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"Kritische Instanz"

Zum Jahreskongreß der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO)

Von Christopher Vogel und Uli Brand*

Vom 20. bis 23. Mai findet in Kassel unter dem Titel »Das Ende der Bescheidenheit« der 27. Jahreskongreß der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) statt, auf dem offensive Handlungsmöglichkeiten der Linken diskutiert werden sollen. Ein Blick auf die bewegungsreiche Geschichte der BUKO

Die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) ist ein unabhängiger Dachverband, dem über 150 entwicklungspolitische Organisationen, Läden, Zeitschriftenprojekte etc. angehören. Die österreichische Zeitschrift malmö bezeichnete die BUKO jüngst gar als den »Think Tank der bundesdeutschen internationalistischen und globalisierungskritischen Linken«.

Angeregt wurde die Gründung des BUKO – die Abkürzung stand damals noch für »Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen« – in den 1970er Jahren durch das Entwicklungshilfeministerium (BMZ). Aus den unterschiedlichsten Motivationslagen (z.B. Antiimperialismus, radikales Christentum) waren nach ’68 zahlreiche Gruppen, Komitees und Dritte-Welt-Läden entstanden. All das war für das BMZ undurchschaubar, und man wünschte sich einen Ansprechpartner in dieser äußerst heterogenen Szene.

Mit dem Segen und vor allem mit finanzieller Unterstützung durch die Bundesregierung wurde ab 1977 eine bundesweite Struktur aufgebaut, und man traf sich jährlich zu einem Kongreß. Als Ziele des BUKO wurden die Verbesserung der Zusammenarbeit und die Verstärkung der inhaltlichen Diskussion unter den Gruppen genannt, um längerfristig die Arbeit der einzelnen Gruppen zu unterstützen und ein gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Dabei waren sich die beteiligten Gruppen von Anfang an einig, daß das Ziel entwicklungspolitischer Arbeit weder im Verteilen von Almosen noch in der Übertragung der Fehlentwicklungen des reichen Nordens auf die arm gehaltenen Länder des Südens bestehen kann. Es ging und geht auch heute noch darum, gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern aus dem Süden nach Wegen aus den verschiedenen entwicklungspolitischen Sackgassen zu suchen.

Der »neue Internationalismus«

Ärger bekam der BUKO mit dem BMZ im Jahre 1981 wegen der Kampagne »Waffen für El Salvador«, welche die Bundesregierung in keiner Weise unterstützenswert fand und daher alle Mittel strich: »Die Förderung von Organisationen, die offen zur Unterstützung bewaffneter Konflikte, etwa durch Spenden für den Kauf von Waffen, aufrufen, ist unvereinbar mit der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland, die dem Grundsatz friedlicher Konfliktlösung verpflichtet ist« (in: Forum 43/44, September 1981).

Neben solchen Kampagnen wurden auch langfristige Projekte initiiert, die heute noch bestehen. Auf dem vierten Bundeskongreß gründete sich die BUKO-Pharma-Kampagne. Durch diese Kampagne sollte insbesondere das Handeln von multinationalen Konzernen in den Entwicklungsländern analysiert und angeprangert werden, so z.B. der Vertrieb von unwirksamen oder z.T. gefährlichen Medikamenten und die Ausbeutung der in den Werken der Pharmaindustrie beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Später kamen die Agrar-Koordination, die Kampagne »Stoppt den Rüstungsexport«, sowie 2001 die Biopiraterie-Kampagne hinzu.

In den 1980er Jahren verzeichnete der BUKO stetig wachsende Mitgliederzahlen. Höhepunkt war zweifelsohne 1988 die Mobilisierung zu den Gegenaktivitäten anläßlich der Tagung von IWF und Weltbank in Berlin. Begleitet von heftigen Provokationen durch die Polizei demonstrierten parallel zu den offiziellen Treffen fast 100 000 Menschen gegen die Politik von IWF und Weltbank und forderten deren Abschaffung.

