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"Ohne Frieden und Sicherheit kommt kein Wohlstand zustande" / Agriculture is an essential pillar of development

Erwartungen der Vereinten Nationen an die G8-Staaten: Mehr Entwicklungshilfe, Entschuldung, faire Handelsvereinbarungen / Secretary-General's remarks to open the meeting of the G-8 Contact Group on food security in Africa

Anlässlich des G8-Gipfels 2005 ließ der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, einen Namensartikel verbreiten, worin er seiner Hoffnung Ausdruck verleiht, dass die reichsten Staaten der Welt sich ihrer Verantwortung für die Entwicklungsländer stärker bewusst werden. Wir dokumentieren den Artikel in der vom deutschen Übersetzungsdienst besorgten Übersetzung.
In einem zweiten Text - der nur auf Englisch vorliegt - geht Kofi Annan noch detaillierter auf die Probleme insbesondere des afrikanischen Kontinents ein. Bei diesem Text handelt es sich um eine Ansprache von Kofi Annan, die er im März vor der G8-Kontaktgruppe zur Sicherheit der Lebensmittelversorgung in Afrika im UN-Hauptquartier in New York gehalten hatte. Das zweite große Thema seines Vortrags war die Bekämpfung der grassierenden Immunschwächekrankheit HIV/AIDS.



Meinungsartikel zur Veröffentlichung am Vortag des G8-Gipfels (6. Juli 2005)

Von Kofi A. Annan, Generalsekretär der Vereinten Nationen*

Das diesjährige Gipfeltreffen der G8, der führenden Industrieländer, findet zu einem besonders passenden Zeitpunkt statt, nämlich nur zwei Monate vor dem Weltgipfel 2005 in New York, auf dem politische Führer aus allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Entscheidungen treffen werden, die sich auf das künftige Wohlergehen, die Sicherheit und die Würde der Menschen auf der ganzen Welt auswirken.

Vor fünf Jahren verabschiedeten die Führer der Welt die Millenniums-Erklärung und stellten damit ihren Völkern die Hoffnungsvision eines neuen Jahrhunderts der Sicherheit, des Wohlstands und der Freiheit vor.

Im Hinblick auf die Entwicklung scheint diese Vision inzwischen fast greifbare Deutlichkeit gewonnen zu haben. Dank der Gipfeltreffen von Monterrey und Johannesburg im Jahr 2002 und der sorgfältigen Forschungsarbeiten im Rahmen des Millenniums-Projekts wissen wir jetzt genau, was zur Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele getan werden muss. Wenn wir den politischen Willen aufbringen, kann es uns bis zum Jahr 2015 gelingen,
  • die extreme Armut und den Hunger in der Welt sowie den Anteil der Menschen ohne Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser zu halbieren;
  • die allgemeine Grundschulbildung zu verwirklichen;
  • das Geschlechtergefälle auf allen Bildungsebenen zu beseitigen;
  • die Kindersterblichkeit um zwei Drittel und die Müttersterblichkeit um drei Viertel zu senken;
  • eine Umkehr im Kampf gegen HIV/Aids, Malaria und andere schwere Krankheiten herbeizuführen und
  • der Erschöpfung unserer Umweltressourcen Einhalt zu gebieten.
Wir wissen, was von jedem Entwicklungsland verlangt ist: eine nationale Strategie, verbunden mit stärkerer Regierungsführung und unerbittlichem Kampf gegen die Korruption, sowie Politiken zur Stimulierung des Privatsektors, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur möglichst weitgehenden Mobilisierung einheimischer Mittel.

Wir wissen auch, was von den Geberländern wie beispielsweise denen, die der G8 angehören, verlangt ist: eine Aufstockung der Entwicklungshilfe, eine breitere und tiefergehende Entschuldung und Handelsvereinbarungen, die den Entwicklungsländern eine echte Chance geben, sich zu gleichen Wettbewerbsbedingungen am Welthandel zu beteiligen.

