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"Den Krieg nicht mehr lernen" / "They shall not learn war anymore"

Ein Beitrag aus dem Kreis des Schorndorfer "Ökumenischen Montagsgebets für den Frieden in der Welt" (Schorndorfer Erklärung) / This contribution comes from a prayer group meeting every Monday in Schorndorf in Baden-Württemberg, Germany, to pray for the peace in the world

Am 10. Januar 2007 schickte uns Werner Dierlamm ein e-mail folgenden Inhalts:
(...) den Aufruf „Zentrum gegen Krieg“ finde ich ausgezeichnet und habe ihn eben unterzeichnet.
Er entspricht ganz der Intention unserer „Schorndorfer Erklärung“, die allerdings aus dem christlichen Glauben begründet wird und sich darum auch zuerst an die Christen wendet: „An alle Christinnen und Christen: Den Krieg nicht mehr lernen. Stimmen aus Schorndorf.“ Die „Schorndorfer Erklärung“ will ein Beitrag sein zu der „Friedenskonvokation“, zu der der Ökumenischen Rat der Kirchen aufgerufen hat und die im Mai 2011 zum Ende der „Dekade zur Überwindung von Gewalt“ verkündet werden soll. (...)
Sie wurde bisher in folgende Sprachen übersetzt: Englisch, Ukrainisch, Russisch, Koreanisch, Japanisch, Indonesisch, Arabisch. Weitere Übersetzungen sind in Vorbereitung bezw. zugesagt: Spanisch, Schwedisch, Zulu, Iwrit, Rumänisch, Italienisch (Stand 9. Januar 2008).
(...)
Das Zentrum gegen den Krieg kann überall verstärkt werden durch die Forderung: Den Krieg nicht mehr lernen.
Ich lasse Ihnen den deutschen Text aus Schorndorf und seine englische Übersetzung, die unter Mitwirkung des anglikanischen Bischofs Michael Bourke zustande kam, im Anhang zukommen. (...)

Im Folgenden dokumentieren wir also die "Schorndorfer Erklärung" im deutschen Original und in einer englischen Übersetzung.



An alle Christinnen und Christen: Den Krieg nicht mehr lernen

Stimmen aus Schorndorf

Wahrnehmung

Der „Krieg gegen den Terror“, der nach dem 11. September 2001 erklärt wurde, kann nicht gewonnen werden, weil er selbst Terror ist und neuen Terror erzeugt. Wir leben sechs Jahre später in einer Welt, in der das Töten und Getötetwerden alltäglich geworden ist und das Menschenleben immer weniger gilt. Wir nehmen auch mit Sorgen wahr, dass sehr oft der Versuch gemacht wird, Konflikte aller Art mit Gewalt zu lösen.

Die Rolle des Christentums

Als Christinnen und Christen bekennen wir, dass seit den Tagen des Kaisers Konstantin unterdrückende und kriegerische Gewalt auch vom Christentum ausgegangen ist.

Heute wird in den Augen der übrigen Welt die ökonomische und militärische Übermacht der westlichen Industriestaaten dem Christentum zugerechnet. Die NATO wird von den anderen Völkern als aggressive christliche Streitmacht erlebt, die an vielen Orten der Welt eingreift, Kriege führt und ihre Interessen durchsetzt. Der radikal islamistische Flügel des Islam, der zweitgrößten Weltreligion, ist inzwischen mit neuen, schrecklichen Kampfformen wie denen der Selbstmordattentäter zum Gegenangriff gegen den „gottlosen Westen“ angetreten.

Der Auftrag der christlichen Kirche

Wir können die Botschaft des Alten und des Neuen Testaments mit dem Satz zusammenfassen, dass Gott das Volk Israel, Jesus aus Nazareth und die christliche Kirche dazu erwählt und damit beauftragt hat, ein Segen für die Erde zu sein.

Die christliche Kirche, die sich zu Jesus bekennt, hat sich in den ersten zwei Jahrhunderten als „Nichtregierungsorganisation“ waffenlos und unaufhaltsam ausgebreitet, weil ihre Botschaft, dass jeder Mensch seine Würde und sein Lebensrecht hat, immer mehr Menschen überzeugte. Jesus hat gelehrt und für diese Lehre sein Leben gelassen, dass Gott auch die Gottlosen liebt und dass Böses nicht mit Bösem überwunden werden kann. Wir bitten im Vaterunser um das Kommen des Reiches Gottes, um Vergebung unserer Schuld in der Bereitschaft, selbst zu vergeben.

Wissen wir nicht mehr, dass wir selbst erlöst werden müssen vom Bösen?

Umkehr von Irrwegen

Der Irrweg des Christentums, die Verfälschung des Evangeliums tritt krass zutage, wenn Christinnen und Christen den mörderischen Bruderkampf, der die Menschheit zu zerreißen droht, selbst organisieren oder sich in ihn hineinreißen lassen.

