Bremssignal gegen Waffenhandel
Zerstörung überschüssiger G 3-Gewehre der Bundeswehr beginnt
Pressemitteilung von UNICEF, 17. Juli 2002
Ein Jahr nach der ersten
UN-Kleinwaffenkonferenz in New York
beginnt die Bundeswehr heute morgen um
8 Uhr im baden-württembergischen
Neckarzimmern bei Heilbronn mit der
öffentlichen Zerstörung von rund 58.000
ausrangierten G 3-Gewehren.
Umstrukturierungen und die Einführung
neuer Waffen machen nach Angaben der
Bundeswehr bis zum Jahr 2007 über
400.000 Sturmgewehre des Typs G 3
überflüssig. Sie sollen vollständig
verschrottet werden. Bislang wurden
ausgediente Bundeswehr-Waffen und
auch alte Bestände der Nationalen
Volksarmee aufgrund haushaltsrechtlicher
Vorgaben oft an Partnerländer wie die
Türkei verschenkt oder verkauft. „Die
Bundeswehr erfüllt endlich ihr
Versprechen, mit der Vernichtung eigener
überschüssiger Waffen ernst zu machen.
Dies ist ein richtiger Schritt, um das
internationale Waffenkarussell
auszubremsen“, erklärte
UNICEF-Geschäftsführer Dietrich Garlichs.
UNICEF hatte während der Aktion „Stoppt
Kleinwaffen“ über 210.000 Unterschriften
für eine schärfere Kontrolle des
Waffenhandels gesammelt.
Kleinwaffen gefährlichste Waffengattung
Die Bundeswehr setzt mit ihrer
Entscheidung, im Jahr 2002 zunächst
200.000 G 3-Gewehre zu vernichten, ein
Signal gegen den alarmierenden Trend
eines neuen Wettrüstens. Das
Internationale Konversionszentrum Bonn
(BICC) rechnet im ersten Jahr nach den
Terroranschlägen in den USA mit einer
Erhöhung der weltweiten Militärausgaben
um vier bis fünf Prozent. Die Kleinwaffen
sind dabei die für Zivilisten gefährlichste
Waffengattung. Experten beziffern den
Bestand inzwischen auf 639 Millionen
Kleinwaffen, bislang war man von rund
550 Millionen ausgegangen. „Jeden Tag
sterben mehr als 1.300 Menschen durch
Schüsse aus Sturmgewehren,
Maschinenpistolen und anderen
Kleinwaffen. Die meisten Waffen sind legal
angeschafft worden und später auf den
grauen und schwarzen Märkten des
Waffenhandels gelandet“, betonte
BICC-Rüstungsexperte Sami Faltas. „Es
ist gut, dass die Bundeswehr mit dieser
öffentlichen Waffenvernichtung für mehr
Transparenz sorgt. Das sollte zur
Gewohnheit werden.“
Millionen Kleinwaffen werden
unkontrolliert weitergegeben
Weltweit werden jährlich etwa sieben
Millionen Pistolen, Gewehre und
Sturmgewehre hergestellt. Neben den neu
produzierten Waffen vagabundieren
unkontrolliert Millionen Kleinwaffen, die
ursprünglich aus militärischen oder
polizeilichen Arsenalen stammen. Viele
dieser Waffen werden seit Jahren von
einer Konfliktpartei an die andere
weiterverkauft. Parallel zum Wachstum des
Rüstungsmarktes insgesamt ist vor allem
auch ein Anstieg illegaler Waffenverkäufe
und Exporte multinationaler Unternehmen
zu verzeichnen, die über Drittländer
abgewickelt werden, erklärte
BICC-Forscher Faltas. Insgesamt
produzieren weltweit über 1.000 Firmen in
mindestens 98 Ländern Kleinwaffen oder
die entsprechende Munition.
Kleinwaffen und internationale Politik
Bei der ersten UN-Konferenz zum illegalen
Handel mit Kleinwaffen im Juli 2001 hatten
sich die Staaten nur auf einen juristisch
unverbindlichen Aktionsplan geeinigt, der
vor allem die Markierung und
Registrierung der Kleinwaffen vorsieht und
eine schärfere Kontrolle der Waffenhändler
fordert. Seither haben allerdings viele
Staaten - zum Beispiel im Rahmen der
OSCE - damit begonnen, Informationen
über ihre Bestände und
Kontrollmechanismen auszutauschen und
die Kooperation zu verbessern. Die
Bundesregierung gehörte bei der
UN-Konferenz zu den treibenden Kräften
für verbindlichere Verpflichtungen der
Staaten.
BICC und UNICEF hoffen, dass von der
Entscheidung der Bundesregierung, große
Bestände an G 3-Sturmgewehren zu
vernichten, internationale Signalwirkung
ausgeht. Noch zu Beginn der 90er Jahre
hatte die Bundesrepublik über 300.000
Kalaschnikow-Sturmgewehre AK-47 aus
Beständen der ehemaligen DDR an die
Türkei weitergegeben. Der Verkauf alter
Waffen spielte bislang eine Rolle bei der
Finanzierung neuer Rüstungsprojekte.
Zuletzt hat die Bundesregierung jedoch mit
der Vorlage eines
Rüstungsexportberichtes und durch die
Verschärfung des Waffenrechtes versucht,
Waffengeschäfte transparenter zu machen
und den privaten Waffenbesitz stärker
einzuschränken.
80 Prozent der Opfer sind Kinder und
Frauen
Gewehre wie das Kalaschnikow und das
deutsche G 3 sind die wichtigsten Waffen
für die Kriege der heutigen Zeit. Sowohl
innerstaatliche militärische Aktivitäten als
auch viele Terroranschläge können meist
nur mit Kleinwaffen wie Sturmgewehren,
Maschinengewehren oder Mörsern
durchgeführt werden. Die enorme
Verbreitung der Waffen destabilisiert ganze
Regionen und verhinderte in Ländern wie
Somalia, Sierra Leone oder Angola über
Jahre jede Entwicklung. 80 Prozent der
Opfer von Kleinwaffen sind Kinder und
Frauen.
UNICEF und das BICC fordern die
Bundesregierung dazu auf, der
Vernichtung eigener Kleinwaffen weitere
Schritte folgen zu lassen:
-
Die Bundesregierung soll ihr
Versprechen, alle 400.000 G 3 zu
zerstören, einhalten.
-
Die Bundeswehr soll künftig
grundsätzlich keine ausrangierten
Kleinwaffen mehr weitergeben, sondern
diese durch Verschrottung dem
Waffenkreislauf entziehen.
-
Die Ausmusterung und Verschrottung
dieser Waffen aus Behördenbesitz sollten
transparent erfasst und unabhängig
beobachtet werden.
-
Die Bundesregierung soll in ihrem
jährlichen Rüstungsexportbericht
nachvollziehbar den Export von in
Deutschland produzierten Kleinwaffen
dokumentieren und die Weitergabe
deutscher Waffen über Drittländer
ausschließen.
-
Die Bundesregierung soll ihre
internationalen Bemühungen
intensivieren, um Waffenhändler zu
registrieren und ihre Aktivitäten zu
kontrollieren.
-
Die Bundesregierung soll vor der
nächsten UN-Kleinwaffenkonferenz 2006
eine Vorreiterrolle übernehmen, um
international bindende Mechanismen zur
Kleinwaffenkontrolle zu schaffen und
umzusetzen.
Die Homepage von UNICEF in deutscher Sprache ist unter www.unicef.de zu erreichen.
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