Einige der in den letzten beiden Monaten angekündigten Entscheidungen haben die Hoffnung wieder aufleben lassen, dass die entwickelten Länder tatsächlich eine helfende Hand reichen und es den ärmeren Ländern ermöglichen werden, ihrerseits die Chancen zu nutzen, die die Globalisierung bietet. Jetzt liegt es an den Staaten der G8, diese Hoffnung zu erfüllen.

Es ist gut, dass sie den Schwerpunkt auf Afrika legen werden. Ich hoffe, dass die Investitionen in das Humankapital, die Infrastruktur, die Gesundheitssysteme, die Regierungsfähigkeit und insbesondere in die Produktivität des Nahrungsmittelsektors dieses Kontinents durch sie den vielbenötigten Aufschwung erhalten.

Gut ist auch, dass sie den Klimawandel, eine der größten Umwelt- und Entwicklungsherausforderungen dieses Jahrhunderts, als vorrangige Frage behandeln. Wir brauchen unbedingt einen über das Jahr 2012 hinausgehenden internationalen Rahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen, unter breiterer Beteiligung aller großen Emittenten unter den entwickelten Ländern wie auch den Entwicklungsländern, verbunden mit einer intensiveren Erforschung neuer Technologien zur Senkung der Emissionen und zur Milderung ihrer schädlichen Auswirkungen.

Ohne Frieden und Sicherheit kommt jedoch kein Wohlstand zustande. Seit der Millenniums-Erklärung eingetretene Ereignisse haben diesen Teil der durch sie dargebotenen Hoffnungsvision getrübt und lassen stattdessen eine andere, von Chaos und Konflikt geprägte Zukunft glaubhafter erscheinen. Mehr denn je bedarf es einer weltweiten Strategie zur Niederschlagung des Terrorismus und zur Verhinderung der Verbreitung tödlicher Waffen – nicht nur der nuklearen, biologischen und chemischen Waffen, sondern auch der Kleinwaffen, die in den Entwicklungsländern so viele Menschenleben fordern. Ebenso notwendig ist ein gemeinsames Verständnis der Regeln für die Anwendung von Gewalt und ein kollektives Bemühen um dauerhaften Frieden und einen stärkeren Staat in von Bürgerkrieg verwüsteten oder bedrohten Ländern.

Doch weder Wohlstand noch Sicherheit werden einen Sinn haben – oder sich auf Dauer aufrechterhalten lassen –, wenn nicht die Menschen überall in ihren Genuss kommen. Die Würde und die Freiheit des Menschen müssen geschützt werden, sowohl vor willkürlicher Gewalt und Unterdrückung als auch vor dem Elend der extremen Armut, das den Menschen jede wirkliche Lebensperspektive versagt. Keine Sicherheitsagenda und keine Entwicklungsinitiative kann Erfolg haben, wenn sie nicht auf der Achtung vor der Würde des Menschen aufbaut.

Die Versuchung, im Interesse der Sicherheit oder der Entwicklung die Menschenrechte zu beschneiden, führt auf einen falschen Weg, und es gilt, ihr zu widerstehen. Der Schutz der Zivilbevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist eine der heiligsten Pflichten jedes souveränen Staates. Ist ein Staat unfähig oder nicht gewillt, dieser Pflicht nachzukommen, trägt die internationale Gemeinschaft, vertreten durch die Vereinten Nationen, die gemeinsame Verantwortung zum Handeln.

Zuletzt müssen die Vereinten Nationen selbst gestärkt und entsprechend ausgestattet werden, um die Aufträge ihrer Mitglieder effektiv erfüllen zu können, sei es im Bereich der Entwicklung, des Friedens und der Sicherheit oder auf dem Gebiet der Menschenrechte, der Demokratie und der Herrschaft des Rechts. Ich halte es insbesondere für unerlässlich, die derzeit bestehende Menschenrechtskommission durch einen neuen, glaubwürdigeren und autoritativeren Menschenrechtsrat zu ersetzen.