Kann ein Krieg gerecht sein? Kann das Töten von Menschen verantwortet werden? Umkehr ist möglich. Viele Christinnen und Christen bemühen sich auf vielfache Weise und gewaltlos darum, dem Hass und der Angst den Nährboden zu entziehen. Auch viele Menschen in anderen Religionen und in Nichtregierungsorganisationen weltweit haben erkannt, dass es so wie bisher nicht weiter gehen darf. Sie engagieren sich, um unter verzweifelten Menschen neue Hoffnung und neuen Lebensmut zu wecken. Und doch scheint dieser Einsatz nichts daran zu ändern, dass die Gefahr für die Menschheit wächst.

Woran liegt das?

Überwindung des Militärwesens

Die Jahrtausende alte Gewohnheit der Völker, sich zum tödlichen Kampf mit dem Feind zu rüsten, geht auch zu Beginn des dritten Jahrtausends nach Christus unvermindert und mit immer gefährlicheren Waffen weiter. Viele Menschen halten es für ganz unmöglich, diesen Zustand jemals zu beenden.

Christinnen und Christen sollten sich dieser Resignation nicht ergeben.

Viele haben sich schon während der Friedensbewegung in den achtziger Jahren an die prophetische Verheißung gehalten: „Sie werden Schwerter zu Pflugscharen machen.“

Dicht dabei steht das Wort: „Sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen“ (Jesaja 2,4; Micha 4,3 Lutherübersetzung).

Kriege werden von Menschen gemacht. Der Ausstieg aus dem Militärwesen kann ebenso von Menschen beschlossen und verwirklicht werden. Wir erinnern daran, dass auch die Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg dazu aufgerufen haben, „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren...“ (aus der Charta der Vereinten Nationen).

Unser Ziel ist „den Krieg nicht mehr zu lernen“.

Heute ist nicht mehr der „Heldenmut“ gefragt, der das eigene Leben im Kampf zur Vernichtung von Feinden aufs Spiel setzt oder beim Selbstmordattentat opfert. Gefragt ist der Jesus-Mut, der Bürgermut von Frauen und Männern, die im äußersten Fall eher bereit sind, selbst zu sterben als Mitmenschen zu töten. Die jüngsten Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) weisen aus, dass im Jahr 2006 weltweit 1,204 Billionen Dollar für militärische Rüstung ausgegeben wurden.

Wir fordern eine Umwidmung dieser Finanzen zugunsten der konkreten Arbeit der Zivil- gesellschaft, die gewaltfrei für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung eintritt.

Wir erheben unsere Stimme und erklären: Wir haben den „Glauben“ verloren, dass kriegerische Gewalt, die anderen angetan wird, uns selbst auf die Dauer schützen könnte.

Wir erheben unsere Stimme und fordern einen politischen Richtungswechsel auch von unserer Regierung. Wir erwarten, dass auch sie das Ziel ins Auge fasst, den Krieg zu überwinden und energische Schritte einleitet, diesem Ziel näher zu kommen.

Mobilisierung für den Frieden

Mit diesen „Stimmen aus Schorndorf“ unterstützen wir das Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), im Rahmen der Dekade zur Überwindung von Gewalt 2001-2010 die Kirchen in aller Welt für den Frieden zu mobilisieren. Diese Initiative wird mit einer „Internationalen Ökumenischen Versammlung“ abschließen, die Anfang Mai 2011 stattfinden und eine Ökumenische Erklärung zum „gerechten Frieden“ verabschieden soll.

Unser Ziel ist es zu erreichen, dass die Forderung „Den Krieg nicht mehr lernen“ in diese Friedensdenkschrift aufgenommen wird.

Wir bitten „Alle Christinnen und Christen“ sich diesen „Stimmen aus Schorndorf“ anzuschließen, entsprechend auf ihre Regierungen einzuwirken und das Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen zur Mobilisierung des Friedens zu unterstützen.

Montag, 23. Juli 2007:

Christel Beck * Manfred Beck * Dieter Bös * Siegfried Bös * Rose Dierlamm * Werner Dierlamm * Hildegard Engelmann * Frank Engelmann * Gisela Fliegenschmidt * Eberhard Fliegenschmidt * Christa Hess * Helmut Hess * Esi Jaeger * Martin Jaeger * Elisabeth Koch * Karl-Heinz Koch * Doris Kommerell * Ulrich Kommerell * Roswitha Kossak * Rosemarie Maier * Anton Maier * Michael Maier * Isolde Rack * Barbara Schmid * Gertrud Scheuing * Eugen Scheuing * Marlies Spiekermann * Hans-Martin Tramer
(28 „Stimmen“)


Ein Beitrag aus dem Kreis des Schorndorfer „Ökumenischen Montagsgebets für den Frieden in der Welt“


To all Fellow Christians: They shall not learn war anymore

Voices from Schorndorf

Introduction

The “War against Terror” which was declared after 11 September 2001 cannot be won because war itself is terror and therefore will only give rise to further terror. Six years on we live in a world where killing and being killed have become daily events and human life is worth less and less. There is a worrying trend towards attempting to resolve every kind of conflict by force.

