Der Verfassungsentwurf der Europäischen Union
Präambel, Teil I (Ziele und Werte der EU) und Teil 2 (Charta der Grundrechte) im Wortlaut
Der vom Präsidenten des Europäischen Konvents, Valéry Giscard d'Estaing, dem Europäischem Rat der Staats- und Regierungschefs am 20. Juni 2003 im griechischen Thessaloniki übergebene Entwurf einer Europäischen Verfassung besteht aus vier Teilen.
Die zentralen Neuerungen sind im Teil I enthalten, deren Kernelemente nachstehend beschrieben sind. Teil II enthält die bereits früher verabschiedete "Charta der Grundrechte". (Beide Teile sind auf unserer Seite im vollen Wortlaut dokumentiert.) Die Teile III und IV übernehmen die bisherigen Regelungen von EG- und EU-Vertrag über die Arbeitsweise der Union bzw. enthalten Allgemeine und Schlussbestimmungen.
Die vollständige Fassung des Verfassungsentwurfs können Sie als pdf-Datei herunterladen:
Der gesamte Verfassungsentwurf der Europäischen Union
Am Anfang des Verfassungsentwurfs stehen im Teil I die Ziele und Werte der Europäischen Union. Die EU gründet sich auf die Achtung der Menschenrechte, der Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit. Die Union steht allen europäischen Staaten offen, die sich zu diesen Werten bekennen und ihnen Geltung verschaffen.
Der Titel "Grundrechte und Unionsbürgerschaft" nimmt Bezug auf die bereits verabschiedete Charta der Grundrechte und legt die Rechte der Bürgerinnen und Bürger der EU fest. Unionsbürgerin und Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt.
Die Zuständigkeiten der Union werden in Titel 3 festgelegt. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips darf die Union nur bei politischen Zielen tätig werden, die von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können. Es gilt der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung. Die Verfahren, die dabei zu beachten sind, sind in einem gesonderten Protokoll niedergelegt. Die ausschließlichen und geteilten Gesetzgebungszuständigkeiten werden aufgelistet. Das Recht der Union hat Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten. Außerdem wird das Prinzip der Verhältnismäßigkeit festgeschrieben.
Titel 4 bestimmt die Organe der EU. Organe der EU sind das Europäische Parlament, der Europäische Rat, der Ministerrat, die Europäische Kommission und der Gerichtshof.
Erstmals soll ein hauptamtlicher Präsident an der Spitze der EU stehen. Vorgesehen ist, den EU-Ratspräsidenten von den Staats- und Regierungschefs auf zweieinhalb Jahre zu wählen. Sein Mandat kann einmal verlängert werden. Der EU-Präsident soll die Arbeit des Europäischen Rates koordinieren und jährlich vier Gipfeltreffen vorbereiten. Er soll die EU auch nach außen vertreten, dabei aber die Zuständigkeiten des EU-Außenministers wahren.
Neu ist auch das
Amt eines EU-Außenministers (Titel 3, Artikel I-15). Er soll zugleich Vorsitzender des Außenministerrates und Vizepräsident der EU-Kommission sein. Dadurch wird er sowohl an den Ministerrat als auch an die Kommission angebunden. Der Europäische Rat wird ihn ernennen, der Präsident der EU-Kommission muss zustimmen.
Die EU-Kommission wird auf 15 stimmberechtigte Kommissare begrenzt, einschließlich des Außenministers der EU und des Präsidenten der EU-Kommission. Dabei soll das Rotationsprinzip gelten. Große und kleine EU-Staaten sind gleichberechtigt. Hinzu kommen nichtstimmberechtigte Kommissare, damit alle Länder im EU-Exekutivorgan vertreten sind.
Das Mitentscheidungsrecht des Parlaments soll erweitert werden. So wird das Europaparlament den Präsidenten der EU-Kommission wählen und die gesamte Kommission per Votum billigen.
Ministerrat und Parlament sind die Gesetzgeber der EU.
Der Verfassungsentwurf will die Bereiche erweitern, in denen mit Mehrheit im Rat entschieden werden kann. Es ist aber immer eine Mehrheit der Mitgliedstaaten und von drei Fünfteln der EU-Bevölkerung erforderlich. In außenpolitischen Fragen bleibt es bei der Einstimmigkeit.
Titel 5 regelt die Gesetzgebung der Union und enthält Bestimmungen zur Außen- und Sicherheitspolitik, zum gegenseitigen Beistand und zur Entwicklung eines Raumes von Recht und Sicherheit. In diesen Bereichen gehen die Bestimmungen deutlich über die bisherigen Regelungen im EG- und EU-Vertrag hinaus. Die Rechtssetzung der EU wird gestrafft.
Die demokratische Ordnung der EU wird in Titel 6 beschrieben. Neben dem Grundsatz der partizipativen Demokratie wird die Transparenz aller Handlungen der Union vorgeschrieben, verbunden mit dem Recht der Unionsbürger auf Zugang zu amtlichen Dokumenten. Neu ist die Möglichkeit des Bürgerbegehrens, wenn mindestens eine Million Menschen dies wollen.
Abschließend werden die Kriterien und das Verfahren für den Beitritt zur EU geregelt. Erstmals werden auch Verfahren für einen freiwilligen Austritt aus der Union formuliert. Außerdem wird bestimmt, wie im Falle von Verstößen gegen die Grundwerte der EU-Verfassung durch Mitgliedstaaten zu verfahren ist.
Die oben angegebenen Regelungen des Verfassungsentwurfs werden in drei Anlagen präzisiert:
-
ein Protokoll über die Rolle der nationalen Parlamente in der EU,
- ein Protokoll über die Anwendung der Regeln der Subsidiarität und
- ein Protokoll über die Vertretung der Bürger im Parlament sowie die Stimmgewichte im Ministerrat.
Quelle: Homepage der Bundesregierung
Hinweis:
Hinsichtlich der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik sind folgende Artikel in
Teil I besonders interessant:
Titel III, Artikel I-15
Titel IV, Artikel I-23, Ziff 2; Artikel I-27
Titel V, Kapitel II, Artikel I-39, Artikel I-40
Die Verfassung der Europäischen Union
Entwurf
Stand: Teile I und II lt. Konventsdokument CONV 820/03 vom 20. 6. 2003
Inhaltsverzeichnis
PRÄAMBEL
TEIL I
TITEL I - DEFINITION UND ZIELE DER UNION
TITEL II - GRUNDRECHTE UND UNIONSBÜRGERSCHAFT
TITEL III - DIE ZUSTÄNDIGKEITEN DER UNION
TITEL IV - DIE ORGANE DER UNION
Kapitel I - Institutioneller Rahmen
Kapitel II - Sonstige Organe und Einrichtungen
TITEL V - AUSÜBUNG DER ZUSTÄNDIGKEITEN DER UNION
Kapitel I - Gemeinsame Bestimmungen
Kapitel II - Besondere Bestimmungen
Kapitel III - Die verstärkte Zusammenarbeit
TITEL VI - DAS DEMOKRATISCHE LEBEN DER UNION
TITEL VII - DIE FINANZEN DER UNION
TITEL VIII - DIE UNION UND IHRE NACHBARN
TITEL IX - ZUGEHÖRIGKEIT ZUR UNION
TEIL II DIE CHARTA DER GRUNDRECHTE DER UNION
PRÄAMBEL
TITEL I - WÜRDE DES MENSCHEN
TITEL II - FREIHEITEN
TITEL III - GLEICHHEIT
TITEL IV - SOLIDARITÄT
TITEL V - BÜRGERRECHTE
TITEL VI - JUSTIZIELLE RECHTE
TITEL VII - ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN ÜBER DIE AUSLEGUNG UND
ANWENDUNG DER CHARTA
PRÄAMBEL
Die Verfassung, die wir haben ... heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger,
sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist.
Thukydides, II, 37
In dem Bewusstsein, dass der Kontinent Europa ein Träger der Zivilisation ist und dass seine
Bewohner, die ihn seit den Anfängen der Menschheit in immer neuen Schüben besiedelt
haben, im Laufe der Jahrhunderte die Werte entwickelt haben, die den Humanismus
begründen: Gleichheit der Menschen, Freiheit, Geltung der Vernunft,
Schöpfend aus den kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas,
deren Werte in seinem Erbe weiter lebendig sind und die zentrale Stellung des Menschen
und die Vorstellung von der Unverletzlichkeit und Unveräußerlichkeit seiner Rechte sowie
vom Vorrang des Rechts in der Gesellschaft verankert haben,
In der Überzeugung, dass ein nunmehr geeintes Europa auf diesem Weg der Zivilisation,
des Fortschritts und des Wohlstands zum Wohl all seiner Bewohner, auch der Schwächsten
und der Ärmsten, weiter voranschreiten will, dass es ein Kontinent bleiben will, der offen ist
für Kultur, Wissen und sozialen Fortschritt, dass es Demokratie und Transparenz als
Wesenszüge seines öffentlichen Lebens stärken und auf Frieden, Gerechtigkeit und
Solidarität in der Welt hinwirken will,
In der Gewissheit, dass die Völker Europas, wiewohl stolz auf ihre nationale Identität und
Geschichte, entschlossen sind, die alten Trennungen zu überwinden und immer enger
vereint ihr Schicksal gemeinsam zu gestalten,
In der Gewissheit, dass Europa, "in Vielfalt geeint", ihnen die besten Möglichkeiten bietet,
unter Wahrung der Rechte des Einzelnen und im Bewusstsein ihrer Verantwortung
gegenüber den künftigen Generationen und der Erde dieses große Abenteuer fortzusetzen,
das einen Raum eröffnet, in dem sich die Hoffnung der Menschen entfalten kann,
In dankender Anerkennung der Leistung der Mitglieder des Europäischen Konvents, die
diese Verfassung im Namen der Bürgerinnen und Bürger und der Staaten Europas
ausgearbeitet haben, [Sind die Hohen Vertragsparteien nach Austausch ihrer in guter und
gehöriger Form befundenen Vollmachten wie folgt übereingekommen:]
TEIL I
TITEL I - DEFINITION UND ZIELE DER UNION
Artikel I-1: Gründung der Union
(1) Geleitet von dem Willen der Bürgerinnen und Bürger und der Staaten Europas, ihre
Zukunft gemeinsam zu gestalten, begründet diese Verfassung die Europäische Union, der
die Mitgliedstaaten Zuständigkeiten zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Ziele übertragen.
Die Union koordiniert die diesen Zielen dienende Politik der Mitgliedstaaten und übt die ihr
von den Mitgliedstaaten übertragenen Zuständigkeiten in gemeinschaftlicher Weise aus.
(2) Die Union steht allen europäischen Staaten offen, die ihre Werte achten und sich verpflichten,
ihnen gemeinsam Geltung zu verschaffen.
Artikel I-2: Die Werte der Union
Die Werte, auf denen die Union sich gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit,
Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte; diese
Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch
Pluralismus, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Nichtdiskriminierung auszeichnet.
Artikel I-3: Die Ziele der Union
(1) Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.
(2) Die Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts ohne Binnengrenzen und einen Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem
Wettbewerb.
(3) Die Union strebt ein Europa der nachhaltigen Entwicklung auf der Grundlage eines
ausgewogenen Wirtschaftswachstums an, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale
Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes
Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität. Sie fördert den
wissenschaftlichen und technischen Fortschritt.
