"Internationale Schutzverantwortung"
Zivilisatorischer Fortschritt oder gefährliche Chimäre?
Von Alexander S. Neu *
Die überwunden geglaubte Legitimationsfigur
des »gerechten Krieges«
(iustum bellum) erfreut sich in
Form der »Internationalen Schutzverantwortung
« einer Renaissance.
Sollte sie den Status einer Rechtsnorm
erlangen, würde die Schutzverantwortung
das bislang geltende
Völkerrecht substantiell verändern.
Befürworter sehen in ihr eine zivilisatorische
Weiterentwicklung des
Völkerrechts. Skeptiker wenden ein,
die Schutzverantwortung öffne militärischen
Interventionen des Westens
völkerrechtlich die Tür. Ist nun das
Konstrukt der »Schutzverantwortung
« tatsächlich etwas Neues, das
die internationale Rechtsstaatlichkeit
fortentwickelt, oder ist es lediglich
alter Wein in neuen Schläuchen,
der die Interessen- und Machtpolitik
der Großmächte ethisch
kaschiert?
Der UN-Sicherheitsrat ermächtigte
am 17. März 2011 hinsichtlich
des nicht-internationalen
bewaffneten Konflikts in Libyen „die
Mitgliedstaaten, […] alle notwendigen
Maßnahmen zu ergreifen, […] um von
Angriffen bedrohte Zivilpersonen und von
der Zivilbevölkerung bewohnte Gebiete
[…] zu schützen“.[1] Westliche Politiker
behaupteten und westliche Medien »berichteten
«, Gaddafi bombardiere sein
Volk, und schufen so ein Meinungsklima
für einen »Regime Change«.
Ähnlich funktionieren die gegenwärtigen
Stellungnahmen westlicher Politiker
und Medien im Falle des nicht-internationalen
bewaffneten Konflikts in Syrien.[2] So erklärte am 7. Juni 2012 die
Hohe Vertreterin der EU für Außen- und
Sicherheitspolitik, Catherine Ashton:
„Ich verurteile die brutale Gewalt und Tötung
Dutzender Zivilisten vom gestrigen
Tage auf ’s Schärfste […]. Die syrische Regierung
hat die Verantwortung, ihre Bevölkerung
zu schützen.“ [3]
Die UN-Sicherheitsratsresolution zu
Libyen wird wohl als die erste in die Geschichte
eingehen, die die nach dem
NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien
vom Westen federführend konzipierte
»Internationale Schutzverantwortung«
(Responsibility to Protect, RtP) in die
Praxis umsetzte.
»Internationale Schutzverantwortung«
Angesichts des rechtswidrigen Angriffskrieges
der NATO gegenüber Jugoslawien
1999 zum Schutz der angeblich
dem Völkermord ausgesetzten Kosovo-
Albaner (Scharping/Fischer)[4] wurde auf
Betreiben des damaligen UN-Generalsekretärs
Kofi Annan im Jahre 2000 eine
internationale Kommission (ICISS [5]) zu
Fragen von Intervention und staatlicher
Souveränität einberufen. Ihre Aufgabe
war, die Grundlagen und Voraussetzungen
für »Humanitäre Interventionen«
konzeptionell so zu entwickeln, dass der
Eindruck machtpolitischer Willkür vermieden
wird. Folglich wird seitens ihrer
Befürworter zwischen der missbrauchsensiblen
»klassischen« Humanitären Intervention
und der »Responsibility to
Protect« unterschieden. Wäre das Vorhaben
erfolgreich, die RtP zur Rechtsnorm
aufzuwerten, so würde das umfassende
Gewaltverbot (Art. 2 Abs. 4 UN-Charta)
neben den beiden bisher kodifizierten
Ausnahmen (Art. 42 und 51 UN-Charta)[6] durch eine weitere Ausnahme eingeengt.
RtP: Wandel des Souveränitätsbegriffs
Die Souveränität ist zu unterscheiden in
eine äußere und innere. Unter äußerer
Souveränität wird die Unabhängigkeit eines
Staates gegenüber Drittstaaten verstanden.
