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"Vermutlich hat Obama den Friedensnobelpreis vor allem deshalb erhalten, weil er eben nicht Bush ist"

Lob von Fidel Castro - Ansonsten viel Kritik und Unverständnis. Artikel und jede Menge Pressekommentare

Die Verleihung des Friedensnobelpreises 2009 an den US-Präsidenten Barack Obama hat weltweit große Diskussionen ausgelöst. Die folgende Presseschau gibt einen ersten Einblick in die Vielfalt der dabei vertretenen Meinungen.
Wir beginnen aber die Seite mit drei Artikeln zur Sache.



Hoffnungszeichen oder "kolossaler Fehlgriff"?

Zwiespältiges Echo auf Verleihung des Friedensnobelpreises an USA-Präsident Barack Obama

Von Olaf Standke *

Wer wurde im Vorfeld nicht alles genannt. Auch Rockstar Bono und Altkanzler Helmut Kohl. Die Kandidatenliste für den diesjährigen Friedensnobelpreis war mit 205 Namen so lang wie nie zuvor und dabei bunt bis bizarr. Vorschläge einreichen können bis jeweils 1. Februar eines Jahres Nobelpreisträger, Parlamentsabgeordnete sowie Universitätseinrichtungen. »Die namhaften Staats- und Regierungschefs werden eigentlich immer nominiert«, weiß Geir Lundestad, der Chef des Nobelinstituts, zu berichten.

Dass das fünfköpfige Komitee – während andere Preise in Stockholm vergeben werden, wird die Auszeichnung für Frieden in Oslo verliehen – mit USA-Präsident Barack Obama aber einen erwählte, der kaum neun Monate im Amt ist, ließ Medien gestern von einer »Sensation« sprechen. Der TV-Sender CNN wollte sogar wissen, dass Obama »nicht einmal auf der Favoritenliste stand«. Der Nobelpreis sei wohl die »Anerkennung für seine Versprechen«. In der Realität wächst selbst in den Reihen der Demokraten die Kritik an »Obamas Krieg« in Afghanistan, der mit massiven Truppenaufstockungen ein »zweites Vietnam« werden könnte. Menschenrechtler in den USA sind zunehmend enttäuscht wegen der stockenden Abwicklung des berüchtigten Gefangenenlagers Guantanamo und der Weigerung Obamas, Menschenrechtsverletzungen der Bush-Ära juristisch aufzuarbeiten

Dieser Nobelpreis gilt als die bedeutendste internationale Auszeichnung im Bemühen um eine friedlichere Welt. Sein Gründer Alfred Nobel, der schwedische Erfinder des Dynamits, hatte in seinem Testament das Storting, das norwegische Parlament, beauftragt, jährlich bis zu drei Menschen oder Organisationen für ihre Verdienste um die Menschheit auszuzeichnen. Die Preisträger sollen »den besten oder größten Einsatz für Brüderlichkeit zwischen Staaten, für die Abschaffung oder Abrüstung von stehenden Heeren sowie für die Organisation und Förderung von Friedenskonferenzen« gezeigt haben. Seit 1960 wird auch der Einsatz für Menschenrechte, seit 2004 zudem der für Umwelt geehrt.

Obama erhalte die Auszeichnung »für seine außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken«, so der neue Vorsitzende des Osloer Nobelkomitees, Thorbjörn Jagland. Das Gremium habe »besonderes Gewicht auf seine Vision und seinen Einsatz für eine Welt ohne Atomwaffen gelegt«, heißt es in der Begründung. Multilaterale Diplomatie stehe wieder im Mittelpunkt, wobei die Vereinten Nationen eine besondere Rolle spielten. Für Obama seien Dialog und Verhandlungen die bevorzugten Mittel, um schwierigste internationale Konflikte zu lösen. Dank seiner Initiativen spielten die USA jetzt auch »eine konstruktivere Rolle zur Bewältigung der enormen Klima-Herausforderungen«.

