UN-Plan für besseren Artenschutz
Greenpeace: Einhaltung bleibt offene Frage
Weltweit haben Umweltschützer die Einigung der UN-Artenschutzkonferenz auf ein 20-Punkte-Programm zur Sicherung der Biodiversität begrüßt. Naturschutzorganisationen nannten das Abkommen am Samstag eine »starke Botschaft« und einen »ambitionierten Rettungsplan« für die biologische Vielfalt.
Am Freitagabend (29. Okt.) hatten sich 193 Staaten im japanischen Nagoya nach schwierigen Verhandlungen auf ein umfassendes Paket zum Erhalt der Artenvielfalt geeinigt. Das Abkommen nennt als Ziel, »wirkungsvolle und dringende« Maßnahmen zu ergreifen, um bis 2020 den weiteren Verlust der Artenvielfalt zu verhindern und den Erhalt der Ökosysteme sicherzustellen.
Der deutsche Naturschutzbund (NABU) sprach von einem »ambitionierten Rettungsplan für die biologische Vielfalt«. NABU-Präsident Olaf Tschimpke lobte Bundesregierung und EU-Kommission, die sich bis zuletzt für das Abkommen eingesetzt hätten. Die Umweltorganisation BUND hob die geplante Beseitigung von umweltschädlichen Subventionen hervor. »Damit wird der Naturzerstörung mit Hilfe von Steuergeldern endlich ein Ende gesetzt«, so BUND-Chef Hubert Weiger. Kritischere Töne kamen dagegen von Greenpeace. So sei es »beschämend«, dass die in der Vergangenheit gesetzten Artenschutz-Ziele nicht eingehalten worden seien.
Einige der Ziele von Nagoya
Ziel 1: Bis spätestens 2020 kennen alle Menschen den Wert der Biodiversität und wissen, wie sie erhalten und nachhaltig genutzt werden kann
Ziel 4: Bis 2020 haben Regierungen, Industrie und Interessensgruppen auf allen Ebenen Schritte unternommen, um Produktion und Konsum nachhaltig zu gestalten
Ziel 5: Bis 2020 wird die Rate des Verlusts aller natürlichen Lebensräume mindestens halbiert. Zerstörung und Fragmentierung werden deutlich verringert
Ziel 6: Bis 2020 werden alle Bestände von Fischen, Wirbellosen und Wasserpflanzen nachhaltig bewirtschaftet. Die Fischerei soll keinen nennenswerten schädlichen Einfluss mehr auf gefährdete Arten haben
Ziel 7: Bis 2020 werden alle Agrarflächen, Aquakulturen und Wälder nachhaltig bewirtschaftet
Ziel 8: Bis 2020 wird die Verschmutzung durch zu viele Nährstoffe (etwa durch Stickstoffdünger) auf ein für Ökosysteme und Artenvielfalt unschädliches Maß gebracht
Ziel 16: Bis 2016 ist das Nagoya-Protokoll für die faire und gerechte Aufteilung von wirtschaftlichen Gewinnen aus genetischen Ressourcen in Kraft – auch im nationalen Recht. ND
* Aus: Neues Deutschland, 1. November 2010
Nagoya war nur die Planschmiede
Nach der Artenschutzkonferenz der Vereinten Nationen muss nun auch die Bundesregierung handeln **
Dem Raubbau an der Natur soll binnen zehn Jahren Einhalt geboten werden. Darauf hat sich die
Artenschutzkonferenz der Vereinten Nationen (UN) verständigt. Die Voraussetzungen dafür müssen
aber erst noch geschaffen werden – auch in Deutschland.
In letzter Sekunde gelang in Nagoya die fast unmöglich geglaubte Einigung
(ND berichtete). Viele Umweltverbände und Politiker jubeln nun und sehen das als großen Fortschritt
an. In den Hintergrund gerät dabei jedoch, dass sich die internationale Gemeinschaft schon einmal
dazu verpflichtet hatte, den Verlust der Artenvielfalt zumindest deutlich zu bremsen. Das sollte bis
2010 geschehen. Mit diesem Ziel sind die Vereinten Nationen aber weitgehend gescheitert. Das
räumte der Chef der UN-Konvention über Biologische Vielfalt, Ahmed Djoghlaf, zu Beginn des
Jahres ein: »Nicht ein Land hat dieses Ziel erreicht.«
Der Leiter des WWF-Teams in Nagoya, Günter Mitlacher, weist darauf hin, dass sich viele nationale
Behörden mangels politischen Willens oft wenig um die biologische Vielfalt scheren. »In der
Beurteilung, dass das 2010-Ziel nicht erreicht wurde, war herausgekommen, dass die erforderlichen
Mittel gefehlt haben«, sagte er nach der Konferenz.
Die Beschlüsse aus Nagoya müssen nun in den Ländern umgesetzt werden. Dabei gilt es, dicke
Bretter zu bohren – zum Beispiel bei den Subventionen. Zum ersten Mal ist in Japan die
Vereinbarung getroffen worden, schädliche Zahlungen des Staates bis zum Jahr 2020 einzustellen.
Dies betrifft beispielsweise Zuschüsse für schädliche Produktionsweisen in der Land-, Forst- und
Fischereiwirtschaft. »Solche schädlichen Subventionen werden weltweit auf 500 Milliarden Dollar
geschätzt«, sagte Helmut Röscheisen vom Naturschutzring. »Zum ersten Mal (seit der Rio-
Konvention 1992) gibt es nun ein konkretes Verfahren, um bis zur nächsten Konferenz 2012 die
tatsächlichen Zahlungen und die benötigten Zahlungen für den weltweiten Naturschutz zu ermitteln«,
lobte Röscheisen eines der Verhandlungsergebnisse.
Der Abschied von schädlichen Subventionen, Anbaumethoden oder der Überfischung macht in
vielen Ländern nicht weniger als ein grundsätzliches Umsteuern im Umgang mit der Natur nötig –
zehn Jahre sind eine kurze Zeit für einen solchen Bewusstseinswandel. Eines der neuen Ziele von
Nagoya: Bis 2020 sollen etwa 17 Prozent der Landfläche und 10 Prozent der Meeresfläche unter
Schutz gestellt werden. Das sind in Europa vier Prozent mehr Landfläche. Weltweit ist bislang nur
ein Prozent der Ozeanfläche geschützt.
Der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Olaf Tschimpke, sieht nun die
Bundesregierung in der Pflicht. Im Deutschlandradio Kultur verwies er darauf, dass das Abkommen
von Nagoya auch für Deutschland bedeutet, in den nächsten zehn Jahren eine naturverträgliche
Landwirtschaft und Fischerei auf den Weg zu bringen, die den Artenschutz berücksichtige.
Auch Undine Kurth, Parlamentarische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag,
mahnt zum Handeln: »Wenn das in Nagoya beschlossene 20-Punkte-Programm zum Naturschutz
bis 2020 umgesetzt werden soll, muss der Schutz der Biodiversität endlich als Querschnittsaufgabe
in allen Politikfeldern anerkannt und durchgesetzt werden.«
** Aus: Neues Deutschland, 1. November 2010
Zurück zur Globalisierungs-Seite
Zur Umwelt-Seite
Zurück zur Homepage