Die äußere Souveränität ist also
ein Abwehr- und Selbstbestimmungsrecht
gegen Einmischung in die inneren
Angelegenheiten, was insbesondere für
kleine und ehemalige Kolonialstaaten
von zentraler Bedeutung ist. Unter innerer
Souveränität ist die Staatsgewalt, also
das Rechtsetzungs-, Rechtumsetzungsund
Gewaltmonopol des Staates zu verstehen.
Kernelement der von der ICISS konzipierten
RtP ist, die beiden Ebenen in
ein konditioniertes Verhältnis zueinander
zu setzen und daraus resultierend einen
Verständniswandel des Begriffs »Souveränität
« zu begründen. Die RtP bindet die
äußere Souveränität an die Art und Weise,
wie die innere Souveränität umgesetzt
wird. Äußere Souveränität soll demgemäß
nicht mehr klar als Abwehrrecht gegen
äußere Einmischung verstanden,
sondern massiv eingeschränkt werden,
indem eine spezifische Verantwortung
des Staates, seine Bevölkerung vor gravierenden
Menschenrechtsverletzungen zu
schützen, postuliert wird.[7] Unter gravierenden
Menschenrechtsverletzungen werden
Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische
Säuberung und Verbrechen gegen
die Menschlichkeit verstanden.[8]
Sei ein Staat nicht fähig oder nicht
willens, diese Schutzverantwortung
wahrzunehmen, müsse die so genannte
internationale Gemeinschaft die Verantwortung
übernehmen. Hierbei werden
drei Interventionsstufen benannt:[9]
-
Responsibility to prevent, d.h. die
Verpflichtung, die Bedrohung einer
großen Zahl von Menschenleben durch gravierende Menschenrechtsverletzungen
im Vorfeld zu verhindern. Genannt
werden politische, rechtliche, diplomatische,
ökonomische, aber auch bereits
militärische Mittel.
- Responsibility to react, d.h. die Verpflichtung,
gravierende Menschenrechtsverletzungen
durch Intervention zu
beenden. Genannt werden auch hier vorgelagerte
Mittel wie Sanktionen, ggf.
aber auch eine direkte militärische Intervention.
- Responsibility to rebuild, d.h. Wiederaufbau
nach einem militärischen Eingreifen.
Hierzu zählen »state building«,
Entwaffnung, Versöhnungsmaßnahmen.
Die Dreigliedrigkeit des Konstrukts
RtP suggeriert, eine militärische Intervention
sei nur eine von drei Optionen
und nicht die bedeutsamste, was sich bei
genauerer Betrachtung als Trugbild entpuppt.
Ebenso täuscht der Eindruck, es
gehe bei dem Wiederaufbau um klassische
infrastrukturelle Aufbauhilfe.
Fehlt bei den Präventions- und Reaktionsstufen
die klare Trennschärfe bezüglich
der genannten (einschließlich militärischen)
Maßnahmen, so wird mit Blick
auf die Wiederaufbaustufe u.a. eine Revitalisierung
des UN-Treuhandsystems gefordert.
Das Treuhandsystem der Vereinten
Nationen diente ursprünglich der
Entkolonialisierung. Hingegen liefe die
Zielsetzung, Staaten, die als »failing states
« kategorisiert werden, nun diesem
Treuhandsystem zu unterstellen, auf eine
Entmündigung der entsprechenden Gesellschaften
und auf die zumindest temporäre
Souveränitätszerschlagung – kurzum:
auf ein Re-Kolonisierungsprojekt –
hinaus. Hinsichtlich der militärischen
Intervention wird auf Kriterien rekurriert,
die einen objektiven Entscheidungsprozess
suggerieren sollen:[10]
-
iusta causa: massenhafter Verlust von
Menschenleben oder ethnische Säuberungen
seien ein gerechter Grund;
- recta intentio: die militärische Intervention
müsse getragen werden von einer
redlichen Absicht, d.h. einer interessenfreien
Politik;
- ultima ratio: die Gewaltanwendung
könne nur das letzte Mittel in einer Reihe
von Maßnahmen sein;
- iustus finis: die Gewaltanwendung
müsse verhältnismäßig (proportionalitas)
und Erfolg versprechend sein;
- legitima auctoritas: die Genehmigung
einer militärischen Intervention müsse
(zunächst) dem UN-Sicherheitsrat vorbehalten
sein.
