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"Mit unerbittlicher Härte zerschlagen"

Geschichte. Vor 70 Jahren überfiel die Wehrmacht Jugoslawien und Griechenland

Von Martin Seckendorf *

Am Palmsonntag, dem 6. April 1941, griff die Wehrmacht mit drei Armeen ohne Kriegserklärung Jugoslawien und Griechenland an. In ihrem Schatten folgten ungarische, italienische und bulgarische Verbände. Den modern ausgerüsteten, Siege gewohnten deutschen Truppen hatten die Armeen der beiden überfallenen Länder nicht viel entgegenzusetzen. In Griechenland dauerte der Kampf drei Wochen: Bereits am 30. April war das ganze Festland erobert. Zwischen dem 20. und 30. Mai gelang der Wehrmacht unter großen Verlusten die Besetzung Kretas. Noch schneller wurde Jugoslawien niedergeworfen. Die königliche jugoslawische Armee mußte nach gut einer Woche die Waffen strecken.

Der Aprilkrieg gegen Jugoslawien war die zweite von drei Aggressionen, die im 20. Jahrhundert von deutschen Soldaten gegen das Balkan­land geführt wurden (im Ersten Weltkrieg im Bunde mit Österreich, 1999 als Teil der Nato).

Am Ende der Aggression wurde Jugoslawien wie kein anderer von deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg unterworfener Staat territorial zerstückelt. Die Okkupanten gliederten das Land in zehn Teile mit unterschiedlichem Rechtsstatus. Über 35 Prozent der Gesamtfläche wurden von Deutschland, Italien, Ungarn und Bulgarien annektiert. Das übrige Gebiet teilten die Okkupanten und ihre Helfer als Besatzungs- oder Einflußzonen unter sich auf. Die neuen Herren gingen zügig daran, die erlangten Gebiete national und religiös zu »vereinheitlichen«, was zu einem Genozid, vor allem an Serben und Slowenen, führte. Die Karte Jugoslawiens nach der deutschen Aggression im Jahr 1941 ähnelt frappierend der heutigen, die nach der von den Westmächten unterstützten Zerschlagung des Landes in den 1990er Jahren entstanden ist.

Während die Aggression gegen Griechenland seit Anfang November 1940 vorbereitet wurde (siehe jW-Thema, 28.10.2010), war der Überfall auf Jugoslawien von der deutschen Führung eigentlich nicht vorgesehen.

Zielgebiet deutscher Expansion

Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, wie das multinationale Balkanland bis 1929 hieß, stand nach dem Ersten Weltkrieg zusammen mit Rumänien im Zentrum der deutschen Südosteuropapolitik. Beide Staaten waren Eckpfeiler des von Frankreich nach dem Krieg zur Eindämmung des deutschen »Drangs nach Südost« geschaffenen Bündnissystems, der Kleinen Entente. Das Herausbrechen eines oder beider Staaten aus dem Bund mit Frankreich sollte das gesamte Versailler Nachkriegssystem durchlöchern, eine erneute deutsche Südostexpansion ermöglichen und dem deutschen Imperialismus Zugang zu einer Region mit wichtigen Rohstoffen und Nahrungsmitteln sowie einem entwicklungsfähigen Absatzmarkt für deutsche Industrieprodukte schaffen.

Rumänien war wegen seines Ölreichtums, seiner landwirtschaftlichen Produktion, aber auch wegen der geographischen Nähe zur Sowjetunion von Bedeutung. Jugoslawien konnte bei rüstungssensiblen Rohstoffen wie Kupfer, Chrom, dem Aluminiumausgangsstoff Bauxit, Blei, Zink, Mangan sowie bei landwirtschaftlichen Produkten den deutschen Bedarf in hohem Maße, in einigen Fällen sogar vollständig decken. Von erheblichem Gewicht für die Herrschenden in Deutschland war, daß die begehrten Produkte in einer Region zu finden waren, die von Deutschland aus auf dem Landweg erreicht werden konnte. Damit lagen diese Gebiete abseits der Seeblockademöglichkeiten Großbritanniens, worauf der Exponent der Deutschen Bank und rechtsradikale Politiker Karl Hellferich sehr früh hingewiesen hatte. Im Ersten Weltkrieg war die deutsche Rohstoff- und Lebensmittelversorgung, die zuvor in erheblichem Maße aus Übersee gedeckt wurde, durch die britische Blockade stark beeinträchtigt worden. Die Blockade war für die deutschen Eliten eine traumatische Erfahrung, auch weil auf ihre Auswirkungen die Revolutionierung der deutschen Bevölkerung zurückgeführt wurde. Hellferich befürwortete deshalb nach 1918 bei der Expansionspolitik die »Balkan- und Nahostlinie«. In Erinnerung an die kaiserliche Nahostexpansion schrieb er, ein entscheidender Vorteil der Nahostlinie habe für Deutschland darin bestanden, daß sowohl die Expansionsräume als auch die Verbindungslinien dorthin »abseits des Machtbereichs des seegewaltigen England« lagen, das im Krieg »alle unsere anderen Ausgänge nach der außereuropäischen Welt beherrschte«.

