Merkel: "Sicherheit und Schutz der Bevölkerung waren und sind für die Bundesregierung oberstes Gebot" / Gysi: "Wir brauchen keine vorübergehende, sondern eine endgültige Abschaltung der Atomkraftwerke"
Dokumentiert: Die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zu den Atomunfällen in Japan und die Rede des Abgeordneten Gysi (Die LINKE)
Im Folgenden dokumentieren wir die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zu den Atomunfällen in Japan sowie die Rede von Gregor Gysi (Fraktion Die Linke). Die Debatte fand am 17. März 2011 im Bundestag statt. Beide Reden stehen für die im politischen Raum bestehenden höchst unterschiedlichen Auffassungen zur Nutzung der Kernenergie. Der Fraktionschef der LINKEN hat als einziger Redner neben der zivilen Nutzung auch die militärische Bedeutung der Atomtechnologie behandelt.
Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am 17. März 2011 zu den Unfällen in Japan. (Nach dem Bundestags-Protokoll)
Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am
Freitag der letzten Woche, 14.45 Uhr Ortszeit, bebte in
Japan die Erde. Seismologen maßen eine Stärke von 8,9,
später korrigiert auf 9,0. Es war das schwerste Erdbeben
in der Geschichte Japans. Sein Epizentrum lag circa
130 Kilometer östlich der Stadt Sendai und circa
400 Kilometer nordöstlich der japanischen Hauptstadt
Tokio. Um 16 Uhr Ortszeit desselben Tages traf eine bis
zu 10 Meter hohe Flutwelle auf die Ostküste der japanischen
Hauptinsel Honshu. Sie richtete schwerste Verwüstungen
an. Noch am Abend dieses Tages gab es Meldungen,
wonach in einem Reaktor des Kernkraftwerks
Fukushima I die Kühlung ausgefallen und im Atomkraftwerk
Onagawa ein Feuer ausgebrochen war. Die japanische
Regierung rief den atomaren Notstand aus.
In den folgenden Tagen und Nächten erschütterten
zahlreiche, zum Teil schwere Nachbeben das Land – und
das bis heute. Erdbeben und Tsunami haben weite Landstriche
von Japans Nordosten verwüstet. Ganze Ortschaften
wurden ausgelöscht. Die Zahl der Opfer
schnellt seit Tagen in die Höhe. Wie viele es tatsächlich
sind – wir wissen es nicht. Zu viele Menschen werden
vermisst. Unzählige Häuser und Straßen sind zerstört.
Unendlich viele Menschen haben ihr Obdach verloren.
Strom wird rationiert oder ist ganz weg. Treibstoff,
Trinkwasser, Nahrungsmittel sind knapp.
Rund um das Kernkraftwerk Fukushima wurde die
Evakuierungszone seit Freitag immer wieder erweitert.
Arbeiter dort führen einen ebenso – man kann es nicht
anders sagen – heldenhaften wie verzweifelten Kampf
gegen den atomaren Super-GAU. Sie setzen dabei nicht
nur ihre Gesundheit aufs Spiel, sondern auch ihr Leben
ein. Immer dramatischer entwickeln sich die Ereignisse
dort: ausgefallene Kühlanlagen, Berichte über freiliegende
Brennstäbe, die sich immer stärker erhitzen,
Explosionen in verschiedenen Reaktoren, in einem Fall
wohl auch mit der Folge der Beschädigung eines Sicherheitsbehälters,
Radioaktivität tritt aus. Es ist davon auszugehen,
dass es in drei der Anlagen zu schweren Schäden
an den Reaktorkernen gekommen ist.
Was uns angesichts all dieser Berichte und Bilder, die
wir seit letztem Freitag sehen und zu verstehen versuchen,
erfüllt, das sind Entsetzen, Fassungslosigkeit, Mitgefühl
und Trauer. Die Katastrophe in Japan hat ein geradezu
apokalyptisches Ausmaß, und es fehlen die
Worte. Unsere tiefste Anteilnahme, unsere Gedanken
und unsere Gebete sind bei den Menschen in Japan.
(Beifall im ganzen Hause)
In dieser Stunde schwerster Prüfung steht Deutschland
an der Seite Japans. Was immer wir tun können, um
den Menschen in Japan bei der Bewältigung dieser
schier unfassbaren Katastrophe zu helfen, das werden
wir weiter tun. Das habe ich Premierminister Kan übermittelt,
und das hat auch der Bundesaußenminister seinem
japanischen Kollegen gesagt.
Experten des Technischen Hilfswerks haben in den
vergangenen Tagen vor Ort bei der Suche nach Überlebenden
geholfen. Ich danke ihnen, und ich danke den
Helfern anderer Organisationen für ihren Einsatz für die
Menschen in Japan.
(Beifall im ganzen Hause)
Ich danke allen Helfern des Krisenstabes im Auswärtigen
Amt und der Botschaft vor Ort. Sie koordinieren
unsere Hilfe. Sie unterstützen auch alle deutschen
Staatsangehörigen im Krisengebiet bei einer Ausreise,
wenn sie das wünschen.
Auch die Vereinten Nationen haben ein Team nach
Japan entsandt. Es soll die japanische Regierung dabei
unterstützen, die Aufbaumaßnahmen zu koordinieren.
Ebenfalls ihre Hilfe angeboten hat die Europäische
Union.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Folgen dieser
Katastrophe sind überhaupt noch nicht absehbar. Die Betroffenen
vor Ort hatten noch fast gar keine Chance, festzustellen,
in welchen Bereichen sie tatsächlich weitere
Hilfe genau benötigen. Denn der Albtraum immer neuer
Beben und nuklearer Horrorszenarien hat noch kein
Ende gefunden.
In dieser Lage ist es unverzichtbar, dass wir den Menschen
in Japan zeigen: Sie sind nicht allein. Dabei zählt
die Geste jedes Einzelnen. Namhafte deutsche Hilfsorganisationen
haben Spendenkonten eingerichtet. Der Bundespräsident
hat am Montag dazu aufgerufen, mithilfe
von Spenden über diese Organisationen Soforthilfe für
Japan zu leisten. Ich möchte diesen Aufruf ausdrücklich
unterstützen.
Die Spendenaktionen sollen vor allem den Menschen
in Japan zugutekommen, die durch Beben, Flutwelle und
die nuklearen Folgen ihr Zuhause verloren haben. Wir
sollten ihnen mit unserer unmittelbaren Unterstützung
ein Zeichen der Solidarität senden.
