiheit täglich mit Füßen getreten.

Mit auf der Liste stehen erwartungsgemäß autoritäre Machthaber wie die in Nord-Korea, Haiti und Simbabwe, aber auch die Führer bewaffneter Gruppen in Kolumbien, die islamistischen Gruppen in Afghanistan, Algerien sowie die ETA in Spanien. Der russische Präsident Wladimir Putin steht ebenfalls auf der Liste. Russland ist ein Beispiel dafür, wie effektiv ein Staat ökonomische Waffen gegen unbequeme Medien einsetzt, stellt RoG fest. Mittels staatlicher und halbstaatlicher Konzerne kontrolliert Wladimir Putin die Massenmedien. Zensur der Berichterstattung über den Krieg in Tschetschenien und Ignoranz gegenüber der Gewalt an Journalisten, die die Verantwortlichen straffrei ausgehen lässt, begründet Putins Präsenz auf der Liste.

"Hinter den Morden an Journalisten, den willkürlichen Verhaftungen, Drohungen und Schikanierungen von Medien, die wir weltweit täglich registrieren, stehen ganz konkrete Personen. Damit meinen wir nicht diejenigen, die Befehle ausführen, die Polizisten, Soldaten, kriminelle oder politische Extremisten, sondern diejenigen, die als Präsidenten, Minister, religiöse Führer oder Kommandanten die Befehle erteilen. Sie sind die Verantwortlichen für die Gewalt, die das Recht auf freie Information in ihren Ländern aushöhlt und deshalb stellen wir sie international an den Pranger", erklärt Robert Ménard die Intention der Liste.

Die komplette Liste der Feinde der Pressefreiheit finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de

Den Jahresbericht können Sie als Print-Version in Englisch anfordern unter presse@reporter-ohne-grenzen.de oder digtal downloaden unter: www.rsf.org. Zur Verfügung stehen außerdem kurze Updates der neusten Entwicklungen in fünf Weltregionen.

Quelle: www.reporter-ohne-grenzen.de / www.rsf.org


23 Oct 2002 Deutschland Reporter ohne Grenzen veröffentlicht Index zur weltweiten Situation der Pressefreiheit

Reporter ohne Grenzen veröffentlicht heute zum ersten Mal einen Index zur weltweiten Situation der Pressefreiheit in 139 Staaten.

Dabei zeigen sich überraschende Ergebnisse für die westlichen Demokratien. Die USA rangiert auf Platz 17 von insgesamt 139 untersuchten Staaten und erzielt damit ein schlechteres Ergebnis als Costa Rica. Auch Italien findet sich mit Platz 40 hinter Beninn einem der ärmsten Länder, wieder. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Wahrung der Pressefreiheit kein Monopol reicher Staaten ist. Auch unter schlechten ökonomischen Bedingungen ist es möglich, die Pressefreiheit zu achten.

Gravierende Einschränkungen der Pressefreiheit werden auf jedem Kontinent registriert. Unter den 20 Ländern mit den gröbsten Verstößen befinden sich neben afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Staaten auch die europäischen Länder Russland und Weißrussland. Ganz am Schluss stehen vier asiatische Staaten: Nord-Korea, China, Birma und Turkmenistan. Pressefreiheit ist in diesen Staaten faktisch nicht existent. Medien stehen unter der strengen Kontrolle und Überwachung ihrer Regierungen. Unabhängige Journalisten gibt es kaum. Sie werden ständig bedroht, häufig verhaftet oder ins Exil gedrängt.

Ganz oben auf der Liste stehen vier europäische Länder - Finnland, Island, Norwegen und die Niederlande, die sich den ersten Platz teilen. Die Pressefreiheit wird in diesen Ländern gewissenhaft respektiert. Zusätzlich wird ihr deutliches Eintreten für die Pressefreiheit in anderen Ländern positiv bewertet. Deutschland schneidet mit dem siebten Rang ebenfalls gut ab.

