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Rummel um Rommel

Medien. Der heute ausgestrahlte ARD-Film und die daran anschließende Dokumentation weben weiter an einer Legende: Hitlers Vorzeigesoldat soll mit den Männern des 20. Juli sympathisiert haben

Von Kurt Pätzold *

Nichts belebt das Geschäft der Medien mehr als eine Meldung, die als Sensation aufgemacht werden kann. Nichts ist der Reklame für einen Film förderlicher als ein Streit, mag er sich auf das Drehbuch oder die Besetzung der Rollen beziehen. Jüngstes Beispiel: der lange vorangekündigte Film über Erwin Rommel, den die ARD heute, am 1. November, ausstrahlen wird. Dieser Generalfeldmarschall Hitlers ist seit mehr als einem halben Jahrhundert ein Medienstar, und nichts deutet darauf, daß der verblassen, geschweige denn erlöschen könnte. Dem Mann vermochten alle Enthüllungen über die Rolle der Wehrmacht, alle Dokumente, die über seine Funktion vorgelegt wurden, nichts anzuhaben. Sein Geschichtsporträt ist in hohem Grade tatsachen- und wahrheitsresistent. Den »Wüstenfuchs« geben ungezählte deutsche Zeitgenossen und auch Nachfahren nicht her. Davon sprechen Gedenktafeln in Baden-Württemberg, die Ehre für den tapferen Mann und Soldaten verlangen oder ihm bescheinigen, »aufrecht, ritterlich und tapfer bis zu seinem Tode als Opfer der Gewaltherrschaft« gewesen zu sein. Gleiches bezeugen die Konsumenten der Rommel-Bücher, die Verlage in Fotobänden und billigen Paperbackausgaben permanent liefern, häufig Mixturen von Halbwahrheiten und Legenden. Diese Literatur, das ist Frucht der Wenden, hat inzwischen in Übersetzungen auch Polen, Russen und Tschechen erreicht.

Die Arbeit am neuen Rommel-Film, der im Auftrag des Südwestrundfunks (SWR) hergestellt wurde, begann 2008. Der dafür bereitgestellte Etat betrug sechs Millionen Euro. Die Reklamekampagne setzte 2011 ein. Da war der Film noch nicht abgedreht. Inzwischen stieg er zum wichtigsten Vorhaben der ARD im Jahr auf, in dem sich an den 70. Jahrestag der (zweiten) Schlacht bei El Alamein erinnern läßt (siehe auch jW vom 20.10.2012). Sie fand Ende Oktober und Anfang November 1942 statt. An ihrem Ende hatten die Eroberer den Traum vom Nil, von der Inbesitznahme des Suezkanals und dem Vordringen in den Westen des asiatischen Kontinents ausgeträumt.

Zum Vehikel der Filmreklame wurde 2011 ein Streit zwischen den Produzenten und den Nachkommen Rommels in erster und zweiter Generation. Die einen wie die anderen versicherten sich des Beistands gutachtender Historiker. Auch die erwiesen sich uneins darüber, ob Handlung und Darstellung – bei allen einem Spielfilm zuzugestehenden Freiheiten – der Person des Generals gerecht werden oder sie verzerrt oder verfälscht zeigen. Anschuldigungen gegen die Filmemacher behaupteten, sie hätten für ihr Rommel-Bild Anleihe bei dem britischen Historiker David Irving genommen. Dessen Buch über den Mann, der auch »Lieblingsgeneral des Führers« genannt wird, kam 1977 auf den britischen, 1978 auf den westdeutschen Buchmarkt. Im Original hieß sein Untertitel »The Trail of the Fox« (Die Spur des Fuchses); der wurde Bundesrepublikanern allerdings nicht zugemutet.

Als das Buch des Briten erschien, war Irving als Geschichtsrevisionist schon in Erscheinung getreten. Es fand widersprüchliche Aufnahme. Empört gebärdeten sich die Schöpfer des in Andacht gefertigten Gemäldes von der sauberen Wehrmacht und dem Widerstand deutscher Generale gegen Hitler. Denn, aus welchem politischen Antrieb auch immer, Irving hatte dieses Kunstwerk erheblich beschädigt. Seine Mitteilungen waren nicht durchweg von der erfundenen Art, die sein vordem erschienenes Buch »Der Untergang Dresdens« kennzeichnen.

