Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Afrikaner in der zweiten Reihe

G7-Abschluss mit Ebola, Armut, Boko Haram und Entwicklungshilfe

Von Martin Ling *

Wenn über Afrika gesprochen wird, sind auch bei den G7 die gängigen Themen Ebola, Armut und Terror nicht weit. Entwicklungszusammenarbeit darf dabei nicht fehlen. Ein paar ausgewählte Vertreter Afrikas dürfen mit an den Tisch.

Seit ein paar Jahren gehört es zur gepflegten Praxis: Der Gastgeber des G7-Gipfels lädt am Abschlusstag ein paar ausgewählte Vertreter Afrikas an den Tisch, um zu demonstrieren, dass dem exklusiven Klub nicht nur das eigene Wirtschaftswohl, sondern auch das Leid der Armen dieser Welt am Herzen liegt. Elmau machte da am Montag keine Ausnahme, zumal die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Themen Bekämpfung des Welthungers und der absoluten Armut, die statistisch an der Einkommensschwelle von 1,25 Dollar pro Kopf und Tag festgemacht wird, ganz oben auf die Liste gesetzt hatte und auch Ebola und Terror nicht von der Gipfelagenda ausgespart wurden.

Geladen waren fünf einflussreiche Staatenlenker aus Afrika: Nigerias neu gewählter Präsident Muhammadu Buhari, der tunesische Präsident Beji Caid Essebsi, die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, der äthiopische Ministerpräsident Hailemariam Desalegn und der senegalesische Präsident Macky Sall. Lupenreine Demokraten sind sie nicht allesamt, der 72-jährige Buhari ist vom Militärdiktator (1983-85) zum Hoffnungsträger beim Kampf gegen den Terror von Boko Haram geläutert, der äthiopische Premier Desalegn für eine ehrgeizige Entwicklungsagenda ebenso bekannt wie für den repressiven Umgang mit jeglicher Opposition. Und Friedensnobelpreisträgerin Johnson Sirleaf hat als »Jugendsünde« mindestens Sympathien für den Putschisten und späteren Diktatoren Charles Taylor gehegt, was sie heute bereut.

Gewählt wurden die Fünf wegen der Bedeutung ihrer Länder: Tunesien als einziger gebliebener Lichtblick des »Arabischen Frühlings«, der 180-Millionen-Menschen-Gigant Nigeria wegen Terrorgefahr und wirtschaftlicher Potenz, Senegal als frankophoner Vertreter mit gelungenem demokratischen Regierungswechsel 2012, Liberia als inzwischen von Ebola befreites Land und, last but not least, Äthiopien als Stabilitätsanker am unruhigen Horn von Afrika und wohl kaum, weil es als einziges Land Afrikas sich allen Kolonialisierungsversuchen erfolgreich zur Wehr setzte und »nur« auf knapp sechs Jahre Besatzung durch Mussolinis Truppen (1935-41) zurückblicken muss.

Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller sieht die G7-Staaten in »herausgehobener Verantwortung« gegenüber den Entwicklungsländern Afrikas. Der Wohlstand der G7 beruhe auf den Ressourcen ganz besonders der Entwicklungsländer Afrikas, sagte der CSU-Politiker am Montag im ZDF-Morgenmagazin. »Wir, die zehn Prozent der Bevölkerung, besitzen 90 Prozent des Vermögens und verbrauchen nahezu 80 Prozent der Ressourcen. Öl, die Erze - kein Handy kann funktionieren ohne diese Länder.« Daher müsse man zu einer neuen Partnerschaft kommen. »Wir müssen neu teilen lernen.«

Müllers Ansinnen in allen Ehren: Seine Vorstellung höherer Investitionen in die ländliche Entwicklung und die berufliche Ausbildung in Afrika ist nicht ohne Charme. Im neuen Afrika-Konzept der Bundesregierung, das unter Federführung des Kanzleramts, des Außen- und Verteidigungsministeriums erarbeitet wurde, spielt Entwicklungspolitik jedoch nur noch eine marginale Rolle. Viel mehr als die Allgemeinplätze, Armut und Hunger zu bekämpfen sowie Ernährung zu sichern und Fluchtursachen zu reduzieren, findet sich entwicklungspolitisch nicht und Innovatives schon gar nicht. Elmau hat daran nichts geändert. Es bleibt bei der Vorfahrt für die deutsche Wirtschaft. Alles andere ist schmückendes Beiwerk.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 9. Juni 2015


Zurück zur Globalisierungs-Seite

Zur Globalisierungs-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Afrika-Seite

Zur Afrika-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage