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Friedenspreis für Gerry Adams

Gernika (Guernica) ehrt den Sinn-Féin-Vorsitzenden für seinen Beitrag zur Konfliktlösung in Nordirland

Von Ingo Niebel *

Ihren Besuchern präsentiert sich Gernika (span.: Guernica) seit gut zwei Jahrzehnten als die »Stadt der Kultur und des Friedens«. So steht es auf den Willkommensschildern an den Ortseingängen. Als die »Le­gion Condor«, Hitlers Hilfstruppe für den Putschistengeneral Francisco Franco, die Stadt am 26. April 1937 in einem mehrstündigen Bombardement in Schutt und Asche legte, griff sie damit nicht nur die wehrlose Zivilbevölkerung an, sondern auch das Symbol der baskischen Autonomie gegenüber Spanien. Jahrhundertelang mußten die spanischen Könige unter der Heiligen Eiche von Gernika schwören, daß sie die Sonderrechte des Baskenlandes achten würden, bevor sie sich der Gefolgschaft seiner Bewohner sicher sein konnten. Aus Gründen der political correctness verzichtete die christdemokratische Baskische Nationalpartei (PNV-EAJ) darauf, den Freiheitsaspekt auf den Schildern zu erwähnen, als ihr Bürgermeister diese Ende der 1980er Jahre aufstellen ließ.

Die Zeiten, als die PNV die Stadt zu ihren Hochburgen zählen konnte, sind seit 2007 vorbei. Vor vier Jahren übernahm eine Koalition aus ihrer Abspaltung Eusko Alkartasuna (EA, Baskische Solidarität) und der mittlerweile verbotenen antifaschistischen Traditionspartei Patriotische Baskische Aktion (ANV-EAE) das Bürgermeisteramt. Daß die neuen Stadtoberen Gernika wieder als das Symbol der baskischen Freiheit sehen, die durch eine Verhandlungslösung erreicht werden soll, haben sie anläßlich des 74. Jahrestages der Zerstörung erneut unterstrichen. Der Rat beschloß den diesjährigen Friedenspreis, den seinerzeit auch die Grünen-Politikerin Petra Kelly posthum erhielt, an den Sinn-Féin-Vorsitzenden Gerry Adams zu verleihen. Der Ire erhielt ihn am Dienstag für seine Arbeit, die mit zu einer friedlichen Lösung des nordirischen Konflikts beitrug. Dieser gilt im Baskenland als Orientierungshilfe, um den politischen Weg aus dem bewaffneten Kampf mit Madrid und Paris zu finden.

Kurz zuvor, am Ostersonntag (24. April), hatten sich mehrere tausend Verfechter der baskischen Unabhängigkeit in Gernika getroffen, um den traditionellen Aberri Eguna (Tag der baskischen Heimat) zu begehen. Ihr Netzwerk »Independentistak« verknüpfte den Event mit einer Parallelveranstaltung in Baigorri auf französischem Gebiet, um so die territoriale Einheit des Baskenlandes zu unterstreichen.

Die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) äußerte sich in den letzten vier Tagen gleich zweimal zur politischen Lage. Dabei betonte sie, daß sie trotz einer Schießerei mit französischen Gendarmen an ihrem Waffenstillstand und am geplanten Verhandlungsprozeß festhält – wie auch an ihrem Fernziel, einen baskischen Staat zu errichten.

Das will die postfranquistische Volkspartei (PP) mit allen Mitteln verhindern und setzt gerade die sozialdemokratische Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero gehörig unter Druck. Entweder Madrid verbiete alle Wählerlisten der linken Parteienkoalition Bildu, oder sie werde den Pakt beenden, der eine PSOE-Minderheitsregierung in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft ermöglicht. Wenn Zapatero und die Justiz sich den PP-Forderungen beugen, könnte das bedeuten, daß der nächste Bürgermeister von Gernika dem Friedenspreis 2012 eine ganz andere Bedeutung gibt.

* Aus: junge Welt, 27. April 2011


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