Der einstige Ministerpräsident Norwegens, inzwischen Generalsekretär des Europarats, musste die Entscheidung des Komitees gestern verteidigen. Auf die Frage, ob sie nicht »gewagt« und »populistisch« sei, sagte Jagland: »Alles, was in der Welt seit Obamas Amtsantritt geschehen ist, und wie das internationale Klima sich geändert hat, ist mehr als genug, um zu sagen, dass er das erfüllt, was in Alfred Nobels Testament steht.« Wenn man die Geschichte des Nobelpreises anschaue, dann sei häufig versucht worden, neue friedenspolitische Ansätze »zu stärken und zu fördern« – etwa bei Willy Brandt 1971. Er »hatte seine Ostpolitik in Europa gestartet, die so wichtig war für das, was dann viele Jahre später geschehen ist. Oder die Vergabe 1990 an Michail Gorbatschow, der die Welt komplett verändert hat.«

Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela hat die Vergabe an Obama in diesem Sinne begrüßt: »Wir hoffen, dass dieser Preis sein Engagement stärken wird, als Staatschef der mächtigsten Nation der Erde weiter den Frieden und die Ausmerzung der Armut zu propagieren.« Auch die kenianische Preisträgerin Wangari Maathai betonte: »Obama ist eine Inspiration.« Bei seinen Amtskollegen waren Glückwünsche ohnehin Pflicht.

Andere zeigten sich da deutlich zurückhaltender. Der Friedensforscher Andreas Heinemann-Grüder vom International Center for Conversion hält die Verleihung des Nobelpreises an Obama für verfrüht, das seien Vorschusslorbeeren. In den Konflikten mit Iran und Nordkorea, bei den Krisenherden Afghanistan und Naher Osten könne er noch keine konkreten Erfolge aufweisen. Die Palästinenserführung forderte denn auch von Obama zusätzliche Anstrengungen für einen Nahost-Frieden.

Die deutsche Friedensbewegung nennt die Osloer Entscheidung sogar einen »kolossalen Fehlgriff«. Obamas Reden in Prag (Atomwaffenfreiheit) und Kairo (Dialogbereitschaft mit der islamischen Welt) seien zwar wohl klingende Versprechungen. Doch passe vieles nicht ins »das strahlende Bild eines globalen Friedensbringers«, wenn man etwa an die kriegsausweitende Truppenverstärkung in Afghanistan, den höchsten Militäretat in der USA-Geschichte oder das Modernisierungsprogramm für Washingtons Atomwaffen denke, für die Obama verantwortlich sei. Der Präsident zeigte sich gestern »überrascht und zutiefst demütig«. Er betrachte den Preis nicht als Bestätigung für Erreichtes, sondern als Herausforderung.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Oktober 2009

Fidel Castro lobt Friedensnobelpreis für Obama

Der kubanische Revolutionsführer Fidel Castro hat die Anerkennung des Friedensnobelpreises an US-Präsident Barack Obama als eine "positive Maßnahme" bezeichnet. Das berichten kubanische Medien am Samstag (10. Okt.).

Diese Auszeichnung "gleicht die Niederlage Obamas in Kopenhagen aus, als Rio de Janeiro und nicht Chicago zum Ausrichtungsort für die Olympischen Spiele 2016 gewählt worden war, wofür ihn seine Gegner unter radikalen Rechten angegriffen haben", zitieren die kubanischen Medien Worte des Comandante aus seiner regelmäßig erscheinenden Kolumne.

"Viele denken, dass er zu Unrecht diesen Preis bekommen hat. Wir wollen in diesem Beschluss mehr als eine Auszeichnung für den US-Präsidenten sehen: Wir sehen darin die Kritik an der Politik des Völkermordes, die viele Präsidenten dieses Landes konsequent verfolgt hatten, was die Welt an die heutige Kreuzung geführt hat; wir sehen darin eine Anleitung an die Welt und die Suche nach Lösungen, die zum Überleben der Menschengattung führen", schreibt Fidel Castro.

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an den US-Präsidenten Obama löste widersprüchliche Reaktionen in Südamerika aus: einige Staatschefs gratulierten Obama, während Vertreter der Regierungen von Kuba und Venezuela keinen Anlass sehen, ihn für etwas auszuzeichnen.

Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 10. Oktober 2009; http://de.rian.ru

Hier geht es zu Castros Stellungnahme im Wortlaut!.


Bombige Entscheidung

Von Rüdiger Göbel **

US-Präsident Barack Obama erhält den diesjährigen Friedensnobelpreis. Dies wurde am Freitag bekannt, kurz nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für dessen Krieg in Afghanistan mobil gemacht hatte. Die 15 Mitglieder des exklusiven UN-Gremiums forderten in New York am Donnerstag (Ortszeit) mit Resolution 1890 eine weitere Aufstockung der bisher schon am Hindukusch stationierten 100000 ausländischen Soldaten. Sämtliche Mitgliedsstaaten werden aufgerufen, »Personal, Aufrüstung und andere Ressourcen« beizusteuern. Ob und wie viele weitere US-Truppen nach Afghanistan verlegt werden und wie die militärische Strategie in der Zukunft aussieht, sollte am Freitag Thema eines Kriegsratschlages im Weißen Haus sein. Der US-Oberbefehlshaber in Afghanistan, General Stanley McChrystal, fordert die Entsendung von 40000 zusätzlichen Soldaten.

Gut zwölf Stunden nach dieser Art Generalmobilmachung teilte das Nobelkomitee in Oslo mit, Barack ­Obama werde für seine »außergewöhnlichen Bemühungen« ausgezeichnet, »die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken«. Der US-Präsident erhalte den Preis gerade auch wegen seines Einsatzes für eine atomwaffenfreie Welt. Der Ausgezeichnete reagierte in Washington dem Vernehmen nach mit »mit Demut« auf die überraschende Ehrung.

Glückwünsche gab’s von den den Afghanistan-Krieg mitführenden ­NATO-Partnern. Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy war überzeugt, daß der Preis Ansporn für alle in der Welt sei, »mit Ihnen und Amerika zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen«. Pathetisch endend meinte der Franzose: Letztlich sei der Friedensnobelpreis auch ein Symbol »für die Rückkehr Amerikas ins Herz aller Völker der Welt«.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, Obamas »Eintreten für eine atomwaffenfreie Welt ist ein Ziel, für das wir uns alle einsetzen sollten«. Die CDU-Politikerin räumte damit auch gleich ein, was sie bisher noch nicht tut. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle, der gerne nächster Bundesaußenminister werden möchte, nannte die Auszeichnung »eine Rückenstärkung für eine Politik, die auf Kooperation statt Konfrontation und auf Abrüstung statt Aufrüstung setzt«.

Der Bundesausschuß Friedensratschlag kritisiert dagegen den »kolossalen Fehlgriff«. Vorerst blieben die Reden des US-Präsidenten zur Atomwaffenfreiheit in Prag und zur Dialogbereitschaft mit der islamischen Welt in Kairo »wohlklingende Versprechungen«. Dem stünden das Modernisierungsprogramm für US-Atomwaffen und die Entwicklung neuartiger bunkerbrechender Waffen gegenüber. Zudem habe Obama dem Kongreß den höchsten Militäretat in der US-Geschichte vorgelegt und eine Verstärkung der eigenen Truppen in Afghanistan eingeleitet, womit der dortige Krieg ausgeweitet werde, aber nicht zu beenden sei.

Auch am Hindukusch herrschte Unverständnis ob der Entscheidung in Europa. Obama habe »in Afghanistan keinen einzigen Schritt in Richtung Frieden« unternommen sagte ein Taliban-Sprecher der Agentur AFP. Der US-Präsident habe den Krieg in Afghanistan verschärft, indem er zusätzliche Soldaten in das Land geschickt habe, sagte ein anderer gegenüber AP. Obama habe »das Blut afghanischer Menschen an seinen Händen«. Und: »Warum geben sie Obama diesen Preis, der mehr Soldaten nach Afghanistan geschickt hat, der bombardiert und unschuldige Menschen tötet?«

** Aus: junge Welt, 10. Oktober 2009


Friedensforscher: "Obama widerspricht Alfred Nobel"

US-Rüstungspolitik nicht mit Grundsatz des Friedenspreises vereinbar

Von Johannes Pernsteiner ***


Die Zuerkennung des Friedensnobelpreises 2009 an den amtierenden US-Präsidenten Barack Obama stößt bei Friedenswissenschaftlern auf harte Kritik. "Obama legte dem Kongress den höchsten Militäretat vor, den es jemals in den USA gab und verzeichnet den Krieg in Afghanistan weiterhin ganz oben auf seiner Agenda. Das wäre schon Grund genug, ihn für eine solche Auszeichnung auszuschließen", urteilt Peter Strutynski, Friedensforscher an der Universität Kassel http://www. und Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag.

Im Testament Alfred Nobels findet sich die Verpflichtung, dass der Preis stets an die Person ergehen soll, die sich am meisten für die "Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere" eingesetzt hat. "Das bedeutet im heutigen Sinn die Verpflichtung zur Abrüstung", so der Experte im pressetext-Interview.

Die Entscheidung des Komitees irritiert den Friedensforscher gleich in mehrerer Hinsicht. "Man zeichnet einen Mann an der Spitze einer Weltmacht aus, die die Führung der Welt für sich beansprucht. Das ist ein falsches Signal." Der Vorschuss an Vertrauen, den diese höchste mögliche Auszeichnung in friedenspolitischen Belangen darstelle, tue dem Präsidenten keinen Gefallen. "Das bedeutet einen ungeheuren Druck schon am Anfang seiner politischen Karriere", so Strutynski. Nehme Obama den Auftrag ernst und setze ihn seiner verbleibenden Amtszeit auch um, wäre die Preisvergabe sinnvoll gewesen. "Doch wo kommt man hin, wenn man alle Politiker zu Beginn ihrer Amtszeit den Friedensnobelpreis verleiht, damit sie auch Friedenspolitik betreiben?" So oft könne der Nobelpreis nicht vergeben werden, gibt Strutynski zu bedenken.

Zudem sei ein Politiker ausgezeichnet worden, der aufgrund seiner kurzen Amtszeit noch gar nicht in der Lage war, viel zu bewegen. "Zugute halten muss man Obama, dass er die Schließung von Guantanamo angekündigt hat. Obwohl diese Schließung länger dauern wird als er zunächst annahm, war die Absicht in Ordnung und konkrete Schritte wurden eingeleitet." Kritischer sieht der Friedensexperte hingegen Obamas Ankündigung, kein Raketenabwehr-System auf tschechischem und polnischem Boden zu errichten. "Der US-Präsident hat sehr deutlich ausgedrückt, dass diese Planänderung aufgrund billigeren und schneller zu implementierenden Alternativen geschah. Die USA wird ab 2011 nun dieselbe militärische Komponente im Mittelmeer betreiben, wodurch der Rüstungsschritt im Grunde derselbe bleibt." Auch die Ankündigung einer atomwaffenfreien Welt sei mit der Bemerkung geschehen, dass die USA langfristig nicht auf Atomwaffen verzichten könne. Außerdem habe Obama die derzeit laufenden Programme der Modernisierung und Minituarisierung der US-Atomsprengköpfe nicht gestoppt.

Das norwegische Nobelpreiskomitee begründet seine Entscheidung neben Obamas Bemühungen für eine atomwaffenfreie Welt mit dem kooperativen Stil, den er in die internationale Politik gebracht habe. Dagegen sei nichts einzuwenden, so Strutynski. "Zum politischen Auftreten Obamas gehört die demonstrierte Offenheit in Gesprächen, die Bereitschaft zu Kooperation, der Multilateralismus und das diplomatische Geschick in den Reden, welches zumindest sein eigener Anspruch ist." Indirekt sei dies eine Abfuhr für die Politik von Obamas Vorgänger im Amt, Ex-Präsident George W. Bush. "Allerdings geschah diese Abstrafung bereits durch die Nobelpreisvergabe 2007 an den Klimaschützer Al Gore." Auch die Auszeichnung von IAEA-Chef ElBaradei 2005 für seine diplomatischen Bemühungen gegenüber Staaten wie Iran oder Nordkorea seien so zu werten gewesen.

Es sei abzuwarten, wie die Vielzahl der Länder, die mit den USA in einem gespannten Verhältnis stehen, darauf reagieren würden. "Die USA ist noch immer in kriegerische Konflikte etwa in Afghanistan und Somalia verwickelt. Auch wenn die Politiker der islamischen Welt diplomatische Höflichkeit zeigen und in ihrer Reaktion auf die Rede in Kairo verweisen werden, wird die US-Politik vom Nahen Osten bis weit nach Zentralasien durchaus kritisch gesehen", so Strutynski. Ähnliches treffe auf lateinamerikanische Staaten wie Kuba und Kolumbien zu, wobei die USA im letzteren Fall die Politik ihrer militärischen Unterstützung seit Obama nicht verändert habe.