Die genannten Entscheidungskriterien
sind nicht neu. Sie entstammen der
seit der Antike immer wieder aufkeimenden
Diskussion um die Legitimationsfigur
des »gerechten Krieges« (bellum iustum).
Sie erwiesen sich in der Praxis als
wenig tauglich, da eine Gewichtung der
Kriterien ebensowenig geklärt ist wie die
Frage, ob sämtliche Kriterien erfüllt sein
müssen. Auch ist es nicht möglich, die
tatsächliche Absicht jenseits von Lippenbekenntnissen
zweifelsfrei zu prüfen oder
den Erfolg eines Einsatzes zu prognostizieren.
Es verdichtet sich der Eindruck, dass
das RtP-Konstrukt der ICISS im Wesentlichen
dazu dient, die tatsächlich intendierten
militärischen Interventionen
als Ultima-ratio-Handlungen mit einem
zivilen Deckmäntelchen zu verkaufen.
Resolutionen der UN-Generalversammlung
Einen ersten relevanten Niederschlag
fand die RtP im September 2005 in der
Resolution der UN-Generalversammlung
über das Ergebnis des Weltgipfel, in der
die Generalversammlung das RtP-Konstrukt,
wonach die Staaten die Verantwortung
für den Schutz ihrer Bürger hätten,
in seiner Grundsubstanz beschloss.[11]
Ebenso wurde eine (nicht weiter detaillierte)
substituierende internationale Verantwortung
festgestellt. Darüber hinausgehende
Ausführungen oder ein Verweis
auf Übernahme des ICISS-Berichts seitens
der Generalversammlung unterblieben.
Mit dem Hinweis, die Generalversammlung
unterstreiche die Notwendigkeit
zur weiteren Debatte, wurde dem
Interesse an der Fortsetzung des Klärungsprozesses
Ausdruck verliehen.
Diese Diskussion nutzte der UN-Generalsekretär,
erarbeitete seinen eigenen
»Bericht des Generalsekretärs«[12] und
stellte diesen im Juli 2009 in einer eigens
zu diesem Thema einberufenen außerordentlichen
UN-Generalversammlung
vor. Aus den unterschiedlichen Positionen
in der Debatte wurde deutlich, dass
es weder zum ICISS-Bericht noch zum
Berichts des Generalsekretärs eine einheitliche
Position gab – und damit auch
nicht zum RtP-Konstrukt als eine neu zu
schaffende Norm. Auch wenn pro RtPLobbyisten
ein eindeutiges Ergebnis herbeiinterpretierten,[13] ist eine Mehrheitsmeinung aus zwei Gründen nicht eindeutig
erkennbar: Erstens wurde nicht
abgestimmt und zweitens nahmen weniger
als die Hälfte der 192 Mitgliedsstaaten
an der Versammlung teil. Der damals
amtierende Präsident der UN-Generalversammlung,
Miguel d‘Escoto Brockmann,
bilanzierte die Debatte wie folgt:
„Nach der Diskussion heute Morgen bleibt
die Frage offen, ob die Zeit für eine eigenständige
RtP-Norm schon gekommen ist
oder ob wir, wie die meisten der Diskussionsteilnehmer
heute Morgen empfanden,
zuerst eine gerechtere und gleichberechtigtere
Weltordnung brauchen, auch in ökonomischer
und sozialer Hinsicht, und einen
Sicherheitsrat, der nicht ein unterschiedliches
Völkerrechssystem schafft, in dem sie
nach Gusto entscheiden, wer starken
Schutz erhält und wer nicht.“[14]
Auf der ordentlichen Generalversammlung
im September 2009 wurde eine Resolution zu dem »Bericht des Generalsekretärs« diskutiert. Hier setzten
sich die Kritiker der RtP durch. Es wurde
zunächst die Unantastbarkeit der
Prinzipien der UN-Charta unterstrichen,
um anschließend lediglich zu erklären,
man nehme den Bericht sowie die vorangegangene
Debatte zur Kenntnis und beschließe,
das Thema RtP weiter zu diskutieren.[15]
Die Idee der Schutzverantwortung
selbst stieß nicht auf Ablehnung. Es wurde
jedoch kritisiert, es gebe zahlreiche offene
Fragen zu den Kompetenzen und
zur Umsetzung, insbesondere, wenn es
um militärische Zwangsmaßnahmen
gehe, bei denen ein erhebliches Missbrauchspotential
– auch durch den UNSicherheitsrat
– bestünde. Aufgrund von
Missbrauchsfällen in der Vergangenheit
müsse zunächst das UNO-System reformiert
und demokratisiert werden, bevor
den Vereinten Nationen eine so weitreichende
Befugnis zugewiesen werden
könne.[16]
Der Rückschlag für die RtP-Befürworter
ist mit den begründeten Ängsten
vor allem der nicht-westlichen Länder
verbunden, das Konstrukt könnte in seiner
unausgereiften Form die Qualität einer
Völkerrechtsnorm erhalten und sodann
von den Großmächten als Interventionslegitimation
missbraucht werden.
