Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Hand in Hand mit der NSA

Der Software-Riese Microsoft hat neuen Enthüllungen zufolge FBI und NSA Zugang zu Mails und Chats erlaubt

Von Johanna Treblin *

US-Internetdienstleister haben in den vergangenen Wochen die Zusammenarbeit mit Geheimdiensten geleugnet. Die britische Zeitung »Guardian« zeigt nun, dass Microsoft NSA und FBI Amtshilfe leistete.

Ende Juni präsentierte Microsoft-Chef Steve Ballmer in San Francisco das neue Unternehmensmodell des Konzerns: Beweglicher soll der Software-Riese werden, innovativ und schnell. In Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten hat der Konzern seine Beweglichkeit bereits bewiesen: Laut dem britischen »Guardian« hat Microsoft in den vergangenen drei Jahren eng mit der NSA, dem FBI und der CIA zusammengearbeitet, so dass diese leichter auf die digitale Kommunikation der Nutzer via Hotmail und Skype zugreifen können.

Schon Anfang Juni war bekannt geworden, dass die US-Geheimdienste massenhaft Informationen von großen Internetdiensten wie Google, Facebook, Microsoft und Apple abgreifen. Nicht nur Microsoft bestritt allerdings in den darauffolgenden Wochen, den Behörden einen direkten Zugang zu seinen Systemen zu gewähren. Der Konzern sagte auch jetzt noch einmal gegenüber dem »Guardian«, den Gesetzen entsprechend nur Informationen über einzelne Kunden herauszugeben, wenn es explizite Anfragen seitens der US-Behörden gebe.

Die neuen Enthüllungen von Daten des Whistleblowers Edward Snowden zeigen jedoch das Gegenteil. Im Juli 2012 begann Microsoft mit ersten Tests der neuen Online-Plattform Outlook.com. Den NSA-Dokumenten zufolge befürchtete der Geheimdienst, mit der vorgesehenen Verschlüsselung der Online-Chats diese nicht mitschneiden zu können. In einem Dokument vom Dezember heißt es dann, Microsoft habe gemeinsam mit dem FBI eine Lösung für das Problem gefunden. Im Februar ging der Dienst ans Netz.

In einer Mitteilung vom April berichtete die NSA von einer ähnlichen Zusammenarbeit bezüglich SkyDrive, dem virtuellen Speicherdienst (Cloud) von Microsoft. Mit dem Sonderzugang für das Spähprogramm PRISM müsse die NSA nicht jedes Mal anfragen, wenn sie die Kommunikationsdaten eines Nutzers einsehen will.

»Große Unternehmen wie Microsoft halten die Codes für ihre Software geheim«, sagt Matthias Kirschner von der Free Software Foundation mit Sitz in Berlin. Im Gegensatz zu freier Software könne daher niemand nachvollziehen, ob und wie diese Unternehmen Hintertüren für Dritte eingebaut haben. Möglich sei, dass der Konzern in den Code zur Verschlüsselung von Mails oder Chats eigene Schlüssel einbaue, mit denen die NSA freien Zugang zu diesen erhalte. Kirschner empfiehlt daher, alle Mails individuell mit dem Programm PGP zu verschlüsseln – der bisher sicherste Schutz gegen das Mitlesen durch Dritte.

Die Piratenpartei fordert, in der öffentlichen Verwaltung flächendeckend freie Software einzusetzen, um Hintertüren für Geheimdienste auszuschließen. Katharina Nocun, Politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, sagte gegenüber »nd« zudem: »Verdachtsunabhängige Überwachung und ein Zweitschlüssel für unsere digitalen vier Wände ist eine absolut verfassungswidrige Grenzüberschreitung, die weder dem Bundeskriminalamt mit dem Staatstrojaner noch der NSA zusteht.«

* Aus: Neues deutschland, Samstag, 13. Juli 2013


Ausweg für Snowden

Twitter aus dem Transit

Von Irina Wolkowa, Moskau **


Das Treffen im Transit des Moskauer Flughafens Scheremetjewo dauerte am Freitagabend etwa eine halbe Stunde, dann wurde die brisante Botschaft getwittert: Der US-Computerspezialist Edward Snowden hat um Asyl in Russland gebeten. Die Begründung sei, dass er nicht ausreisen könne. Der 30-Jährige habe um Hilfe beim Erstellen des Asylantrags gebeten. Dieser solle »zeitweilig« Sicherheit in Russland gewährleisten, wurde Tatjana Lokschina, stellvertretende Chefin von Human Rights Watch in Russland, zitiert.