*** pressetext.deutschland, 9. Oktober 2009; www.pressetext.at/


Presseschau ****

Die Kommentatoren beschäftigen sich mit der Vergabe des Friedensnobelpreises an US-Präsident Barack Obama.
Dazu schreibt die russische Zeitung KOMMERSANT:

"Diese Auszeichnung ist ein Vertrauensvorschuss für den neuen Chef im Weißen Haus. In den ersten Monaten hat er nichts zu Ende geführt, sondern der internationalen Gemeinschaft nur die Hoffnung gegeben, dass seine Führung hilft, die Welt sicherer und gerechter zu machen. Es ist zu befürchten, dass der Friedensnobelpreis Barack Obama einen Bärendienst erweist - das dürfte seine Popularität im eigenen Land kaum erhöhen", vermutet KOMMERSANT aus Moskau.

Der britische INDEPENDENT ergänzt:
"Die Auszeichnung mag ihm innenpolitisch angesichts der rechtslastigen Kritiker das Leben erschweren, doch für den Rest der Welt ist der Präsident eine Quelle der Inspiration. In jüngster Zeit hat selten ein einzelner Mensch der internationalen Gemeinschaft soviel Grund für Hoffnung gegeben, dass eine bessere Welt noch möglich ist", lobt der INDEPENDENT aus London die Entscheidung.

Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO dagegen meint:
"Niemand bestreitet, dass eine atomwaffenfreie Welt mittels Abrüstung eine hehre Vorstellung ist. Aber Barack Obama hat selbst gesagt, dass er eine Verwirklichung dieses Ziels in seinem Leben wohl nicht erleben werde, von anderen skeptischen Stimmen ganz zu schweigen. Jemandem den Preis zu verleihen, der sich selbst nicht sicher ist, ob er die verkündeten Vorhaben in die Tat umsetzen kann, das hat es in der Geschichte der Nobelpreise nur recht selten gegeben", gibt HUANQIU SHIBAO aus Peking zu bedenken.

"Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama ist verwegen", meint die BASLER ZEITUNG aus der Schweiz.
"Der US-Präsident wird ausgezeichnet, obwohl er sich bisher fast nur mit friedenspolitischen Absichtserklärungen profiliert hat, mit der hoffnungsvollen Vision einer gerechteren, solidarischeren und weniger waffenstarrenden Welt. Den Tatbeweis seines Durchsetzungsvermögens hat Obama bisher nicht erbracht."

Auch die britische TIMES kritisiert die Entscheidung:
"Mit der Vergabe des weltweit angesehensten politischen Preises an Barack Obama, einen Mann, der gerade mal neun Monate das Amt des US-Präsidenten innehat, gerät das Nobelpreis-Komitee in Gefahr, die gesamte Comedy-Branche aus dem Geschäft zu drängen. Das Komitee hat Hoffnungen über Ergebnisse gestellt, Versprechungen über Leistungen. Diese Auszeichnung unterminiert die Errungenschaften der bisherigen Friedensnobelpreisträger", befürchtet die TIMES aus London.

"Sicher hat es keine unwesentliche Rolle gespielt, wer der Vorgänger von Obama war", heißt es in der schwedischen Zeitung UPSALA NYA TIDNING.
"Vermutlich hat Obama den Friedensnobelpreis vor allem deshalb erhalten, weil er eben nicht Bush ist. Dieser war der kriegerischste und am wenigsten kooperative Präsident der modernen Zeit mit einer Angriffs-Doktrin auf unilateraler Grundlage. Die Frage ist, ob das Nobelkomitee damit sein Ziel erreicht, der Friedensarbeit neuen Schwung zu verleihen. Das norwegische Nobelkomitee hat der Welt keinen guten Dienst erwiesen, indem es seinem 'Messias' den diesjährigen Preis zugesprochen hat."

Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN hat dazu eine andere Meinung:
"Präsident Obama ist ein würdiger Träger des Friedensnobelpreises. Die Vergabe an ihn ist aber auch eine der gewagtesten in der Geschichte dieser Auszeichnung. Das Nobelkomitee geht mit seiner Entscheidung ein erhebliches Risiko ein und wird dafür Kritik ernten. Aber es ist anzuerkennen, dass es unter seinem neuen Chef Thorbjörn Jagland den Mut hat, sich nicht mit dem Sicheren und Unangreifbaren zu begnügen. Obama hat das Potenzial, die internationale Politik für eine komplette kommende Generation zu ändern", verteidigt AFTENPOSTEN aus Oslo die Entscheidung.

Die GULF TIMES aus Katar wundert sich über die Eile:
"Die Tatsache, dass Obama so schnell - bereits zur Zeit seiner Präsidentschaft - zu dieser Ehre kommt, ist eine große Überraschung. Einige Beobachter waren von der unerwarteten Wahl geschockt. Denn die Frist für die Nominierung endete am 1. Februar, gerade mal zwei Wochen nach seinem Amtsantritt", ist in der GULF TIMES zu lesen.

Die österreichische Zeitung DIE PRESSE sieht das so:
"Die Vergabe des Friedensnobelpreises an den amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten dokumentiert eine spezifische, global verbreitete Form des Antiamerikanismus. Man verachtet nicht mehr die US-Regierung, sondern äußert Sorge um die amerikanische Gesellschaft und die Hoffnung, dass sie - mit Obama - europäisiert werden kann."

Die WASHINGTON POST fügt hinzu:
"Der wahre Grund für seine Auszeichnung ist der: Obama hat Amerika wieder näher an die Welt gerückt. Die Entscheidung des Nobel-Komitees ist ein kollektiver Seufzer der Erleichterung darüber, dass die USA auf der internationalen Bühne den globalen Konsens suchen. Das ist richtig und eine gute Sache. Es ist nur ein bisschen eigenartig, dass Obama dafür den Friedensnobelpreis erhielt", unterstreicht die WASHINGTON POST.

Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA versucht es mit Humor:
"Wenn Barack Obama den Friedensnobelpreis erhält, sollte man es als Versehen betrachten, dass seine Frau Michelle nicht zur diesjährigen Miss Universe gewählt wurde. Es fällt schwer, ein Ereignis, das auf den ersten Blick wie ein Scherz daherkommt, mit dem nötigen Ernst zu kommentieren. Die Wahl Obamas sorgt einzig und allein für Lachsalven. Die Jury-Mitglieder in Oslo verhielten sich wie Winterschläfer, die plötzlich aufwachen und den Eindruck haben, die weltweite Begeisterung für Obama sei gerade auf dem Höhepunkt und müsse entsprechend honoriert werden", bemerkt RZECZPOSPOLITA aus Warschau.

"Die Weltöffentlichkeit hat sich in zwei Lager gespalten", schreibt die türkische Zeitung HÜRRIYET.
"Rational gesehen, ist dieser Preis wirklich umstritten. Wenn man sich Obamas Amtszeit bis heute anschaut, kann von einem Erfolg keine Rede sein. Weder im Irak noch in Afghanistan. Auch nicht im Nahen Osten. Nicht einmal kann er in Guantanamo einen Erfolg vorweisen. Das Nobelkomitee hat den Preis nicht für den Frieden, sondern für die Hoffnung gegeben. Genau wie im Falle Gorbatschows 1990, weil dieser den Kalten Krieg beendete."

Die spanische Zeitung ABC nennt einen anderen Kandidaten für den Friedensnobelpreis:
"Wenn es darum gegangen wäre, konkrete Ergebnisse auszuzeichnen, wäre Reagan der bessere Kandidat gewesen: Er brachte 1982 Verhandlungen auf den Weg, die zum START-1-Abkommen führten. Das Nobelkomitee ist von Ideologien beherrscht und übersieht dabei bereits bestehende Verdienste", moniert ABC aus Madrid.