Für die Ausarbeitung des Index beantworteten Journalisten, Wissenschaftler und Rechtsexperten einen 50 Fragen umfassenden Katalog. Abgefragt wurden verschiedene Aspekte von Verstößen, darunter direkte Angriffe (beispielsweise Morde und Verhaftung) ebenso wie politische, rechtliche oder ökonomische Einflüsse (beispielsweise über Zensur, über staatliche Monopole oder die restriktive Anwendung der Pressegesetze). Einzelne Aspekte wurden nach Bedeutung für die Pressefreiheit gewichtet. Für 139 Staaten lagen nach der Recherche verlässliche Informationen vor. Im Index sind Ereignisse zwischen September 2001 und Oktober 2002 berücksichtigt.

Nord- und Südamerika: Schlechte Platzierung für die USA - gutes Abschneiden für Costa Rica

In den USA wurden zahlreiche Journalisten verhaftet, weil sie in Gerichtsverhandlungen ihre Quellen nicht preisgaben oder weil sie nach dem 11. September angeblich Sicherheitsbestimmungen missachteten. Daher rangiert die USA auf Platz 17.

Als gutes Beispiel für Fortschritte in der Pressefreiheit steht Costa Rica auf Platz 15. Seit Februar 2002 ist Costa Rica eines der wenigen lateinamerikanischen Länder in dem Journalisten nicht mehr wegen 'Beleidigung von Amtspersonen' bestraft werden können. Der Mord an dem Journalisten Parmenio Medina im Juli 2001 kann als eine Ausnahme in der Geschichte von Costa Rica gewertet werden.

Europa: Italien erhält schlechte Beurteilung - Türkei nur auf Rang 99

Alle 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, außer Italien, erzielten eine gute Platzierung. Italien erhält eine schlechte Beurteilung (Rang 40) vor allem weil die Medienvielfalt unter Premierminister Silvio Berlusconi erheblich bedroht ist. Die Türkei erreicht trotz Reformbestrebungen der Regierung im Zuge des angestrebten EU-Beitritts lediglich Rang 99. Nach wie vor werden Journalisten aufgrund ihrer Veröffentlichungen verurteilt, Medien werden regelmäßig zensiert. In Weißrussland (Rang 124) und Russland (121) sowie in anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion sind die Arbeitsbedingungen für Journalisten extrem schwierig. Sie werden bedroht, häufig auch festgenommen. In der Vergangenheit wurden Journalisten ermordet.

Mittlerer Osten und Israel

Kein arabisches Land gehört zu den 50 bestplatzierten Ländern. Libanon erreicht als bestplaziertes Land der Region nur den 56. Rang. Im Irak (Rang 130) und Syrien (126) nutzt der Staat jede Kontrollmöglichkeit und erstickt jede oppositionelle Meinung. Da die pälastinensische Autonomiebehörde momentan politisch geschwächt ist, kommt es derzeit zu weniger Einschränkungen der Pressefreiheit (Rang 82), auch wenn es weiterhin Versuche gibt, lokale und ausländische Journalisten einzuschüchtern und Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. In Israel werden einheimische Medien und die Pressefreiheit weitgehend geachtet. Anders jedoch die Situation in der Westbank und im Gaza-Streifen. Seit Beginn der militärischen Besetzung in palästinensischen Städten im März 2002 wurden zahlreiche Journalisten bedroht, festgenommen oder ausgewiesen und Verstöße gegen internationale Abkommen registriert. Einige gerieten in Schusswechsel und wurden verletzt. Israel steht daher auf Platz 92.

Der Index steht in Englisch, Französisch und Spanisch zur Verfügung. Er kann im Internet abgerufen werden unter: www.rsf.org Oder bei: Reporter ohne Grenzen - Deutsche Sektion Tel. 030 / 615 85 85

Index zur Situation der Pressefreiheit weltweit

Für die Ausarbeitung des Index beantworteten Journalisten, Wissenschaftler und Rechtsexperten einen 50 Fragen um-fassenden Katalog.

