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Internationaler Strafgerichtshof: Ärzteorganisation fordert von USA eindringlich Wahrung von Recht und Demokratie

Presseerklärung der IPPNW - Kritik auch von der Ex-Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach (SPD)

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Stellungnahmen zur US-Haltung gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC). Zunächst eine Presseerklärung der Ärzteorganisation IPPNW, dann einen kleinen Auszug aus einem längeren Interview, das die Ex-Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach der Frankfurter Rundschau gab.


USA und Internationaler Strafgerichtshof:
Ärzteorganisation fordert von USA eindringlich Wahrung von Recht und Demokratie

Berlin, den 9. Juni 2002

Die deutsche Friedensorganisation "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" schließt sich der breit getragenen Besorgnis über die Auswirkungen der US-amerikanischen Haltung auf die Zukunft des Internationalen Strafgerichtshofes an. Die IPPNW befürchtet, dass die harte Position der USA internationales Recht und Demokratie aushöhlen werden. In gleichlautenden Briefen wendet sich die IPPNW an den Botschafter der USA in Deutschland, Daniel R. Coats, und den Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer:

"Das Veto der USA gegen die Verlängerung des UN-Mandats der internationalen Bosnien-Schutztruppe begründen die USA mit ihrer Ablehnung, die Zuständigkeit des neu gegründeten Internationalen Strafgerichtshofes auch für ihre eigenen Soldaten anzuerkennen. Dies erweckt den Eindruck, sich selbst grundsätzlich über internationales Recht und Gesetz stellen zu wollen. Mit verheerenden weltweiten Auswirkungen für die Prinzipien von Recht und Demokratie. Was planen die USA denn, dass sie diese Prinzipien fürchten müssen?

Als internationale Ärzteorganisation, die 1985 den Friedensnobelpreis erhalten hat, rufen wir Ihre Regierung daher auf, diesem Eindruck durch eine entsprechende Kurskorrektur umgehend entgegenzutreten. Unsere eigene Regierung rufen wir auf, zur Gefährdung der o.g. elementaren Grundwerte nicht durch eine falsche Gehorsamshaltung selbst wesentlich beizutragen.

IPPNW Deutschland"
Dr. Jens-Peter Steffen


Im Konflikt mit den USA um den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) hat die Ex-Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und neue Präsidentin des Goethe-Instituts, Jutta Limbach (SPD), Europas Regierungen zu mehr Courage und "kritischer Loyalität" statt uneingeschränkten Solidaritätsbekundungen aufgerufen. Notfalls könne der Gerichtshof auch ohne die USA arbeiten. Mit Limbach sprachen Knut Pries und Karl-Heinz Baum vom Berliner FR-Büro. Wir dokumentieren zwei Passagen aus dem Interview, das am 4. Juli 2002 in der Frankfurter Rundschau erschien:

Was bedeutet der Boykott der USA? Welche Folgen befürchten Sie?

Jutta Limbach: Der Gerichtshof kann notfalls auch ohne die Amerikaner arbeiten. Bei den Finanzen müssten die Europäer stärker ran, besonders Deutschland. Aber es bedeutet natürlich eine Einbuße an Legitimation. Ein Soldat aus einem anderen Staat, der im Verdacht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder des Völkermordes steht, wird sagen: "Wie kommt ihr dazu, mich anzuklagen, während ein Amerikaner im ähnlichen Fall nicht angeklagt werden kann?" Es besteht auch die Gefahr, dass Staaten, die die Menschenrechte missachten, sich auf das Beispiel USA berufen. Die USA sind immer für Menschenrechte eingetreten. Das wird also eine Einbuße an Autorität für den Gerichtshof bedeuten. Aber ich bin überzeugt: Für die USA wird dieser Verlust an Ansehen noch viel schwerer wiegen. Sie werden einfach ihre Glaubwürdigkeit in Fragen des internationalen Friedens und der Durchsetzung der Menschenrechte verlieren. Das mag nur symbolisch sein, aber man soll die Symbolik nicht unterschätzen. Deshalb meine ich: Die anderen Staaten müssen hier sehr fest bleiben.
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Die transatlantische Klammer ist nicht nur in Deutschland Staatsräson. Fallen Ihnen unter diesen Umständen wirksamere Instrumente der Vertretung der europäischen Interessen ein?

Die Europäer müssen zu einer besseren politischen Kooperation kommen. Das würde die USA zugleich entlasten. Sie müssen immer noch für die schwerfällige Europäische Union eintreten, besonders bei Friedensmissionen. Es ist erfreulich, dass beim ICC die EU-Politiker einen gemeinsamen Standpunkt haben. Den müssen sie durchhalten. Hier sollte es keine Zugeständnisse geben.

Erwarten Sie dabei mehr Courage von Europas Politikern, von den Regierungen?

Ja. Von allen Politikern, also durchaus auch von den Regierungen einschließlich der Bundesregierung. Aber ebenso von den Intellektuellen.


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