Die Gewinnung eines blockadesicheren Raumes, aus dem in ausreichender Menge Rohstoffe und Lebensmittel beschafft werden konnten, galt als Voraussetzung zur siegreichen Führung des von den deutschen Eliten seit deren Niederlage 1918 ins Auge gefaßten Revanche- und Eroberungskrieges. Der Generalbevollmächtigte für die Kriegswirtschaft hob in einem Schreiben vom 14. September 1938 die »außerordentliche Bedeutung« der Verkehrswege nach Südost­europa im »Mob (ilisierungs)-Fall« hervor, »da sich der größte Teil der Ein- und Ausfuhren Deutschlands« über diese Wege vollziehen werde. Am 12. November 1940 schrieb Günther Bergemann, Abteilungsleiter für die Außenwirtschaft im Reichswirtschaftsministerium, es sei das Bestreben der deutschen Politik gewesen, eine Situation wie vor dem Ersten Weltkrieg zu vermeiden, als »43 Prozent der deutschen Einfuhren aus Übersee« kamen und von der Entente leicht unterbunden werden konnten. Deshalb habe sich Deutschland insbesondere seit 1933 »bewußt und planmäßig bemüht, seine überseeischen Einfuhren zu drosseln und seinen Warenverkehr so zu lenken, daß es in der Lage ist, Waren auch im Kriegsfall erreichbar zu haben«.

»Friedliche Durchdringung«

Zur Durchsetzung der deutschen Südosteuropapläne wurden noch in der Weimarer Republik Konzepte zur Unterwanderung der wichtigsten Staaten dieser Region entwickelt. Hauptwaffe der Offensive war die konsequent auf diesen Zweck ausgerichtete Wirtschafts- und Handelspolitik. Sie galt als wichtigstes Instrument in einem Orchester penetrierender Maßnahmen, zu denen auch die auswärtige Kulturpolitik und der politische Einsatz der zahlenmäßig großen deutschen Minderheiten gerechnet wurden.

Die Länder der Region sollten in volkswirtschaftlich relevanten Größenordnungen an den deutschen Markt gebunden werden, sich zunehmend auch politisch von Frankreich weg und nach Deutschland hin orientieren sowie der deutschen Wirtschaft unbeschränkten Zugang zu den begehrten Rohstoffen sichern. Den von der Weltwirtschaftskrise besonders gebeutelten Ländern an der Donau wurde angeboten, ihre Waren zu festen Preisen abzunehmen. Die Verrechnung sollte nicht in Devisen, sondern mit aus Deutschland zu liefernden Industrieprodukten erfolgen. Damit war die kapitalistisch Konkurrenz aus dem Feld geschlagen und man konnte diese Länder zwingen, ihre gesamte Produktion auf den deutschen Bedarf auszurichten.

Mit Jugoslawien gelang am 1. Mai 1934 der Abschluß eines solchen Knebelvertrages. Der Mitteleuropäische Wirtschaftstag, eine Vereinigung einflußreicher Industrie- und Bankkonzerne sowie der Großlandwirtschaft, war entscheidend an dem Zustandekommen dieses Abkommens beteiligt. Nach wenigen Jahren war die totale ökonomische Bindung an Deutschland erreicht.