Alte Kameraden

Zu den ersten, die am Nachkriegsbild Rommels arbeiteten, gehörte seine Witwe Lucia Maria, die unter dem Titel »Krieg ohne Haß« Papiere ihres Ehemannes herausgab. Das tat sie in Gemeinschaft mit dem einstigen Stabschef des Afrikakorps Generalleutnant Fritz Bayerlein, einem Gefolgsmann Hitlers, der seine Truppen erst die Waffen strecken ließ, als aus dem Ruhrkessel im April 1945 kein Entkommen mehr war. Das Buch beider erlebte 1950 sogleich eine zweite Auflage. Dann nahm sich der britische Militärhistoriker Basil Henry Liddell Hart Rommels an und veröffentlichte in Zusammenarbeit mit den deutschen Autoren den Band »Rommel Papers«, der 1953 in London und New York erschien. Er erfuhr Übersetzungen in Italien, Spanien und Portugal. Auch später bemühte sich die Familie Rommel um das Geschichtsbild ihres berühmtesten Angehörigen. 2010 publizierte Sohn Manfred, langjähriger Oberbürgermeister Stuttgarts, »1944 – Das Jahr der Entscheidung. Erwin Rommel in Frankreich«.

Schon 1950 hatte sich der ehemaliger Kriegsberichterstatter Lutz Koch mit dem Buch »Rommel« auf dem Buchmarkt gemeldet. Der Untertitel »Die Wandlung eines großen Soldaten«, verriet, wie er den General sah. Das paßte zur Wortwahl, die sich auch in den Memoiren von Generalen findet. Gern bezeichneten sie sich nun schlicht als Soldaten, 1951 erschien dann von Heinz Werner Schmidt, der in Afrika Rommels Ordonnanzoffizier war, »Mit Rommel in Afrika«, das 1955 in englischer Übersetzung mit dem Titel »With Rommel in Desert« verbreitet wurde.

Im gleichen Jahr wurde auch der erste Spielfilm über Rommel gezeigt: »The Desert Fox« (Rommel. Der Wüstenfuchs). Seine Handlung reichte von den Kämpfen in Nordafrika bis zum Selbstmord des Feldmarschalls. Dem Streifen lag die Rommel-Biographie von Desmond Young zugrunde, die im gleichen Jahr erschienen war. Der Autor, britischer Brigadegeneral, war in Nord¬afrika in deutsche Gefangenschaft geraten. Sein Buch, zu dem der britische Feldmarschall Claude Auchinleck, im Juli 1942 Rommels Kontrahent in der ersten Schlacht von El Alamein, ein Vorwort schrieb, wurde als »klassische Biographie des legendären Führers des Afrikakorps« beworben. Vordem schon, 1953, war in den USA ein Spielfilm über die monatelange Verteidigung Tobruks durch britische und australische Truppen im Jahre 1941 gezeigt worden, er hieß »The Desert Rats« (Die Wüstenratten); James Mason, Richard Burton und Robert Newton spielten die Hauptrollen.

Unter denen, die in der Bundesrepublik das Wehrmachtsbild auch via einer Rommel-Biographie fälschten, fehlte auch der ehemalige SS-Obersturmbannführer und Pressechef des hingerichteten Reichsaußenministers Joachim von Ribbentrop nicht. Paul Carells (eigentlich Paul Schmidt) Buch »Die Wüstenfüchse. Mit Rommel in Afrika« kam 1958 auf den Buchmarkt, erreichte 1974 die 16. und danach weitere Auflagen. Zu den alten Kameraden, die mit dem Namen Rommel Geschäfte machten oder für ihre eigenen Elaborate warben, gehörte später auch Hans-Ulrich Freiherr von Luck und Witten, einst Wehrmachtsoberst, der wie Bayerlein zu den Durchhaltekriegern gehörte und erst im Kessel von Halbe in sowjetische Gefangenschaft geraten war. So wenig er über den General zu erzählen hatte, er gab seinen Erinnerungen den Haupttitel »Mit Rommel an der Front«. Die englischsprachige Ausgabe erschien 1989 als »Panzer Commander. The Memoirs of Colonel Hans von Luck«.

Eine Bücherflut

Wer in der Deutschen Nationalbibliothek unter der Eingabe »Rommel« sich sachkundig macht, dem werden 127 Titel genannt. Und die Produktion dauert an. Hier einige Bücher und Autoren, nächst den Deutschen vor allem Briten und US-Amerikaner, da Rommel in die Kriegsgeschichte ihrer Armeen gehört und die einstigen Nord¬afrikakrieger eine breite Käuferschicht gaben: 1973 wurde in London eine Rommel-Biographie von Charles Douglas-Home veröffentlicht, eines schottischen Journalisten, der es 1982 bis zum Herausgeber der Times brachte. 1979 erschien eine weitere des britischen Militärhistorikers Kenneth Macksey, eines Kriegsteilnehmers, der nach seinem Ausscheiden aus der Armee im Range eines Majors unter anderem Biographien des Generalobersten Heinz Guderian und des Generalfeldmarschalls Albert Kesselring schrieb. Seine Abhandlung konzentrierte sich, wie der Untertitel besagt, auf »Battles and Campaigns« (Feldzüge und Schlachten).