(Beifall im ganzen Hause)
Das ist Hilfe unter Freunden. Japan war und ist ein enger
Freund Deutschlands, und das sage ich gerade im
150. Jahr des Bestehens unserer diplomatischen Beziehungen.
In dieser Stunde geht es für Unzählige nur um das
nackte Überleben. Beinahe verbietet es sich angesichts
ihrer Tragödie, bereits jetzt an die wirtschaftlichen Auswirkungen
dieser Katastrophe zu denken. Ich will es
deshalb hier auch nur kurz tun, obwohl es für die Zukunft
Japans von größter Bedeutung ist, wenn die sich
überschlagenden Schreckensmeldungen hoffentlich bald
ein Ende gefunden haben werden.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der dreifachen
Katastrophe sind – kurz gesagt – noch nicht abschätzbar.
Nach vergangenen Naturkatastrophen kam Japans
Volkswirtschaft durch staatliche Wiederaufbauprogramme
schnell wieder auf die Beine. Selbst nach dem
schweren Erdbeben um die Stadt Kobe 1995 konnte eine
Rezession verhindert werden. Dennoch – so denke ich –
muss die Welt dieses Mal darauf vorbereitet sein, dass
die Katastrophe die japanische Wirtschaft vor noch größere
Herausforderungen stellt, als dies frühere Katastrophen
getan haben.
Japan – auch das dürfen wir nicht vergessen – ist die
drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Ich befürchte derzeit
nicht, dass die Weltwirtschaft signifikant beeinträchtigt
wird. Trotzdem – das ergänze ich ausdrücklich –
werden wir zusammen mit unseren internationalen Partnern
daran arbeiten, wie mögliche Folgen der Katastrophe
für die globale Konjunktur bestmöglich minimiert
werden können.
Meine Damen und Herren, die Ereignisse in Japan bedeuten
nicht allein für Japan eine unfassbare Katastrophe.
Sie sind ein Einschnitt für die ganze Welt, für Europa,
auch für Deutschland. Ich habe es in den
vergangenen fünf Tagen wieder und wieder gesagt, und
ich wiederhole es heute: Wir können und wir dürfen
nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir gehen
auch nicht zur Tagesordnung über, weder die Menschen
in Deutschland – das zeigt das außergewöhnlich große
Interesse an allen Sondersendungen im Fernsehen –
noch die Politik. Auch die Bundesregierung kann das
nicht, und sie ist nicht zur Tagesordnung übergegangen.
Ja, es bleibt wahr: Derart gewaltige Erdbeben und
Flutwellen, wie sie Japan getroffen haben, treffen uns
nach allen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erwartungen
nicht. Auch mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen
durch die nukleare Katastrophe in Japan ist für
uns in Deutschland nach menschlichem Ermessen nicht
zu rechnen. Wir sind zu weit von dem Ort der Katastrophe
entfernt.
Ja, es bleibt wahr: Wir wissen, wie sicher unsere
Kernkraftwerke sind. Sie gehören zu den weltweit sichersten,
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt geht es wieder los!)
und ich lehne es auch weiterhin ab, zwar die Kernkraftwerke
in Deutschland abzuschalten, aber dann Strom aus
Kernkraftwerken anderer Länder zu beziehen. Das ist
mit mir nicht zu machen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ja, es bleibt wahr: Ein Industrieland wie Deutschland,
die größte Wirtschaftsnation Europas, kann nicht von
jetzt auf gleich vollständig auf Kernenergie als Brückentechnologie
verzichten, wenn wir unseren Energieverbrauch
weiter eigenständig zuverlässig decken wollen.
Ich möchte an dieser Stelle, weil es heute ja sicherlich
auch noch eine Reihe von Auseinandersetzungen geben
wird, noch einmal eines festhalten: In Deutschland gibt
es einen Konsens aller Parteien, dass wir keine neuen
Kernkraftwerke bauen und dass die Kernkraft eine
Brückentechnologie ist, dass die Kernkraft ausläuft.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch
beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Genau
keine Einigung!)
– Die Linke hat wie immer eine Sonderrolle. Entschuldigung,
dass ich Sie mit einbezogen habe. Das werde ich
natürlich nicht mehr tun.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Was wir brauchen, ist ein Ausstieg mit Augenmaß.
Ein Land wie Deutschland hat im Übrigen auch den
Verpflichtungen zum Schutz unseres Klimas weiter gerecht
zu werden; denn der Klimawandel ist und bleibt
eine der großen Herausforderungen der Menschheit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Es geht nicht an, dass wir an einem Tag den Klimawandel
als eines der größten Probleme der Menschheit klassifizieren
und an einem anderen Tag so tun, als ob das alles
nicht gilt. Wir müssen schon mit einer Zunge
sprechen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Sigmar Gabriel [SPD]: Zuhören!)
Ja, es bleibt auch wahr: Energie in Deutschland muss
für die Menschen bezahlbar sein, und wir haben kein
Problem gelöst, wenn Arbeitsplätze in andere Länder abwandern,
wo die Sicherheit der Kernkraftwerke nicht
besser, vielleicht sogar noch geringer ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Und dennoch: Die Bundesregierung konnte und kann
trotz all dieser unbestrittenen Fakten nicht einfach zur
Tagesordnung übergehen, und zwar aus einem alles
überragenden Grund:
(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Die Wahl!)
Die unfassbaren Ereignisse in Japan lehren uns, dass etwas,
was nach allen wissenschaftlichen Maßstäben für
unmöglich gehalten wurde, doch möglich werden
konnte.
(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Nicht nach allen!)
Sie lehren uns, dass Risiken, die für absolut unwahrscheinlich
gehalten wurden, doch nicht vollends unwahrscheinlich
waren, sondern Realität wurden.
Wenn das so ist, wenn also in einem so hoch entwickelten
Land wie Japan das scheinbar Unmögliche möglich, das absolut Unwahrscheinliche Realität wurde,
dann verändert das die Lage.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dann haben wir eine neue Lage, dann muss gehandelt
werden. Und wir haben gehandelt. Denn die Menschen
in Deutschland können sich darauf verlassen: Ihre Sicherheit
und ihr Schutz waren und sind für die Bundesregierung
oberstes Gebot.
(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Ach du meine Güte!)
Es gilt der Grundsatz: Im Zweifel für die Sicherheit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Auf einmal! Das ist ja etwas ganz Neues!)
