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Radio für Frieden und Entwicklung

Die Organisation "Fondation Hirondelle" sorgt per Äther für alternative Informationen in Kriegsgebieten

Von Markus Schönherr, Kapstadt *

Die Organisation »Fondation Hirondelle« in Lausanne hat sich darauf spezialisiert, Radiostationen in Kriegs- und Krisenregionen aufzuziehen. Mit beträchtlichem Erfolg.

Schuldspruch gegen mordende Rebellen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Doch die Opfer in der kongolesischen Steppe erfahren davon nichts. Szenarien wie dieses will Fondation Hirondelle verhindern. Die Organisation in Lausanne hat sich darauf spezialisiert, Radiostationen in Kriegs- und Krisenregionen aufzuziehen. »Wir machen Radio für Frieden und Entwicklung. Und der Erfolg gibt uns Recht«, sagt Yves Laplume, Kommunikationsdirektor von Fondation Hirondelle anlässlich des Welttags des Radios am 13. Februar.

1995 gegründet, hatte die Agentur als einziges Medium täglich vom Völkermordprozess für Ruanda berichtet. Bis heute sind aus dem Projekt neun weitere Radiostationen erwachsen. Darunter Radio Okapi, das von der UNO finanziell gefördert wird. In der DR Kongo, in Südsudan oder Sierra Leone sind die Stationen nicht nur die meistgehörten, sondern auch die einzigen, deren Signal bis in die abgeschiedenen Steppen und Regenwälder vordringt. In den wenigsten Einsatzgebieten von Nichtregierungsorganisationen (NRO) wird Pressefreiheit groß geschrieben. Eine unabhängige Berichterstattung sei da ein bedeutender Entwicklungsfaktor, sagt Laplume. 2011 war Radio Okapi in der DR Kongo eines der wenigen Radios, die den Wahlkampf objektiv verfolgten, ebenso wie Radio Ndeke Luka in der Zentralafrikanischen Republik oder Cotton Tree News in Sierra Leone. Zudem berichten die Stationen über die verschiedenen Kriegsverbrecherprozesse, deren Angeklagte aus Afrika stammen. Manchen Regimen sind die Sendungen ein Dorn im Auge. »Erst vor Kurzem stellte man uns Radio Okapi für vier Tage einfach ab, angeblich aus administrativen Gründen«, berichtet Laplume. In Sudan hatte der autoritäre Präsident Omar al-Baschir Radio Miraya die Lizenz entzogen. Erst 2011 konnte der Sender im unabhängig gewordenen Südsudan wieder auf Sendung gehen.

Volksnähe, erzählt uns Laplume, sei nach vielen Jahren Bürgerkrieg am wichtigsten. Star Radio etwa berichte im westafrikanischen Liberia in 14 Stammessprachen. Neben Interviews mit Vergewaltigungsopfern versucht eine Sendung Familien wieder zusammenzuführen, die bei dem 14 Jahre dauernden Krieg auseinandergerissen wurden. Per Internet hört seit Neuestem auch die Diaspora in Europa und den USA mit.

Fondation Hirondelle macht sich Afrikas Radiogesellschaft zunutze: Bis heute blieben Radios das einflussreichste Medium auf dem Kontinent. »Sie sind einfach zu bekommen, vergleichsweise günstig und einfach im Gebrauch«, sagt UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova. »Selbst wo es keinen Strom gibt, können sie jede Nachricht an jeden Ort transportieren.« In der Landbevölkerung Ghanas besitzen 70 Prozent ein Radio, nur acht Prozent einen Fernseher. In Senegal liegt die Verbreitung von Radios bei 91 Prozent, in Tansania sind es 93.

Gab es vor 20 Jahren bloß zehn unabhängige Sender in ganz Afrika, sind es heute allein in Mali 300, und 250 in der DR Kongo. Laplume meint: »Glaubwürdige Medien sind für eine erfolgreiche Entwicklungshilfe unverzichtbar. In den heiklen Punkten braucht es einfach eine unabhängige Presse.« Die Fondation Hirondelle gibt dafür Starthilfe, auf längere Sicht sollen sich die Sender finanziell selber tragen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 12. Februar 2013


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