Sie bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit
und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frau und Mann, die Solidarität zwischen den
Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes.
Sie fördert den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Solidarität
zwischen den Mitgliedstaaten.
Die Union wahrt den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt und sorgt für den
Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas.
(4) In ihren Beziehungen zur übrigen Welt schützt und fördert die Union ihre Werte und
Interessen. Sie trägt bei zu Frieden, Sicherheit, nachhaltiger Entwicklung der Erde,
Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, freiem und gerechtem Handel,
Beseitigung der Armut und Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des
Kindes, sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere
zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.
(5) Diese Ziele werden mit geeigneten Mitteln entsprechend dem Umfang der
Zuständigkeiten verfolgt, die der Union in dieser Verfassung übertragen werden.
Artikel I-4: Grundfreiheiten und Nichtdiskriminierung
(1) Der freie Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie die
Niederlassungsfreiheit werden innerhalb der Union und von der Union gemäß dieser
Verfassung gewährleistet.
(2) Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieser Verfassung ist in ihrem
Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.
Artikel I-5: Beziehungen zwischen der Union und den Mitgliedstaaten
(1) Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, die in deren grundlegender
politischer und verfassungsrechtlicher Struktur einschließlich der regionalen und
kommunalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Sie achtet die grundlegenden
Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit.
(2) Nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit achten und unterstützen sich die
Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus der
Verfassung ergeben.
Die Mitgliedstaaten erleichtern der Union die Erfüllung ihrer Aufgabe und unterlassen alle
Maßnahmen, welche die Verwirklichung der in der Verfassung genannten Ziele gefährden
könnten.
Artikel I-6: Rechtspersönlichkeit
Die Union besitzt Rechtspersönlichkeit
TITEL II - GRUNDRECHTE UND UNIONSBÜRGERSCHAFT
Artikel I-7: Grundrechte
(1) Die Union erkennt die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der
Grundrechte als dem Teil II dieser Verfassung enthalten sind.
(2) Die Union strebt den Beitritt zur Europäischen Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten an. Der Beitritt zu dieser Konvention ändert nicht die in
dieser Verfassung festgelegten Zuständigkeiten der Union.
(3) Die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den
gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, gehören zu den
allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts.
Artikel I-8: Die Unionsbürgerschaft
(1) Unionsbürgerin und Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats
besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ohne diese zu
ersetzen.
(2) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die in dieser Verfassung vorgesehenen
Rechte und Pflichten. Sie
- haben das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und
aufzuhalten;
- besitzen in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive
Wahl recht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und bei den Kommunalwahlen,
wobei für sie dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden
Mitgliedstaats;
- genießen im Hoheitsgebiet eines Drittlandes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit
sie besitzen, nicht vertreten ist, den Schutz der diplomatischen und konsularischen
Stellen eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige
dieses Staates;
- haben das Recht, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten, sich an den Europäischen
Bürgerbeauftragten zu wenden sowie Schreiben in einer der Sprachen der
Verfassung an die Organe und die beratenden Einrichtungen der Union zu richten und eine
Antwort in derselben Sprache zu erhalten.
(3) Diese Rechte werden unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt, die
in dieser Verfassung und in den Bestimmungen zu ihrer Anwendung festgelegt sind.
TITEL III - DIE ZUSTÄNDIGKEITEN DER UNION
Artikel I-9: Grundprinzipien
(1) Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Union gilt der Grundsatz der begrenzten
Einzelermächtigung. Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union gelten die Grundsätze
der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.
(2) Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung wird die Union innerhalb der
Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die ihr von den Mitgliedstaaten in der Verfassung zur
Verwirklichung der in ihr niedergelegten Ziele zugewiesen werden. Alle der Union nicht in der
Verfassung zugewiesenen Zuständigkeiten verbleiben bei den Mitgliedstaaten.
(3) Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche
Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht
gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler
oder lokaler Ebene ausreichend erreicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres
Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser erreicht werden können.
Die Organe der Union wenden das Subsidiaritätsprinzip nach dem Protokoll über die
Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit im Anhang zur
Verfassung an. Die nationalen Parlamente achten auf die Einhaltung des
Subsidiaritätsprinzips nach dem in diesem Protokoll vorgesehenen Verfahren.
(4) Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich
wie formal nicht über das für die Erreichung der Ziele der Verfassung erforderliche Maß
hinaus.
Die Organe wenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang mit dem in Absatz 3
genannten Protokoll an.
Artikel I-10: Das Unionsrecht
(1) Die Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der ihnen zugewiesenen
Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten.
(2) Die Mitgliedstaaten ergreifen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer
Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus der Verfassung oder aus Handlungen der
Organe der Union ergeben.
Artikel I-11: Arten von Zuständigkeiten
(1) Weist die Verfassung der Union für einen bestimmten Bereich ausschließliche
Zuständigkeit zu, so kann nur sie gesetzgeberisch tätig werden und rechtlich bindende
Rechtsakte erlassen; die Mitgliedstaaten dürfen in einem solchen Fall nur dann tätig werden,
wenn sie von der Union hierzu ermächtigt worden sind, oder um von dieser erlassene
Rechtsakte durchzuführen.
(2) Weist die Verfassung der Union für einen bestimmten Bereich eine mit den Mitgliedstaaten
geteilte Zuständigkeit zu, so haben die Union und die Mitgliedstaaten die Befugnis, in
diesem Bereich gesetzgeberisch tätig zu werden und rechtlich bindende Rechtsakte zu
erlassen. Die Mitgliedstaaten nehmen ihre Zuständigkeit wahr, sofern und soweit die Union
ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat oder entschieden hat, diese nicht mehr auszuüben.