Deshalb haben wir im Lichte der Ereignisse in Japan
veranlasst, dass alle deutschen Kernkraftwerke noch einmal
einer umfassenden Sicherheitsprüfung unterzogen
werden – im Lichte der neuen Lage! Dazu setzen wir die
Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke
aus,
(Ulrich Kelber [SPD]: Das tun Sie ja gerade
nicht!)
indem wir für den Zeitraum eines dreimonatigen Moratoriums
alle Kernkraftwerke, die 1980 und früher in Betrieb
gegangen sind, vom Netz nehmen. Besser gesagt:
Wir tun mehr, als ein Moratorium bedeuten würde; denn
ein Moratorium der Verlängerung der Laufzeiten führte
uns zurück auf die Rechtsgrundlage der rot-grünen Regierung.
Die wiederum würde jetzt nur zur Folge haben,
dass Neckarwestheim 1 abgeschaltet werden müsste.
(Sören Bartol [SPD]: Aber für immer!)
Alle anderen Kernkraftwerke würden heute, zum jetzigen
Zeitpunkt, weiterlaufen.
(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)
Was tun wir?
(Unruhe)
– Jetzt hören Sie genau zu! Darf ich Sie einfach bitten,
Herr Kelber, dass Sie mal zuhören?
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt nicht so arrogant, ja!)
Was tun wir? Bund und Länder sind sich einig, dass
diese Abschaltung durch rechtliche Verfügung der Aufsichtsbehörden
der Länder angeordnet wird. Das Gesetz
über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den
Schutz gegen ihre Gefahren, kurz „Atomgesetz“ genannt,
sieht genau das vor, also eine Anlage vorübergehend
stillzulegen, bis sich die Behörden Klarheit über
eine neue Lage verschafft haben.
Ich danke an dieser Stelle dem Kollegen Oppermann
ausdrücklich für das Angebot seiner Fraktion an die Koalition,
in der nächsten Woche ein gemeinsames, wie Sie
es formulieren, Abschaltgesetz zu verabschieden. Wir
sind dennoch der Auffassung, dass wir dieses Angebot
nicht anzunehmen brauchen, weil wir im beschriebenen
Sinne handeln können – und das umgehend, meine Damen
und Herren.
Ich will es noch einmal präzisieren, weil das wirklich
wichtig ist: Die bisher unbestrittene Sicherheit der deutschen
Kernkraftwerke beruht auf der Einhaltung des
Atomgesetzes, der auf dem Atomgesetz beruhenden
Rechtsverordnungen und der erteilten Genehmigungen.
Die Vorkommnisse in Japan haben jedoch gezeigt, dass
Ereignisse auch jenseits der bisher berücksichtigten Szenarien
eintreten können.
(Zurufe von der SPD und der LINKEN)
– Entschuldigung, die Genehmigungen sind auch zu Ihren
Zeiten vergeben worden. – Hieraus resultiert die
Notwendigkeit, die Lage unter Berücksichtigung der aktuellen
Ereignisse vorbehaltlos zu analysieren und hieraus
die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Für die dreimonatige Betriebseinstellung der sieben
ältesten Anlagen als vorläufige aufsichtliche Maßnahmen
sieht das Atomgesetz in § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3
eine einschlägige Rechtsgrundlage vor. Auf dieser
Rechtsgrundlage kann bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts
die einstweilige Betriebseinstellung angeordnet
werden.
Jetzt hören Sie wieder gut zu: Ein derartiger Verdacht
ist nach dem Atomrecht – das ist so genau – dann gegeben,
wenn sich wegen begründeter Unsicherheiten im
Rahmen der Risikovorsorge Schadensmöglichkeiten
nicht völlig ausschließen lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: Das haben wir bei der Verlängerung schon gesagt! Das ist keine
neue Lage!)
– Hören Sie doch bitte mal zu! Entschuldigung, darf ich
noch einmal wiederholen?
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, lieber nicht!)
Es ist eine neue Lage.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Die Lage ist alt!)
– Im Augenblick rede ich. – Es ist eine neue Lage.
(Michael Groschek [SPD]: 27. März!)
Hochverehrter Herr Steinmeier, die Kernkraftwerke
– mit Ausnahme von Neckarwestheim – würden nach
der von Rot-Grün geschaffenen Rechtslage heute am
Netz sein. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Nehmen Sie es doch einfach einmal hin und sagen ebenfalls:
Wir haben eine neue Lage. – Das kann man doch
erwarten!
Da sich gerade bei älteren Anlagen die Frage nach
den in der Auslegung berücksichtigten Szenarien in besonderer Weise stellen kann, haben sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kernkraftwerken
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der CDU!)
dazu entschlossen, diese Anlagen für den Zeitraum der
Überprüfung vom Netz zu nehmen. Dies ist Ausdruck
äußerster Vorsorge, der sich die Bundesregierung und
die Ministerpräsidenten zum Schutz der Bevölkerung
verpflichtet sehen.
Ich möchte an dieser Stelle festhalten: Dies ist eine
aufsichtsrechtliche Maßnahme. Dies ist kein Deal, dies
ist keine Absprache, dies ist gar nichts von dem, sondern
dies ist die Anwendung des Atomgesetzes in einer neuen
Lage,
(Michael Groschek [SPD]: Wahlkampf!)
nicht mehr und nicht weniger. Das ist Verantwortung,
meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich bin mir dazu sowohl in der Sache als auch im Verfahren
mit den Ministerpräsidenten der Standortländer
vollkommen einig.
(Sigmar Gabriel [SPD]: Das glaube ich!)
Bund und Länder sind hier gemeinsam in der Verantwortung.
Deshalb sage ich auch, dass ich nicht verhehle, dass
ich die Debatte des gestrigen Tages über die rechtlichen
Grundlagen des Handelns von Bund und Ländern – die
wird sicherlich gleich fortgesetzt – nur schwer nachvollziehen
kann.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Wir müssen sicher in unserem politischem Handeln alle
juristischen Anforderungen stets ernst nehmen. Darüber
kann und darf es nicht den geringsten Zweifel geben.
Das sage ich, damit da überhaupt kein Missverständnis
entsteht. Aber wir sollten uns in einer Situation äußerster
Gefahrenvorsorge – um diese geht es Bund und Ländern
im Licht der Ereignisse von Japan – nicht juristische
Tricks unterstellen, wo keine juristischen Tricks unterstellt
werden können, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dazu gehört im Übrigen auch, dass während des Moratoriums
meine Gespräche natürlich nicht, wie das zunächst
mit Blick auf die Anwendung des Atomgesetzes
sinnvoll ist, auf den Kreis der Ministerpräsidenten beschränkt
bleiben, die vorgestern mit mir beraten haben.
