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Klimaschutz auf langer Bank

G8-Gipfel in Toyako will CO2-Ausstoß bis 2050 halbieren / Greenpeace: "Blumige Worte" *

Am zweiten Tag ihres Gipfels in Toyako haben die G8-Staaten ihre Klimaschutzziele bekräftigt. Umweltverbände kritisierten, diese blieben weit hinter den Notwendigkeiten zurück.

Nach langem Widerstand hat US-Präsident George W. Bush einem vagen Klimaschutzziel der G8-Industriestaaten zugestimmt. Ein halbes Jahr vor Ende seiner Amtszeit akzeptierte Bush am Dienstag auf dem Gipfel im japanischen Toyako grundsätzlich die Absicht, den Ausstoß schädlicher Treibhausgase bis 2050 mindestens zu halbieren. Die USA sind der weltgrößte Klimasünder.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die Vereinbarung einen Erfolg. Dies sei ein klarer Auftrag, bei der UN-Klimakonferenz Ende 2009 in Kopenhagen zu einem Abschluss zu kommen. »Ich verschweige nicht, dass wir bis Kopenhagen noch viele harte Verhandlungen haben werden.«

Der Wirtschaftsberater des Weißen Hauses, Dan Price, sprach von »einer ausgezeichneten Diskussion und einem ausgezeichneten Ergebnis«. Nun werde es da-rum gehen, auch mit Staaten wie China und Indien eine verbindliche Strategie für mittelfristige Ziele im Kampf gegen die Klimaerwärmung zu finden. Mit Vertretern der fünf größten Schwellenländer finden zum Abschluss des G8-Gipfeltreffens Gespräche statt. Die USA lehnen eine Klimaschutzverpflichtung ohne deren Beteiligung ab.

Beim G8-Gipfel von Heiligendamm 2007 hatte Präsident Bush nur zugestanden, das Ziel einer Halbierung des CO2-Ausstoßes zu prüfen. Aber auch die Klimaformulierung von Toyako ist sehr vage gehalten: »Die Vision des Ziels, eine Verringerung der weltweiten Emissionen bis 2050 um mindestens 50 Prozent erreichen, wollen wir mit allen Beteiligten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen teilen und in den Verhandlungen zusammen mit ihnen erwägen und annehmen.« Experten zufolge ist ein solches Ziel zudem unzureichend, um die Erderwärmung unter der noch tolerierbaren Marke von zwei Grad Celsius zu halten. Der Weltklimarat hält dafür bis 2050 eine Reduzierung der weltweiten Treibhausgasemission um mindestens 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 für notwendig. Die Industrieländer müssten ihren Ausstoß sogar um 85 Prozent senken.

Umwelt- und Entwicklungsorganisationen kritisierten die Einigung des G8-Gipfels. »Blumige Worte ersetzen keinen Klimaschutz«, erklärte Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. In dem Beschluss werde kein Vergleichsjahr genannt, womit die angekündigte Halbierung »beliebig« sei. Auch gebe es für die Industriestaaten keine konkreten Reduktionsziele im eigenen Land. »Damit drücken sich die G8-Staaten einmal mehr vor der eigenen Verantwortung«, kritisierte Smid.

Die Hilfsorganisation Brot für die Welt kritisierte, die lange Frist bis 2050 sei »verantwortungslos gegenüber den Hungernden heute und gegenüber künftigen Generationen in den Weltregionen, die besonders vom Klimawandel betroffen sein werden«, so der Klimaexperte der Organisation, Thomas Hirsch. »Die G8-Staaten müssen sich verbindlich verpflichten, den CO2-Ausstoß schon bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren.«

Wenig konkret blieb der Gipfel auch in der Frage der steigenden Energiekosten. Die Staatenvertreter äußerten sich tief besorgt über den hohen Ölpreis und bewerteten ihn als Gefahr für die Weltwirtschaft. Gemeinsame Anstrengungen müssten zur Ausweitung der Ölproduktion und Verarbeitung unternommen werden. Zudem soll ein Forum über neue Technologien und Maßnahmen zur Energieeinsparung beraten.

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac kritisierte die G8-Staaten, keine Kehrtwende in der Energiepolitik zu vollziehen. »Statt die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von Öl drastisch zu verringern, soll die Förderung ausgeweitet werden«, erklärte Alexis Passadakis vom Attac-Koordinierungskreis. Dies passe nicht zu den Klimaschutzzielen.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Juli 2008


Nur ein unverbindliches Fernziel

Von einem Durchbruch in Sachen Klimaschutz kann nach dem G-8-Gipfel nicht die Rede sein