(3) Die Union ist zuständig im Hinblick auf die Förderung und Gewährleistung der Koordinierung
der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten.
(4) Die Union ist dafür zuständig, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich
der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu
erarbeiten und zu verwirklichen.
(5) In bestimmten Bereichen ist die Union unter den in der Verfassung genannten Bedingungen
befugt, Maßnahmen zur Koordinierung, Ergänzung oder Unterstützung der
Maßnahmen der Mitgliedstaaten durchzuführen, ohne dass dadurch die Zuständigkeit der
Union für diese Bereiche an die Stelle der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten tritt.
(6) Der Umfang der Zuständigkeiten der Union und die Einzelheiten ihrer Ausübung ergeben
sich aus den jeweiligen Bestimmungen zu den einzelnen Bereichen in Teil III der Verfassung
Artikel I-12: Ausschließliche Zuständigkeiten
(1) Die Union hat ausschließliche Zuständigkeit für die Festlegung der für das Funktionieren
des Binnenmarktes erforderlichen Wettbewerbsregeln sowie in folgenden Bereichen:
- die Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, die den Euro eingeführt haben,
- die gemeinsame Handelspolitik,
- die Zollunion,
- die Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen der gemeinsamen
Fischereipolitik.
(2) Die Union hat ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Übereinkommen,
wenn ein solcher Abschluss in einem Rechtsakt der Union vorgesehen ist, wenn er
notwendig ist, damit die Union ihre Zuständigkeit auf interner Ebene ausüben kann, oder
wenn er einen internen Rechtsakt der Union berührt.
Artikel I-13: Bereiche mit geteilter Zuständigkeit
(1) Die Union teilt ihre Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten, wenn ihr die Verfassung
außerhalb der in den Artikeln I-12 und I-16 genannten Bereiche eine Zuständigkeit zuweist.
(2) Die geteilte Zuständigkeit erstreckt sich auf die folgenden Hauptbereiche:
- Binnenmarkt,
- Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts,
- Landwirtschaft und Fischerei, ausgenommen die Erhaltung der biologischen
Meeresschätze,
- Verkehr und transeuropäische Netze,
- Energie,
- Sozialpolitik hinsichtlich der in Teil III genannten Aspekte,
- wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt,
- Umwelt,
- Verbraucherschutz,
- gemeinsame Sicherheitsanliegen im Bereich des Gesundheitswesens.
(3) In den Bereichen Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt erstreckt sich
die Zuständigkeit der Union darauf, Maßnahmen zu treffen und insbesondere Programme zu
erstellen und durchzuführen, ohne dass die Ausübung dieser Zuständigkeit der Union die
Mitgliedstaaten daran hindert, ihre Zuständigkeiten auszuüben.
(4) In den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe erstreckt sich die
Zuständigkeit der Union darauf, Maßnahmen zu treffen und eine gemeinsame Politik zu
verfolgen, ohne dass die Ausübung dieser Zuständigkeit der Union die Mitgliedstaaten daran
hindert, ihre Zuständigkeiten auszuüben.
Artikel I-14: Die Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik
(1) Die Union trifft Maßnahmen zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten,
insbesondere durch die Ausarbeitung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik. Die Mitgliedstaaten
koordinieren ihre Wirtschaftspolitik innerhalb der Union.
(2) Für die Mitgliedstaaten, die den Euro eingeführt haben, gelten besondere Regelungen.
(3) Die Union trifft Maßnahmen zur Koordinierung der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaten,
insbesondere durch die Ausarbeitung von Leitlinien für die Beschäftigungspolitik.
(4) Die Union kann Initiativen zur Koordinierung der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten
ergreifen.
Artikel I-15: Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
(1) Die Zuständigkeit der Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
erstreckt sich auf alle Bereiche der Außenpolitik sowie auf sämtliche Fragen im Zusammenhang
mit der Sicherheit der Union, einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen
Verteidigungspolitik, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann.
(2) Die Mitgliedstaaten unterstützen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der
Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität und
achten die Rechtsakte der Union in diesem Bereich. Sie enthalten sich jeder Handlung, die
den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit schaden könnte.
Artikel I-16: Unterstützungs-, Koordinierungs- und Ergänzungsmaßnahmen
(1) Die Union kann Unterstützungs-, Koordinierungs- oder Ergänzungsmaßnahmen
ergreifen.
(2) Unterstützungs-, Koordinierungs- oder Ergänzungsmaßnahmen können mit europäischer
Zielsetzung in folgenden Bereichen ergriffen werden:
- Industrie
- Schutz und Verbesserung der menschlichen Gesundheit,
- allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport,
- Kultur
- Zivilschutz.
(3) Die rechtlich bindenden Rechtsakte, die von der Union aufgrund der jeweiligen
Bestimmungen zu diesen Bereichen in Teil III erlassen werden, dürfen keine Harmonisierung
der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beinhalten.
Artikel I-17: Flexibilitätsklausel
(1) Erscheint ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in Teil III festgelegten Politikbereiche
erforderlich, um eines der Ziele dieser Verfassung zu verwirklichen, und sind in
dieser Verfassung die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, so erlässt der
Ministerrat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des
Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften.
(2) Die Kommission macht die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten im Rahmen des
Verfahrens zur Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nach Artikel I-9 Absatz 3
auf die Vorschläge aufmerksam, die sich auf den vorliegenden Artikel stützen.
(3) Aufgrund des vorliegenden Artikels erlassene Vorschriften dürfen keine Harmonisierung
der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in den Fällen beinhalten, in
denen eine solche Harmonisierung nach der Verfassung ausgeschlossen ist.
