Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Hoffnung auf eine "positive Agenda"

US-Präsident Obama und sein russischer Amtskollege Putin sprachen über strategische Sicherheit

Von Hubert Thielicke *

Barack Obama und Wladimir Putin vereinbarten am Rande des Gipfels, die Kooperation zwischen Russland und den USA zu intensivieren. Ein Gipfel im September soll die gesamte Bandbreite der bilateralen und internationalen Probleme behandeln.

Der Bürgerkrieg in Syrien überschattete beim G 8-Gipfel zwar auch die Gespräche zwischen den Präsidenten Russlands und der USA. Doch erörterten beide Seiten auch die neuen Möglichkeiten für eine Lösung des iranischen Nuklearproblems, die Lage auf der Koreanischen Halbinsel oder Fragen der Raketenabwehr, der Reduzierung der Nuklearwaffen und der Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Sie sprechen sich in Gemeinsamen Erklärungen für ein verstärktes Zusammenwirken gegen den Terrorismus aus. Es geht um mehr Transparenz und Kooperation bei den Informationstechnologien, darunter die Kommunikation zwischen sicherheitsrelevanten Einrichtungen. Es ist die Rede von einer »positiven Agenda« zu strategischen Fragen von Rüstungskontrolle bis Handel und Investitionen, die auf einem Gipfel in Moskau am 3. und 4. September erörtert werden soll.

Bereits im Vorfeld dieses ersten bilateralen Gipfels seit einem Jahr war über neue Impulse für die Verhandlungen zur Verringerung der Nuklearwaffen spekuliert worden. So waren der neue US-Außenminister John Kerry, der bisherige Sicherheitsberater Thomas Donilon und die Vize-Außenministerin für Rüstungskontrolle, Rose Gottemoeller, in Moskau. Daneben gab es Studien in beiden Ländern und internationale Expertenkonferenzen über die Reduzierung der strategischen Offensivwaffen, das US-Raketenabwehrsystem und die taktischen (substrategischen) Kernwaffen.

Obwohl die im neuen START-Vertrag vereinbarten Ziele von jeweils 700 strategischen Trägermitteln mit 1550 Sprengköpfen erst 2018 erreicht werden sollen, diskutiert man bereits Folgemaßnahmen. Beiden Staaten geht es um »strategische Stabilität«. Während jedoch in den USA eine »enge« Auslegung vorzuherrschen scheint – man konzentriert sich auf die Kernwaffen –, bevorzugt Russland eine »weite« Interpretation. Neue Reduzierungsschritte werden verbunden mit der NATO-Überlegenheit bei konventionellen Streitkräften und Rüstungen, der US-Raketenabwehr und der Bestückung von Interkontinentalraketen mit zielgenauen konventionellen Sprengköpfen.

Weitere Reduzierungen der Kernwaffenarsenale kann man sich auf russischer Seite nur in engem Zusammenhang mit einer Einigung hinsichtlich des von USA und NATO geplanten Raketenschildes vorstellen, da man befürchtet, dass damit die russischen Interkontinentalraketen »neutralisiert« werden könnten. Ein Stolperstein für rasche Fortschritte könnten aber die taktischen Kernwaffen sein, die Russland als »Gegengewicht« zur konventionellen Überlegenheit der NATO ansieht.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 19. Juni 2013


Syrien-Frage polarisiert

G8 suchen einen Formelkompromiss **

Das wichtigste der außenpolitischen G8-Gipfelthemen war Syrien, nicht zuletzt bei einem Gespräch der Präsidenten Barack Obama und Wladimir Putin. Allerdings gab es offenbar kaum eine Annäherung der Standpunkte, was bei den bekannten Ausgangspositionen des Westens einerseits und Russlands andererseits auch kaum zu erwarten war. »Natürlich sind wir nicht völlig einer Meinung, aber wir alle wollen die Gewalt in Syrien stoppen«, hatte Putin nach dem Treffen mit Obama gesagt. Der sprach von »unterschiedlichen Blickwinkeln«.

Immerhin wurde der Gedanke an eine internationale Syrien-Konferenz in Genf noch nicht beerdigt. Vor allem Frankreich und Großbritannien sehen eine mögliche Konferenz als Gremium, welches über die Nach-Assad-Zeit beraten soll. Dem widersetzt sich Moskau. Man sei »kategorisch« gegen jegliche Behauptung, wonach die Konferenz »eine Art öffentliche Kapitulation« der syrischen Regierung sein solle, der eine Machtübergabe an die Opposition folge, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag der kuwaitischen Agentur KUNA.

Obama äußerte sich dazu nicht. Der US-Präsident steht allerdings unter immer stärkerem Druck, direkt im syrischen Bürgerkrieg aktiv zu werden. Dieser kommt nicht nur aus London und Paris, sondern auch von den beiden großen Parteien in den USA und damit auch vom eigenen Lager. Die Demokraten verlangen schon länger von Obama Waffenlieferungen an die Rebellen und die Einrichtung einer Flugverbotszone nach libyschen Vorbild, um »das Blutvergießen zu beenden« – in realer Sprache – um den Vormarsch der syrischen Armee zu stoppen.

