G20-Gipfel übt sich in Einigkeit
Industrie- und Schwellenländer wollen in Währungsfragen künftig enger zusammenarbeiten
In Seoul hat am Donnerstag (11. Nov.) der G20-Gipfel begonnen. Den Teilnehmern ging es zunächst darum, in
den strittigen Währungsfragen die Wogen zu glätten.
Die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrienationen
und Schwellenländer haben sich zum Auftakt ihres Treffens in der südkoreanischen Hauptstadt
Seoul bemüht, Einigkeit zu demonstrieren. Noch im Vorfeld des fünften G20-Gipfels hatte es
heftigen Streit über Währungsfragen und Handelsbilanzen gegeben.
In der Sache gab es zunächst kaum Bewegung. Bei einem rund 80-minütigen Treffen von USPräsident
Barack Obama mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao, bei dem es auch um die UNSanktionen
gegen Iran ging, wurde fast ausschließlich über Wechselkurse gesprochen. Obama
erneuerte die US-Forderung, China solle eine zügigere Aufwertung seiner Währung Yuan erlauben,
um die Ungleichgewichte im bilateralen Handel zu verringern. Peking warnt aber, dass ein zu
rascher Anstieg soziale und wirtschaftliche »Störungen« auslösen würde. Chinas Führung wirft
ihrerseits den USA vor, mit einer zu lockeren Geldpolitik den Dollarkurs drücken zu wollen. Bei ihrem
Treffen vereinbarten Obama und Hu, in Zukunft die Zusammenarbeit zu verstärken. Chinas
Staatschef erklärte, er hoffe trotz allen Streits auf ein »positives Ergebnis«.
Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso äußerte am Rande des Gipfels die Hoffnung,
dass zu strittigen Fragen angemessene Kompromisse gefunden werden. Jedoch verwies der
südkoreanische G20-Sprecher Kim Yoon Kyung auf bestehende Meinungsverschiedenheiten im
Umgang mit steigenden Handelsungleichgewichten. Unterhändler rechneten mit einer Nachtsitzung,
um die Abschlusserklärung fertigzustellen.
US-Finanzminister Timothy Geithner hatte vor dem Gipfel vorgeschlagen, Exportwirtschaften wie
Deutschland und China sollten sich darauf verpflichten, ihre Handelsüberschüsse auf vier Prozent
des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen. Dem erteilte unter anderem die deutsche Regierung eine
deutliche Absage. Obama und Kanzlerin Angela Merkel räumten nach Angaben aus
Regierungskreisen bei einem Vieraugengespräch ein, dass es nicht gut sei, über die Medien Angriffe
zu führen. Aus US-Delegationskreisen verlautete jetzt, dass man sich mit gesichtswahrenden,
unverbindlichen »Leitlinien« zufrieden geben könnte. Offenbar wird der Gipfel sich zudem darauf
einigen, dass die Waren- und Kapitalströme künftig besser beobachtet werden, um rechtzeitig
übermäßige Überschüsse und Defizite zu vermeiden.
Eine stärkere globale Koordinierung der Wirtschaftspolitik dürfte im Abschlussdokument lediglich als
Wunschdenken verankert werden. Konkrete Ergebnisse sind vom Seoul-Gipfel dagegen bei
verschärften Risikovorschriften für Banken, Hedgefonds und größere Finanzinstitute zu erwarten.
In der Innenstadt von Seoul demonstrierten am Donnerstag erneut bis zu 10 000
Globalisierungskritiker, die aber nicht bis zum Nationalmuseum durchkamen, wo die Staatsgäste zu
einem Arbeitsdinner zusammengetroffen waren. Studenten, Mitglieder von rund 80 nicht-staatlichen
Organisationen und Gewerkschafter forderten Jobsicherheit, eine faire Verteilung des Wohlstands
sowie die Rücknahme eines geplanten Freihandelsabkommens zwischen USA und Südkorea. Als
eine Frau sich mittels Farbverdünner selbst anzuzünden versuchte, schritten Sicherheitskräfte ein.
* Aus: Neues Deutschland, 12. November 2010
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