Die französische Zeitung LIBERATION fragt sich, welche Folgen Obamas Auszeichnung für die Realpolitik hat:
"Wird ein Friedensnobelpreisträger die Bombardierung des Iran beschließen können? Ist ein Friedensnobelpreisträger nicht verpflichtet, nur gerechte Kriege zu führen? Man hofft, dass auch seine verstocktesten Gesprächspartner zweimal darüber nachdenken, bevor sie Obamas Kompromissvorschläge ablehnen. Dies gilt für den iranischen Präsidenten, aber auch für den israelischen Regierungschef, der sich bislang weigert, über den Siedlungsbau zu verhandeln", hofft LIBERATION aus Paris.

**** Alle Presseausschnitte in diesem Kasten aus: Deutschlandfunk, Presseschau vom 10. Oktober 2009; www.dradio.de



Weitere Kommentare

Zu viel Vorschuss für Obama

Auszug aus dem Kommentar von Eric Frey im österreichischen "Standard"

(...) Dass Obama in diesen acht Monaten von seinen hochtrabenden Plänen nur wenig umsetzen konnte, spräche noch nicht gegen die Nobelpreis-Entscheidung. Auch Martti Ahtisaari wurde 2008 mehr für seine Bemühungen im Kosovo als für seine Erfolge geehrt.

Aber der Finne war zu diesem Zeitpunkt Vermittler, und Obama ist Oberkommandierender der weltgrößten Militärmacht, die unter seiner Führung in zwei blutige Kriege verstrickt ist und gegenüber anderen Staaten Militärschläge nicht ausschließt. Das passt nicht gut zu einem Friedenspreis.

Der Präsident einer Supermacht kann nicht nach der Attraktivität seiner Ideen beurteilt werden, sondern nach den Ergebnissen seiner Politik. Und diese stehen bei Obama in allen für das Nobelpreiskomitee bedeutsamen Bereichen - von der Abrüstung bis zum Nahostfrieden - noch in den Sternen.

Deshalb kommt der Nobelpreis für Barack Obama auf jeden Fall zu früh. Ein erster Abrüstungsvertrag mit Russland, ein greifbarer Fortschritt bei einem neuen Klimabkommens oder eine Mini-Einigung zwischen Israel und den Palästinensern hätte den Kritikern, die Obama schöne Worte ohne Substanz vorwerfen, etwas Wind aus den Segeln genommen.

Der Preis kommt außerdem für den Ausgezeichneten höchst ungelegen. Die zusätzliche Aufmerksamkeit einer Rede in Oslo hat ein US-Präsident nicht notwendig. Der Preis beflügelt dafür jene unrealistischen Heilserwartungen, die Obama seit dem Wahlkampf begleiten und seine politische Bilanz nun schlechter aussehen lassen, als sie es in Wirklichkeit ist. (...)

Diese Folgen hätte das Komitee, das oft schon tagespolitisch entschieden hatte, bedenken können. Oft schon wurde in der Vergangenheit der Zweck des Friedensnobelpreises infrage gestellt. So sehr die diesjährige Wahl für Schlagzeilen sorgt, so wenig hilft sie, solche Zweifel auszuräumen.

DER STANDARD, Printausgabe, 10.10.2009 (Auszug)


Schon für Fleiß den Preis?

Von Roland Etzel

Es ist, als wäre der Kampfrichter dem Speerwerfer bei dessen Anlauf zum großen Wurf in den Arm gefallen – um ihm den Siegerkranz überzuhelfen. Nun hat er ihn, allein für Fleiß und gute Absichten. So wie Barack Obama seit gestern den Friedensnobelpreis. Dem erlauchten Osloer Komitee ist schon manch Fragwürdiges gelungen – zum Beispiel mit Kissinger (USA) und Le Duc Tho (Vietnam) Aggressor und Opfer gleichzeitig mit dem Friedenspreis zu würdigen; zu einem Zeitpunkt, als noch Krieg herrschte.

Nun haben die Osloer ihrem besten Stück wieder ein wenig von seinem Wert genommen. Ohne Not. Denn es ist nicht zu sehen, dass sie unter irgend einem Druck standen, sich so zu entscheiden. Dass der Chor der Schmeichler wohl nie so groß war und von Ban Ki Moon bis Franz Müntefering reicht, bestätigt die Bedenken eher, als dass sie sie zerstreut.