Zu Anfang des Jahres habe ich den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mit meinem Bericht In größerer Freiheit eine Grundlage für konkrete, in allen diesen Bereichen notwendige Entscheidungen unterbreitet. Der Präsident der Generalversammlung hat sie nach intensiven Konsultationen mit allen Mitgliedern inzwischen in ein mögliches Ergebnisdokument des Gipfels verwandelt. Darin kommt klar zum Ausdruck, wie der Wunsch der Völker der Welt, gemeinsame Lösungen für ihre gemeinsamen Probleme zu finden, in wirksame Maßnahmen umgesetzt werden könnte, wenn ihre politischen Führer im September zusammentreffen. Was dazu allein noch fehlt, ist Führungsstärke. Zweifellos zählen die G8-Länder zu denjenigen, von denen die Welt solche Führungsstärke erwartet. Ich hoffe zutiefst, dass sie sie beweisen werden.

* Meinungsartikel zur Veröffentlichung am Vortag des G8-Gipfels (6. Juli 2005). Der Beitrag wurde vom deutschen Übersetzungsdienst ins Deutsche übersetzt.
Quelle: www.un.org



Agriculture is an essential pillar of development

by Kofi Annan

New York, 5 March 2003 - Secretary-General's remarks to open the meeting of the G-8 Contact Group on food security in Africa

Good morning, ladies and gentlemen.

I am pleased to welcome you to the United Nations for this first meeting of your contact group.

Your focus on food security in Africa comes at a crucial time. The latest food crisis in the continent has brought home to us, more than ever before, the urgent need for a strategy to break the pattern of recurrent crises and bring about a Green Revolution in Africa. But achieving this will require radical approaches on multiple fronts.

Africa has faced food crises in the past; it has faced deadly diseases; it has struggled to come to terms with governance challenges in states with limited capacity and resources.

But rarely has the continent had to face the kind of intersecting challenges we see today. Today, Africa faces a deadly triad of related burdens -- food insecurity, HIV/AIDS and an emaciated capacity to govern and provide services. And this on top of a number of conflicts that are impacting large parts of the continent.

We cannot find viable solutions to the challenge of food security unless we address the challenges of AIDS and governance at the same time.

Food insecurity in Africa has structural causes. Most African farmers farm small plots of land that do not produce enough to meet the needs of their families. The problem is compounded by the farmers' lack of bargaining power and lack of access to land, finance, and technology.

This further weakens farmers' ability to withstand the impact of recurrent drought and the growing HIV/AIDS epidemic.

Thirty million Africans now live with HIV, and the continent has borne the brunt of more than 20 million AIDS deaths worldwide. In some areas of Africa, more than 40 per cent of the population is HIV-positive, and similar proportions are going hungry.

The devastating impact of HIV/AIDS on food production -- with seven million African farmers already dead -- is only too obvious. And I am sure you will hear a lot more from Jim Morris and Jacques Diouf and others Infection rates are rising among African women -- who account for 8 out of 10 of Africa's small farmers, and who traditionally provide the vital coping skills needed in times of food crisis. The latest figures show that women make up 58 percent of Africans already infected.

Because of AIDS, skills and knowledge are dying out rather than being passed from one generation to the next. Both at the household level and the government level, resources are being diverted from food production to health care. In turn, food shortages fuel the disease, through malnutrition, poverty and inequality.

Clearly, breaking this destructive cycle poses a huge challenge to governance. It will require strong institutions, improved skills and innovative policies. But in an irony so typical of the age of AIDS, Africa's ability to govern and to provide services is itself being stretched to breaking point by the disease.

AIDS is decimating the work force, killing the most skilled and productive members of society -- the teachers, the civil servants, the doctors, the scientists. Sector by sector, the loss of human resources is bringing in its wake a governance and development crisis of catastrophic dimensions.

