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Blutgeld für Regierungsparteien

Neues von Heckler & Koch: "Karitative" Waffenfirma in Spendierlaune

Von René Heilig *

Die aktuell am häufigsten benutzte Kriegswaffe ist gewiss die Kalaschnikow. Doch es gibt zahlreiche Belege dafür, dass das G3 und sein Ableger HK33 in vielen Konflikten die zweithäufigsten Mordinstrumente sind. Seit der Entwicklung des G3-Gewehrs in den 50er Jahren sollen weltweit über zehn Millionen Stück produziert worden sein. Die Anzahl der damit Ermordeten dürfte ein Vielfaches betragen. Denn statistisch gesehen wird alle 14 Minuten ein Mensch von einer Kugel aus dem Lauf einer Waffe von Heck-ler & Koch getötet.

Die Parteispenden waren so gestückelt, dass sie stets unterhalb der veröffentlichungspflichtigen Grenze von jährlich 10 000 Euro blieben. In den vergangenen zehn Jahren gingen acht solcher Einzelspenden an den CDU-Kreisverband Rottweil. Die vorerst letzte wurde angeblich im März 2010 ausgereicht. Auch der FDP-Kreisverband Tuttlingen bestätigte den Eingang von zwei Einzelspenden über jeweils 5000 Euro in den Jahren 2009 und 2010.

Gönner war die Firma Heckler & Koch. Sie verdient gut mit ihren weltweit begehrten Pistolen und Gewehren. Und damit das so bleibt, möchte sie sich erkenntlich zeigen gegenüber jenen, die den Erfolg garantieren helfen. Der Rüstungskonzern bestätigte jetzt, seit 2002 Parteispenden in Höhe von 93 000 Euro gezahlt zu haben. Insgesamt bekam die CDU seit 2002 70 000 Euro, der FDP wurden 20 000 Euro und der SPD 3000 Euro zuerkannt.

Vor 60 Jahren stellte Heckler & Koch wegen des Verbots der Alliierten, Kriegswaffen zu produzieren, noch Nähmaschinen und Fahrradteile her. Doch kaum ergaben sich Spielräume zur Wiederbewaffnung, war man wieder im Kriegsgeschäft. Die Firma gewann mit dem Sturmgewehr G3 eine Ausschreibung der Bundeswehr. Die Lizenz ging in die Hände des Bundes über.

Und von dort (bisweilen sogar kostenfrei) an verschiedene andere ausländische Hersteller. Dabei war es egal, wie blutig die Diktatoren regierten, die so an damals moderne Mordinstrumente gelangten. G3 fanden und finden sich in Portugal, Pakistan, Iran, Türkei, Mexiko, Thailand und Myanmar ... Die Waffen wurden im Jugoslawien-Krieg eingesetzt, sie sind überall in Afrika in Gebrauch, in Sri Lanka schoss man ebenso damit wie in Kenia, wo das G3 Standardwaffe der Polizei ist. Die Bundesregierung gibt sich hilflos. Was soll sie machen, wenn andere einfach Lizenzverträge übergehen?

Zumindest keine neuen abschließen. Beim G36, dem jüngsten Exportschlager von Heckler & Koch hat die Regierung nichts unternommen, um die Vergabe von Lizenzen zu verbieten. Das G36 wird nun bereits seit einigen Jahren wie in Deutschland so in Spanien gebaut. Im kommenden Jahr wird es auch in Saudi-Arabien in Serie gefertigt. Das ginge jedoch nicht ohne die Lieferung von Schlüsselkomponenten aus Deutschland. Man habe alles im Griff, beschwichtigt die Bundesregierung. Sie behauptet auch, den Export solcher Waffen aus Deutschland »restriktiv« zu handhaben. Beispielsweise durch die sogenannte Endverbleibsklausel in den Exportverträgen. So ist die Regierung dann jedes Mal höchst erstaunt, wenn G36 in Ländern und Regionen auftauchen, wo sie eigentlich nicht sein dürften - beispielsweise in Libyen, in mexikanischen Spannungsgebieten oder im Georgien-Krieg.

Der weltweit fünftgrößte Hersteller von Gewehren und Pistolen ist schon mehrfach wegen Waffenlieferungen an Embargo-Staaten in die Kritik geraten. Bereits mehrmals mussten sich Staatsanwälte zur Ermittlung tragen lassen. Die juristischen Konsequenzen bleiben meist mager.


Heckler & Koch GmbH: »Die Spenden ... richten sich an Parteien, deren sicherheitspolitische Programmatik die Verlässlichkeit der Bundesrepublik Deutschland als NATO-Partner in den Mittelpunkt stellt. Sie sind weder an bestimmte Zeitpunkte noch an andere Kriterien als das genannte gebunden, sondern Teil unseres gesellschaftlichen Engagements, das wir außerdem mit Spenden für karitative Zwecke wahrnehmen.



Derzeit ist die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wieder einmal nicht umhin gekommen, sehr, sehr bedächtig gegen Heckler & Koch zu ermitteln. Es geht um mögliche illegale Lieferungen nach Mexiko und die Frage, wie G36 in die Hände von Gaddafis Sicherheitsbehörden gelangen konnten. Bei einer Razzia auf dem Firmengelände des Waffenherstellers in Oberndorf haben sich jüngst gewisse Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Spende »gezielt im Hinblick auf eine bestimmte Genehmigung zum Export von Waffen nach Mexiko platziert wurde«. Sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft etwas nebulös. Die Spende, so lässt sie sich noch entlocken, sei an eine Partei geflossen, der auch ein Beamter angehöre, der für die nötigen Ausfuhrgenehmigungen zuständig sei.