TITEL IV - DIE ORGANE DER UNION
Kapitel I - Institutioneller Rahmen
Artikel I-18: Die Organe der Union
(1) Die Union verfügt über einen einheitlichen institutionellen Rahmen, mit dem angestrebt
wird,
- die Ziele der Union zu verfolgen,
- ihren Werten Geltung zu verschaffen,
- den Interessen der Union, ihrer Bürgerinnen und Bürger und ihrer Mitgliedstaaten zu
dienen und die Kohärenz, Effizienz und Kontinuität der Politik der Union und der von ihr zur
Erreichung ihrer Ziele getroffenen Maßnahmen sicherzustellen.
(2) Dieser institutionelle Rahmen umfasst
das Europäische Parlament,
den Europäischen Rat,
den Ministerrat,
die Europäische Kommission,
den Gerichtshof.
(3) Jedes Organ handelt nach Maßgabe der ihm in dieser Verfassung zugewiesenen Befugnisse
nach den Verfahren und unter den Bedingungen, die in der Verfassung festgelegt sind.
Die Organe arbeiten loyal zusammen.
Artikel I-19: Das Europäische Parlament
(1) Das Europäische Parlament wird gemeinsam mit dem Ministerrat als Gesetzgeber tätig
und übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus; es erfüllt ferner Aufgaben der
politischen Kontrolle und Beratungsfunktionen nach Maßgabe der Verfassung. Es wählt den
Präsidenten der Europäischen Kommission.
(2) Das Europäische Parlament wird von den europäischen Bürgerinnen und Bürgern für
eine Amtszeit von fünf Jahren im Rahmen allgemeiner, freier und geheimer Wahlen direkt
gewählt. Die Anzahl seiner Mitglieder darf 736 nicht überschreiten. Die europäischen
Bürgerinnen und Bürger sind im Europäischen Parlament degressiv proportional, mindestens
jedoch mit vier Mitgliedern je Mitgliedstaat vertreten.
Rechtzeitig vor den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 und danach im Bedarfsfall
im Hinblick auf künftige Wahlen erlässt der Europäische Rat einstimmig auf Vorschlag des
Europäischen Parlaments und mit dessen Zustimmung einen Beschluss über die
Zusammensetzung des Europäischen Parlaments, in dem die oben genannten Grundsätze
gewahrt sind.
(3) Das Europäische Parlament wählt aus seiner Mitte seinen Präsidenten und sein Präsidium.
Artikel I-20: Der Europäische Rat
(1) Der Europäische Rat gibt der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und
legt ihre allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten fest. Er wird nicht
gesetzgeberisch tätig.
(2) Der Europäische Rat setzt sich zusammen aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten
sowie dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Präsidenten der
Kommission. Der Außenminister der Union nimmt an den Beratungen teil.
(3) Der Europäische Rat tritt vierteljährlich zusammen; er wird von seinem Präsidenten
einberufen. Wenn es die Tagesordnung erfordert, können die Mitglieder des Europäischen
Rates beschließen, sich von einem Minister oder – im Fall des Präsidenten der Kommission
– von einem Europäischen Kommissar unterstützen zu lassen. Wenn es die Lage
erfordert, beruft der Präsident eine außerordentliche Tagung des Europäischen Rates ein.
(4) Soweit in der Verfassung nichts anderes festgelegt ist, entscheidet der Europäische Rat
durch Konsens.
Artikel I-21: Der Präsident des Europäischen Rates
(1) Der Präsident des Europäischen Rates wird vom Europäischen Rat mit qualifizierter
Mehrheit für einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren gewählt; er kann einmal wieder gewählt
werden. Im Falle schwerwiegender Hinderungsgründe oder einer schweren Verfehlung kann
der Europäische Rat ihn im Wege des gleichen Verfahrens von seinem Amt entbinden.
(2) Der Präsident des Europäischen Rates
- führt den Vorsitz und leitet die Beratungen des Europäischen Rates,
- sorgt in Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der Kommission auf der Grundlage der
Arbeiten des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) für die angemessene Vorbereitung und
Kontinuität dieser Beratungen,
- wirkt darauf hin, dass Zusammenhalt und Konsens im Europäischen Rat gefördert werden,
- legt dem Europäischen Parlament im Anschluss an jede Tagung des Europäischen Rates
einen Bericht vor.
Der Präsident des Europäischen Rates nimmt in dieser Eigenschaft auf seiner Ebene
unbeschadet der Zuständigkeiten des Außenministers der Union die Außenvertretung der
Union in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wahr.
(3) Der Präsident des Europäischen Rates darf kein einzelstaatliches Amt innehaben.
Artikel I-22: Der Ministerrat
(1) Der Ministerrat wird gemeinsam mit dem Europäischen Parlament als Gesetzgeber tätig
und übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus; er erfüllt ferner Aufgaben der
Politikfestlegung und der Koordinierung nach Maßgabe der Verfassung.
(2) Der Ministerrat besteht aus je einem von jedem Mitgliedstaat auf Ministerebene
ernannten Vertreter für jede seiner Zusammensetzungen. Dieser Vertreter ist als Einziger
befugt, für den Mitgliedstaat, den er vertritt, verbindlich zu handeln und das Stimmrecht
auszuüben.
(3) Soweit in der Verfassung nichts anderes festgelegt ist, beschließt der Ministerrat mit
qualifizierter Mehrheit.
Artikel I-23: Die Zusammensetzungen des Ministerrates
(1) Der Rat (Allgemeine Angelegenheiten und Gesetzgebung) gewährleistet die Kohärenz
der Arbeiten des Ministerrates.
Als Rat (Allgemeine Angelegenheiten) trägt er in Verbindung mit der Kommission für die
Vorbereitung der Tagungen des Europäischen Rates und das Vorgehen im Anschluss daran
Sorge.