Doch der Frühling eines »neuen Internationalismus«, der sich vom »alten Internationalismus« der Arbeiterbewegung teilweise deutlich unterschied, währte nur kurz. Mit dem Fall der Mauer und der Implosion des Staatssozialismus geriet die gesamte westdeutsche Linke in eine tiefe Krise. Das galt auch für die undogmatische Linke, im BUKO immer in der Mehrheit, die mit dem autoritären Sozialismus nicht viel gemeinsam hatte. Zusätzlich zeigte die Abwahl der Sandinisten in Nikaragua 1990, daß eine andere Politik zum Wohle der Bevölkerungsmehrheit im Kapitalismus aus systemimmanenten Gründen kaum möglich ist. Auch das endgültige Scheitern des bewaffneten Aufstandes in El Salvador machte die Sache nicht besser. Die politische Macht kam nicht mehr aus den Gewehrläufen, wie es bei Mao einmal hieß, sondern aus den Büros von IWF und Weltbank und ihren Verbündeten in den einzelnen Ländern.

Die 1990er Jahre

Die krisenhaften Entwicklungen führten auch im BUKO zu Diskussionen, wie eine »zeitgemäße« Organisationsstruktur auszusehen habe. Einige wollten den »Wind of Change« nicht verpassen und plädierten für eine stärkere Ausrichtung der politischen Praxis am Lobbyismus wie in NGOs ŕ la Germanwatch. Im Gegensatz zu vielen Nichtregierungsorganisationen hat der BUKO jedoch den Weg zur Lobbypolitik und Professionalisierung nicht mitgemacht. Infolgedessen haben sich viele Aktivistinnen und Aktivisten vom BUKO verabschiedet, um bei einer der existierenden Lobbyorganisationen eine neue politische Heimat zu finden oder eine neue Organisation zu gründen. Doch mit der Entscheidung gegen den Lobbyansatz gingen die Probleme erst richtig los. Denn damit war zunächst nur klar, was der BUKO nicht will. Wie es weitergehen sollte blieb jedoch völlig offen. Statt der herrschenden Politik produktive Vorschläge zu machen, hielt man an den Prinzipien radikaler Systemkritik und Basisdemokratie fest – auch wenn die Organisation eher schrumpfte und immer weniger Gruppen sich aktiv beteiligten. In Anbetracht der Entwicklungen in der entwicklungspolitischen Szene mit den Anpassungstendenzen an die kapitalistische Normalität und mit ihrem wachsenden Trend zur Professionalisierung war das Festhalten an radikaler Systemkritik und an Basisdemokratie nicht viel, aber zumindest etwas, was der BUKO bewahren sollte.

Immerhin erschien mit dem Aufstand der Zapatistas in Mexiko 1994, die ein schlichtes Ya Basta! (Es reicht!) in die Welt sendeten, ein neuer Hoffnungsschimmer auch für die internationalistische Szene hierzulande. Die zapatistischen Maximen des »fragenden Voranschreitens« und »gehorchend Regierens« drückten ein neues Verständnis emanzipativer Politik aus. Die Chiapas-Solidarität war zunächst am BUKO vorbeigegangen, weil man zu sehr mit der Selbstverständnisdebatte beschäftigt war und annahm, es handelte sich um eine Wiederholung der traditionellen Soli-Arbeit. Doch in der Folge wurden die neuen Impulse in den BUKO-Mitgliedsgruppen begeistert aufgegriffen und debattiert.

Ein neues Profil gewann der BUKO Mitte der 90er Jahre durch die Debatte um Nachhaltige Entwicklung, denn aus dem BUKO heraus wurden die dominierenden linksliberalen und modernisierungsgläubigen Nachhaltigkeitskonzepte am vehementesten kritisiert.