1984 publizierte in New York Samuel M. Mitcham, ebenfalls Autor kriegsgeschichtlicher Abhandlungen über den Zweiten Weltkrieg, »Triumphant Fox. Erwin Rommel and the Rise of the Afrikakorps«, das später auch unter dem Titel »Rommel’s Desert War: The Life and Death of the Afrika Korps« auf den Buchmarkt gelangte. 1987 veröffentlichte der Historiker Ralf Georg Reuth, Korrespondent der Welt am Sonntag, »Rommel. Des Führers General«, worauf 2004 »Rommel. Das Ende einer Legende« folgte.

Weite Verbreitung fand das 1994 in London erschienene Werk des britischen Militärhistorikers im Generalsrang David Fraser »Knight’s Cross. A Life of Field Marshal Erwin Rommel« (Ritterkreuz. Das Leben des Feldmarschalls Erwin Rommel), von dem ein Rezensent schrieb, es zerstöre die »Nachkriegslegende vom Widerstandskämpfer«. Ein Jahr darauf lag die deutsche Ausgabe vor. Inzwischen wurde es in viele Sprachen übersetzt. 2002 hat Maurice Philip Remy – Produzent einer Vielzahl von Geschichtsdokumentationen, unter anderem mit Guido Knoop – eine weitere Biographie des Generalfeldmarschalls publiziert und gleichzeitig einen dreiteiligen Dokumentarfilm fertiggestellt, beide unter dem Titel »Mythos Rommel«. 2009 kam von Björn Dietrich eine schmale, informative Untersuchung auf den Buchmarkt, deren Gegenstand die »Mediale Inszenierung Rommels: Mittel, Ziele und Auswirkungen« bildet.

Auch im Ausland verebbte die Flut der Bücher über Rommel und das Afrikakorps nicht. 2003 erschien »Rommel and his art of war« (Rommels Kriegskunst) von John Pimlott, einem Historiker, der vorher etwa durch Biographien über Harold Wilson und Elisabeth II. bekannt geworden war. Er hatte schon 1994 den Band »Rommel in his own words« herausgegeben, der nach seinem Tod 2011 unter Mitarbeit des Historikers Christoph Birnbaum, Redakteur beim Rheinischen Merkur, in einer deutschsprachigen Version erschien. Die erhielt den Titel »Erwin Rommel: Mut ist, daß man die Angst überwindet. Aus den Briefen des Generalfeldmarschall«. Zu den jüngsten Rommel-Biographien zählt die des kanadischen Militärhistorikers Benoit Lemay, die 2009 in Paris herauskam, in englischer Übersetzung mit dem Untertitel »Germany’s Flawed Champion« (Deutschlands beschädigter Meister).

Lange hielt kein renommierter deutscher Militärhistoriker es für reizvoll, sich mit dem Leben des populärsten Wehrmachtsgenerals eingehend zu befassen. Nur in Sammelbänden und Nachschlagewerken fanden sich knappe Skizzen. Das änderte sich 2009 im Zusammenhang mit einer in Stuttgart vom Haus der Geschichte Baden-Württembergs eingerichteten Ausstellung, die Besucher wiederum mit dem Titel »Mythos Rommel« einlud. Im Werbetext wurde wünschenswert klar geschrieben, daß dieser Mythos schon Produkt nationalsozialistischer Propaganda war, der Rommel sich »bereitwillig zur Verfügung« stellte und von der er sich »mit großem Erfolg zur Ikone aufbauen« ließ. Unter der Federführung des Freiburger Militärhistorikers Jürgen Förster entstand der Band »Geschichte und Mythos« mit Beiträgen eines Symposiums, das sich mit der realen Biographie des Generals ebenso befaßt hatte wie mit den von ihr gelieferten Bildern.