Das gilt für alle Gespräche, die die Bundesregierung in
nächster Zeit führen wird.
Wenn es um die Akzeptanz und Fortentwicklung der
Energiepolitik insgesamt geht, werden natürlich auch gesellschaftliche
Gruppen einbezogen: Wirtschaft, Gewerkschaften,
Umweltverbände, Kirchen. Natürlich
werden alle Ministerpräsidenten aller Bundesländer einbezogen,
zum Beispiel wenn es um neue Leitungen und
Trassen gehen wird. Das wird sehr zeitnah geschehen,
noch vor Ostern.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Auch hier sollten wir uns nicht immer als Erstes verdächtigen.
Meine Damen und Herren, Sicherheit der Kernenergie
hat nicht nur eine nationale, sondern mindestens
ebenso eine internationale Dimension.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wir werden daher in Europa, international und auch im
Rahmen der G 20 dafür eintreten, dass die notwendigen
Schlussfolgerungen aus den Ereignissen in Japan gezogen
werden.
Ich habe das Thema „Nukleare Sicherheit“ für den
nächsten Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs
in der nächsten Woche am 24. und 25. März angemeldet.
Der Ratspräsident hat der Aufsetzung dieses Tagesordnungspunkts
bereits zugestimmt.
Auf EU-Ebene hat Energiekommissar Oettinger
schnell gehandelt. Ich begrüße, dass er schon begonnen
hat, Gespräche mit den wichtigsten Akteuren zu führen,
und ich unterstütze die Initiative für einen EU-weiten
Stresstest für alle Kernkraftwerke. Wir brauchen in der
gesamten Europäischen Union hohe Sicherheitsstandards,
denn bei Sicherheitsrisiken ist nicht nur der Staat,
in dem das Kernkraftwerk steht, betroffen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich habe mit Nicolas Sarkozy verabredet, dass Frankreich
gemeinsam mit Deutschland eine Initiative der
G 20 zur weltweiten Sicherheit von Kernkraftwerken
einbringt. Der G-20-Präsident, der französische Präsident,
hat bereits die Energieminister der G-20-Länder
nach Paris zu einem Sondertreffen eingeladen.
Nach dem dreimonatigen Moratorium werden wir
über die endgültigen Konsequenzen für den Betrieb der
Kernkraftwerke entscheiden.
(Zuruf von der LINKEN: Indem wir das abschalten!)
Dabei wiederhole ich auch an diesem Ort das, was ich
seit Montag sage: Die Lage nach dem Moratorium wird
eine andere sein als die Lage vor dem Moratorium, denn
alles kommt auf den Prüfstand.
Sie wird darüber hinaus – das sage ich, damit auch da
kein Missverständnis entsteht – auch eine andere Lage
sein als die Lage zur Zeit des rot-grünen Gesetzes.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, weil Sie nicht mehr dagegen kämpfen können!)
Weder konnten wir nach den Ereignissen in Japan einfach
so zur Tagesordnung übergehen, noch ist das rotgrüne
Konzept tragfähig für ein Land wie Deutschland,
für die größte Wirtschaftsnation Europas mit dem Anspruch
höchster Sicherheitsstandards im Lichte aller Erkenntnisse.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wir werden deshalb die bewusst ehrgeizig kurz bemessene
Zeit des Moratoriums nutzen, um die Energiewende
voranzutreiben und, wo immer möglich, zu beschleunigen.
Denn wir wollen so schnell wie möglich das Zeitalter
der erneuerbaren Energien erreichen – das ist unser
Ziel –,
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sören Bartol [SPD]: Alles habt ihr doch im Haushalt gekürzt! Das gibt es doch nicht!)
und das mit einem Ausstieg mit Augenmaß.
Klar ist dabei: Wenn jetzt die Sicherheit der Kernenergie
neu bewertet wird
(Zuruf von der LINKEN: Pi mal Daumen!)
und möglicherweise – ich kann den Ergebnissen des Moratoriums
nicht vorgreifen – Anlagen schneller vom
Netz zu nehmen sind, dann müssen wir – das ist die
Schlussfolgerung – auch schneller zu einem System der
Energieversorgung auf der Grundlage erneuerbarer Energien
kommen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das heißt: Wir werden die sehr ambitionierten Maßnahmen
des Energiekonzepts nicht nur konsequent umsetzen,
sondern sie, wo es geht, auch beschleunigen.
Wir wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien
und der notwendigen Netzinfrastruktur noch schneller
voranbringen. Wir werden für die Umsetzung eine klare
Zeitplanung vorlegen; denn eines ist klar: Wir brauchen
eine Brückentechnologie wie die Kernenergie so lange,
bis wir einen Anschluss gefunden haben. Alles andere
hieße, die Probleme unter den Tisch zu kehren. Das tun
wir nicht. Das widerspräche dem Anspruch der christlich-
liberalen Koalition.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf
von der SPD: Heiner Geißler!)
– Sie sind doch bloß neidisch, dass Sie Heiner Geißler
nicht haben. Meine Güte, also wirklich!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Unruhe)
– Darf ich ausreden? Wir reden hier über sehr ernsthafte
Dinge, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich erinnere noch einmal: Unser Energiekonzept sieht
für das Jahr 2050 einen Anteil der erneuerbaren Energien
von 80 Prozent vor. Das ist extrem anspruchsvoll.
Wenn wir das diskutieren, müssen wir ehrlich über die
Voraussetzungen sprechen; dann müssen wir allerdings
auch ganz konkret werden.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na los! Fangen Sie an!)
Das betrifft etwa den Ausbau der Windenergie an
Land und auf See. Wir werden zeigen, wie konkret neue
Windparks errichtet werden können und die Windenergie
langfristig zu einer tragenden Säule unserer Stromversorgung
ausgebaut werden kann. Schon bald wird ein
großes KfW-Programm starten, mit dem wir den Startschuss
für neue Investitionen in Offshorewindparks geben.
Eine wichtige – ich sage: eine unabdingbare – Voraussetzung
ist auch der Ausbau der Stromnetze. Wer erneuerbare
Energien will, darf sich dem Bau der dafür erforderlichen
großen Stromtrassen, die neu errichtet werden
müssen, nicht verweigern.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wir müssen in der Perspektive auch über ein System
debattieren, das Strom aus erneuerbaren Energien flexibel
zum Verbraucher bringt, ihn bedarfsgerecht speichert
und jederzeit verfügbar verteilt.