Mit den Auseinandersetzungen um das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI), das lange Zeit von der Öffentlichkeit ignoriert wurde, sammelten sich ab Mitte 1998 einige Aktive und gründeten den »Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft« (ASWW). Zum Kölner EU- und G8-Gipfel 1999 gab es wichtige aufklärerische Interventionen, die in den Folgejahren fortgesetzt wurden. So veröffentlichte der ASWW z.B. anläßlich des G8-Gipfels in Köln in Kooperation mit dem informationszentrum 3. welt (iz3w) in Freiburg eine Broschüre mit dem Titel »Köln gehen«. Darin wurde nicht nur die Hoffnung auf eine »bessere« globale Strukturpolitik durch die EU als reines Wunschdenken entlarvt. Vielmehr wurde kritisiert, daß Teile der globalisierungskritischen Bewegung die EU bzw. die G8 immer noch als Problemlösungsinstanzen wahrnehmen und nicht als Teil des Problems. Vor allem wurde der auf dem G8-Gipfel gefeierte teilweise Schuldenerlaß für die ärmsten Länder der Welt, der auch von westlichen NGOs als großer (eigener) Erfolg bewertet wurde, als völlig unzureichend und Erpressungsvehikel für weitere Strukturanpassungsprogramme kritisiert. Zusätzlich wies man auf die weitaus radikaleren Positionen von NGOs aus dem Süden hin und zeigte sich mit ihnen solidarisch.

Mit den Demonstrationen von Seattle und Genua wurde deutlich, daß die eigenen Positionen dazu, wie radikale Kritik an ungerechten Auswirkungen des Neoliberalismus, doch noch Gehör in der Gesellschaft finden können. Auch das Bewußtsein der eigenen Stärke, trotz aller Unterschiede, war gewachsen.

Der BUKO versuchte immer wieder, in spezifische Auseinandersetzungen einzugreifen. Die Kampagne, die gegenwärtig die größten Aktivitäten entfaltet, ist jene gegen Biopiraterie, die mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit auf die Privatisierung genetischer Ressourcen, die Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse in südlichen Ländern und die Verstrickung hiesiger Unternehmen und Regierungen hinweist (www.biopiraterie.de).

Selbstkritik

Beim Blick auf die eigene Geschichte wurde mit Selbstkritik nie gespart. Das westliche Verständnis eines Entwicklungsbegriffs, der selbst im eigenen Namen durchschimmerte, bewog den BUKO im Jahr 2002, sich in die BUKO umzubenennen. Mit der Namensänderung in »Bundeskoordination Internationalismus« wollte die BUKO zeigen, daß ein linker Internationalismus und dessen organisatorischer Zusammenhang sich heute kritisch auf eine »Entwicklungspolitik« beziehen muß, die – in vielleicht guter Absicht – paternalistisch bleibt und zum Reparaturbetrieb für das neoliberale und neoimperiale Desaster verkommt. Was vielen Gesellschaften des Südens über den Verfall der Rohstoffpreise auf den Weltmärkten oder den Schuldendienst geraubt wird, wiegt die ohnehin zurückgehende Entwicklungshilfe nicht auf.

Dieses Umdenken reflektiert sowohl das Ende der traditionellen nationalen Befreiungsbewegungen und der darauf bezogenen Solidaritätsprojekte als auch die Tatsache, daß die Unterschiede zwischen »erster« und »dritter« Welt, zwischen »Zentrum« und Peripherie« unschärfer geworden sind. In Zeiten eines umfassenden Wohlstandschauvinismus besteht das Problem weniger in der ›Entwicklung‹ der Peripherie denn in den Verhältnissen in den Zentren bzw. ist die Peripherie heute eher zum Experimentierfeld für kapitalistische Umstrukturierungsprojekte geworden, deren Anwendung in den Zentren erst noch bevorsteht.

Theo Bruns charakterisiert die BUKO in der Einleitung zum BUKO-Buch »radikal global« (Hamburg 2003) sehr treffend: »Die BUKO hat über die mittlerweile gut 25 Jahre ihres Bestehens stets die Fähigkeit bewahrt, einen politischen Raum zu organisieren, in dem Debatten kontrovers und weitgehend unsektiererisch ausgetragen werden können. Ihre Stärke liegt weniger in der – sehr bescheidenen – Fähigkeit zur Mobilisierung als vielmehr darin, Prozesse der Selbstverständigung innerhalb der internationalistischen Linken zu fördern. Über die Jahre ist sie zu einer kritischen Instanz der Bewegung geworden.«