In seiner Eigenschaft als Gesetzgeber berät er und beschließt gemeinsam mit dem
Europäischen Parlament nach Maßgabe der Verfassung über die Europäischen Gesetze und
die Europäischen Rahmengesetze. Wird er in dieser Eigenschaft tätig, umfasst die
Vertretung eines Mitgliedstaats avußerdem je nach Tagesordnung einen oder zwei
Fachvertreter auf Ministerebene.
(2) Der Rat (Auswärtige Angelegenheiten) formuliert die Außenpolitik der Union gemäß
den strategischen Vorgaben des Europäischen Rates und gewährleistet die Kohärenz ihres
Handelns.
Den Vorsitz führt der Außenminister der Union.
(3) Der Europäische Rat erlässt einen Europäischen Beschluss, mit dem andere
Zusammensetzungen des Ministerrates festgelegt werden.
(4) Der Vorsitz in den Formationen des Ministerrates mit Ausnahme der Zusammensetzung
"Auswärtige Angelegenheiten" wird für die Dauer von mindestens einem Jahr nach dem
Prinzip der gleichberechtigten Rotation von den Vertretern der Mitgliedstaaten im Ministerrat
wahrgenommen.
Der Europäische Rat erlässt einen Europäischen Beschluss, in dem die Regeln dieser
Rotation unter Berücksichtigung des politischen und geografischen Gleichgewichts in Europa
und der Verschiedenheit der Mitgliedstaaten festgelegt werden.
Artikel I-24: Die qualifizierte Mehrheit
(1) Beschließt der Europäische Rat bzw. der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit, so muss
diese der Mehrheit der Mitgliedstaaten entsprechen und mindestens drei Fünftel der
Bevölkerung der Union repräsentieren.
(2) Wenn der Europäische Rat oder der Ministerrat gemäß der Verfassung nicht auf der
Grundlage eines Vorschlags der Kommission beschließen muss oder wenn der Europäische
Rat oder der Ministerrat nicht auf Initiative des Außenministers der Union beschließt, so
entspricht die erforderliche qualifizierte Mehrheit zwei Dritteln der Mitgliedstaaten, die
mindestens drei Fünftel der Bevölkerung repräsentieren.
(3) Die Bestimmungen der Absätze 1 und 2 treten am 1. November 2009 nach den Wahlen
zum Europäischen Parlament nach Artikel I-19 in Kraft.
(4) In Fällen, in denen gemäß Teil III Europäische Gesetze und Rahmengesetze vom
Ministerrat nach einem besonderen Rechtsetzungsverfahren angenommen werden müssen,
kann der Europäische Rat nach einem Prüfungszeitraum von mindestens sechs Monaten
von sich aus einstimmig einen Europäischen Beschluss erlassen, wonach diese
Europäischen Gesetze oder Rahmengesetze nach dem ordentlichen
Gesetzgebungsverfahren erlassen werden können. Der Europäische Rat beschließt nach
Anhörung des Europäischen Parlaments und Unterrichtung der nationalen Parlamente.
In Fällen, in denen der Ministerrat gemäß Teil III in einem bestimmten Bereich einstimmig
beschließen muss, kann der Europäische Rat von sich aus einstimmig einen Europäischen
Beschluss erlassen, wonach der Ministerrat in diesem Bereich mit qualifizierter Mehrheit
beschließen kann.
Jede vom Europäischen Rat auf der Grundlage dieser Bestimmung ergriffene Initiative wird
den nationalen Parlamenten mindestens vier Monate vor der Beschlussfassung übermittelt.
(5) Der Präsident des Europäischen Rates und der Präsident der Kommission nehmen an
den Abstimmungen im Europäischen Rat nicht teil.
Artikel I-25: Die Europäische Kommission
(1)Die Europäische Kommission fördert die allgemeinen europäischen Interessen und
ergreift entsprechende Initiativen zu diesem Zweck. Sie trägt für die Anwendung der
Bestimmungen der Verfassung sowie der von den Organen kraft der Verfassung
angenommenen Vorschriften Sorge. Sie überwacht die Anwendung des Unionsrechts unter
der Kontrolle des Gerichtshofs. Sie führt den Haushaltsplan aus und verwaltet die
Programme. Sie übt nach Maßgabe der Verfassung Koordinierungs-, Exekutiv- und
Verwaltungsaufgaben aus. Mit Ausnahme der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
und der übrigen in der Verfassung vorgesehenen Fälle übernimmt sie die Vertretung der
Union nach außen. Sie initiiert die jährliche und die mehrjährige Programmplanung der Union
mit dem Ziel, interinstitutionelle Vereinbarungen zu erreichen.
(2) Soweit in der Verfassung nichts anderes festgelegt ist, kann ein Gesetzgebungsakt der
Union nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden. Andere Rechtsakte werden auf
der Grundlage eines Kommissionsvorschlags erlassen, wenn dies in der Verfassung
vorgesehen ist.
(3) Die Kommission besteht aus einem Kollegium, das sich aus ihrem Präsidenten, dem
Außenminister der Union/Vizepräsidenten und aus dreizehn Europäischen Kommissaren, die
nach einem System der gleichberechtigten Rotation zwischen den Mitgliedstaaten
ausgewählt werden, zusammensetzt. Dieses System wird durch einen Europäischen
Beschluss des Europäischen Rates auf der Grundlage der folgenden Grundsätze
geschaffen:
a) Die Mitgliedstaaten werden bei der Festlegung der Reihenfolge und der Dauer der
Amtszeiten ihrer Staatsangehörigen im Kollegium vollkommen gleich behandelt; demzufolge
kann die Gesamtzahl der Mandate, welche Staatsangehörige zweier beliebiger
Mitgliedstaaten innehaben, niemals um mehr als eines voneinander abweichen.
b) vorbehaltlich des Buchstabens a ist jedes der aufeinander folgenden Kollegien so
zusammengesetzt, dass das demografische und geografische Spektrum der Gesamtheit der
Mitgliedstaaten der Union auf zufrieden stellende Weise zum Ausdruck kommt.
