Unter dem Deckmantel des "Kampfes gegen den Terrorismus" werden demokratische Rechte und Freiheiten abgebaut
Vieles, was Otto Schily vorschlägt, lag offenbar schon lange in den Schubladen seines Hauses
Die Frankfurter Rundschau fasste in einem Beitrag von Karl-Heinz Baum am 17. Oktober 2001 eine Reihe von Vorhaben aus dem Innenministerium zusammen, die im Zuge der "Antiterror-Maßnahmen" demnächst durch- und umgesetzt werden sollen. Alles natürlich zum "Schutz der inneren Sicherheit", wie es in Berlin heißt. Wir dokumentieren wesentliche geplante Neuerungen. Zuvor jedoch noch ein Hinweis auf die geplanten Änderungen im ersten Sicherheitspaket.
 
Am 11. Oktober hat der Deutsche Bundestag die ersten Gesetze zum Schutz vor Terrorismus auf den Weg gebracht. Doch nicht genug damit: Bundesjustizministerin Herta
                   Däubler-Gmelin (SPD) kündigte ein zweites Sicherheitspaket bis Ende Oktober
                   an, das unter anderem eine Neuauflage der umstrittenen
                   Kronzeugenregelung enthalten soll. Bei den im ersten Sicherheitspaket vorgesehenen Gesetzesänderungen geht es unter anderem um die leichtere
                   Verfolgung terroristischer Vereinigungen auch mit Sitz im Ausland, die
                   Abschaffung des so genannten Religionsprivilegs sowie um eine Neuregelung
                   des Zugriffs von Sicherheitsbehörden auf Telekommunikationsdaten. 
Weitere
                   Initiativen aus diesem Paket bedurften keiner Gesetzesänderung; sie könne  auf dem Verordnungsweg erlassen werden, etwa
                   Verschärfungen der Sicherheitsregeln im Flugverkehr. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin verteidigte das im zweiten Paket vorgesehene Nachfolgemodell für die 1999 ausgelaufene
                   Kronzeugenregelung, auf das sich SPD und Grüne grundsätzlich
                   verständigt hatten. Der betreffende Gesetzentwurf solle Regelungen zur
                   Strafmilderung für Straftäter enthalten, die zur Aufklärung oder Verhinderung
                   anderer Straftaten beitragen. Dies bedeute aber keine Rückkehr zur alten
                   Kronzeugenregelung, der "erhebliche Bedenken rechtsstaatlicher Art
                   gegenüberstanden", betonte die Ministerin.
                   Bundesinnenminister Otto Schily plädierte für eine stärkere Überprüfung von
                   Flüchtlingen und Asylbewerbern. Dazu müssten die zur Verfügung stehenden
                   Daten stärker vernetzt werden. 
Das zweite Sicherheitspaket (nach Frankfurter Rundschau)
                   Neben Regeln zur Sicherheitsüberprüfung und zu Fingerabdrücken, zur Hand- und
                   Gesichtsgeometrie in Pässen und Personalausweisen sieht der 110-Seiten-Entwurf
                   zum "Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus" vor, acht weitere
                   Gesetze und drei Verordnungen zum Ausländerrecht zu ändern. Grundsatz: Der
                   Staat müsse Gefahren für die innere Sicherheit nicht nur frühzeitig erkennen,
                   sondern auch alles tun, damit das Risiko solcher Gefahren so gering wie möglich
                   ist und möglichst nicht eintritt. ...
                   
                   So soll das 
Bundeskriminalamt ein eigenes Recht auf Ermittlungen im Vorfeld
                   etwa des Terrorismus erhalten, im Entwurf "Initiativ-Ermittlungskompetenz"
                   genannt. Damit könnte das BKA auch ohne konkreten Anfangsverdacht aktiv
                   werden. Zudem soll es für schwere Datennetz-Kriminalität zuständig sein.
                   Allerdings soll das Recht auf Tatbestände beschränkt sein, die die innere oder
                   äußere Sicherheit gefährden oder zu erheblichen Vermögensschäden führen
                   könnten.
                   Der 
Bundesgrenzschutz soll künftig in einem "grenznahen Raum" von 50
                   Kilometern verdachtsunabhängige Personenkontrollen machen dürfen, bislang ist
                   dieser Raum auf 30 Kilometer von der Grenze aus beschränkt. ...
                   