Abgefragt wurden verschiedene Aspekte von Verstößen, darunter direkte Angriffe (beispielsweise Morde und Verhaftung) ebenso wie politische, rechtliche oder ökonomische Einflüsse (beispielsweise über Zensur, über staatliche Monopole oder die restriktive Anwendung der Pressegesetze). Einzelne Aspekte wurden nach Bedeutung für die Pressefreiheit gewichtet.

Für 139 Staaten lagen nach der Recherche verlässliche Informationen vor. Im Index sind Ereignisse zwischen September 2001 und Oktober 2002 berücksichtigt.


Rang Land Note

1 Finnland 0,50
- Island 0,50
- Norwegen 0,50
- Niederlande 0,50
5 Kanada 0.75
6 Irland 1,00
7 Deutschland 1,50
- Portugal 1,50
- Schweden 1,50
10 Dänemark 3,00
11 Frankreich 3,25
12 Australien 3,50
- Belgien 3,50
14 Slowenien 4,00
15 Costa Rica 4,25
- Schweiz 4,25
17 USA 4,75
18 Hongkong 4,83
19 Griechenland 5,00
20 Ecuador 5,50
21 Benin 6,00
- Großbritannien 6,00
- Uruguay 6,00
24 Chile 6,50
- Ungarn 6,50
26 Südafrika 7,50
- Österreich 7,50
- Japan 7,50
29 Spanien 7,75
- Polen 7,75
31 Namibia 8,00
32 Paraguay 8,50
33 Kroatien 8,75
- El Salvador 8,75
35 Taiwan 9,00
36 Mauritius 9,50
- Peru 9,50
38 Bulgarien 9,75
39 Südkorea 10,50
40 Italien 11,00
41 Tschechische Republik 11,25
42 Argentinien 12,00
43 Bosnien-Herzegowina 12,50
- Mali 12,50
45 Rumänien 13,25
46 Kap Verde 13,75
47 Senegal 14,00
48 Bolivien 14,50
49 Nigeria 15,50
- Panama 15,50
51 Sri Lanka 15,75
52 Uganda 17,00
53 Nigeria 18,50
54 Brasilien 18,75
55 Elfenbeinküste 19,00
56 Libanon 19,67
57 Indonesien 20,00
58 Komoren 20,50
- Gabun 20,50
60 Jugoslawien 20,75
- Seychellen 20,75
62 Tansania 21,25
63 Zentralafrikanische Republik 21,50
64 Gambia 22,50
65 Madagaskar 22,75
- Thailand 22,75
67 Bahrein 23,00
- Ghana 23,00
69 Kongo 23,17
70 Mosambik 23,50
71 Kambodscha 24,25
72 Burundi 24,50
- Mongolei 24,50
- Sierra Leone 24,50
75 Kenia 24,75
- Mexiko 24,75
77 Venezuela 25,00
78 Kuwait 25,50
79 Guinea 26,00
80 Indien 26,50
81 Sambia 26,75
82 Palästina 27,00
83 Guatemala 27,25
84 Malawi 27,67
85 Burkina Faso 27,75
86 Tadschikistan 28,25
87 Tschad 28,75
88 Kamerun 28,83
89 Marokko 29,00
- Phillipinen 29,00
- Swasiland 29,00
92 Israel 30,00
93 Angola 30,17
94 Guinea- Bissau 30,25
95 Algerien 31,00
96 Dschibuti 31,25
97 Togo 31,50
98 Kirgisien 31,75
99 Jordanien 33,50
- Türkei 33,50
101 Aserbaidschan 34,50
- Ägypten 34,50
103 Jemen 34,75
104 Afghanistan 35,50
105 Sudan 36,00
106 Haiti 36,50
107 Äthiopien 37,50
- Ruanda 37,50
109 Liberia 37,75
110 Malaysia 37,83
111 Brunei 38,00
112 Ukraine 40,00
113 Kongo (Zaire) 40,75
114 Kolumbien 40,83
115 Mauritanien 41,33
116 Kasachstan 42,00
117 Äquatorialguinea 42,75
118 Bangladesch 43,75
119 Pakistan 44,67
120 Usbekistan 45,00
121 Russland 48,00
122 Iran 48,25
- Simbabwe 48,25
124 Weißrussland 52,17
125 Saudi-Arabien 62,50
126 Syrien 62,83
127 Nepal 63,00
128 Tunesien 67,75
129 Libyen 72,50
130 Irak 79,00
131 Vietnam 81,25
132 Eritrea 83,67
133 Laos 89,00
134 Kuba 90,25
135 Bhutan 90,75
136 Turkmenistan 91,50
137 Birma 96,83
138 China 97,00
139 Nord Korea 97,50