Von Wolfgang Pomrehn **


Energie- und Klimafragen haben auf der Tagesordnung des G-8-Gipfels ganz oben gestanden, doch etwas wirklich Neues ist in Japan nicht herausgekommen. Man wolle sich im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen dafür einsetzen, daß die globalen Emissionen bis 2050 um mindestens 50 Prozent reduziert werden müssen, hieß es in einer Erklärung der Acht am Dienstag. Das hört sich zunächst gut an, und entspricht auch dem, was die Klimawissenschaftler seit langem fordern. Allerdings sagen die Wissenschaftler auch, daß mit den Reduktionen schnell angefangen werden muß und nicht erst in einigen Jahrzehnten. Bereits 2015 sollte ein weiterer Anstieg aufgehalten sein, danach müßten – im globalen Maßstab – die Reduktionen beginnen. In diesem Punkt bleibt die G-8-Erklärung jedoch äußerst vage. Weder werden konkrete Zwischenziele benannt noch erläutert, was das 50-Prozent-Ziel für die Industriestaaten eigentlich bedeutet.

Weltweit sind die Emissionen nämlich äußerst ungleichmäßig verteilt. In den USA werden pro Kopf und Jahr 20 Tonnen CO2 und andere Treibhausgase in die Luft geblasen, in Deutschland zwölf, in China fünf und in Indien weniger als zwei. Geht man davon aus, daß alle Menschen das gleiche Recht haben müssen, dann müßten in den Industriestaaten die Emissionen um 80 bis 90 Prozent reduziert werden.

Genau darauf haben Vertreter Schwellenländer wie Indien, China, Brasilien und Südafrika, die sich am Mittwoch mit den Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten trafen, erneut hingewiesen. In der gemeinsamen Abschlußerklärung konnte dann zumindest ein kleiner Hinweis untergebracht werden, daß Gleichheit und Gerechtigkeit eine der Grundlagen der internationalen Klimaschutzpolitik sein müßten. Trotzdem bleibt der ständige Druck der Industriestaaten, insbesondere der USA, auf die Schwellenländer, sich ebenfalls auf Reduktionsziele festlegen zu lassen, eines der großen Hindernisse in den Verhandlungen.

Andererseits beginnt sich auch eine Front der Entwicklungsländer zu formieren, die bisher die Klimaverhandlungen eher abwartend verfolgt hatten. Ende voriger Woche haben sich zum Beispiel die Umweltminister der Südasiatischen Vereinigung für Regionale Zusammenarbeit (SAARC) auf einen gemeinsamen Plan zu Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen geeinigt. Die acht südasiatischen Länder sind auf unterschiedliche Weise von schmelzenden Gletschern, intensiveren Tropenstürmen, Dürren und steigendem Meeresspiegel besonders bedroht.

Vor diesem Hintergrund haben die Minister verabredet, gemeinsam den diplomatischen Druck auf die reichen Länder zu erhöhen. Fakhruddin Ahmed, der Bangladeschs Übergangsregierung vorsteht, forderte von den Industriestaaten bedingungslose Verpflichtungen, ihre Treibhausgasemissionen zu vermindern. Außerdem verlangen die Minister die Einrichtung eines Fonds, aus dem die Folgen des Teils des Klimawandels bekämpft werden sollen, der nicht mehr verhindert werden kann. Die reichen Staaten müßten in diesen Fonds einzahlen und man werde nicht akzeptieren, wenn daran Bedingungen geknüpft werden.

Der SAARC gehören Afghanistan, Nepal, Bhutan, Pakistan, Indien, Bangladesch, Sri Lanka und die Malediven an. Der beschlossene Klimaaktionsplan umfaßt die Jahre 2009 bis 2011. Vereinbart wurden Maßnahmen zum Austausch von Technologie, öffentliche Aufklärung, verbesserte Überwachung des Klimasystems und den Aufbau von Finanzierungshilfen für Klimaschutzprojekte.

Unterdessen haben die G-8-Staaten in ihrer Klimaerklärung keinen Zweifel daran gelassen, daß sie keinen wirklichen Richtungswandel in ihrer Energiepolitik im Sinn haben. Erneuerbare Energiequellen werden nur in einem Halbsatz und sehr allgemein erwähnt. Längere Passagen beschäftigen sich hingegen mit der Förderung der Atomkraft. Eine Initiative Japans, diese international zu fördern, wird wohlwollend erwähnt.

Außerdem wird einmal mehr die unerforschte Technik zur CO2-Abscheidung in Kohlekraftwerken und der anschließenden Einlagerung des Treibhausgases als Wundermittel angepriesen. Nach Auskunft hiesiger Stromkonzerne, die an der Entwicklung arbeiten, wird diese Technik jedoch frühestens im Jahr 2020 zur Verfügung stehen. Für den Klimaschutz wäre das ziemlich spät. Mit dem gleichen Geld könnte man vermutlich sinnvoller die Entwicklung von Wind- und Sonnenenergie forcieren und sich zugleich von endlichen Energieträgern unabhängig machen.

** Aus: junge Welt, 10. Juli 2008


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