Sehr bald traten auch die gewünschten politischen Folgen ein. Nur ein Vierteljahr nach Abschluß des Vertrages nahm Jugoslawien aus Österreich geflohene Teilnehmer des Nazi-Putsches vom 25. Juli 1934 auf und gestattete deren Formierung zu militärischen Einheiten. Am 25. August 1937 resümierte das Auswärtige Amt, durch die »planmäßige deutsche Wirtschaftspolitik« sei die »weitgehende Loslösung Jugoslawiens von Frankreich und der Kleinen Entente« erreicht worden. Jugoslawien stehe zu Nazi-Deutschland »in ausgesprochen freundschaftlichen Beziehungen«, heißt es in einer Einschätzung vom 3. Januar 1938. Die politische Annäherung der Herrschenden in Belgrad an das faschistische Deutschland wurde besonders durch die Annexion Österreichs im März 1938 (siehe jW-Thema vom 12.3.2008) gefördert. Die wirtschaftliche Abhängigkeit Jugoslawiens von Deutschland wuchs enorm. Etwa die Hälfte der jugoslawischen Ausfuhr ging nach Deutschland. Deutsches Kapital erreichte bei den ausländischen Kapitalanlagen in Jugoslawien die erste Stelle. Hermann Göring, der »zweite Mann« nach Hitler, forderte am 5. April 1938, »vom Lande Österreich aus (…) die wirtschaftliche Erfassung des Südostraumes« in Angriff zu nehmen.

Tilo von Wilmowsky, Präsident des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages, mit besten Verbindungen zu den Großagrariern und zum Hause Krupp, verlangte, die Südostexpansion zu intensivieren. Mit der Annexion Österreichs, die man »Wiedervereinigung« nannte, sei es gelungen, »das Tor nach Südosteuropa (…) weit zu öffnen«.

Politische Unterwerfung

Das Nazi-Reich trat immer fordernder und drohender auf. Eine Untersuchung des Reichsamtes für wehrwirtschaftliche Planung vom August 1938 verlangte, daß im Kriegsfall die Gesamtproduktion Jugoslawiens an Kupfer, Blei, Zink, Chrom, Weizen und Mais Deutschland zur Verfügung stehen müsse. Unter keinen Umständen »dürften die in ihrem Umfang beachtlichen Rohstoffquellen« den »Feindländern zugute kommen«. Den Grad der jugoslawischen Annäherung an das faschistische Deutschland zeigt eine Einschätzung des Oberkommandos des Heeres zwei Jahre später. Generalstabschef Franz Halder vermerkte am 3. September 1940 in seinem Kriegstagebuch, eine Analyse habe folgendes Ergebnis gebracht: »Jugoslawien steht heute (zu) 100 Prozent für unsere Kriegswirtschaft zur Verfügung.« Zögernden Balkanstaaten wurde offen gedroht. Am 23. Januar 1939 sagte der Reichsstatthalter für Österreich, Arthur Seyß-Inquart, in einer Rede vor hohen Offizieren der Wehrmacht, die Annexion Österreichs bedeute »eine gewaltige Stärkung des Potentials des Reiches« und »die breite Öffnung des Tores nach Südosten«. Man könne den Regierungen dort jetzt sagen: »Ihr wißt, daß wir so stark sind, daß jeder, der gegen uns geht, vernichtet wird.«

Die politische Annäherung Belgrads an Berlin wurde durch permanente italienische Aggressionsdrohungen beschleunigt. Das faschistische Italien wollte die jugoslawische Adriaküste annektieren. Die Herrschenden Jugoslawiens glaubten, der beste Schutz gegen die Kriegspläne Roms sei eine Anlehnung an Nazi-Deutschland. Italien werde es nicht wagen, ein mit Deutschland verbündetes Jugoslawien anzugreifen. Außerdem versprach man sich dadurch eine Förderung der eigenen Expansionspläne, die sich gegen Griechenland, insbesondere gegen die nördliche Ägäisküste mit Thessaloniki richteten.

Als die deutsche Führung am 4. November 1940 die Aggression gegen Griechenland beschloß, ging die Wehrmacht davon aus, daß Jugoslawien den Angriff politisch unterstützen und seine Wirtschaftsressourcen der deutschen Rüstung zur Verfügung stellen werde. Hitler meinte am 5. Dezember 1940 vor dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW): »Jugoslawien macht mit uns alles.«

Am 25. März 1941 wurde im Wiener Schloß Belvedere in einer pompösen Zeremonie der Beitritt Jugoslawiens zum Dreimächtepakt vollzogen. Der am 27. September 1940 von Deutschland, Italien und Japan gebildete Pakt sollte als politisches und militärisches Bündnis die USA vom Kriegseintritt abschrecken und für den bevorstehenden Krieg gegen die Sowjetunion eine einheitliche Front der faschistischen Hauptmächte und ihrer Satelliten bilden. Mit dem Beitritt Jugoslawiens waren alle südosteuropäischen Länder wirtschaftlich und politisch an das faschistische Deutschland gebunden. Der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop erklärte mit unverhohlener Freude, daß nun »der gesamte bisher neutrale Balkan sich im Lager der Ordnung befindet«. Die vorgesehene Aggression gegen das widerspenstige Griechenland schien nur noch eine Formsache zu sein. Berlin stand auf dem Gipfelpunkt seiner Südosteuropaexpansion.