Generalsekretär Kofi A. Annan:

Medien im Krieg: Minenfelder von Themen

Erklärung zum Internationalen Tag der Pressefreiheit - 3. Mai 2003

NEW YORK, 3. Mai - Am Welttag der Pressefreiheit möchten wir das Recht der Presse bestätigen, ihre Arbeit zu verrichten. Wenn Ideen und Informationen nicht frei fließen können, sowohl innerhalb nationaler Grenzen als auch über sie hinweg, wird Frieden umso schwerer fassbar sein. Wo zensiert wird, werden beide, Demokratie und Entwicklung, die Verlierer sein. Eine freie und unabhängige Presse ist der Lebensnerv starker, funktionierender Gesellschaften und die Lebensader des Fortschrittes an sich.

Der Welttag der Pressefreiheit ist auch ein Anlass, an die vielen Journalisten zu erinnern, die ihr Leben bei der Ausübung ihres Berufes ließen. Am ehesten in Erinnerung sind uns wohl die 14 getöteten und die zwei noch immer vermissten Journalisten aus dem Irakkrieg. Wir wissen bisher noch nicht - möglicherweise werden wir es auch nie genau wissen -, unter welchen genauen Umständen sie getötet wurden. Was wir wissen, dank des Komitees zum Schutz der Journalisten, ist folgendes: Wie gefährlich Krieg auch immer für diejenigen sein mag, die über ihn berichten, die meisten Journalisten, die weltweit in Erfüllung ihrer Pflicht sterben, werden ermordet. - Ganz bewusst werden sie als Individuen ins Visier genommen, weil sie Korruption oder Machtmissbrauch aufdecken, weil sie zu fest verwurzelten Interessen Position beziehen, legal oder illegal, um es kurz zu sagen, weil sie ihre Arbeit machen. Sie werden auch aus denselben Gründen gefangengenommen - Ende 2002 waren es nach Aussagen des Komitees 136 Journalisten. Mehrere hundert werden konfrontiert mit Bedrohung, Einschüchterung und Körperverletzung. Abgesehen von den damit verknüpften individuellen Tragödien können solche Taten eine abschreckende Wirkung auf die gesamte Gesellschaft haben, weil sie Widerspruch und Debatten im Keim ersticken. Solche Attacken dürfen nicht toleriert werden. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Dieses Jahr findet der Welttag der Pressefreiheit zu einer Zeit statt, in der die Presse versucht, ihren Standort zu bestimmen angesichts der Komplexität ihrer Rolle in bewaffneten Konflikten. Die Themen sind professionelles Vorgehen und auch ethische Normen, die Anwendung finden sollten bei der Kriegsberichterstattung und der sich daraus ergebenden Verantwortung während der Folgen des Konfliktes.