Die Formulierungen in den Resolutionen
der UN-Generalversammlung sowohl
2005 als auch 2009, wonach die
Generalversammlung mit dem Thema
befasst bleibe, bergen zwei relevante Entscheidungen:
erstens, dass die Diskussion
zur RtP noch nicht abgeschlossen ist und
somit weder eine generelle noch eine inhaltlich-
konzeptionelle Entscheidung gefallen
ist, und zweitens, dass die Generalversammlung
sich das Thema weiterhin
vorbehält, was als Warnung an andere
Gremien – auch an den UN-Sicherheitsrat
– zu verstehen ist, sich des Themas
eigenmächtig anzunehmen. Ort der Diskussion
soll die Generalversammlung
bleiben, um eine höchstmögliche Transparenz
der Diskussion zu sichern und
eine breite Entscheidungsbasis zu garantieren,
was angesichts der weitreichenden
Bedeutung der RtP-Idee nachvollziehbar
ist.
Der UN-Sicherheitsrat allerdings sah
dies anders und schaffte Fakten, als er in
mehreren Resolutionen die Feststellungen
zur RtP in der Resolution der UNGeneralversammlung
aus dem Jahre 2005 „bekräftigte“, um so die RtP »aufzuwerten
«.[17] Auf diese Weise wurde der
UN-Generalversammlung faktisch die
Federführung für das Thema entzogen
und ihr letztlich die Position des UN-Sicherheitsrates
diktiert.
RtP – Praxistest
Was der UN-Sicherheitsrat unter RtP in
der Praxis versteht, verdeutlichte sich im
Jahre 2011: Der Sicherheitsrat verabschiedete
unter Bezugnahme auf die RtP
zwei Resolutionen,[18] die eindeutig Partei
nahmen und die Komplexität des Konflikts
im libyschen Bürgerkrieg auf Opfer
und Täter reduzierte. Die Resolutionen
richteten sich gegen die Regierung und
präjudizierten den Regime Change. Die
NATO-Staaten, die auf die Resolutionen
gedrängt hatten, stellten sich bereitwillig
zur Verfügung, um die Resolution und den von ihnen intendierten Regime
Change umzusetzen.
Ähnliches ist derzeit mit Blick auf Syrien
zu beobachten. Der Westen spricht
von dem Erfordernis eines Regime
Change und unterstützt auf vielfältige
Weise die bewaffneten Aufständischen,
auch unter Verweis auf die RtP. Diese
Praxis hat nichts mit der Verhinderung
von massiven Menschenrechtsverletzungen
zu tun, sondern ist eine Parteinahme
in einem Bürgerkrieg mit dem Ziel, ein
für den Westen angenehmes Regime zu
etablieren.
Fazit
Ungeachtet gegenteiliger Behauptungen
der RtP-Lobbyisten bleibt festzustellen,
dass die RtP bis dato nicht zu einer
Rechtsnorm entwickelt werden konnte
oder auch nur eine sich entwickelnde
Rechtsnorm ist.