Der Präsident der Kommission ernennt Kommissare ohne Stimmrecht, bei deren Auswahl
dieselben Kriterien wie bei den Mitgliedern des Kollegiums zugrunde gelegt werden und die
aus allen anderen Mitgliedstaaten kommen.
Diese Bestimmungen treten am 1. November 2009 in Kraft.
(4) Die Kommission übt ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit aus. Die Europäischen
Kommissare und die Kommissare dürfen bei der Erfüllung ihrer Pflichten Anweisungen von
einer Regierung oder einer anderen Stelle weder anfordern noch entgegennehmen.
(5) Die Kommission ist als Kollegium dem Europäischen Parlament verantwortlich. Der
Präsident der Kommission ist für die Tätigkeit der Kommissare dem Europäischen Parlament
verantwortlich. Das Europäische Parlament kann gemäß Artikel III-238 einen Misstrauensantrag
gegen die Kommission annehmen. Wird ein solcher Misstrauensantrag
angenommen, so müssen die Europäischen Kommissare und die Kommissare geschlossen
ihr Amt niederlegen. Die Kommission führt die laufenden Geschäfte bis zur Ernennung eines
neuen Kollegiums weiter.
Artikel I-26: Der Präsident der Europäischen Kommission
(1) Unter Berücksichtigung der Wahlen zum Europäischen Parlament schlägt der
Europäische Rat diesem im Anschluss an entsprechende Konsultationen mit qualifizierter
Mehrheit einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor. Das
Europäische Parlament wählt diesen Kandidaten mit der Mehrheit seiner Mitglieder. Erhält
dieser Kandidat nicht die Mehrheit, schlägt der Europäische Rat dem Europäischen
Parlament innerhalb eines Monats einen neuen Kandidaten vor, wobei dasselbe Verfahren
wie zuvor angewandt wird.
(2) Jeder durch das Rotationssystem bestimmte Mitgliedstaat erstellt eine beide
Geschlechter berücksichtigende Liste von drei Personen, die er für geeignet erachtet, das
Amt eines Europäischen Kommissars auszuüben. Der gewählte Präsident benennt die
dreizehn Europäischen Kommissare aufgrund ihrer Kompetenz, ihres Engagements für
Europa und ihrer Gewähr für Unabhängigkeit, indem er aus jeder Vorschlagsliste eine
Person auswählt. Der Präsident und die als Mitglieder des Kollegiums benannten
Persönlichkeiten einschließlich des künftigen Außenministers der Union sowie die als
Kommissare ohne Stimmrecht benannten Persönlichkeiten stellen sich gemeinsam dem
Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments. Die Amtszeit der Kommission
beträgt fünf Jahre.
(3) Der Präsident der Kommission
- legt die Leitlinien fest, nach denen die Kommission ihre Aufgaben ausübt,
- beschließt über ihre interne Organisation, um die Kohärenz, die Effizienz und das
Kollegialitätsprinzip im Rahmen ihrer Tätigkeit sicherzustellen,
- ernennt die Vizepräsidenten aus dem Kreis der Mitglieder des Kollegiums.
Ein Europäischer Kommissar oder ein Kommissar legt sein Amt nieder, wenn er vom
Präsidenten dazu aufgefordert wird.
Artikel I-27: Der Außenminister der Union
(1) Der Europäische Rat ernennt mit qualifizierter Mehrheit mit Zustimmung des Präsidenten
der Kommission den Außenminister der Union. Dieser leitet die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik der Union. Der Europäische Rat kann das Mandat des Außenministers
nach dem gleichen Verfahren beenden.
(2) Der Außenminister trägt durch seine Vorschläge zur Festlegung der gemeinsamen
Außenpolitik bei und führt sie im Auftrag des Ministerrates durch. Er handelt ebenso im
Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
(3) Der Außenminister der Union ist einer der Vizepräsidenten der Europäischen Kommission.
Er ist dort mit den Außenbeziehungen und der Koordinierung der übrigen Aspekte
des auswärtigen Handelns der Union betraut. Bei der Wahrnehmung dieser Zuständigkeiten
in der Kommission und ausschließlich im Hinblick auf diese Zuständigkeiten unterliegt er den
Verfahren, die für die Arbeitsweise der Kommission gelten.
Artikel I-28: Der Gerichtshof
(1) Zum Gerichtshof gehören der Europäische Gerichtshof, das Gericht und Fachgerichte. Er
gewährleistet die Achtung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verfassung.
Die Mitgliedstaaten schaffen die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer
Rechtsschutz auf dem Gebiet des Unionsrechts gewährleistet ist.
(2) Der Europäische Gerichtshof besteht aus einem Richter je Mitgliedstaat und wird von
Generalanwälten unterstützt. Das Gericht besteht aus mindestens einem Richter je
Mitgliedstaat; die Zahl der Richter wird in der Satzung des Gerichtshofs festgelegt. Als
Richter und Generalanwälte des Gerichtshofs und als Richter des Gerichts sind Personen
auszuwählen, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und die die Voraussetzungen
gemäß den Artikeln III-256 bis III-257 erfüllen; sie werden von den Regierungen der
Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt;
Wiederernennung ist zulässig.
(3) Der Gerichtshof entscheidet
- über Klagen eines Mitgliedstaats, eines Organs oder juristischer oder natürlicher Personen
gemäß den Bestimmungen von Teil III,
- im Wege der Vorabentscheidung auf Antrag der einzelstaatlichen Gerichte über die Auslegung
des Unionsrechts oder über die Gültigkeit der Handlungen der Organe;
- über alle anderen in der Verfassung vorgesehenen Fälle.