Präsident Wladimir Putin hatte Asyl bereits am 1. Juli angeboten, aber von der Bedingung abhängig gemacht, dass der Whistleblower aufhöre, »unseren amerikanischen Partnern« durch neue Enthüllungen »weiter Schaden zuzufügen«. Dies wiederholte der Kreml nun.

Der Beauftragte für Menschenrechte beim Präsidenten, Wladimir Lukin, hatte vor Beginn des Treffens erklärt, er wolle Snowden aus der Sackgasse helfen und hoffe, der »tote Punkt« werde überwunden.

Genri Resnik, Chef der Moskauer Anwaltskammer, hatte an das UN-Flüchtlingswerk und das Internationale Rote Kreuz appelliert, in der Causa Snowden aktiv zu werden. Ein Linienflug nach Lateinamerika, wo mehrere Staaten Snowden Asyl angeboten hatten, sei zu gefährlich. Angesichts des Umgangs mit dem Flug von Boliviens Präsident Evo Morales sah Resnik voraus, Snowden werde sich womöglich doch an Russland mit der Bitte um Asyl wenden müssen.

Rund 200 Journalisten versammelten sich nachmittags im Terminal F, in dessen Transitbereich Snowden Menschenrechtler, Politiker und prominente Anwälte eingeladen hatte. Thema sollten »mögliche weitere Schritte für meine Zukunft« sein. Dies wurde dann hinter Milchglastüren besprochen. Journalisten erklärte der Flughafenbetreiber für »kategorisch unerwünscht«. Die waren auf Stellungnahmen und eben Twittermeldungen der Teilnehmer angewiesen.

Snowden betonte in seiner Einladung, er habe mit seinen Enthüllungen lediglich Gebrauch vom Recht auf Informationsfreiheit gemacht, das die Verfassung der Vereinigten Staaten und die auch von Washington ratifizierte UN-Menschenrechtskonvention garantieren. Seine Verfolgung in den USA sei rechtswidrig.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 13. Juli 2013

Guardian-Journalist: Snowden weiß wie US-Spähprogramme funktionieren

Der Ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowden verfügt über umfangreiche Daten, deren Offenlegung sich der US-Regierung ernsthaft schaden könnte. Das teilte der US-Fernsehsender ABC News am Samstag unter Berufung auf den US-amerikanischen „Guardian“-Journalisten Glenn Greenwald mit.

Greenwald hatte im Juni im dieser britischen Zeitung die ersten Enthüllungen Snowdens zum US-Programm Prism zur Überwachung der Telefon- und Internetkommunikation veröffentlicht.

„Snowden hat ausreichend Informationen, um der US-Regierung in einer Minute mehr Schaden zuzufügen, als irgendjemand es jemals getan hat“, sagte Greenwald in einem Interview mit der argentinischen Zeitung „Nacion“. dem Journalisten zufolge hatte Snowden vor seiner Flucht aus den USA Daten über alle weltweit benutzten Netzwerkspeicher beibehalten.

„Die US-Regierung müsste täglich dafür beten, dass Snowden nichts passiert. Andernfalls würden alle ihm zur Verfügung stehenden Daten veröffentlicht. Für die USA wäre das schlimmer, als ein Alptraum“, so Greenwald. Es gehe unter anderem darum, wie die Software, die den Geheimdiensten Zugriffe auf elektronische personelle Daten ermöglicht habe, funktioniere, so Greenwald.

Die USA betrachten den Geheimdienst-Enthüller als Verbrecher und fordern seine Auslieferung. Snowden hält sich derzeit im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo auf, den er momentan wegen seines außer Kraft gesetzten US-Bürgerpasses nicht verlassen darf.

