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Merkel will die Inselstaaten zähmen

UN-Klimagipfel: Ambitionierte Ziele für Industrieländer werden ausgebremst / Neue Proteste *

Chaos beim Weltklimagipfel in Kopenhagen: Da sich mittlerweile 45 000 Teilnehmer registriert haben, war am Montag der Einlass über Stunden lang blockiert. Gleichzeitig stocken die Verhandlungen wegen des Widerstands von afrikanischen und Inselstaaten. Dänemarks Umweltministerin Connie Hedegaard will nun mit informellen Gesprächen ihrer Amtskollegen neuen Schwung in die Verhandlungen bringen.

In die Verhandlungen beim Weltklimagipfel schaltet sich nun auch die Bundeskanzlerin ein: Angela Merkel hat die sieben Staatschefs und Ministerpräsidenten der Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) für heute ins Kanzleramt geladen. War ursprünglich nur ein Fototermin mit Präsident Horst Köhler geplant, hat angesichts der Situation auf der UN-Konferenz die Kanzlerin Gesprächsbedarf angemeldet.

Noch immer ruhen die offiziellen Verhandlungen in Kopenhagen, weil die AOSIS-Staaten am Freitag einen eigenen, wesentlich ambitionierteren Vertragsentwurf vorgelegt hatten. Diesen will die dänische Konferenzleitung aber nicht verhandeln, obwohl er von afrikanischen Staaten unterstützt wird. Der Entwurf fordert, eine 1,5-Grad-Obergrenze für die Erderwärmung als Grundlage für ein neues Klimaabkommen festzuschreiben. Bei den UN-Gesprächen um ein Kyoto-Folgeabkommen wird bislang eine Obergrenze von zwei Grad Celsius angepeilt.

Ebenfalls heute will sich der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy in Paris mit dem äthiopischen Premierminister Meles Zenawi treffen. Nichtregierungsorganisationen wie die Pan-afrikanische Allianz für Klimagerechtigkeit vermuten, dass die beiden europäischen Großmächte den Widerstand der Inselstaaten und der afrikanischen Länder brechen wollen, bevor es in Kopenhagen ab Mittwoch wirklich ernst wird.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagte am Rande der Konferenz, er sei zuversichtlich, dass sich auch die AOSIS von der Notwendigkeit der Zwei-Grad-Grenze überzeugen lasse. Für einen Erfolg in Kopenhagen müsse »neue Dynamik« in die Verhandlungen kommen. Röttgen wies erneut darauf hin, dass sich vor allem die USA und China bewegen und verbesserte Angebote vorlegen müssten.

Dass die nächsten Tage kein Spaziergang werden, zeigte am Montag ein weiterer Eklat. Die Gruppe der 77, in der rund 130 Entwicklungsländer organisiert sind, verließ geschlossen den Verhandlungssaal, in dem trotz der Blockade inoffizielle Gespräche stattfanden. Die Afrikaner sind misstrauisch geworden, weil die Konferenzleitung zwei Entwürfe für ein ganz neues Abkommen vorgelegt hat, in dem wohl auch Entwicklungsländer Reduktionsziele übernehmen müssten. Die Afrikaner fordern dagegen eine zweite Verpflichtungsperiode für das Kyoto-Protokoll.

Bei einer Demonstration des Aktionsbündnisses »Climate Justice Action« mit rund 3000 Teilnehmern kam es in Kopenhagen erneut zu 17 Festnahmen. Bei Demonstrationen am Wochenende hatte die Polizei insgesamt 1226 Personen, darunter 335 Deutsche, festgenommen und bis zu zwölf Stunden »vorbeugend« in einem Massenarrest festgehalten. Mehr als 600 Betroffene wollen Klage einreichen.

Derweil ist Deutschland beim globalen Klimaschutzindex der Nord-Süd-Organisation Germanwatch auf Platz sieben abgerutscht. »Die ersten drei Plätze des Rankings blieben – wie im letzten Jahr – frei«, erläuterte Jan Burck von Germanwatch in Kopenhagen.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Dezember 2009


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