This interlocking set of issues facing Africa is far greater than the sum of its parts. And don't get me wrong, Africa is not affected in the same proportion. There are concentrations in certain countries which I am sure Jim and others will tell you about. Addressing the issue I have raised requires a new, integrated response from both the Governments of Africa and the international community. It requires a shift from short-term approaches to a reassessment of our entire strategy for development -- or, taking long-term measures even when addressing short-term emergencies.

That means we must take the following key actions:

Do more to address short-term emergencies and structural causes at the same time – such as providing food assistance and developing effective approaches to sustainable food security.

Do more to prevent HIV infection and treat those already infected, including ensuring access to affordable treatment.

Build further on our comprehensive, multi-sectoral approach to fighting AIDS; and redouble our efforts to wipe out the stigma and silence that still surround the disease in too many countries.

Deliver on the pledge for education for all, including more than 40 million African children who are currently not in school; and ensure that those who are in school -- especially girls -- are not pulled out when drought or HIV strikes the household.

Empower Africa's small farmers, for example, by supporting micro-finance– with a special focus on women, who are both the key food providers and the key to fighting AIDS.

Correct the drastic shortfalls in appeals for non-food items in emergency situations. These items, such as support for orphans, education and HIV services, as well as seeds and tools, are crucial to the capacity of communities to recover.

Work with rural communities to develop new, labour-saving agricultural and natural resource management technologies, appropriate to a depleted workforce.

Reverse the dramatic decline in publicly funded agricultural research, and place a renewed emphasis on science -- particularly soil nutrition, water management and new, higher yielding crops adapted to African conditions. This would include looking at new technologies for a Green Revolution in Africa in an open-minded way, including bio-technology.

Develop and support strong African institutions that can connect the world's great and growing store of scientific and technical knowledge directly to the needs of small farmers.

Place a strong focus on building critical physical infrastructure -- including transport, support services and irrigation.

Build markets that work, and which respond to the needs of Africa's poor, both to maximize revenue and to reduce costs.

Ladies and gentlemen, that list of actions is ambitious. Achieving it will require resources and investment on a new scale -- reversing the alarming decline in development assistance for African agriculture, which dropped from 4 billion dollars to 2.6 billion dollars in the last decade of the 20th century.

You, the richest Governments in the world, are among those best placed to provide those resources. Governments, both North and South, must recognize that agriculture is an essential pillar of development.

But it will also require dismantling the agricultural subsidies from rich countries, which currently total more than 300 billion dollars a year. Only then will Africa be able to achieve truly sustainable agricultural production. President Chirac has opened that issue up for debate, by his call last month for all developed countries to observe a moratorium on subsidizing farm exports destined for Africa.

And finally, to address all these issues, we will need to help African Governments strengthen governance, by rebuilding the capacity of the state to provide essential public services. Where once we spoke of capacity building, today we speak of capacity replenishment.

We can do this only if we are prepared to look at new approaches. In some countries, the crisis may be so acute that the State can function only with short-term support from outside -- through volunteers and additional technical assistance.

But a more systematic, comprehensive and targeted approach will be needed in the months and years to come. It will require working together. And it will be crucial test for the New Partnership for Africa's Development. I hope the Group of Eight will be engaged in the effort. The G-8 Plan of Action for Africa could provide a most useful tool.

Ladies and gentlemen,

The United Nations family is already joining forces to mount the coordinated effort needed. I hope you will work across the board with us, and with the Governments of Africa, in developing the range of revolutionary approaches we need to tackle the deadly triad and break the pattern of food crises in Africa.

I opened my remarks with a message of despair; let me close with one of hope. Yes, this is an unprecedented set of challenges. But your presence here today tells me that we have unprecedented consensus on the need to confront them. Together, we must mobilize the political will to succeed.

Thank you very much.

Source: www.un.org


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