Weder bieten die Diskussionen und
Deklarationen der UN-Generalversammlung
eine hinreichende Grundlage für
diese Behauptungen, da das Ziel der
Normwerdung des RtP-Konstruktes angesichts
ungeklärter Fragen nicht auf der
Tagesordnung der Generalversammlung
steht. Noch begründet die Politik der
vollendeten Tatsachen westlicher UN-Sicherheitsratsmitglieder
eine tatsächliche Normwerdung der RtP. Die Politik der
vollendeten Tatsachen und damit der
Versuch, die RtP über die Rechtsquelle
des Völkergewohnheitsrechtes zu etablieren,
scheitert bereits an der mangelnden
einheitlichen Rechtsüberzeugung. In den
Augen vieler nicht-westlicher Staaten
sind eine Reihe von Fragen ungelöst und
gemeinsame abschließende Entscheidungen
auf demokratischem Wege via UNGeneralversammlung
bisher nicht getroffen.
Hinzu kommt: Der Praxistest Libyen
oder auch der RtP-Versuch gegenüber
Syrien offenbaren, dass einige Großmächte
unter dem Deckmantel der RtP
ihre eigene Interessen und nicht eine interessenunabhängige
Menschenrechtspolitik
verfolgen. Auf diese Weise wird der
rechtsethische und zivilisatorische Gedanke,
der Schutz vor Völkermord,
Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung
und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
müsse immer und überall gleichermaßen
gültig sein und eine Verpflichtung
für alle Staaten darstellen, von
seinen westlichen Befürwortern massiv
und nachhaltig desavouiert.
Man mag einwerfen, es sei zynisch,
auf eine Reform und Demokratisierung
der Vereinten Nationen zu warten, während
Menschen massakriert werden. Oft
wird mit dem Genozid in Ruanda 1994
argumentiert. Aber Ruanda wäre auch
mit RtP geschehen. Ein Eingreifen ist
nicht an der fehlenden »Rechtsnorm«
RtP gescheitert, sondern am Unwillen
der UN-Sicherheitsratsmitglieder, wirklich
aktiv zu werden. Die Verfolgung
französischer Interessen in Ruanda war
wichtiger – das Resultat ist bekannt.
Umgekehrt wird deutlich, dass trotz oder
zutreffender gesagt aufgrund der westlichen
RtP-Praxis nicht Menschenleben
geschützt, sondern Einzelinteressen verfolgt
werden und die dabei verursachten
Opferzahlen von geringerem Interesse
sind, was einen doppelten Zynismus darstellt.
Die Forderungen aus den Reihen der
UN-Generalversammlung nach einer Reform
und Demokratisierung des UNSystems,
einschließlich des Sicherheitsrates,
als Voraussetzung eines zu verändernden
Souveränitätsverständnisses im Sinne
der RtP sind geradezu essentiell, um die
Missbrauchsmöglichkeiten der RtP –
oder wie immer man ähnlich gelagerte
ethische Konzepte auch bezeichnen mag
– einzudämmen. Bis dahin muss gelten:
Es darf nicht eine zweifelhafte RtP befördert
und praktiziert werden, sondern das
Interventions- und Gewaltverbot ist von
allen Staaten zu respektieren. Der größte
Schutz vor Menschenrechtsverletzungen
ist die Achtung der zwischenstaatlichen
Friedenspflicht.
Anmerkungen
-
UN-Sicherheitsrat: Die Situation in Libyen.
Resolution 1973 (2011) vom 17. März 2011.
Deutsche Übersetzungen zahlreicher UN-Dokumente
finden sich unter un.org/depts/
german.
- Hier stellvertretend: Handelsblatt vom
07.02.2012: Russland lässt sich für Tyrannen-
Hilfe bejubeln.
- European Union: Statement by the EU High
Representative Catherine Ashton on violence
in Syria. Presseerklärung vom 7. Juni 2012,
A 255/12.
- Bundeministerium der Verteidigung: Weißbuch
zur Sicherheit Deutschlands und zur Zukunft
der Bundeswehr. 2006, S. 57 f.