Journalismus beinhaltet immer schwierige Entscheidungen, aber Kriegszeiten erhöhen sie noch, da sie in ihrer Intensität in ein wahres Minenfeld von Themenkomplexen führen: Objektivität versus Propaganda, Skepsis versus Chauvinismus, großangelegter Zusammenhang von starken Bildern versus dramatischer Einzelaufnahmen. Der Kampf von Reportern, das richtige Maß zu finden zwischen nötiger Objektivität und dem Vorteil der Einbettung bei den Truppen. Die Notwendigkeit, die Tragweite des Konfliktes, insbesondere für Zivilisten zu vermitteln, ohne jedoch menschenverachtende Bilder von Tod und Elend zu zeigen. Und übersteigt die Sättigung durch allzu aktuelle Berichterstattung nicht letztendlich unsere Fähigkeit zu fühlen, sich zu sorgen und zu handeln?

Ein Aspekt, der uns insbesondere hier bei den Vereinten Nationen sorgt, ist die Selektivität: Warum, fragen wir, sind bei der Berichterstattung einige Themen und Situationen attraktiv, während andere von scheinbar gleicher Wichtigkeit es nicht schaffen, die kritischen Massen zu erreichen?

Zu solch einer Frage gibt es keine einfache Antwort. Da wir uns aber weiterhin damit auseinandersetzen, möchte ich auch den Welttag der Pressefreiheit dazu nutzen, zum Handeln im Zusammenhang mit einem wichtigen Thema aufzurufen, bei dem wir wohl alle übereinstimmen: Durch Medien verbreiteter Hass. In Ruanda und in Bosnien und Herzegowina hat die Welt Völkermord und Verbrechen gegenüber der Menschlichkeit gesehen, teilweise ausgelöst durch nationalistische und ethnische Hasskampagnen, propagiert durch die Massenmedien. Vor kurzem in Côte d'Ivoire haben viele Medien Nachrichten verbreitet, die man weitestgehend als fremdenfeindlich oder politische Manipulation bezeichnen würde. Sie haben unhaltbare Ansprüche gestellt und zur Gewalt gegenüber Individuen und Gruppen, insbesondere gegen Ausländer aufgerufen. Die Situation hat sich inzwischen wieder etwas beruhigt. Aber die Welt hat erneut gesehen, dass der Missbrauch von Information tödliche Konsequenzen haben kann.

Dass die Auftraggeber, die involviert waren bei der Förderung des Völkermordes durch Radio-Televison Mille Collines, durch das Internationale Tribunal für Ruanda verfolgt werden, ist ein bedeutender Schritt. Aber wirklich wichtig ist es, in Zukunft solche Vorfälle erfolgreich zu verhindern. Die beste Methode dafür ist die Entwicklung einer freien und unabhängigen Presse, die den Bedürfnissen aller Teile der Gesellschaft dient. Die Vereinten Nationen unterstützen in enger Zusammenarbeit mit den Medien und nichtstaatlichen Organisationen in vielen Ländern objektive Berichterstattung und Initiativen, die auf professionelle Standards und den freien Austausch von Information abzielen. Wir brauchen solche Partnerschaften, und wir müssen sie über einen langen Zeitraum hinweg unterstützen.

Die Weltkonferenz zur Informationsgesellschaft, deren erster Teil im Dezember in Genf stattfinden wird, kann einen wichtigen Beitrag zur Pressefreiheit leisten. Der Ausdruck Informationsgesellschaft ist ein Versuch die Konturen unserer Zeit zu umrahmen. Andere haben sie die digitale Ära oder das Informationszeitalter genannt. Welchen Ausdruck wir auch immer benutzen, die Gesellschaft, die wir erschaffen, muss offen und pluralistisch sein - eine Gesellschaft, in der alle Menschen in allen Ländern Zugang zu Information und Wissen erhalten. Die Medien können mehr als alles andere dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen und den digitalen Graben zu überwinden. Und die Presse kann außerdem von diesem Kongress profitieren, wenn sie es schafft, den Führern dieser Welt ein starkes Engagement zur Verteidigung der Medienfreiheit zu entlocken. Ich hoffe, die Presse wird von dieser Veranstaltung mit aller Hingabe und Energie ihres Berufes berichten.

2. März 2003

Quelle: www.uno.de (UNIC/581)


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