Obama widersprach dem am Montag im US-Fernsehsender PBS. Es gebe keine einfache Lösung zur Beendigung des blutigen Bürgerkriegs, und auch die Einrichtung einer Flugverbotszone dürfte das Problem nicht lösen, so Obama. »Tatsache ist, dass 90 Prozent der Toten nicht durch Angriffe der syrischen Luftwaffe verursacht wurden.« Die meisten Kämpfe ereigneten sich am Boden. Einen Bodenkrieg von US-Truppen will er aber nicht. Zur ebenfalls geforderten Einrichtung eines »humanitären Korridors zum Schutz der Zivilbevölkerung in von den Rebellen kontrollierten Gebieten« sagte Obama, dies würde Luftangriffe erfordern, die ungewollte Konsequenzen haben könnten.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 19. Juni 2013


G8-Staaten zeigen Nachsicht mit Steueroasen

Von Kurt Stenger ***

Die G8-Staaten haben sich vorgenommen, strenger gegen Steueroasen vorzugehen – mit allerdings eher dürftigen Maßnahmen.

Es ist ein unbedeutendes Eiland, 39 Quadratkilometer klein und über 5000 Kilometer entfernt vom G8-Konferenzort. Trotzdem sollte Bermuda am Dientag die Trumpfkarte von Gastgeber David Cameron beim Gipfeltreffen in Enniskillen sein. Als letztes britisches Überseegebiet hatte sich Bermuda am Wochenende verpflichtet, ein OECD-Musterabkommen zu schließen, das die Herausgabe von Finanzdaten regelt. Mit dem Erfolg im Rücken wollte der britische Premier die G8-Partner zu gemeinsamen Aktivitäten gegen Steuerhinterziehung bewegen.

Die formell eigenständigen britischen Überseegebiete gelten als Hochburgen dubioser Briefkastenfirmen und Scheinstiftungen, in denen Vermögende ihr Geld vor dem heimischen Fiskus verstecken. Sie sind eng verbandelt mit den Banken in der Londoner City, die dort zahlreiche Filialen betreiben. Über die Hälfte der wichtigsten Steueroasen weltweit hat direkte Verbindung an die Themse, so das Ergebnis einer Studie von »Tax Justice Network«.

Dass sich Steueroasen zu den OECD-Regeln bekennen, ist gewiss ein Fortschritt. Doch letztere sind lax: Informationen müssen nur dann den Heimatfinanzämtern übermittelt werden, wenn sie einen konkreten Verdacht auf Steuerhinterziehung oder Geldwäsche haben. Da es sich um verstecktes Schwarzgeld handelt, weiß der Fiskus aber eben nicht Bescheid. Abzuwarten bleibt ferner, wie die Umsetzung später konkret läuft.

Eher mau waren die Ergebnisse des G8-Gipfels. Zum einen das Bekenntnis zu einem automatischen Informationsaustausch, wobei nicht klar ist, welche Daten dies im Einzelnen umfassen soll. Zum anderen fiel die von Cameron vorgeschlagene Einführung eines öffentlich zugänglichen Registers zur Eigentümerschaft von Briefkastenfirmen durch. Russland, die USA, Kanada und Deutschland lehnten dies ab. US-Präsident Barack Obama war immerhin bereit, den Steuerbehörden Zugang zu einem solchen Register zu gewähren. Der kanadische Premier Ben Harper wies eine bessere internationale Datenspeicherung mit Verweis auf den Skandal um die NSA und das US-Überwachungsprogramm PRISM zurück.

Die Globalisierungskritiker von Attac kritisierten, die internationalen Verhandlungen über Steueroasen verliefen seit Jahren nach dem Motto: »Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus«. Die Regierungen fänden zwar scharfe Worte gegen Steueroasen in der Karibik, sagten aber wenig zu eigenen Schlupflöchern. Darüber hinaus sei ein neues Instrumentarium der Konzernbesteuerung nötig, um deren legale Tricks zu unterbinden. Darüber wurde in Enniskillen gar nicht gesprochen.

*** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 19. Juni 2013


Geschleifte Finanzbastion

Von Kurt Stenger ****

Da hat die Mehrheit im Schweizer Nationalrat doch noch Muffensausen bekommen: Das Steuerabkommen mit den USA wurde erst einmal abgelehnt. Nun kommt es wohl zu einem Vermittlungsverfahren mit der zweiten Kammer des Parlaments. Es ist nicht zu erwarten, dass das Abkommen ganz zu Fall gebracht wird. Zu heftig ist der Druck, den die US-Regierung auf die Schweizer Banken ausübt.

Klar ist auch, dass dieses Abkommen wegweisend für die Zukunft ist. Hier geht es nämlich nicht um windelweiche Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD-Manier, bei denen es nur in Ausnahmefällen zum Informationsaustausch mit den Finanzbehörden kommt. Vielmehr müssen die Banken des einen Landes die Hosen herunterlassen und sämtliche steuerrelevante Infos über ihre Kunden aus dem anderen Land weitergeben. Das wäre das Ende des Bankgeheimnisses und des für öffentliche Kassen ruinösen Geschäftsmodells Steueroase. Rechtspopulisten mögen glauben, sie können »ihre« nationalen Banken vom Ausland abkoppeln. Mit der Finanzmarkt-Wirklichkeit hat das schon lange nichts mehr zu tun. Die Schweiz wird kein außenpolitisches Abenteuer riskieren.

Aber auch dann bliebe ein dickes Fragezeichen: Die USA sind in der Lage, eine Finanzbastion wie die Schweiz und Großbanken zum Einlenken zu zwingen. Wird der Rest der Welt außen vor bleiben?

**** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 19. Juni 2013 (Kommentar)


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