Aggression beschlossen

Wegen der antifaschistischen Grundhaltung breiter Teile der Bevölkerung in Jugoslawien wurde Belgrad zugesichert, daß es vorerst von den militärischen Verpflichtungen des Dreimächtepaktes befreit sei. Trotzdem erhob sich in Jugoslawien ein Sturm der Entrüstung gegen die Unterwerfung des größten Balkanlandes unter das faschistische Deutschland. Eine probritische Offiziersgruppe um den Luftwaffenchef Dusan Simovic nutzte die Situation, stürzte am 27. März die Regierung des nazifreundlichen Premiers Dragisa Cvetkovic und erklärte, zur Neutralitätspolitik zurückkehren zu wollen.

Die Belgrader Ereignisse bedeuteten eine schwere Schlappe für die deutsche Südosteuropapolitik. Der soeben unterworfene, politisch wie rüstungswirtschaftlich wichtige Balkan drohte, den Deutschen wieder zu entgleiten.

Noch am Nachmittag des 27. März hatte Hitler die militärische Führung in die Reichskanzlei bestellt. Das Protokoll dieser Besprechung spiegelt den maßlosen Zorn der Nazi-Führer und Militärs über die erlittene außenpolitische Niederlage wider. Man könne von Glück reden, meinte Hitler, daß der Umschwung in Belgrad noch vor Beginn des Griechenlandfeldzuges und »erst recht« vor dem Überfall auf die Sowjetunion erfolgt sei. Jetzt könne man die Sache noch bereinigen. Der latente, in den deutschen Eliten seit dem Ersten Weltkrieg tief verwurzelte Haß auf die südslawischen Völker brach sich Bahn. Hitler meinte, »Serben und Slowenen sind nie deutschfreundlich gewesen« und müßten bestraft werden. »Führer ist entschlossen«, vermerkt das Protokoll, »Jugoslawien militärisch und als Staatengebilde zu zerschlagen«. Die »Balkanisierung«, d.h. die totale Zersplitterung des Landes sei das Ziel. Der Schlag müsse »mit unerbittlicher Härte (…) und in einem Blitzunternehmen« durchgeführt werden. »In diesem Zusammenhang«, so wurde weiter festgelegt, sei »der Beginn des »Barbarossa-Unternehmens«, d.h. der Überfall auf die Sowjetunion (siehe jW-Thema vom 18.12.2010) »bis zu 4 Wochen« zu verschieben. Man entschloß sich, den Überfall auf Griechenland und auf Jugoslawien gleichzeitig durchzuführen und für den »Doppelschlag« auch Verbände aus dem »Barbarossa«-Aufmarsch einzusetzen. Darunter befand sich der damals modernste Panzergroßverband, die Panzergruppe Kleist, die wesentlichen Anteil am schnellen Sieg der Wehrmacht über Frankreich im Sommer 1940 hatte.

Noch am 27. März wurden in der »Weisung Nr. 25« die operativen Grundlinien der Kriege gegen Griechenland und Jugoslawien festgelegt. Bemerkenswert dabei ist, daß in dieser grundsätzlichen Weisung für die Kriegsführung ein einzelnes Wirtschaftobjekt, die Kupfermine Bor, besondere Erwähnung fand. Gleich zu Beginn der »Weisung Nr. 25« heißt es: »Die baldige Besitznahme der Kupfergruben von Bor« sei »aus wehrwirtschaftlichen Gründen wichtig.« In der Anschlußweisung Nr. 27 vom 13. April 1941 wurde der Befehl bekräftigt. Zu den weiteren militärischen Operationen in Jugoslawien heißt es, das Gebiet »zwischen Morava und Donau mit den wertvollen Kupfergruben ist schnellstens zu sichern«. Die Gruben nahe der Stadt Bor waren die damals ergiebigsten Kupferminen Europas. Eigentümer war die französische Gesellschaft Compagnie Francaise de Mines de Bor. Deren Anteile wurden nach der Besetzung Frankreichs von einem deutschen Konsortium »erworben«. Dabei übten nach einer Mitteilung des Vizepräsidenten der Reichsbank, Emil Puhl, die deutschen Okkupanten Druck auf die französischen Besitzer aus. Nach einem Entscheid des Reichswirtschaftsministeriums wurde Ende 1940 der Mansfeld AG das Vorrecht für die Minen bei Bor eingeräumt. Hauptaktionär der Mansfeld AG war die Deutsche Bank. Generaldirektor bei Mansfeld war Rudolf Stahl, stellvertretender Leiter der Reichsgruppe Industrie. Er gehörte seit 1932 zu den Förderern der NSDAP. Im Rüstungsbereich war Stahl maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung des Krieges beteiligt. Zusammen mit dem späteren zweiten Bundeskanzler, Ludwig Erhard, schmiedet er Pläne für eine imperialistischen Nachkriegsordnung in Deutschland. Drei Tage vor dem Überfall der Wehrmacht teilte Stahl dem Reichswirtschaftsministerium mit, seine Mitarbeiter stünden bereit, die Leitung der Minen im jugoslawischen Bor sofort zu übernehmen.

