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"Wir befinden uns in einem Teufelskreis"

Der Physiker Ugo Bardi warnt im neuen Club-of-Rome-Bericht vor steigenden Energie- und Rohstoffkosten *


Der Physiker Ugo Bardi hat für den Club of Rome die Rohstoffsituation der Welt untersucht. In seinem Bericht »Der geplünderte Planet« warnt der Professor für physikalische Chemie an der Universität Florenz vor steigenden Kosten für Energie und fordert einen tiefgreifenden Wandel der Gesellschaft. Mit ihm sprach Haidy Damm.

Ihr Buch »Der geplünderte Planet« gilt als Nachfolgebericht der 1972 vom Club of Rome veröffentlichten Studie »Die Grenzen des Wachstums«. Was ist ihre Hauptaussage?

Die bisherige Debatte über Ressourcenknappheit ist meiner Meinung nach von einem Missverständnis bestimmt. Der Weg scheint: Wir machen eine Liste und versuchen zu bestimmen, wie lange haben wir den einen oder anderen Rohstoff noch zur Verfügung. Das ist falsch und der Club of Rome hat auch niemals vorhergesagt, dass die Ressourcen eines Tages komplett aufgebraucht sind. Es geht vielmehr um die entscheidende Frage, welchen Rohstoff können wir uns wie lange noch leisten?

Was sind die Folgen?

Um Rohstoffe zu gewinnen, brauchen wir Energie, die wiederum aus Ressourcen besteht. Da wir immer mehr für die Ressourcengewinnung brauchen, haben wir immer weniger Energie zur Verfügung. Wir befinden uns in einem Teufelskreis, denn wir müssen immer mehr investieren, nur um neue Ressourcen zu gewinnen.

Höhere Kosten heißen zur gleichen Zeit, dass mehr Abraum, mehr Müll und damit auch mehr Umweltverschmutzung entstehen.

Das ist die andere gigantische Seite des Problems. Der Schwachpunkt ist: Jemand muss dafür bezahlen, das wissen wir alle. Dieser Fluch hängt immer über dem Rohstoffabbau. Rohstoffe werden genutzt, ohne darüber nachzudenken, wer die Kosten für die Verschmutzung zahlt. Das gilt auch für das Problem des Klimawandels, es geht um die Zukunft der menschlichen Spezies. Ich weiß, das klingt nicht sehr optimistisch.

Nein, das ist es wohl nicht. Dennoch liegt eine große Hoffnung darauf, mit neuen Technologien die Vorkommen weiter ausbeuten zu können. Ein gerade auch in Deutschland diskutiertes Beispiel ist das Fracking.

Wir neigen leider dazu, jede Technologie als gut zu interpretieren, aber es gibt ja sehr viele unterschiedliche Technologien, gute und eben auch schlechte. Und Fracking ist eine schlechte Technologie. Wir geben unglaublich viel Geld aus, um das gleiche Ergebnis zu erzielen. Wir investieren also viel Geld in etwas, was so oder so bald erschöpft ist. Dieses Geld ist an anderer Stelle, wo es nachhaltiger wirken kann, viel besser investiert.

Fracking hat also Ihrer Meinung nach keine Zukunft?

Absolut keine. Fracking ist eine Finanzblase, da wird unglaublich viel Geld investiert, das nicht wieder reingeholt werden kann. Wenn Sie alle diese Kosten auf den Preis aufschlagen, kann sich das niemand leisten.

Bleibt also die Ressourcenknappheit und in dieser Folge Konflikte um deren Ausbeutung.

Ja, es gibt schon jetzt Konflikte um Ressourcen und diese werden sich verschärfen, wenn Rohstoffe nicht mehr auf dem Wege von Vereinbarungen und Verhandlungen ausgebeutet werden. Der erste Schritt ist, dass die Rohstoffe immer teurer werden. Aber wer genug Geld hat, kann weiter kaufen. Doch ab irgendeinem Punkt überlegen sich diejenigen, die Rohstoffe verkaufen, warum soll ich sie auf dem globalen Markt verkaufen, ich behalte sie, bis der Preis steigt oder ich verlange mehr als Geld. An diesem Punkt starten Kriege.

Wie können wir dieser Situation entgehen? Was ist die Lösung?

Uns wird ja immer vorgeworfen, wir seien technologiefeindlich. Deshalb überrascht es vielleicht, wenn ich jetzt sage: die Lösung ist Technologie. Wir brauchen nur die richtigen Technologien, die Energie ohne Umweltverschmutzung erzeugen und die nachhaltig sind. Wir haben diese Technologie bereits, beispielsweise mit den erneuerbaren Energien wie Photovoltaik oder Windenergie, wir müssen diesen Weg nur weitergehen.

In ihrem Buch sprechen Sie auch von den Möglichkeiten des Recyclings.

Wir stellen fest, Recycling ist eine gute Idee, aber es ist teuer. Als Strategie allein reicht das nicht, es kann nur ein Teil eines neuen Systems sein.

Aber hilft es, Ersatz für den Rohstoffverbrauch zu suchen oder brauchen wir eine Debatte über Wachstum als Strategie?

Wir brauchen keine Debatte, wir können einfach nicht weiter wachsen. Es ist also keine Frage einer Debatte, sondern notwenige Realität. Wir müssen uns darauf einstellen, dass nicht immer alles zur Verfügung stehen wird so wie wir es gewöhnt sind.

Sie fordern einen tiefgreifenden Wandel der Gesellschaft, wie ist der zu erreichen?

Nun, es gibt diese Geschichte, die sich gut auf die Energiefrage übertragen lässt: Geben Sie jemandem einen Fisch und er wird einen Tag statt sein. Bringen Sie ihm bei, wie man fischt, wird er bis zum Rest seines Lebens satt. Das ist die Situation in der wir jetzt gerade sind. Nur so werden wir den Wandel schaffen.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 7. Juni 2013


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