- International Commission on Intervention
and State Sovereignty. Der Bericht der ICISS,
»The Responsibility to Protect« wurde im Dezember
2001 vom International Development
Research Centre in Ottawa/Kanada veröffentlicht.
Unter den zwölf Kommissionsmitgliedern
kommen sechs aus dem Westen, davon
vier aus NATO-Staaten, allen voran der ehemalige
Generalinspekteur Klaus Naumann als
Vorsitzender des NATO-Militärausschusses.
- Artikel 41 besagt, dass der Sicherheitsrat bei einer
Bedrohung oder einem Bruch des Friedens
ein militärisches Eingreifen beschließen kann.
Artikel 51 spricht einem Staat das Recht auf
Selbstverteidigung im Falle eines bewaffneten
Angriffes.
- ICISS, op.cit., S. 12 ff.
- UN-Generalversammlung: Ergebnisse des
Weltgipfels. Resolution A/RES/60/1 (2005)
vom 16. September 2005, Punkte 138/139.
- ICISS, op.cit., S. 23 ff, 29, 39.
- ICISS, op.cit., S. XII / 32 ff.
- UN-Generalversammlung: Ergebnisse des
Weltgipfels, op.cit.; Kapitel »Verantwortung
für den Schutz der Bevölkerung vor Völkermord,
Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung
und Verbrechen gegen die Menschlichkeit«.
Ziffer 138: „Jeder einzelne Staat hat die Verantwortung
für den Schutz seiner Bevölkerung vor
Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung
und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
[…]
Ziffer 139: „Die internationale Gemeinschaft
hat durch die Vereinten Nationen auch die
Pflicht, geeignete diplomatische, humanitäre und
andere friedliche Mittel nach den Kapiteln VI
und VIII der Charta einzusetzen, um beim
Schutz der Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen,
ethnischer Säuberung und Verbrechen
gegen die Menschlichkeit behilflich zu sein. In
diesem Zusammenhang sind wir bereit, im Einzelfall
und in Zusammenarbeit mit den zuständigen
Regionalorganisationen rechtzeitig und entschieden
kollektive Maßnahmen über den Sicherheitsrat
im Einklang mit der Charta, namentlich
Kapitel VII, zu ergreifen, falls friedliche Mittel
sich als unzureichend erweisen und die nationalen
Behörden offenkundig dabei versagen, ihre
Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen,
ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit zu schützen. […]“
- UN-Generalversammlung: Umsetzung der
Schutzverantwortung – Bericht des Generalsekretärs.
Dokument A/63/677 vom 12. Januar
2009;
- International Coalition for the Responsibility
to Protect: General Assembly Debate on the
Responsibility to Protect concludes with calls
for implementation of the norm. Media
Release, 29 July 2009.
- Statement by H. E. Miguel d‘Escoto Brockmann,
President of the United Nations General
Assembly, at the Opening of the 97th
Session of the General Assembly on Agenda
Items 44 and 107: Integrated and coordinated
implementation of and follow up to the outcomes
of the major United Nations conferences
and summits in the economic, social and
related fields. New York, 23 July 2009.
- UN-Generalvollversammlung: Die Schutzverantwortung.
Resolution A/RES/63/308 vom
12. September 2009.
- Redebeiträge der Mitgliedsstaaten auf der UNGeneralversammlung,
105th plenary meeting,
14. Sept. 2009, A/63/PV.105, sowie Resolution
A/RES/63/308, op.cit.
- UN-Sicherheitsrat: Resolutionen 1674 (2006)
28. April 2006, 1738 (2006) vom 23. Dezember
2006 und 1894 (2009) vom 11. November
2009, Titel jeweils »Schutz von Zivilpersonen
in bewaffneten Konflikten«.
- UN-Sicherheitsrat: Resolutionen 1970 (2011)
vom 26. Februar 2011 und 1973 (2011) vom
17. März 2011, jeweils mit dem Titel »Die Situation
in Libyen«.
* Dr. Alexander S. Neu ist Politikwissenschaftler
und Co-Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden
und Internationale Politik der Partei DIE LINKE.
Dieser Artikel erschien in: Wissenschaft & Frieden, 4/2012, S. 35-38
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