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Die Kirchen müssen "Befreiungskirchen" sein, nicht "Versorgungskirchen"

Stellungnahme der Österreichischen Christinnen und Christen zum Ökumenischen Sozialwort

Die friedensorientierten und -bewegten Menschen in den Kirchen Österreichs scheinen ähnliche Diskussionen und Positionskämpfe zu führen wie die linken Christinnen und Christen hier zu Lande. Im Folgenden dokumentieren wir ein Positionspapier, in dem einige interessante Positionen festgehalten wurden. Von den Kirchenleitungen wird vor allem mehr Mut zur Selbstständigkeit von der Regierung verlangt, das beginnt in Österreich mit einem eindeutigen Bekenntnis zur Neutralität und gegen einen NATO-Beitritt.

Bei der Konferenz der Aktionsgemeinschaft der Christinnen und Christen für die Friedensbewegung am 25. März 2001 haben wir beschlossen, eine Stellungnahme zum Oekumenischen Sozialwort zu verfassen. Es ist uns ein Anliegen, daß im kommenden Ökumenischen Sozialwort den Bereichen Friede und Gerechtigkeit Raum gegeben wird und daß eine friedlichere und gerechtere Welt nicht nur allgemein gefordert wird, sondern auch konkrete Ziele diesbezüglich genannt werden. Friede und Gerechtigkeit gehören zu den wichtigsten Zielen des anbrechenden Reiches Gottes. Wir wünschen uns, daß im Oekumenischen Sozialwort zur Sprache kommen:

1. Ein Plädoyer für Österreichs Neutralität, wobei auch die ethischen Werte der Neutralität angeführt werden und die moralischen Bedenken bezüglich eines NATO-Beitritts zum Ausdruck kommen.

2. Ablehnung eines Beitritts Österreichs zur NATO sowie eine ebenso klare Ablehnung einer Militarisierung der Europäi-schen Union. Die EU darf keine atomar bewaffnete, weltweit zur Kriegführung fähige Supermacht werden.

3. Die atomare Bedrohung der Menschheit: Aufzeigen, daß die Atomwaffen unmoralisch sind. Auch wenn Österreich kein Atomland ist, so sollten die Christinnen und Christen nicht aufhören, sich dafür einzusetzen, daß alle Atomwaffen auf unserer Erde beseitigt werden.

4. Eine Demaskierung der neoliberalen Wirtschaft und der Vergötzung des Marktes.

5. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Militarisierung, Aufrüstung und einer Politik der Stärke auf der einen Seite und Neoliberalismus, Ausbeutung, Hunger im Süden, Sozialabbau und steigender Armut auf der anderen Seite (z. B. militärische Stärke, um dem Süden weiterhin die ungerechten Handelsbedingungen aufzwingen zu können und ihre - in der Wahrnehmung des Nordens "unsere" - Rohstoffe zu niedrigen Preisen zu bekommen).

6. "Aufrüstung tötet ohne Krieg" (Dorothee Sölle) Jede Rüstung verschwendet enorme Ressourcen (Rohstoffe, Forschung, Arbeit ...), die im zivilen Bereich fehlen. Mit den gleichen Mitteln könnten im zivilen Bereich mehr Arbeitsplätze als in der Waffenindustrie geschaffen werden. Rüstung tötet, auch wenn sie nicht eingesetzt wird. Das weltweite Verbot von Anti-Personen-Minen ist ein wichtiger Erfolg auf diesem Weg.

7. "Die Sprache der Waffen ist nicht die Sprache Jesu Christi" (Papst Johannes Paul II.) Die Bergpredigt fordert Gewaltfreiheit. Es ist daher Aufgabe aller Christinnen und Christen, deutlich gegen jene aufzutreten, die Krieg und die Anwendung von militärischer Gewalt zur "Lösung" von Konflikten propagieren. Die Kirchen und die ChristInnen müssen jene unterstützen, die mit friedlichen und gewaltfreien Mitteln Konflikte lösen wollen. Das Menschenrecht auf Wehrdienstverweigerung muß weltweit anerkannt werden. In Österreich sollen Wehrdienstverweigerer für ihre Gewissensentscheidung nicht wirtschaftlich bestraft werden (längerer Dienst, geringe Entschädigung).

8. Option für die Armen: es soll dargelegt werden, was die Option für die Armen wirklich heißt, nicht nur caritativ etwas für die Armen zu tun, sondern auf ihrer Seite zu stehen - parteiisch zu sein für die Schwachen und Zukurzgekommenen der Gesellschaft.

9. Die Kirchen sollen den Mut haben, auch sogenannte "linke" Positionen zu beziehen. Wenn die linke Position ein mehr an Gerechtigkeit und Menschenwürde ist, dann sollen die Kirchen keine Angst haben, daß sie dadurch mit rechten Parteien in Konflikt kommen. Es soll überhaupt die Frage gestellt werden, ob eine bestimmte Partei das Wort "christlich" für sich in Anspruch nehmen darf.

10. Aufzeigen, daß die Kirchen im Sinne von Jesus Befreiungskirchen sein sollen und nicht nur Versorgungskirchen. Es geht nicht nur um die Versorgung mit Sakramenten. Die Kirchen sind nicht das Ziel. Das Ziel ist das Reich Gottes, das ein Reich des Friedens, der Gerechtigkeit und der Solidarität ist. Im Reich Gottes sollen alle Menschen dieser Erde in Freiheit und Würde leben können. Die Kirchen sind nur ein Mittel, um dem anbrechenden Reich Gottes zum Durchbruch zu verhelfen.

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