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Ganz gewöhnliche Zensur

Verbreitung iranischer Fernsehsender in Europa und Nordamerika wird unterbunden – Press TV und HispanTV fallen Sanktionen zum Opfer

Von André Scheer *

Stolz verkündet der offizielle US-Auslandsrundfunksender Voice of America (VoA) auf seiner Home­page, er habe vergangenen Freitag den im Iran verbotenen Kinofilm »Rhino Season« über seinen persischsprachigen Satellitendienst in die Islamische Republik hinein ausgestrahlt. In dem Streifen geht es um ein iranisch-kurdisches Liebespaar, das kurz nach der Islamischen Revolution 1979 inhaftiert und für Jahrzehnte getrennt wird. Der Filmemacher Bahman Ghobadi, der seine Heimat 2009 verließ, hatte die Rechte am Film der VoA übertragen und erklärte, es sei »wichtig«, daß der Sender den Streifen über Satellit ausgestrahlt habe, »weil die Zensoren der Regierung in Teheran verhindern, daß er dort gesehen werden kann«.

Am selben Tag, als der von Washington finanzierte Staatssender auf diese Weise die Zensur im Iran durchbrach, wurde der Satellitenkanal iFilm, über den in englischer Sprache iranische Spielfilme ausgestrahlt werden, in den USA und Kanada abgeschaltet. Auch der Nachrichtensender Press TV verschwand von den nordamerikanischen Bildschirmen. Hintergrund sind offenbar weitere Sanktionen gegen Teheran, die das US-Finanzministerium in der vergangenen Woche verhängt hat. Betroffen von den Maßnahmen, die von Washington mit dem Atomstreit begründet werden, sind unter anderem die staatliche iranische Rundfunkgesellschaft IRIB und ihr Chef Ezzatollah Zarghami. Man mache sie für die Medienzensur Teherans und Störsenderattacken gegen westliche Fernsehkanäle verantwortlich, zitierte VoA einen namentlich nicht genannten Beamten der US-Regierung. Grundlage dafür sei ein Gesetz, das es dem Finanzministerium gestattet, jeden zu bestrafen, den es für die Einschränkung des freien Zugangs der iranischen Öffentlichkeit zu Informationen verantwortlich macht.

Press TV verurteilte diese Aktion als »Kriegserklärung gegen die Redefreiheit« und erinnerte daran, daß die Verbreitung des eigenen Programms auch in Europa behindert wird. So wurde die Ausstrahlung über den Satelliten Astra im vergangenen Jahr offenbar aufgrund einer Entscheidung der Bayerischen Landesanstalt für Neue Medien (BLM) beendet. Andere iranische Sender wie der offizielle Kanal IRIB wurden ebenfalls vom Satelliten genommen. Zugleich bemüht sich die EU-Kommission darum, daß die Programme auch nicht länger über Eutelsat Hot Bird verbreitet werden – bislang erfolglos. Zwar hatte der Satellitenbetreiber im Oktober die Abschaltung der iranischen Kanäle angekündigt, bislang wurde diese Entscheidung von dem Unternehmen jedoch offensichtlich nicht umgesetzt. Eine Begründung dafür war von Eutelsat nicht zu bekommen.

In Madrid hingegen verbot die dortige Stadtregierung die Ausstrahlung von HispanTV, dem spanischsprachigen Gegenstück zu Press TV, weil dieser Sender »mit Personen zusammenarbeitet, die an der Leitung oder Durchführung schwerer Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind«. Der iranische Kanal hatte sein Programm in der spanischen Hauptstadt über einen leistungsschwachen Digitalsender verbreitet, den er beim alternativen Lokalprogramm Canal 33 gemietet hatte. Dessen Direktor Enrique Riobóo kritisierte die Anweisung der Kommunalverwaltung gegenüber der Wochenzeitung Diagonal als »ganz gewöhnliche Zensur«. Radio- und Fernsehkanäle in Spanien seien auf eine Lizenz der Verwaltung angewiesen, die eine »eiserne politische Kontrolle« ausübe. »Wenn HispanTV Programme ausstrahlen würde, die die Menschenrechte verletzen, wären wir die ersten, die es abschalten«, sagte er. Sein Kollege Pablo Iglesias fügte hinzu, die spanische Regierung habe »im Namen der Marke Spanien Beziehungen mit Staaten gefördert, die in keinem Fall einen Menschenrechts­test bestehen würden«. HispanTV, das Anfang vergangenen Jahres seinen Betrieb aufgenommen hat, sieht seine ausführliche Berichterstattung über die sozialen Proteste in Spanien als eigentlichen Grund für die Maßnahmen Madrids an. Deshalb habe auch die Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy im Januar unter Verweis auf die EU-Sanktionen gegen Teheran die Verbreitung der iranischen Programme über den spanischen Satelliten Hispasat untersagt.

Über Internet sind die in Europa und Nordamerika unerwünschten Sender weiter zu empfangen: www.hispantv.ir und www.presstv.ir

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 14. Februar 2013


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