                   Auch der 
Verfassungsschutz soll gestärkt werden und neue Aufgaben erhalten:
                   Alle Geldinstitute sollen verpflichtet sein, ihm Auskunft über Konten, Kontoinhaber
                   und weitere Berechtigte zu geben, um Geldströme zu erforschen. "Es ist
                   sicherzustellen, dass jede Transaktion zurückverfolgt werden kann."
                   Ebenso soll der Verfassungsschutz Zugriff auf Dateien über Verbindungen der
                   Telekommunikation, der Post und der Luftverkehrsgesellschaften erhalten.
                   Außerdem soll er so genannte "Catcher" ("Fänger") einsetzen können, die aktiv
                   geschaltete Mobiltelefone lokalisieren und jeweilige Geräte- und Kartennummern
                   feststellen können. ... 
                   Über die 
Mobilfunk-Daten sollen "Bewegungsbilder Verdächtiger" erstellt werden
                   und damit Ruhe- und Vorbereitungsräume internationaler terroristischer Gruppen
                   rechtzeitig analysiert werden können. Die Begründung verweist darauf, dass über
                   das bisherige Maß hinaus (so genanntes G-10-Gesetz) keine Inhalte von
                   Telefongesprächen erhoben werden sollen. "Das Grundrecht des Brief-, Post- und
                   Fernmeldegeheimnisses … wird insoweit eingeschränkt", heißt es im
                   Gesetzentwurf. 
                   Ebenso sollen das 
Bundesamt für Flüchtlinge und die Ausländerbehörden
                   dem Verfassungsschutz zur Auskunft und Weiterleitung ihrer Daten verpflichtet
                   werden. Der Verfassungsschutz soll zudem entsprechende Daten länger als bisher
                   (fünf oder zehn Jahre) speichern dürfen, um sich bewusst konspirativ verhaltenden
                   "Schläfern" auf die Spur zu kommen. Die neue Aufgabe des Bundesamtes für
                   Verfassungsschutz lautet allgemein: "Bestrebungen beobachten, die gegen den
                   Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche Zusammenleben der
                   Völker gerichtet sind." 
                   Was genau in Zukunft in 
Pässen und Personalausweisen festgehalten werden soll,
                   bleibt ... dem Innenminister überlassen. "Die Einzelheiten über die
                   Aufnahme biometrischer Daten bestimmt das Bundesministerium des Innern…
                   durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf."
                   "Biometrische Daten" sind "Fingerabdrücke, Hand- und Gesichtsgeometrie" und
                   laufen unter dem Begriff "künstliches Sehen". Diese Systeme beruhen auf
                   mathematischen Verfahren; sie sollen herkömmliche Porträts erkennen und
                   interpretieren können. ...
                   
                   Die besonderen Regelungen für Ausländer sollen laut Begründung
                   sicherstellen, "dass Personen, die unter dem Verdacht stehen, terroristische oder
                   extremistische Aktivitäten zu unterstützen, einem allgemeinen Einreise- und
                   Aufenthaltsverbot in Deutschland unterliegen".
                   Ausländervereine sollen leichter verboten werden können, wenn sie unter
                   Extremismusverdacht geraten. Künftig sollen sie verboten werden können, wenn
                   sich ihre Ziele oder Mittel gegen Grundwerte einer die Würde des Menschen
                   achtenden staatlichen Ordnung richten oder wenn sie Gewaltanwendung - auch im
                   Ausland - unterstützen. Zudem soll gegen Ausländervereine vorgegangen werden,
                   die hier zu Lande Spenden für terroristische "Mutterorganisationen" sammeln, für
                   sie "Kämpfer" rekrutieren oder sie sonst unterstützen. 
                 
  Visa und Aufenthaltserlaubnisse sollen bei Terrorismusverdacht versagt werden
                   können. Damit könnte künftig auch ausländischen Ehegatten von Deutschen unter
                   Umständen die Einreise verweigert werden. Auch bei kurzfristigen Aufenthalten
                   sollen die Ausländerbehörden eingeschaltet werden. Bei Visa-Antragstellern sollen
                   "identitätssichernde" Schritte wie Fingerabdrücke und biometrische Daten
                   aufgenommen und gespeichert werden. Eine Liste so genannter Problemstaaten
                   soll erstellt werden. Der Abschiebeschutz für des Terrorismus verdächtige
                   Personen wird eingeschränkt; es reiche der Verdacht aus, rechtskräftige
                   Verurteilung solle nicht mehr Voraussetzung sein. ...
                   
                   Für Asylbewerber sollen 
fälschungssichere Ausweise eingeführt werden.
                   Außerdem sollen sie sich einer "Sprachaufzeichnung" stellen, damit eine Analyse
                   die Herkunftsregion klären kann. Vier Fünftel aller Asylbewerber kämen (...) ohne Papiere. Fingerabdruck, biometrische Daten und
                   Sprachaufzeichnung sollen zehn Jahre aufbewahrt und auch von der Polizei benutzt
                   werden dürfen. 
                   Das 
Ausländerzentralregister soll künftig auch Lichtbilder und Fingerabdrücke
                   Betroffener speichern. Auch die Polizei soll "über die Grunddaten hinaus" Zugriff auf
                   die Aufenthaltsdaten, Angaben zum Asylverfahren und Visaentscheidungen haben.
                   Ebenso sollen Daten gespeichert werden über Personen, die gefälschte oder
                   verfälschte Papiere im Visaverfahren vorgelegt haben. Auch die
                   Religionszugehörigkeit von Ausländern soll gespeichert werden. ...
                   
                   Das Bundeskriminalamt soll 
Fingerabdrücke und andere Daten von
                   Asylbewerbern mit dem Bestand von Tatortspuren abgleichen können. Auch
                   sollen die Dienste den "gesamten Bestand des Ausländerzentralregisters im
                   automatischen Abrufverfahren abrufen" können. Ermittlungen nach den Anschlägen
                   in den USA hätten gezeigt, dass terroristische Gefahren auch Ausländer begehen
                   könnten, die sich hier längere Zeit aufhielten. 
...
Auszüge aus: Frankfurter Rundschau, 17. 10. 2001
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