Fünfte Kolonne

In der Beratung am 27. März wurde auch festgelegt, die Sezessionskräfte in Jugoslawien zu aktivieren, um den Vormarsch der Wehrmacht zu erleichtern. Dabei ging es vor allem um reaktionäre Kräfte in Kroatien und um die etwa 500000 Menschen umfassende deutsche Minderheit.

Den Kroaten sollte, so Hitler auf der Besprechung, wenn sie sich beim deutschen Angriff gegen die jugoslawische Regierung stellen, eine Selbstverwaltung zugesichert werden. SS-Standartenführer Edmund Veesenmayer, der schon maßgeblichen Anteil an der »Wiedervereinigung« Österreichs mit Deutschland 1938 und beste Verbindungen zur Dresdner Bank hatte, wurde vor dem Angriff nach Zagreb entsandt. Nachdem sich bürgerliche Sezessionisten der Zusammenarbeit mit den Nazis verweigert hatten, konzentrierte sich Veesenmayer auf die klerikal faschistische Ustaschabewegung. Diese hatte bis dahin hauptsächlich aus dem Exil in Italien gegen die jugoslawische Einheit agiert. Bevor die deutschen Truppen Zagreb erreichten, rief ein Funktionär der Ustascha unter dem Schutz deutscher Nazis den »Unabhängigen Staat Kroatien« aus und forderte die kroatischen Soldaten in der königlichen jugoslawischen Armee auf, zu desertieren. Die Bildung dieses Satelliten war ein entscheidender Bestandteil und ein wichtiges Instrument der territorialen Zerschlagung Jugoslawiens und für die erhebliche Dezimierung der Serben und Slowenen.

Eine wichtige Rolle bei der Destabilisierung Jugoslawiens nach dem 27. März 1941 spielte die deutsche Minderheit. Ihre Führung stand spätestens seit 1938 vollständig im Dienste des Nazi-Reiches. Als in Berlin die Aggression beschlossen worden war, machte sie auf reichsdeutschen Befehl hin mobil für den verdeckten Krieg. Die Abteilung II (Sabotage und Sonderaufgaben) des Amtes Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht lieferte über die Spionage- und Sabotageorganisation »Jupiter« große Mengen Waffen an die Deutschen in Jugoslawien. »Volksdeutsche Selbstschutzkommandos« griffen die jugoslawische Armee an, besetzten strategisch wichtige Punkte wie den Flughafen Semlin, vertrieben oder töteten jugoslawische Beamte und terrorisierten die Zivilbevölkerung. Die deutsche Führung hatte die volksdeutschen Soldaten der jugoslawischen Armee zur Fahnenflucht aufgerufen. Schon am 1. April 1941 vermerkt der Generalstabschef des Heeres, Franz Halder, in seinem Kriegstagebuch: »Auflösungserscheinungen des jugoslawischen Staates mehren sich.«

Die bedingungslose Parteinahme der überwiegenden Mehrzahl der Deutschen in Jugoslawien für die faschistischen Aggressoren und ihre massenhafte Mitwirkung an Okkupationsverbrechen trugen entscheidend dazu bei, daß sie nach dem Krieg ihre Heimat fluchtartig verließen bzw. ausgesiedelt wurden.

Die Aggression der Faschisten und die vierjährige Besetzung fügten dem Land unermeßliches Leid zu. Mehr als zehn Prozent der Vorkriegsbevölkerung verloren durch Krieg und Okkupation ihr Leben. Der von den Deutschen entfachte Gewaltfuror und die von ihnen planmäßig gesäte Zwietracht unter den Völkern des Balkanstaates wirken bis heute nach.

* Dr. Martin Seckendorf ist Historiker und Mitglied der Berliner Gesellschaft für Faschismus- und Weltkriegsforschung e.V.

Aus: junge Welt, 6. April 2011



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