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Helles Licht in dunkle Ecken

US-Whistleblower zeichnen Edward Snowden in Moskau mit »Sam Adams Award« aus

Von Jürgen Heiser *

Während westliche Medien in den letzten Tagen wieder häufiger die Frage aufwarfen, wo denn Edward Snowden stecke, traf der ehemalige Mitarbeiter der US-Militärgeheimdienstzentrale NSA am Mittwoch in Moskau mit einer Delegation US-amerikanischer Whistleblower zusammen. Anlaß war die Verleihung des »Sam Adams Award« an ihn. Darüber berichtet der Sender Russia Today seit Donnerstag abend ausführlich in seinem englischsprachigen Programm.

Den Preis überreichten Jesselyn ­Radack, ehemals Juristin im US-Justizministerium, zusammen mit der ehemaligen FBI-Agentin Coleen Rowley, dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter Thomas Drake und dem Ex-CIA-Agenten Raymond McGovern. Begleitet wurden sie von der Wikileaks-Aktivistin Sarah Harrison, die Snowden seit seiner Flucht nach Hongkong und später nach Moskau zur Seite stand.

Die vier Whistleblower sind die ersten US-Amerikaner, die Snowden in Moskau besuchten, seit die Russische Föderation ihm im August 2013 ein zunächst auf ein Jahr begrenztes Asyl gewährte. Die US-Regierung hatte ihm seinen Reisepaß entzogen, weshalb Snowden wochenlang auf dem Moskauer Flughafen festsaß. Der Grund dafür, daß ihn seine eigene Regierung für vogelfrei erklärte, sind seine Enthüllungen über die weltweite Überwachungs- und Schnüffelpraxis der NSA, die US-Präsident Barack Obama bei seinen Verbündeten in große Erklärungsnot brachte. Seitdem haben die USA Snowden mit internationalem Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben, und die US-Geheimdienste versuchen, ihn um jeden Preis aufzuspüren. Das Treffen mit seinen Gratulanten fand deshalb aus Sicherheitsgründen an einem unbekannten Ort in der russischen Metropole statt.

Der »Sam-Adams-Preis« wird jährlich von der Organisation »Sam Adams Associates for Integrity in Intelligence« verliehen, einer Gruppe ehemaliger CIA-Mitarbeiter, die damit Whistleblower und ehemalige Geheimagenten auszeichnet, die »mutiges und beharrliches Handeln« im Sinne des Mannes bewiesen haben, der dem Preis den Namen gab. Samual A. Adams (1934–1988) arbeitete während des Vietnamkrieges als Nachrichtenanalyst der CIA. Im damaligen Saigon deckte er eine Verschwörung höchster Offiziere im Hauptquartier der US-Streitkräfte auf und quittierte danach aus Protest seinen Dienst. 1973 trat Adams im Prozeß gegen den Whistleblower Daniel Ellsberg, der wegen der Enthüllung der »Pentagon Papiere« angeklagt war, als Zeuge der Verteidigung auf. Den seit 2002 ausgelobten Preis erhielten nacheinander neben drei der Whistleblower, die ihn nun Edward Snowden überbrachten – Rowley, Drake und Radack –, 2010 auch die Enthüllungsplattform Wiki­leaks und ihr Gründer Julian Assange.

Gegenüber Russia Today erklärte Ray McGovern, der 30jährige Snowden sei »eine außergewöhnliche Person«. Er habe »seinen Frieden gemacht mit dem, was er getan hat«. Snowden habe schon länger von der Auszeichnung gewußt, das Problem sei nur gewesen, »ihn zu überreichen«. Der Preis in Form eines Kerzenleuchters gehe symbolisch »an jemanden, der helles Licht in dunkle Ecken geworfen hat«, so McGovern. Die Ironie sei, »daß die USA die Rechtsstaatlichkeit über Bord geworfen haben«, erklärte Thomas Drake, der vor Jahren selbst geheime NSA-Informationen enthüllt hatte. Die US-Regierung habe »sich von der eigenen Verfassung abgekoppelt«. Wer sich aber von den bestehenden Gesetzen entferne und nach »geheimen Gesetzen und geheimen Auslegungen der Gesetze« handele, »öffnet die Büchse der Pandora«, betonte Drake. Snowden sei nichts anderes übrig geblieben, als aus den USA zu fliehen. Der russischen Regierung müsse man zugute halten, »daß sie das Völkerrecht achtete und ihm politisches Asyl gewährte«.

Jesselyn Radack fügte hinzu, trotz der Tatsache, daß »für Whistleblower in den USA gefährliche Zeiten herrschen«, hätten Snowdens Enthüllungen einen großen Effekt gehabt, weil »Mut ansteckend ist«. Das »Government Accountability Project« (www.whistleblower.org), für das sie arbeite, verzeichne »einen größeren Zulauf von Whistleblowern als je zuvor«. Snowden bereue nichts und sei bereit, »sich mit allem auseinanderzusetzen, was die Zukunft ihm bringt«, ergänzte McGovern. »Edward Snowden sei »überzeugt, daß er richtig gehandelt hat«.

* Aus: junge Welt, Samstag, 12. Oktober 2013


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