Vermutlich geht es um eine Spende von 5000 Euro an den FDP-Kreisverband Tuttlingen. Dem steht Ernst Burgbacher, ein einstiger Gymnasiallehrer, vor. Auf dessen Website erfährt man zwar nicht - wie behauptet - »alles« über Burgbacher, wohl aber, dass er Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie ist und Mittelstand und Tourismus zu seinen Aufgabengebieten gehören. Das, so sagt er, mache »in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs ... natürlich besonders Freude«. H & K boomt. Ein Grund zur Freude?

Burgbachers Ministerium, einst vom heutigen FDP-Fraktionschef im Bundestag Rainer Brüderle und nun von seinem Nachfolger, Vizekanzler Philipp Rösler, geleitet, ist für Rüstungsexportgenehmigungen zuständig. Zufall eben.

So wie es nicht strafwürdig ist, dass »Heckler & Koch« dem CDU-Kreisverband Rottweil 10 000 Euro gegeben hat, aus dem der Unionsfraktionschef Volker Kauder stammt. Selbstverständlich setzt auch er sich für die Unternehmen seines Wahlkreises und damit für Rüstungsbetriebe ein. Zufriedene Angestellte sind oft auch brave Wähler. Im Frühjahr 1998 gründete Kauder die »Abgeordnetengruppe Wehrtechnik« in der Unionsfraktion. Sein Bruder, der Rechtsanwalt und CDU-Abgeordnete Siegfried Kauder, paukte 1994 einen H & K-Manager raus, der gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen haben sollte. CDU und Waffenschmiede sind durch »eine lange und intensive Liaison« verbunden, betont der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin, ein ausgewiesenen Kenner der Oberndorfer Firmenpolitik.

Während die Bundesregierung selbst Abgeordneten Auskunft über einen aktuellen Indien-Deal mit MP5 verweigert, geht der Hersteller in die Offensive. Die Maschinenpistolen, so wird vermutet, sollen nicht nur an die Bundespolizei gehen, sondern auch an diverse Polizeikommandos, denen das deutsche Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zuletzt Waffen verweigert habe. H & K sagt dazu: »Der Auftrag entspricht in allen Punkten den Genehmigungskriterien des deutschen Kriegswaffenkontrollrechtes.« Indien zähle zu den NATO-Partnern, sei »ein demokratisch legitimierter souveräner Staat« und werde als vertrauenswürdig eingestuft.

So wie Heckler & Koch. Jedenfalls aus Sicht mancher Parteien.


Nicht selten morden Kinder mit den in Deutschland entwickelten Waffen. Neben den genannten sind die MP5, das G36 und das MG4 weit verbreitet. Die Standardauskunft der Bundesregierung zum Problem sogenannter Kleinwaffen lautet: »Die destabilisierende Anhäufung und Verbreitung von Kleinwaffen stellt eine Bedrohung für Frieden, Sicherheit und Entwicklung dar. In internen und grenzüberschreitenden Konflikten werden die weitaus meisten Opfer durch den Einsatz von Kleinwaffen und leichten Waffen und dazugehöriger Munition verursacht. Insbesondere in Entwicklungsländern können Kleinwaffen häufig durch international operierende Waffenvermittler billig illegal beschafft werden, nationale Kontrollmechanismen sind in diesen Staaten zumeist wenig entwickelt. Oft behindern Kleinwaffen die wirtschaftliche und soziale Entwicklung und tragen nicht selten zu einer gewaltsamen Eskalation von Konflikten bei.«

Das stimmt. Nur bleiben Folgerungen wie ein striktes Waffenexportverbot aus.




* Aus: neues deutschland, 14. Dezember 2011


Razzia beim Waffenbauer Heckler & Koch **

Der Waffenhersteller Heckler & Koch ist ins Visier der Ermittler geraten: Rund 300 Beamte durchsuchten die Geschäftsräume des Unternehmens im schwäbischen Oberndorf und Privatwohnungen. Das teilten die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landeskriminalamt am Donnerstag (8. Dez.) mit. Es gehe um den Verdacht, dass Heckler & Koch jahrelang Bestechungsgelder gezahlt habe, um Lieferaufträge für Waffen nach Mexiko zu erhalten. Die Firma äußerte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen.

Der Waffenhersteller ist seit Längerem im Fokus der Ermittler. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob das Unternehmen im Jahr 2005 trotz eines Verbots Kriegswaffen an vier Bundesstaaten in Mexiko geliefert hat, in denen es damals Menschenrechtsverletzungen gab. Heckler & Koch weist die Vorwürfe zurück. Waffen aus der Schmiede Heckler & Koch seien immer wieder an Orten aufgetaucht, an die sie nie geliefert werden dürften, stellt Jan von Aken, Bundestagsabgeordneter der LINKEN, in einer Mitteilung fest. Trotzdem weigere sich die Bundesregierung bislang beharrlich, ein Exportverbot für Heckler & Koch auszusprechen.

Bei der Razzia am Donnerstag (8. Dez.) suchten die Beamten nach Hinweisen auf Schmiergeldzahlungen. Die Verantwortlichen des Unternehmens sollen seit mehreren Jahren Amtsträger in Mexiko bestochen haben, um Lieferaufträge zu bekommen. Zudem gebe es erste Hinweise, dass auch in Deutschland Amtsträger bestochen worden sein könnten, hieß es. Vor einigen Wochen war Heckler & Koch in die Schlagzeilen geraten, nachdem G36-Sturmgewehre in Libyen bei den Truppen Gaddafis gefunden wurden. Heckler & Koch selbst beteuert, diese Waffen seien legal nach Ägypten geliefert worden. Wie sie nach Libyen kamen, sei für das Unternehmen unklar.

** Aus: neues deutschland, 11. Dezember 2011


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