The Role of Christendom

As Christians we acknowledge that since the days of Emperor Constantine oppression and military force have been utilised by Christians. The present economic and military superiority of the industrialised West is identified by the rest of the world with Christianity. NATO is perceived as an aggressive Christian force which intervenes all over the world and wages war to secure its own interests. Meanwhile the radical wing of the world’s second largest religion, Islam, is counter-attacking the “godless West” with terrible new methods of warfare such as suicide attacks.

The Mission of the Christian Church

The message of the Old and New Testament can be summarized as follows: God has chosen the people of Israel, Jesus of Nazareth and the Christian Church to be a blessing for the world. The unstoppable rise of the Christian Church as an unarmed, non-governmental organisation occurred because its message of the dignity and rights of every human being convinced more and more people. Jesus taught that God loves even godless people, and that evil cannot be overcome by evil. He gave his life for this principle. We ask in the Lord’s Prayer for God’s Kingdom to come, and for our sins to be forgiven as we are prepared to forgive those who sin against us.

Have we forgotten that we ourselves need to be delivered from evil?

Leaving the Wrong Path

The false path of Christendom and the distortion of the Gospel become strikingly evident when Christians themselves organise or are drawn into a murderous struggle against fellow human beings and threaten to destroy mankind.

Can war ever be just? Can the killing of other human beings ever be right?

It is possible to change our ways. Many Christians are endeavouring to eliminate the culture of hate and fear by non-violent means. Moreover many people of other faiths as well as non-governmental organisations worldwide have recognised that our present ways cannot continue. They are committed to giving desperate people new hope and the courage to face life. Yet despite these efforts the danger for mankind keeps on growing.

Why is this?

Overcoming Militarism

Even at the beginning of the third millennium humanity's ancient habit of arming ourselves to fight the enemy continues undiminished and with ever more deadly weapons. Many people cannot imagine an end to this situation. Christians should not be so defeatist.

In the peace movement during the 1980's many embraced the prophetic promise: “They shall beat their swords into ploughshares, neither shall they learn war any more.” (Isaiah 2,4; Micah 4,3)

Wars are waged by human beings and can equally be abolished by us. Let us remember the appeal of the United Nations Charter after World War II “to save future generations from the scourge of war…”

Our goal is to “Not learn war any more”.

What is required in today’s world is not fearless heroism risking one's life to destroy the enemy or self sacrifice in a suicide attack. What is required is Jesus’ courage, the courage of ordinary men and women who would rather die themselves than kill their fellow human beings.

The latest figures of the Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) show that in 2006 US$1204 billion were spent worldwide on military armaments.

We demand a diversion of these funds to support civil society working in non-violent ways for peace, justice and preservation of the earth.

We raise our voices and proclaim: We have lost faith in the idea that military force inflicted on others can protect us in the long term.

We raise our voices and demand a change of direction from our own government. We expect them to commit themselves to a policy of overcoming war and to the vigorous pursuit of this goal.

Mobilisation for Peace

These “Voices from Schorndorf” are offered in support of the programme of the World Council of Churches’ Decade for the Overcoming of Violence 2001- 2010, which is mobilising the churches throughout the world for peace. This initiative will be concluded with the promulgation of an Ecumenical Declaration on a "Just Peace" at an international gathering in May 2011.

We want the goal of “no longer learning war” to be included in this peace declaration.

We ask “all Christians” to join these “Voices from Schorndorf”, to put pressure on their governments and to support the peace programme of the World Council of Churches.

Monday, 23-07-2007:

Christel Beck * Manfred Beck * Dieter Bös * Siegfried Bös * Rose Dierlamm * Werner Dierlamm * Hildegard Engelmann * Frank Engelmann * Gisela Fliegenschmidt * Eberhard Fliegenschmidt * Christa Hess * Helmut Hess * Esi Jaeger * Martin Jaeger * Elisabeth Koch * Karl-Heinz Koch * Doris Kommerell * Ulrich Kommerell * Roswitha Kossak * Rosemarie Maier * Anton Maier * Michael Maier * Isolde Rack * Barbara Schmid * Gertrud Scheuing * Eugen Scheuing * Marlies Spiekermann * Hans-Martin Tramer
(28 „Stimmen“)


This contribution comes from a prayer group meeting every Monday in Schorndorf in Baden-Württemberg, Germany to pray for the peace in the world. They call themselves “Ökumenisches Montagsgebet für den Frieden in der Welt”.


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