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"Das Menschenrecht auf Wasser steht jetzt auf der Tagesordnung"

"Auch bei der Weltbank findet ein Umdenken statt" - Gespräch mit Boliviens Wasserminister Abel Mamani*



Neues Deutschland: Herr Mamani, sind Sie zufrieden mit den Ergebnissen des Weltwasserforums?

Mamani: Ja, es ist sehr gut gelaufen für uns. Vor vier, fünf Jahren war das Menschenrecht auf Wasser kaum ein Thema. Jetzt steht es auf der Tagesordnung. Das ist eine Folge des Drucks von unten, von den sozialen Bewegungen, die hier sehr aktiv waren. Auch auf Parlamentarier- und Bürgermeistertreffen bekamen wir viel Zuspruch.

Bolivien hat einen Zusatz zur offiziellen Abschlusserklärung der Minister durchgesetzt. Worum geht es dabei?

Wir möchten, dass Wasser als Menschenrecht festgeschrieben wird, also allen Menschen der Zugang zu sauberem Trinkwasser garantiert wird. Außerdem soll Wasser nicht Gegenstand von Freihandelsverträgen und von Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation sein – denn dort will man damit nur Geschäfte machen. Schließlich muss das Forum offener, partizipativer werden. Es gibt Organisationen, die viel zur Debatte beitragen könnten, aber bislang draußen vor bleiben. Es ist schlicht zu teuer für sie, 600 Dollar pro Teilnehmer zu bezahlen.

Warum haben neben Bolivien nur noch Venezuela, Kuba und Uruguay diese Zusatzerklärung unterzeichnet?

Mündlich haben wir viel Zustimmung erfahren, von Nachbarländern und aus der EU. Aber in der Stunde der Wahrheit werden Formfragen vorgeschoben. Die offizielle Erklärung hatte man schon im Vorfeld mit viel Aufwand ausgehandelt, die wurde hier nur noch abgesegnet. Wir hoffen, dass die Minister beim nächsten Forum, 2009 in Istanbul, tatsächlich direkt über diese Fragen verhandeln.

Aber viele Unternehmer und auch Mexikos Präsident Fox haben sich doch prinzipiell zum Menschenrecht auf Wasser bekannt ...

Es gibt da einen Widerspruch. In den großen Reden führen alle das Wort »Menschenrecht« im Munde, das habe ich in der letzten Woche bestimmt hundert Mal gehört. Warum also taucht das nicht in der Ministererklärung auf? Anscheinend befürchten manche Regierungen, dass sie dann ihrer Verantwortung nachkommen und die Gemeinschaften dabei unterstützen müssten, an sauberes Wasser zu kommen.

Und warum hat kein Land aus Afrika oder Asien mitgezogen?

Der Druck der Konzerne ist groß. Der Hauptzweck des Forums in der jetzigen Form ist es ja, die Geschäfte der transnationalen Unternehmen zu befördern, durch die sie ja auch finanziert werden. Und die wollen die Privatisierung, unternehmerische Managementmodelle, Wasser soll zur Ware werden.

In Bolivien schlagen Sie ja gerade den entgegengesetzten Weg ein ...

Ja, wir haben uns bei der Wasserversorgung für das öffentliche Modell entschieden. Gerade verhandeln wir mit dem französischen Konzern Suez über dessen Rückzug aus La Paz und El Alto. Die Franzosen haben jetzt akzeptiert, diesen Rückzug im gegenseitigen Einverständnis abzuwickeln.

Was ist die Rolle der Weltbank dabei?

1997, bei der Privatisierung, hatte sie ihre Finger im Spiel. Aber jetzt will sie uns keine Steine in den Weg legen. Es findet ein Umdenken statt. Hier in Mexiko-Stadt hat uns die Weltbank zum ersten Mal versprochen, uns beim Start dieses neuen, öffentlichen Wasserbetriebs zu unterstützen, ohne wie bisher die Beteiligung privater Unternehmen zur Bedingung zu machen. Das ist ein enormer Fortschritt. Diese Woche werden wir die Gespräche in Washington fortsetzen.

Ist dieses Umdenken auch bei den deutschen Entwicklungsexperten von GTZ und KfW festzustellen, die letztes Jahr noch ziemlich heftig kritisiert worden waren?

Ja, sie bewegen sich in dieselbe Richtung wie die Weltbank.

* Abel Mamani führte 2004/2005 als Sprecher der Stadtteilkomitees von El Alto die Proteste gegen den französischen Wasserkonzern Suez an. Ende Januar 2006 wurde er von Präsident Evo Morales zum ersten Wasserminister auf dem amerikanischen Kontinent ernannt.

Aus: Neues Deutschland, 28. März 2006


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