Nicht zuletzt ist die Steigerung der Energieeffizienz
unverzichtbar, und zwar durch moderne Technologien in
allen Bereichen, vom Verbraucher bis zur Industrie. Zu
diesem zentralen Handlungsfeld hat der EU-Energiekommissar
Oettinger gerade einen neuen Aktionsplan
für Energieeffizienz vorgelegt.
Für all das brauchen wir – das ist mir besonders wichtig
– breite Unterstützung und Akzeptanz in der Gesellschaft.
Wir wollen kein Dagegen, sondern ein Dafür.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Die erneuerbaren Energien können wir nur ausbauen,
wenn die notwendigen Stromnetze errichtet werden.
Hierfür müssen alle, die den Ausbau der erneuerbaren
Energien wollen, um mehr Akzeptanz bei den Bürgerinnen
und Bürgern vor Ort werben. Das ist schlicht und ergreifend
heute nicht der Fall.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der FDP – Zuruf der Abg. Renate Künast
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die einen werben, die anderen sind dagegen, wo immer
das geht, oder spielen auf Zeit und sagen, man müsse
lange darüber diskutieren.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt reicht es aber! Verstehen Sie? Sie wollten doch keinen Wahlkampf machen! – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei
der CDU/CSU und der FDP)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aussprache ist
wie vereinbart im Anschluss an die Regierungserklärung
vorgesehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:
Wann es reicht, Frau Künast, bestimmt die Fraktion,
indem sie entscheidet, wie viel Redezeit sie mir gibt. Sie
haben das nicht zu entscheiden. Das ist auch gut so.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Schauen Sie sich einmal Ihre Parteitagsbeschlüsse zum
Ausbau der Stromtrassen an.
Stromeinsparung können wir nur dann erreichen,
wenn die Verbraucher aktiv mitmachen. Neue Anlagen,
seien es Windkraftwerke, Pumpspeicherwerke – auch da
bitte ich, zu schauen, wer wo protestiert –
(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Da können
Sie gerne schauen!)
oder hocheffiziente konventionelle Kraftwerke – schauen
Sie sich an, wer alles gegen Kohlekraftwerke ist –,
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
können wir nur errichten, wenn alle hier in diesem
Hause dafür eintreten, dass sie gebaut werden.
Meine Damen und Herren, schließlich müssen wir
auch bei einem weiteren Streitthema endlich vorankommen:
bei der Entsorgung von radioaktiven Abfällen. Es
kann nicht sein, dass wir diese Aufgabe weiter in die Zukunft
und damit auf zukünftige Generationen schieben.
Wir packen daher auch dieses Thema, das Rot-Grün in
unverantwortlicher Weise hat liegen lassen, entschlossen
an.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch
bei Abgeordneten der SPD)
Sie haben damals bei dem vermeintlich tragfähigen
Ausstieg in zwei Bereichen nicht die Zukunft im Blick
gehabt und den Kopf in den Sand gesteckt: bei der Entsorgung
– da haben Sie ein Moratorium für Gorleben
vereinbart – und, das kann ich Ihnen nicht ersparen, bei
der Sicherheit. Herr Trittin, Sie wissen genau: Damals,
im sogenannten Atomkonsens aus dem Jahre 2000, unterzeichnet
2001, ist vereinbart worden:
Während der Restlaufzeiten
– ich sage noch einmal, heute wäre nur Neckarwestheim
1 abgeschaltet; alle anderen wären am Netz –
wird der von Recht und Gesetz geforderte hohe Sicherheitsstandard
weiter gewährleistet; die Bundesregierung
wird keine Initiative ergreifen, um diesen
Sicherheitsstandard und die diesem zugrundeliegende
Sicherheitsphilosophie zu ändern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
... die Bundesregierung wird keine Initiative
ergreifen ...
– so war das.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Weiterlesen! – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Weiterlesen! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiterlesen!)
– Ja, natürlich:
Bei Einhaltung – –
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
– Hören Sie doch einmal zu! Ich bin nicht so wie Sie,
dass ich Ausschnitte lese. Ich lese weiter:
Bei Einhaltung der atomrechtlichen Anforderungen
gewährleistet die Bundesregierung den ungestörten
Betrieb der Anlagen.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Weiter!)
Aber: keine neuen Sicherheitsstandards.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Weiter! Weiterlesen!)
Meine Damen und Herren, heute wird von Ihnen ein
Antrag zur sofortigen Inkraftsetzung des kerntechnischen
Regelwerks zur Abstimmung gestellt. Lassen Sie
mich dazu ein Wort sagen. Unter Rot-Grün wurde erst
einmal gar nichts unternommen, außer dass man etwas
ausgearbeitet hat; aber angewandt hat man es nicht.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dann ging es in der Großen Koalition um die Frage,
„Was machen wir damit?“, weil sich Herr Gabriel der
Frage „Stillstand in der Sicherheit“ dankenswerterweise
nicht mehr ganz so verpflichtet gefühlt hat.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen schon gar nicht mehr, dass letztes Jahr die Laufzeit verlängert worden
ist! – Weitere Zurufe von der SPD und vom
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Ich sage das doch ausdrücklich lobend.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dann hat Herr Gabriel dieses kerntechnische Regelwerk
zur Erprobung parallel zu den gängigen und geltenden
Sicherheitsvorschriften laufen lassen. Herr Gabriel ist
dafür kritisiert worden, pikanterweise vom ehemaligen
Staatssekretär Herrn Baake von den Grünen. Herr
Gabriel hat im Juni 2009 diese Vorwürfe – ich sage: gerechterweise
– ausführlich zurückgewiesen; ich empfehle,
die Pressemitteilung des BMU vom 16. Juni 2009
zu lesen, in der steht, dass diese Vorwürfe „haltlos“ sind.
Er hat im Juni 2009 ebenso gesagt, dass dieses Verfahren
15 Monate lang erprobt wird, also nach meinen Berechnungen
bis zum September 2010. Dann haben wir, die
neue Regierung, über die Verlängerung der Laufzeiten
debattiert und in diesem Zusammenhang das Atomgesetz
bezüglich der Sicherheitsanforderungen verändert
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abgesenkt haben Sie das!)
und dafür gesorgt, dass in § 7 d des Atomgesetzes eine
neue Verpflichtung eingeführt wird – –
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, abgesenkt! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein große Lüge!)
– Ich finde wirklich, wir sollten uns in diesem Hause
– dazu sind wir verpflichtet – um die Wahrheit bemühen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der FDP – Beifall bei der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten
der LINKEN)
Das gilt auch für die Opposition.
Wir haben mit der Einführung des neuen § 7 d des
Atomgesetzes neu die Verpflichtung der Betreiber der
Kernkraftwerke zur weiteren Risikovorsorge eingeführt,
sich immer wieder am neuesten Stand von Forschung
und Technik zu orientieren
(Zuruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD])
– diese Kategorie hat es in diesem Maß noch nicht gegeben
– und immer wieder dynamisch auf neue Anforderungen
zu reagieren. Das ist die Realität, und das äußert
sich in der Spezifizierung der Sicherheitsanforderungen
für jede einzelne Anlage.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Wer hier behauptet, wir hätten die Sicherheit nicht im
Blick gehabt, der sagt schlicht und ergreifend die Unwahrheit.
Die höchsten Sicherheitsanforderungen gab es
unter der christlich-liberalen Koalition. Das ist die Wahrheit,
und die müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Meine Damen und Herren, es ist gut und nötig und
auch sinnvoll, dass wir uns in energiepolitischen Fragen
um die besten Antworten bemühen. Es ist auch gut und
richtig, dass wir darüber immer wieder streiten. Das
macht Opposition und Regierung aus, und das macht unsere
Demokratie lebendig. Auch ich war einmal Vorsitzende
einer Oppositionsfraktion und weiß, wie das ist.
Aber eines muss beachtet werden: Sie werfen der Regierung
und auch mir persönlich vor, jetzt oder vor sechs
Monaten oder bei der Verabschiedung der Laufzeitenverlängerung
oder wahrscheinlich durchgehend die Unwahrheit
zu sagen. Sie werfen uns Täuschung, Trickserei,
mehr oder weniger Rechtsbruch und natürlich
Wahlkampftaktik und Ähnliches vor.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
– Ja, meine Damen und Herren, schauen Sie sich das genau
an. – Ich halte das hinsichtlich der Aufgabe für absolut
nicht angemessen. Es geht hier um ein wesentliches
Thema. Es geht hier um eine Situation, in der wir über
Fragen debattieren, die die Welt vor eine neue Lage gestellt
haben.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich
finde, dass Ihre Art und Weise der Argumentation absolut
respektlos ist.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und
der FDP)
Ihr Verhalten, das ich in den letzten Tagen gesehen habe,
ist an Niveaulosigkeit nicht zu überbieten.
(Zurufe von der SPD)
Ich rate Ihnen nur eines: Schließen Sie bei dem, was Sie
sagen, nicht dauernd von sich auf andere.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Höchste Sicherheit für die noch laufenden Kernkraftwerke,
höchstes Engagement für erneuerbare Energien
und eine sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung
– dies ist meine, dies ist die Formel der christlichliberalen
Koalition für einen neuen energiepolitischen
Konsens.
Gestatten Sie mir zum Schluss noch ein persönliches
Wort. So wichtig und unverzichtbar alle Bewertungen,
Lehren und Maßnahmen hier in Deutschland sind, so
wichtig und unerlässlich ist es, dass wir in dieser Stunde
zugleich nie den Blick für die Leidenden in Japan verlieren,
die so schwer geprüft werden.
(Sören Bartol [SPD]: Das ist unanständig!)
Ihnen gilt unser Mitgefühl. Sie können heute und in der
Zukunft auf die Unterstützung Deutschlands zählen.
Herzlichen Dank.
(Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU
und der FDP)
Rede von Gregor Gysi (DIE LINKE) in der Bundestagsdebatte um die Regierungserklärung der Kanzlerin (17. März 2011)
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Japan
ist eine furchtbare, unvorstellbare Katastrophe passiert.
Die Menschen erlebten ein schweres Erdbeben und in
dessen Folge einen Tsunami mit Tausenden Opfern,
Hunderttausenden Obdachlosen und verheerenden Zerstörungen.
Nun werden sie auch noch einen Super-GAU
mit unvorstellbaren Folgen erleben. Millionen Menschen
können durch die Radioaktivität an Krebs erkranken
– mit allen Folgen.
Dies geschieht den Japanerinnen und Japanern, die als
Einzige schon die furchtbaren Leiden eines Atombombeneinsatzes
durch die USA 1945 auf Hiroshima und
Nagasaki erleben mussten. Wir trauern um die zahlreichen
Opfer. Unser tiefes Mitgefühl gilt ihren Angehörigen.
Es ist aber unvorstellbar und unverantwortlich, dass
gerade nach den schrecklichen Erlebnissen 1945 japanische
Konzerne und japanische Politik den vielfachen
Bau von Atomkraftwerken vorantrieben. Japan hätte der
erste Verweigerer sein müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber nun ist die Katastrophe geschehen. Durch keine
Kritik wird sie ungeschehen. Es trifft vornehmlich immer
Unbeteiligte und Unschuldige. Unsere gemeinsame
erste Entscheidung muss sein, den Menschen in Japan
jegliche mögliche Hilfe zu leisten.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Ereignis in Japan ist eine Zäsur, ein Zivilisationsbruch
in der Geschichte des industriell-kapitalistischen
Zeitalters. In den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts
gelang es deutschen Physikern im Laborversuch, die
erste künstliche radioaktive Kernspaltung auszulösen.