Ein Highlight in den letzten Jahren war sicherlich der Jubiläumskongreß BUKO 25 im Mai 2002 in Frankfurt am Main, zu dem fast 1000 Internationalistinnen und Internationalisten kamen, unter ihnen auffällig viele junge Menschen. Das lag wahrscheinlich unter anderem daran, daß nach Genua und dem folgenden kometenhaften Aufstieg von ATTAC auch in Deutschland das Interesse an internationalistischen und globalisierungskritischen Positionen enorm gestiegen war. Die Veränderungen gegenüber früheren Zeiten schilderten Joachim Hirsch und Eva-Maria Krampe (veröffentlicht in www.links-netz.de): »Statt Austausch bekannter politischer Positionen dominierte die Suche nach Orientierungen und Erklärungen, nach Möglichkeiten politischer Arbeit unter den Bedingungen einer veränderten Welt. (...) Die traditionellen Konzepte einer revolutionären Machtergreifung oder des Staatsreformismus spielen kaum noch eine Rolle. Dafür sind die Erfahrungen mit verstaatlichten Befreiungsbewegungen ebenso maßgebend wie die mit dem rot-grünen ›Projekt‹ hierzulande. Und alle haben von den mexikanischen Zapatistas gelernt.«

Trotz aller Euphorie sparte man nicht mit Kritik am eigenen Spektrum. So wurde z. B. ATTAC vom Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft der BUKO ob ihrer einseitigen Haltung zu den Finanzmärkten kritisiert, da diese die Ausbeutungsverhältnisse in der internationalen Produktion nicht gleichwertig mitthematisierte.

Und natürlich blieb auch die BUKO von den innerlinken Streitigkeiten um Israel und Palästina bzw. Antisemitismus nicht verschont. Obgleich das sogenannte antideutsche Spektrum kaum auf den Kongressen vertreten ist, sind deren Inhalte und Kritikpunkte doch stets präsent. So führte z.B. ein Flugblatt einer Palästina-Solidaritätsgruppe aus Hamburg, in dem zum Boykott israelischer Waren aufgerufen wurde, beim 26. Kongreß im vergangenen Jahr in Bremen zu heftigen Diskussionen. Zwar gibt es dazu noch immer keine einheitliche BUKO-Position, doch wurde deutlich, daß die unkritische Solidarisierung mit den Palästinensern und, damit einhergehend, einseitige Kritik an israelischer Politik inakzeptabel ist. Andererseits stoßen aber auch israelische und vor allem amerikanische Flaggen auf Demonstrationen überwiegend auf Unverständnis.

Bewegung und Lobbyismus

Eine andere äußerst kontroverse Debatte lieferte man sich mit dem Spektrum der Nichtregierungsorganisationen. Nicht umsonst hatte man sich zu Beginn der 90er Jahre seine Eigenständigkeit und möglichst hierarchiefreie Verbandsstruktur ohne Vorstand erhalten. So erschien anläßlich des BUKO 25 in Frankfurt eine Broschüre mit dem Titel: »lobbyismus – honigschmieren am runden tisch«. Das Papier bringt eine Debatte zum Abschluß, die den BUKO in den 90er Jahren entscheidend geprägt hat. Wie der Titel erahnen läßt, findet man es nach wie vor höchst problematisch, daß aus einstigen Weggefährten inzwischen Berufspolitikerinnen und -politiker geworden sind, die den Lobbyismus auf internationalen Konferenzen und auf den Fluren der Parlamente als einzig mögliche Politikform propagieren. Kritisiert wird der Anspruch, innerhalb des Systems Veränderungen herbeiführen zu wollen, was zwangsläufig den Verzicht auf grundsätzliche Kritik bedeutet. Statt dessen beharrt man auf dem Widerstand sozialer Bewegungen: »Es waren fast immer die Kämpfe sozialer Bewegungen, die gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt haben. Statt einen solchen Druck gegen die neoliberale kapitalistische Globalisierung zu entwickeln, werden von Lobbyseite oft gutgemeinte Verbesserungsvorschläge gemacht. Die Gefahr, daß man dadurch eher als Frühwarnsystem und somit als Schmiermittel für eine bessere neoliberale Globalisierung funktioniert, liegt auf der Hand.«

Oft ist die BUKO mit dieser Lobbyismus-Kritik falsch verstanden worden. Es geht ihr gar nicht darum, diese Politikform zu verteufeln, sondern deutlich zu machen, daß sich emanzipative Politik keineswegs im Hintergrundgespräch mit den Herrschenden erschöpfen darf. Viele NGO-Aktivistinnen und -Aktivisten haben das ohnehin längst bemerkt und engagieren sich etwa bei ATTAC – und auch die BUKO-Kampagnen betreiben kritisches Lobbying.