Der strahlende Stern

Für zwei Kontroversen bietet Rommels Leben reichlich Stoff. Die eine betrifft seine Leistungen als Militär und die Frage, ob die nicht aus propagandistischen Gründen von der Wehrmachts- und der britischen Propaganda maßlos überhöht wurden. Daran existierte aus unterschiedlichen Gründen da wie dort Interesse. Den Deutschen kamen die Erfolge der Panzertruppen in Nord¬afrika besonders recht, als der Feldzug gegen die Sowjetunion 1941 in die Niederlage vor Moskau gemündet war. Deren Ausmaß und Folgen sollten der deutschen Bevölkerung verborgen bleiben. Die las 1942 in Wehrmachtsberichten über Monate von den kaum Raumgewinn eintragenden Kämpfen auf der Krim, um Sewastopol und auf der Halbinsel Kertsch. Auch von anderen Frontabschnitten waren Siege nicht zu melden. In Nordafrika belagerten deutsch-italienische Truppen Tobruk noch immer vergeblich. Dann jedoch, am 28. Mai 1942, gab eine Sondermeldung den Beginn einer Offensive bekannt, am 21. Juni wurde die Eroberung Tobruks mitgeteilt, dann das Vordringen auf ägyptischen Boden bis zur »letzten Stellung« vor Alexandria.

Vor diesem Hintergrund ging Rommels Stern auf und erstrahlte. An diesem Junitag las man seinen Namen das erste Mal in einem Wehrmachtsbericht. Dort tauchte er entgegen allem Lärm um das Afrikakorps aber zunächst nicht mehr auf. Das geschah erst wieder 1943 nach der Kapitulation der ersten Regierung nach Mussolini, geführt von Pietro Badoglio, als von Rommel befehligte deutsche Truppen in Oberitalien die Soldaten des bisherigen Verbündeten entwaffneten und das Land besetzten. Nun war Rommels Name für einige Zeit in Zeitungsberichte und Filmaufnahmen gegenwärtig. Sein Ruhm schien merkwürdigerweise dann auch durch die Niederlage in Nordafrika unbeschädigt. Während deren letztem Kapitel, das sich auf tunesischem Boden vollzog, hatte er das Korps schon nicht mehr befehligt. Jedoch waren Wochenschaubilder bei vielen in Erinnerung, die Rommel als »seinen« Soldaten besonders eng verbundenen Krieger gezeigt hatten, der sich selbst an vorderste Front und in Gefahr begab. Lebendig blieben lange auch die Filmaufnahmen von der Exotik des Feldzuges am Südrand des Mittelmeeres. In den Kinos in der Heimat sah man Aufnahmen von »deutschen Afrikakämpfern«, die sich Hühnereier auf den heißen Platten ihrer Panzerfahrzeuge brieten, lieber als die ewig wiederkehrenden von fallenden Bomben und donnernden Geschossen.

Seit den Kämpfen im Norden Afrikas war Rommels Name auch bei den westlichen Kriegsgegnern bekannt. Und diese, vor allem die Briten, die einen Rückzug zu erklären hatten, besaßen Interesse daran, ihr Gegenüber als besonders starken und schwierigen Gegner darzustellen, was ihren schließlich errungenen Sieg aufwertete. Dabei war Rommels Korps nie auch nur annähernd in Reichweite des strategischen Zieles, des Suezkanals, gelangt. Kriegsberichte feierten in einer Serie noch den Vorstoß »Von Imimi bis El Alamein«, da hätte sie schon den Zusatz erhalten müssen »… und zurück«.

Im Herbst 1942 hatten die Briten die Oberhand auf ägyptischem Boden gewonnen, Dann waren die US-Amerikaner in Nordwestafrika gelandet. Das deutsche Korps drohte in einen Zangengriff zu geraten. Rommel erkannte, daß der Feldzug verloren war. Hitler und Goebbels wünschten nicht, daß ihnen der zum Helden aufgebaute Marschall abhanden kam. Er durfte im März 1943 auf den europäischen Kontinent zurückkehren. Die Masse seiner Truppen – nur einer Minderheit gelang die Flucht über das Mittelmeer – kapitulierte und geriet mit dem neuen Oberbefehlshaber in die rettende Gefangenschaft.

Militärbefehlshaber, die an der Front gegen die Rote Armee weit weniger an Toten, Verwundeten und Gefangenen verloren, nicht solche Mengen von Kriegsmaterial aufgegeben hatten, schickte Hitler auf Dauer, manche in Ermangelung von Ersatz zeitweilig, in Heimaturlaub. Rommel hingegen wurde im Mai 1943 beauftragt, vorbereitende Maßnahmen für den Fall des Kriegsaustritts Italiens zu ergreifen. Er erhielt, als die anglo-amerikanischen Truppen auf Sizilien landeten, den Oberbefehl über die in Norditalien operierende deutsche Heeresgruppe B. Daß er nach dem Rückzug aus Ägypten in des »Führers« Ungnade gefallen sei, gehört mithin in das Reich der Legenden. Und ihn selbst drängte es nach erneuter Bewährung; er befahl, den »badogliohörigen Banden«, »dem Gesindel«, das gestern Verbündeter war, keine Schonung zu erweisen.