Die Büchse der Pandora war geöffnet. Die erste daraus
folgende Katastrophe war die Entwicklung der Atombombe.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann zwischen
der militärischen und der friedlichen Nutzung der Atomenergie
unterschieden. In den 50er-Jahren setzten die Industriestaaten,
das heißt sowohl die kapitalistischen als
auch die staatssozialistischen Länder, auf die friedliche
Nutzung der Atomenergie. Doch die Unterscheidung
zwischen unfriedlicher und friedlicher Atomenergie ist
aus zwei Gründen falsch und mit hohen Risiken verbunden,
die weder beherrschbar noch kontrollierbar sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Erstens. Wer über die Technologie der friedlichen
Nutzung der Atomenergie verfügt und aus AKW Strom
erzeugen kann, ist potenziell in der Lage, auch Atomwaffen
herzustellen. Wir wissen, dass trotz des Nichtverbreitungsvertrages
inzwischen mehr Staaten als die fünf damaligen Atommächte über Atomwaffen verfügen. Außer den USA, Russland, China, Großbritannien und
Frankreich verfügen auch Pakistan, Indien und Israel
über Atomwaffen. Die Beispiele Iran und Nordkorea zeigen,
dass diese Gefahren nicht beseitigt sind. Es muss
endlich konsequent damit begonnen werden, alle Atomwaffen
in dieser Welt zu vernichten. Erst dann hat die internationale
Gemeinschaft das Recht, weltweit den Bau
neuer Atomwaffen zu unterbinden.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Mit der Unterscheidung zwischen militärischer
und friedlicher Nutzung der Atomkraft gab man
sich dem Trugschluss hin, dass die militärische Nutzung
viel riskanter wäre. In vielen Industriegesellschaften,
insbesondere in Frankreich und Japan, erzielte die friedliche
Nutzung der Atomkraft zur Stromerzeugung eine
hohe Akzeptanz. Diese Akzeptanz beruhte darauf, dass
man die Risiken bei der friedlichen Nutzung für beherrschbar
hielt, sich einen GAU oder gar einen Super-
GAU nicht vorstellen konnte. Die Unterscheidung zwischen
gutem und schlechtem Uran ist falsch. Beides – der
Abwurf einer Atombombe wie ein nicht vorhersehbarer
Unfall in einem Atomkraftwerk – ist hinsichtlich der
Folgen nicht beherrschbar. Unsere Zivilisation kann
stark beschädigt, sogar vernichtet werden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Frage stellt sich: Hätten wir alle – die Verantwortlichen
in Japan, in Deutschland und in allen anderen
Ländern – nicht klüger und sehr viel vorsichtiger sein
müssen? Es gab den Atomunfall im AKW Three Mile
Island bei Harrisburg in den USA im Jahre 1979. Dort
trat – auch ohne Erdbeben, ohne Tsunami – bereits eine
begrenzte Kernschmelze ein, weil die Kühlsysteme versagten.
Dann kam die unvorstellbar große Katastrophe
von Tschernobyl vor 25 Jahren mit einer vollständigen
Kernschmelze. Noch immer glüht dieser Reaktor umgeben
von einem Betonsarkophag vor sich hin. Die genaue
Zahl der Opfer ist bis heute nicht bekannt.
Diese deutlichen Warnungen wollten nicht verstanden
werden. Harrisburg wurde nicht wirklich ernst genommen
und bei Tschernobyl einfach die Unfähigkeit der
Russen und der Staatssozialisten unterstellt. Im Unterschied
dazu – so konnte man es lesen – bauen die Japaner,
die Deutschen und andere nur höchst sichere Atomkraftwerke,
bei denen nichts passieren könne. Nun sind
wir in Japan auf tragische Weise vom Gegenteil überzeugt
worden. Wir alle dürfen und müssen eine einzige
logische Konsequenz ziehen: Der 11. März 2011 muss
das Ende des nuklearen Industriezeitalters eingeleitet haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist nicht nur eine wissenschaftlich-technische,
sondern auch eine politische, eine Macht- und eine
Menschheitsfrage. Die Atomindustrie besteht aus Unternehmen,
die die AKW bauen, und Unternehmen, die die
AKW betreiben. Diese besitzen nicht nur finanzielle und
ökonomische Macht, sie haben nicht nur beträchtlichen
Einfluss auf politische Entscheidungen; sie dominieren
diese und damit auch die Bundesregierung und eine
große Zahl von Abgeordneten.
Schon die Bundesregierung aus SPD und Grünen
traute sich nicht, den Atomausstieg einfach per Gesetz
im Bundestag durchzusetzen. Sie ließ sich auf Verhandlungen
mit der Atomlobby ein und schloss mit ihr einen
Ausstiegskompromiss ab. Warum, Herr Trittin, konnten
Sie und Ihre sozialdemokratischen Mitstreiter den Atomlobbyisten
nicht einfach sagen, dass die Mehrheit des
Bundestages entscheiden wird? Wir sind das höchste demokratisch
gewählte Organ der Bundesrepublik
Deutschland. Warum feilschten Sie mit den nicht gewählten
Atomlobbyisten herum, bis Sie einen unzureichenden
Ausstiegskompromiss erzielten?
(Beifall bei der LINKEN)
Warum haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, diesen
Kompromiss auch noch aufgekündigt und auf Drängen
der Atomlobbyisten die Verlängerung der Laufzeiten der
Atomkraftwerke beschlossen? Es ging um nichts anderes
als um Extraprofite der Stromkonzerne Eon, EnBW,
RWE und Vattenfall in Höhe von 120 Milliarden Euro.
Diese Lobbyistenpolitik gefährdet unsere Demokratie.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])
Frau Bundeskanzlerin, besitzen Sie doch die Souveränität,
den Mut, den Atomlobbyisten klar und deutlich zu
widersprechen, sich hier hinzustellen und Ihren Irrtum
hinsichtlich der Risikogefahren einzuräumen und den
unverzüglichen Ausstieg aus der Gewinnung der Atomenergie
zu verkünden. Nur das entspräche Ihrem Amtseid.
Nur das könnte Schaden von unserer Bevölkerung
abwenden. Nur dann verhielten Sie sich wie eine Bundeskanzlerin
für das gesamte Volk. Ihre heutige Erklärung
spricht noch nicht für Ihre Bereitschaft, diesen
notwendigen Weg zu gehen. Ein dreimonatiges Moratorium,
unabhängig von der rechtlichen Bewertung,
täuscht und hilft nicht weiter. Wir brauchen keine vorübergehende,
sondern eine endgültige Abschaltung der
Atomkraftwerke.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg.
Dr. Eva Högl [SPD])
Unabhängig davon müssen Sie unverzüglich und sofort
einen Strompreisstopp durchsetzen. Die Konzerne haben
genügend Profitpolster. Sie müssen die Verluste tragen,
nicht die Bürgerinnen und Bürger und nicht die anderen
Unternehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Politik muss wieder für die Strompreiskontrolle zuständig
werden.
Meine Damen und Herren von der SPD und von den
Grünen, Sie haben beim Bundesverfassungsgericht eine
Normenkontrollklage eingereicht, weil Ihr früherer
Atomkompromiss von der Mehrheit des Bundestages
unter Ausschluss des Bundesrates aufgekündigt wurde.
