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"Neue Kriege" als Fortsetzung der Wirtschaft mit anderen Mitteln?

Jos Schnurer rezensiert das Buch von Maria Mies: "Krieg ohne Grenzen"

Maria Mies: Krieg ohne Grenzen. Die neue Kolonisierung der Welt. PapyRossa Verlag (Köln) 2004. 227 Seiten. ISBN 3-89438-286-4. 14,80 EUR
(Reihe: Neue kleine Bibliothek, Band 94. Unter Mitarbeit von Claudia von Werlhof


Globalisierung und Kriege fördern sich gegenseitig

Die emeritierte, engagierte Soziologin aus Köln, Maria Mies, ist bekannt für ihre dezidierten und eindeutigen Positionen zu den lokalen und globalen Verhältnissen im gesellschaftlichen Wandel. Sie mischt sich ein, positioniert ihre Meinungen, sammelt Gleichgesinnte um sich, z. B. in der Initiative "Netzwerkfrauen" - und konfrontiert. Solche Eigenschaften sind unbequem; sie sind aber auch notwendig, um eine "Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung" zu verhindern. Der Titel ihres Buches ist ein Hinweis darauf, dass es ihr nicht darum geht, den Kriegsbüchern, die "wieder Konjunktur" haben, ein weiteres hinzu zu fügen. Sie will aufzeigen, "dass neoliberale Globalisierung zum Krieg führt, und umgekehrt, dass Kriege diese Globalisierung weiter befördern sollen". Das ist ihre zentrale These. Beispielhaft dafür diskutiert sie die Ursachen und Auswirkungen in den (neueren) Kriegen in Kosovo, Afghanistan und Irak. "Sie sind `neu`, weil sie faktisch grenzenlos sind. Sie nehmen kein Ende und wirken in alle Lebensbereiche auch unbeteiligter Länder hinein". Diese "Neuen Kriege" stehen also in einem unauflösbaren Zusammenhang mit den neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsauffassungen, die wiederum die negativen Folgen der Globalisierung bewirken. Dieses so verstandene "Kriegssystem", setzt sie mit dem "kapitalistischen Wirtschafts- und Weltsystem" gleich.

Bekämpfung der Kriege durch Aufklärung

In der Präambel der Verfassung der UNESCO von 1945 steht der Satz: "Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, (müssen) auch die Bollwerke des Friedens im Geist der Menschen errichtet werden". Die Autorin nimmt diese Erkenntnis als Aufforderung, den "Krieg in den Köpfen etwas entgegenzusetzen". Dabei benutzt sie "ein kurzes und ein langes Fernrohr". Das kurze soll sensibilisieren für die täglichen Meldungen und Medienberichte, die uns die Zustände in der Welt in unsere Fernsehsesselpositionen spielen und die mittlerweile eingefroren werden in die Beschreibung: Die Armen werden ärmer (lokal und global), und die Reichen werden reicher (dito). Das längere Fernrohr soll uns zur ideologischen, polit-ökonomischen und historischen Analyse und Kritik befähigen. Die Grenzenlosigkeit der Globalisierung und Kolonisierung führe auch dazu, dass "der Krieg nach außen den Krieg nach innen nach sich zieht", z. B. durch den Abbau der Sozialsysteme und, als Folge des "Krieges gegen den Terrorismus", auch von demokratischen Freiheits- und Gleichheitsrechten.

Die auch in einem Beitrag von Claudia von Werlhof formulierte (neue) These, wonach die Logik des Krieges ist, neues Wachstum zu schaffen und damit nicht nur die Fortsetzung der Politik, sondern der Wirtschaft mit anderen Mitteln sei, erhält bei der pessimistischen Auffassung "Nach dem Krieg ist vor dem Krieg", immerhin auch eine optimistische Einschätzung, "dass der Krieg als Modell für die Zukunft der Neuen Welt-Ordnung auch gleichzeitig das Modell der Vergangenheit ist", und scheitern wird. Bis dahin aber ist noch viel Aufklärung zu leisten und Mut zum Anders-Denken und -Handeln zu vermitteln; nämlich den Zusammenhang zwischen altem und neuem Kolonialismus deutlich zu machen: "Globalisierung führt zu wachsender Armut und Ungleichheit im Süden wie im Norden", so wieder Maria Mies.

Fazit


Mit der Arbeit "Krieg ohne Grenzen" wird niemand sagen können, es gäbe keine Informationen darüber, wie die "Entwicklung der Unterentwicklung", lokal und global, zustande kommt. Der Anspruch der Verfechter der neoliberalen Globalisierer nach Legitimation ihrer Theorien und Politik wird, so die Prognose der Autorin, durch die weltweite Antiglobalisierungs- und Friedensbewegung immer deutlicher zurück gewiesen; interessanterweise in stärkerem Maße auf internationaler Ebene als auf deutscher. So scheinen z. B. besonders die Menschen in den Ländern des Südens den Zusammenhang zwischen globalem "Freihandel" und "Globalisierungskrieg" klarer zu durchschauen und eindeutiger zur De-Legitimierung des neokolonialen Kriegssystems beizutragen. Solange in den westlichen Industrieländern das so genannte TINA-Syndrom vorherrsche, wonach es zum real existierenden Herrschaftssystem keine Alternative gäbe, wird eine neue, gerechtere, humanere und demokratischere Eine Welt kaum möglich sein: "Es ist wichtig, dass mehr und mehr Menschen, die den Frieden wollen, diese Zusammenhänge verstehen und bereits jetzt anfangen, eine `andere Welt`, eine andere Wirtschaft, eine andere Politik, eine andere Demokratie und eine andere Wissenschaft mitten in der `alten Welt` aufzubauen". Dazu sind Informationen notwendig, die Maria Mies in kompakter und überzeugender Weise liefert. Sie reiht sich mit ihren Argumenten und Analysen ein in erfreulicherweise immer öfter vorgelegte Arbeiten, wie etwa die von Jörg Bergstedt mit seinem Aufruf zur "Subversion", mit Andreas Novys Büchlein "Entwicklung gestalten" (2002) und Hans A. Pestalozzis sympathischer "positiver Subversion": "Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge, um einmal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge" (1979).

* Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, Lehrbeauftrager an der Universität Hildesheim

Quelle: www.socialnet.


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