Im Zentrum der Kontroversen

Die eigentliche Kontroverse, die über Rommels Biographie ausgetragen wird und in den Diskussionen um den neuen Film auflebte, betrifft jedoch die Frage, wie nah oder wie fern der Marschall 1944 den Kräften stand, die durch den Tod Hitlers den Weg zu einem totalen oder Teilfrieden frei machen wollten, weil sie den Krieg als Ganzes verloren gaben. Die sich immer wieder und gegen alle Argumente und Dokumente geltend machende Version sucht Rommel im Minimum zum Mitwisser, im Maximum zum Mittäter der Verschwörer des 20. Juli zu stilisieren, zu einem Hitler-Gegner, der auf den Erfolg der Akteure hoffte und sich ihnen danach zur Verfügung stellen wollte.

Während Claus von Stauffenberg und seine Gruppe den Militärputsch vorbereiteten, befehligte Rommel, dessen Hauptquartier sich im Seine-Bogen im Schloß La Roche Guyon nahe der Grenze zwischen der Ile de France und der Normandie befand, in Frankreich eine Heeresgruppe, die sich auf den Kampf gegen die erwartete Invasion vorbereitete. Als die Anfang Juni 1944 gelungen war, wurde Rommel bei einem Angriff von Tieffliegern auf sein Fahrzeug am 17. Juli verwundet. Auf die Nachricht vom Mißlingen des Vorhabens, Hitler zu töten, reagierte er am 24. Juli in einem Brief an seine Frau mit den Worten: »Zu meinem Unfall hat mich das Attentat auf den Führer besonders stark erschüttert. Man kann Gott danken, daß es so gut abgegangen ist.«

Unterstellt man nicht, daß diese Sätze geschrieben wurden, um sich so etwas wie einen »Persilschein« zur Abwehr von Verdächtigungen auszustellen, dann fällt es allein aufgrund dieses Dokuments schwer, den Marschall für einen Hitler-Gegner zu halten. Als gesichert kann hingegen gelten, daß er vorsichtige Werbungen, ihn für den Verschwörerkreis zu gewinnen, ablehnte. Zu ihm hat er keinen Kontakt hergestellt. So sahen vor Jahrzehnten auch seine Familienangehörigen seine Rolle noch, die sich dabei auf Gespräche stützen konnten, die sie 1944 mitgeführt hatten, während er sich in seinem Haus in Württemberg von seiner Verwundung erholte.

Wie der Marschall dennoch in Verdacht geriet, den Umsturzplan unterstützt oder auch nur gekannt zu haben, wird ungeklärt bleiben. Da sind Historiker auf Mutmaßungen angewiesen, die sich einer Wahrscheinlichkeitsstufe nicht zuordnen lassen. Bis zu seiner Verwundung gehörte Rommel, was immer er über den Fortgang des Krieges denken und wünschen mochte, zu Hitlers militärischen Gefolgsleuten, deren Loyalität ungebrochen war. Die Frage, warum dieser Krieg bis in das Frühjahr 1945 dauerte, beantwortet sich auch an dieser Gefolgschaft, wiewohl der Mann die Phase der Agonie des Regimes nicht mehr erlebte. Er schluckte die Giftkapsel, die ihm sein Führer überbringen ließ.

Für den nun dem deutschem Fernsehpublikum offerierten Film gibt es eine Vergleichsmöglichkeit: Der früheste Film über den »Wüstenfuchs« ist eine US-amerikanische Produktion aus dem Jahr 1943. Gedreht hatte »Five Graves to Cairo« (Fünf Gräber bis Kairo) Billy Wilder, der 1933 von Berlin nach Paris geflohen und später in die USA gegangen war. Erich von Stroheim verkörperte den Generalfeldmarschall. Zwei Österreicher, der eine in Wien geboren, der andere dort aufgewachsen, beide Söhne jüdischer Eltern, schufen einen Film, der sich der damals üblichen Karikaturen von Nazis enthielt. Er zeigte Rommel als das, was er war: ein Vertreter des nazistischen Herrenmenschentums in Uniform.

Von Kurt Pätzold erschien vor kurzem »Kriegerdenkmale in Deutschland. Eine kritische Untersuchung« im Spotless Verlag, 128 Seiten, 9,95 Euro

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 01. November 2012


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