Diesen Ausschluss und andere Regelungen halten Sie
und wir für grundgesetzwidrig. Wir haben Ihnen angeboten,
diese Normenkontrollklage gemeinsam zu erarbeiten.
Sie haben dies abgelehnt mit dem Hinweis, das sei
Ihr Thema und nicht unseres. Sie haben tatsächlich nicht
begriffen, dass dies ein Thema für die gesamte Bevölkerung,
auch für den linken Teil der Bevölkerung ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie haben uns vorgestern, auch im Angesicht der gewaltigen
Katastrophe, erklärt, dass wir die Klage nur dann
mit unterschreiben dürften, wenn wir trotz Ihres Beteiligungsverbots
ein Drittel der Kosten übernähmen. Überwinden
Sie Ihre Kleinkariertheit! Überwinden Sie Ihren
Egoismus! Überwinden Sie Ihren Egozentrismus! Lassen
Sie alle, die es wollen, unterschreiben!
(Beifall bei der LINKEN)
Sie können nicht bei Ihrem alten Kompromiss – mit
Ausnahme der älteren und pannengeprägten AKW –
bleiben. Auch die neueren AKW können nicht mit langen
Fristen – Herr Gabriel, auch nicht zehn Jahre – weiterlaufen.
Auch Sie müssen sich einen Ruck geben und
begreifen, dass das nukleare Zeitalter nicht irgendwann,
sondern unverzüglich zu beenden ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Es geht nicht nur um die Frage des Ausstiegs, sondern
zugleich auch darum, ob sich die Politik endlich gegen
die Atomindustrie durchsetzt, ob diesbezüglich das Primat
der Politik hergestellt, die Demokratie wieder funktionsfähig
wird. Im letzten Jahr konnte während der Finanzkrise
jeder erleben, dass die Spekulanten und
Bankenchefs das Geschehen und die Politik dominierten. Diese sind eng mit den Atomlobbyisten verbunden.
Gemeinsam scheinen sie eine kaum zu durchdringende
ungeheuerliche Macht zu besitzen. Aber sie haben nur
ein wirkliches Interesse: die Steigerung ihres Profits.
Nur wenn die Politik den Mut und die Kraft entwickelt,
die Dominanz dieser Spekulanten, Bankenchefs, Atomlobbyisten
und anderer Konzernlobbyisten zu durchbrechen
und den Vorrang der demokratischen Institutionen
zu sichern, sind wir für unsere Bevölkerung tätig, retten
wir unsere Demokratie und werden wir unserer Funktion
als Volksvertreterinnen und Volksvertreter im Bundestag
gerecht!
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linke fordert: Erstens. Wir brauchen unverzüglich
ein Konzept für die mögliche Hilfe gegenüber den
Japanerinnen und Japanern. Diese Hilfe ist auch zu leisten.
Zweitens. Die Nutzung der Atomkraft für militärische
Zwecke und zur Energieerzeugung muss grundsätzlich
ausgeschlossen werden, um den Ausstieg unumkehrbar
zu machen. Deshalb brauchen wir diese Verpflichtung
im Grundgesetz.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Verbot der Nutzung von Atomenergie ist Bestandteil
der Verfassung von Österreich, einem Mitgliedsland der
EU. Es ist also machbar, wenn der politische Wille dazu
vorhanden ist.
Drittens. Die ältesten und pannengeschüttelten acht
AKW sind sofort und auf Dauer stillzulegen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Es handelt sich um Biblis A, Neckarwestheim 1,
Biblis B, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser, Philippsburg 1
sowie Krümmel. Die verbleibenden neun AKW sind unverzüglich,
das heißt ohne schuldhaftes Verzögern, stillzulegen.
Hierzu muss die Bundesregierung einen entsprechenden
Atomausstiegsgesetzentwurf bis spätestens
30. April 2011 vorlegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Viertens. Verboten werden muss der Export von
Atomtechnologie. Siemens und andere Unternehmen haben
auch für die AKW in Japan Ausrüstungen geliefert.
Sie müssen verpflichtet werden, diesen Produktionszyklus
stillzulegen und aus der Technologie auszusteigen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ebenso ist folgerichtig, Frau Bundeskanzlerin, dass wir
keinen Atomstrom importieren dürfen.
Fünftens. Die Bundesregierung muss sich für die Auflösung
des Euratom-Vertrages einsetzen, damit die damit
einhergehende Förderung der Atomenergie beendet
wird.
Sechstens. Wir fordern einen Strompreisstopp
(Lachen bei der FDP)
und die Wiedereinführung der Strompreisregulierung
durch die Politik statt durch die Energiekonzerne.
(Beifall bei der LINKEN)
Siebtens. Wir brauchen unverzüglich ein Energiekonzept
der Zukunft, das mit unabhängigen Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern, Umweltverbänden und
kommunalen Energieversorgern erarbeitet werden muss,
also nicht mehr die Handschrift der Energiekonzerne tragen
darf. Dazu gehören aus unserer Sicht ein Sofortprogramm
für die erneuerbaren Energien, ein umfassendes
Energieeffizienzprogramm, ein Netzumbauplan, die Entwicklung
und Etablierung effizienter Speichertechnologien
und eine Dezentralisierung und Rekommunalisierung
der Energieerzeugung.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der
LINKEN: Bravo!)
Achtens. Die Bundesregierung muss sich bei der Organisation
der Vereinten Nationen und der Europäischen
Union entschieden für einen weltweiten bzw. europäischen
Ausstieg aus der Atomenergie für militärische
Zwecke sowie zur Energiegewinnung einsetzen. Das
Gleiche gilt für ein Moratorium für sämtliche weltweit
bzw. europaweit geplanten Neubauten von Atomanlagen –
egal ob für militärische Zwecke oder zur Energiegewinnung.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Eine Volksinitiative der europäischen Völker zu diesen
Fragen wäre sehr zu begrüßen.
(Beifall bei der LINKEN)
Heute haben wir die Chance, zu beweisen, dass wir
spät – für die Japanerinnen und Japaner zu spät – Lehren
aus Ereignissen ziehen können. Heute können wir beweisen:
Der Deutsche Bundestag entscheidet nicht länger
im Interesse der Atomlobbyisten, sondern im Interesse
der Bevölkerung unseres Landes und sendet zur
Lösung einer Menschheitsfrage ein wichtiges Signal
weit über Deutschland hinaus.
(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)
Quelle für beide Reden: Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011, Stenografischer Bericht (Plenarprotokoll 17/96)
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