Neoliberalismus und Widerstand

Nach den großen Mobilisierungserfolgen im November 2003 und April diesen Jahres, wo Hunderttausende gegen Sozialabbau und »Agenda 2010« demonstrierten, stellt sich nun die Frage, ob die bloße Verteidigung des Sozialstaates weiterhin die dominante Politikoption bleiben soll. Natürlich müssen soziale Errungenschaften, die in den letzten hundert Jahren teilweise erbittert erkämpft wurden, verteidigt werden. Stärker diskutiert werden müßte jedoch gleichzeitig, ob und wie eigene Strategien der offensiven Aneignung in den öffentlichen Raum getragen werden können. Daß hiermit ein großes Bedürfnis innerhalb der Linken angesprochen wird, zeigt auch der an diesem Wochenende in Berlin stattfindende »Perspektivenkongreß«. Auch hier geht es um die Frage, wie es mit dem Protest weitergehen soll, welche Alternativen es gibt.

Drohen dort jedoch eher Fragen der Einflußnahme auf die »große Politik« zu dominieren, öffnet der BUKO in Kassel eine weitergehende Perspektive im Hinblick auf mögliche Alternativen. Zum einen wird neoliberale Politik in ihrer Stabilität bzw. Brüchigkeit genauer beleuchtet, zum anderen spielt natürlich der Globale Süden eine wichtige Rolle. Während man sich in der Bundesrepublik im Zuge der Standortdebatte schwer damit tut, ein internationalistisches Verständnis von Politik zu entwickeln, wird in Kassel genau diese Perspektive in den Mittelpunkt gestellt, um auch hierzulande zu einer anderen Politik zu gelangen.

Internationalismus besteht heute zuvorderst darin, die eigenen Gesellschaften zu verändern. Das macht reflektiertes entwicklungspolitisches Engagement nicht überflüssig, verschiebt aber die Perspektive. Die BUKO hat sich in den vergangenen Jahren hin zu antimilitaristischen, antifaschistischen, patriarchatskritischen, um Rechte für Migrantinnen und Migranten kämpfenden oder sozial-ökologischen Spektren geöffnet. Und umgekehrt haben viele Gruppen festgestellt, daß ihre Kämpfe in einen internationalistischen Kontext gestellt werden müssen. Und noch immer sind viele blinde Flecken im linken Spektrum festzustellen. So wurden die Anpassungsprogramme in osteuropäischen Ländern, die sich für den EU-Beitritt »fit machen« mußten, fast komplett ignoriert. Kontakte zu emanzipatorischen Organisationen und Bewegungen in den Beitrittsländern und Nichtbeitrittsländern existieren fast gar nicht. In Kassel werden Vertreterinnen und Vertreter ebendieser Gruppen aus Polen, Ungarn, Serbien und Rumänien anwesend sein, und es wird eine große Podiumsdiskussion zum Thema linke Perspektiven in Osteuropa geben. Des weiteren wird ein Blick geworfen auf Aneignungsstrategien hierzulande und weltweit. Inwieweit der Begriff der Aneignung brauchbar für die eigenen Kämpfe ist, wird sich zeigen. Zumindest wird die Möglichkeit geboten, sich untereinander auszutauschen, voneinander zu lernen und sich zu vernetzen.

* Die Autoren sind aktiv in der BUKO-Vorbereitungsgruppe Kassel. Weitere Informationen zu Kongreß und Organisation unter www.buko.info

Der Text wurde in der "jungen Welt" vom 15. Mai 2004 abgedruckt.


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