Snowden hatte die russischen Behörden am Samstag offiziell um politisches Asyl ersucht. Wie der russische Präsident Wladimir Putin früher geäußert hatte, kann Snowden das Bleiberecht in Russland gewährt werden, wenn er den USA nicht Schaden werde.

(Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 14.07.2013; http://de.ria.ru/




Snowden checkt aus

Der Exgeheimdienstler stellt Asylantrag für Rußland. Neue Dokumente aus seinem Fundus besagen: Microsoft ist vor allem ein Schnüffelkonzern

Von Arnold Schölzel ***


Der frühere CIA-Mitarbeiter Edward Snowden hat politisches Asyl in Rußland beantragt. Grund dafür sei, daß er nicht ausreisen könne, zitierte Interfax am Freitag Tanja Lokschina von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Sie hatte an einem Treffen von 13 russischen Juristen, Politikern und Vertretern von Menschenrechtsorganisationen mit Snowden im Moskauer Flughafen Scheremetjewo teilgenommen, wo sich der 30jährige seit dem 23. Juni aufhält. Er will demnach vorübergehend in Rußland bleiben, bat um Hilfe beim Erstellen des Asylantrags und will später nach Lateinamerika ausreisen. Der russische Anwalt Anatoli Kutscherena, ebenfalls Teilnehmer des Treffens, teilte mit, Snowden habe den Antrag auf politisches Asyl in Rußland unterschrieben. Das ist sein zweiter Antrag: Bereits am Montag hatte Venezuelas Präsident Nicolás Maduro bestätigt, daß Snowden in dem süd­amerikanischen Land offiziell um Asyl ersucht habe.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte Snowden am 1. Juli ein Verbleiben in Rußland angeboten – allerdings unter der Bedingung, den USA keinen Schaden zuzufügen. Putins Sprecher Dmitri Peskow erklärte daraufhin am 2. Juli, daß Snowden das Angebot abgelehnt habe. Am Freitag erneuerte Peskow die von Putin erhobene Forderung.

In einer über Facebook am Freitag morgen verbreiteten Einladung zu dem Treffen im im Terminal E des Flughafens um 17 Uhr Ortszeit (15 Uhr MESZ), hatte Snowden zuvor eine »ungesetzliche Kampagne« gegen seine Person durch US-Repräsentanten angeprangert. Ihm solle das Recht auf Asyl nach Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrecht von 1948 verweigert werden. Dort heißt es: »Erstens: Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen. Zweitens: Dieses Recht kann nicht in Anspruch genommen werden im Falle einer Strafverfolgung, die tatsächlich auf Grund von Verbrechen nichtpolitischer Art oder auf Grund von Handlungen erfolgt, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen.« Die erzwungene Landung des Flugzeuges von Boliviens Staatspräsident Evo Morales am 3. Juli in Wien bezeichnete Snowden als »beispiellos« und als Drohung »nicht nur gegen die Würde Lateinamerikas oder gegen meine eigene persönliche Sicherheit, sondern gegen das Grundrecht, an dem jede lebende Person teilhat, frei von Verfolgung zu leben.«

Bereits am Donnerstag abend hatte der britische Guardian neue Dokumente Snowdens veröffentlicht. Danach soll der Softwarekonzern Microsoft unter anderem dafür gesorgt haben, daß die US-Geheimdienste auch verschlüsselte E-Mails lesen können. Außerdem habe Microsoft daran gearbeitet, der US-Bundespolizei FBI den Zugang zu Daten im Online-Speicherdienst SkyDrive zu erleichtern. Der Internet-Telefoniedienst Skype sei Anfang 2011 an »Prism« noch angeschlossen worden, also vor seiner Übernahme durch Microsoft, heißt es weiter. Microsoft hat kürzlich auch in Deutschland eine Werbekampagne inszeniert, die die Vorzüge seiner Produkte beim Datenschutz betonte.

Ebenfalls am Freitag erfuhr der nach Washington geschickte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) von seinen Gesprächspartnern: Die USA wollen der Bundesrepublik in Zukunft besser über ihre Erkenntnisse Auskunft geben. Wahrscheinlich mit Hilfe von Microsoft-Produkten.

*** Aus: junge Welt, Samstag, 13. Juli 2013


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