Was steht tatsächlich nach dem Dreivierteljahr Präsidentschaft auf der Habenseite? Obama will – im besseren Wortsinne – mehr Verantwortung für die Welt und in ihr übernehmen. Das ist wichtig, war aber nicht sonderlich schwer nach so einem Vorgänger. Obama hat bei Amtsantritt gleichsam die Welt zu sich eingeladen und ein großartiges Menu angekündigt. Seitdem allerdings hat er schon drei Highlights von der Karte gestrichen: Der Krieg in Afghanistan wird auch unter Obama ausgeweitet statt beendet; von dem Versprechen, die Nahostverhandlungen zu forcieren, hat sich der Präsident so gut wie verabschiedet; und auch Guantanamo wird nicht im Januar geschlossen. Die Möglichkeit, sich Friedens- und andere Preise zu verdienen, hat Obama aber noch immer.

Aus: Neues Deutschland, 10. Oktober 2009


Trostpreis

Unerwartete Ehrung für Obama

Von Werner Pirker


Die Verleihung des Friedensnobelpreises an US-Präsident Barack Obama ist eine von vielen Fehlentscheidungen in der Geschichte dieser Auszeichnung. Es gab ja auch schon Preisträger, die das Osloer Komitee allein deshalb zu beeindrucken wußten, weil sie als notorische Kriegstreiber völlig unerwartet auch einmal das Wort »Frieden« in den Mund genommen hatten. Als Geheimtip für das kommende Jahr sollte daher jetzt schon Israels Premier Netanjahu in Betracht gezogen werden.

Barack Obama ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger kein Mann kriegerischer Worte. Er ist bisher nicht mit einer Doktrin vorstellig geworden, in der den USA die Rolle einer permanent Präventivkriege führenden Macht zugedacht ist. Auch der gewaltsame Demokratieexport steht nicht auf seiner Agenda. Davon abgesehen hat sich Obama in seiner bisherigen Amtszeit noch mit keiner Friedensinitiative hervorgetan, die eines Preises würdig gewesen wäre. Doch heutzutage reicht es offenbar schon, allzu lautes Säbelrasseln zu vermeiden und den »Schurken« unter den Staaten nicht mit einer Zwangsbekehrung zu den westlichen Werten zu drohen, um als großer Friedensstifter zu gelten. Sofern man den westlichen Werten anhängt und erst recht, wenn einem der medialen Mainstream zum globalen Hoffnungsträger ernannt hat.

Immerhin betreibt die Obama-Administration »verbale Abrüstung«. Sie hat den »war on terror« aus dem Wortschatz der US-Politik getilgt. Was freilich keineswegs bedeutet, daß sie ihn beendet hat. Auch der Begriff »nation building« wird von Obama und den Seinen nicht mehr in den Mund genommen. Die in Afghanistan angewandte Strategie der »vernetzten Sicherheit« entspricht im Wesen aber genau den Vorstellungen der Erbauer von Staaten, nachdem sie diese in ihrer souveränen Existenz ausgelöscht hatten. Der frisch gekürte Friedensnobelpreisträger ist im Irak nicht aus dem Schatten seines Vorgängers herausgetreten. Und in Afghanistan will er den Krieg mittels einer Truppenaufstockung sogar intensivieren. Seine Bemühungen, im Nahen Osten einen Friedensprozeß, das heißt einen Prozeß zur Befriedung des Palästinenserproblems, in Gang zu setzen, waren bisher eine einzige Lachnummer. Von seinem potentiellen Nachfolger als Friedensnobelpreisträger öffentlich vorgeführt, vermochte Obama die israelische Friedensblockade an keinem Punkt aufzubrechen.

Dem neuen US-Präsidenten positiv anzurechnen ist sein Verzicht auf die Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Tschechien und Polen. Doch geschah auch dies weniger aus Friedensliebe als aus nüchternem strategischen Kalkül. Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt ist eine, der auch die sowjetischen Führer – und dies um einiges glaubwürdiger – anhingen. Keiner von ihnen kam auch nur auf die Kandidatenliste für den Nobelpreis. Bleibt die Frage, warum dem glücklosen Obama diese Ehre zuteil wurde? Eben deshalb. Es ist der Trostpreis für vergebliche Mühen.

Aus: junge Welt, 10. Oktober 2009


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