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Medien als Komplizen

Irak: Mainstream-Berichterstattung auf Seiten der Besatzer. Bericht von einer Internationalen Konferenz

Von Dahr Jamail (IPS), Rom*

Das Welttribunal ueber den Irak (WTI) wirft westlichen Mainstream-Medien vor, zur Eskalation der Gewalt im Irak beigetragen zu haben und einer politisch motivierten Berichterstattung gefolgt zu sein. Laut wurde die Kritik auf dem juengsten Treffen der internationalen Initiative in Rom. Ziel war hier wie auch auf den vorangegangenen Tagungen, die Wahrheit über den US-gefuehrten Krieg im Irak ans Tageslicht zu bringen. Teilgenommen haben an dem Treffen unabhaengige Journalisten, Medienexperten, Aktivisten und mit Michele Santoro ein Mitglied des Europaeischen Parlaments.

Reporter gefaehrdet

Nach Auffassung der Teilnehmer hat sich die Mainstream-Berichterstattung ueber den Irak im Sinne von Artikel 6 der Statuten des Nuernberger Kriegsverbrecherprozesses schuldig gemacht. Dort heisst es: "Anfuehrer, Organisatoren, Anstifter und Teilnehmer, die am Entwurf oder der Ausfuehrung eines gemeinsamen Planes oder einer Verschwoerung zur Begehung eines der vorgenannten Verbrechen teilgenommen haben, sind für alle Handlungen verantwortlich, die von irgendeiner Person in Ausfuehrung eines solchen Planes begangen worden sind". Vorgeworfen wird den Medien und den Regierungen Großbritanniens und der USA ferner, unabhaengige Berichterstatter abgedraengt und gefaehrdet zu haben. So seien in nur 14 Monaten Irak-Krieg mehr Journalisten ums Leben gekommen als im ganzen Vietnamkrieg. Am Pranger stand in Rom auch die selektive, irrefuehrende und Falschmeldungen einbeziehende Nachrichtenpolitik.

Tony Alessandrini, einer der Organisatoren des WTI-Treffens und Autor etlicher Artikel über den Irak-Krieg, fasste die Aufgabe des Tribunals in Rom zusammen: "Es geht uns nicht um eine bloße Denunziation der Medien, den Nachweis ihrer Inkompetenz und Parteilichkeit. Darueber wird schon seit Monaten gesprochen." In Rom gehe es "um die aktive Beteiligung der Medien an begangenen und andauernden Verbrechen".

Dem kann Peter Philips, Leiter des Project Censured an der Sonoma State University in Kalifornien, nur zustimmen. Für ihn sind die USA seit den 30 Jahren nie so nah am "institutionalisierten Totalitarismus" gewesen wie heute. "Die US-amerikanische Gesellschaft", so sein Fazit, "ist eine der am schlechtesten informierten, aber am besten unterhaltenen ueberhaupt".

Pentagon gibt Linie vor

Auch David Miller von der schottischen Initiative Spinwatch, die sich mit PR und Propagandafragen befasst, kritisiert die US-Regierung für ihr Vorgehen gegen unabhaengigen Journalismus. Unfreundliche Informationen seien etwa dem Pentagon mehr als verhasst. Weiter unterstrich er in Rom, daß alle unabhaengigen Untersuchungen ueber die Irak-Berichterstattung in den USA und Großbritannien die Abhaengigkeit von der offiziellen Linie bestätigt haetten. Fehlinformationen beklagten die Experten vor allen bei Nachrichten ueer die Belagerung von Falludscha.

Aus der Warte des Betroffenen argumentierte Fernando Suarez del Solar. Er hat seinen Sohn Jesus im Irak-Krieg verloren und wurde vom Pentagon gezielt falsch informiert. Man habe ihm zunächst mitgeteilt, daß sein Sohn einem Kopfschuss erlegen, später, daß er in so genanntem freundlichen Feuer umgekommen sei. Schließlich habe er den Leichnam in Augenschein genommen und festgestellt, daß sein Sohn auf eine der hoechst umstrittenen Cluster- oder Streubomben getreten sein muss, die von den USA eingesetzt werden.

* Den Artikel der Presseagentur IPS haben wir der "jungen Welt" vom 17. Februar 2005 entnommen.


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