Kapitel II - Sonstige Organe und Einrichtungen
Artikel I-29: Die Europäische Zentralbank
(1) Die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken bilden das Europäische
System der Zentralbanken. Die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken
der Mitgliedstaaten, die die Währung der Union, den „Euro“ eingeführt haben, betreiben die
Währungspolitik der Union.
(2) Das Europäische System der Zentralbanken wird von den Beschlussorganen der
Europäischen Zentralbank geleitet. Sein vorrangiges Ziel ist es, die Preisstabilität zu
gewährleisten. Unbeschadet des Zieles der Preisstabilität unterstützt es die allgemeine
Wirtschaftspolitik in der Union, um zur Verwirklichung der Ziele der Union beizutragen. Es
führen alle weiteren Aufgaben einer Zentralbank nach Maßgabe des Teils III und der
Satzungen des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank
aus.
(3) Die Europäische Zentralbank ist ein Organ, das Rechtspersönlichkeit besitzt. Sie allein ist
befugt, die Ausgabe des Euro zu genehmigen. Sie ist in der Ausübung ihrer Befugnisse und
ihren Finanzen unabhängig. Die Organe und Einrichtungen der Union sowie die Regierungen
der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu achten.
(4) Die Europäische Zentralbank erlässt die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen
Maßnahmen gemäß den Artikeln III-74 bis III-81 und nach Maßgabe der Satzungen des
Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. Gemäß
diesen Bestimmungen behalten die Mitgliedstaaten, die den Euro nicht eingeführt haben,
sowie deren Zentralbanken ihre Zuständigkeiten im Währungsbereich.
(5) Die Europäische Zentralbank wird in ihrem Zuständigkeitsbereich zu allen Vorschlägen
für Rechtsakte der Union sowie zu allen Entwürfen für Rechtsvorschriften auf
einzelstaatlicher Ebene gehört und kann Stellungnahmen abgeben.
(6) Die Organe der Europäischen Zentralbank, ihre Zusammensetzung und die Modalitäten
ihrer Arbeitsweise sind in den Artikeln III-82 bis III-85 sowie in den Satzungen des
Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank festgelegt.
Artikel I-30: Der Rechnungshof
(1) Der Rechnungshof ist das Organ, das die Rechnungsprüfung wahrnimmt.
(2) Er prüft die Rechnung über alle Einnahmen und Ausgaben der Union und überzeugt sich
von der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung.
(3) Der Rechnungshof besteht aus einem Staatsangehörigen je Mitgliedstaat. Seine Mitglieder
üben ihre Aufgaben in voller Unabhängigkeit aus.
Artikel I-31: Die beratenden Einrichtungen der Union
(1) Das Europäische Parlament, der Ministerrat und die Kommission werden von einem
Ausschuss der Regionen sowie einem Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstützt, die
beratende Aufgaben wahrnehmen.
(2) Der Ausschuss der Regionen setzt sich aus Vertretern der regionalen und lokalen
Gebietskörperschaften zusammen, die entweder ein Wahlamt in einer regionalen oder
lokalen Gebietskörperschaft innehaben oder gegenüber einer gewählten Versammlung
politisch verantwortlich sind.
(3) Der Wirtschafts- und Sozialausschuss setzt sich zusammen aus Vertretern der Organisationen
der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft,
insbesondere aus dem sozio-ökonomischen, dem staatsbürgerlichen, dem beruflichen und
dem kulturellen Bereich.
(4) Die Mitglieder des Ausschusses der Regionen und des Wirtschafts- und Sozialausschusses
sind an keine Weisungen gebunden. Sie üben ihre Tätigkeit in voller
Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Union aus.
(5) Die Bestimmungen über die Zusammensetzung dieser Ausschüsse, die Ernennung ihrer
Mitglieder, ihre Befugnisse und ihre Arbeitsweise sind in den Artikeln III-288 bis III-294 der
Verfassung festgelegt. Die Bestimmungen über die Zusammensetzung werden in
regelmäßigen Abständen vom Rat auf Vorschlag der Kommission überprüft, um der
wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Entwicklung in der Union Rechnung zu
tragen.
TITEL V - AUSÜBUNG DER ZUSTÄNDIGKEITEN DER UNION
Kapitel I - Gemeinsame Bestimmungen
Artikel I-32: Die Rechtsakte der Union
(1) Die Union übt die ihr in der Verfassung übertragenen Zuständigkeiten gemäß den
Bestimmungen in Teil III mittels folgender Rechtsakte aus: Europäisches Gesetz,
Europäisches Rahmengesetz, Europäische Verordnung, Europäischer Beschluss,
Empfehlung und Stellungnahme.
Das Europäische Gesetz ist ein Gesetzgebungsakt mit allgemeiner Geltung. Es ist in allen
seinen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Das Europäische Rahmengesetz ist ein Gesetzgebungsakt, der für jeden Mitgliedstaat, an
den es gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den
innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt.
Die Europäische Verordnung ist ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung ohne
Gesetzescharakter; sie dient der Durchführung der Gesetzgebungsakte und bestimmter
Einzelvorschriften der Verfassung. Sie kann entweder in allen ihren Teilen verbindlich sein
und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten oder für jeden Mitgliedstaat, an den sie
gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sein, jedoch den
innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlassen.
Der Europäische Beschluss ist ein Rechtsakt ohne Gesetzescharakter, der in allen seinen
Teilen verbindlich ist. Ist er an bestimmte Adressaten gerichtet, so ist er nur für diese
verbindlich.
Empfehlungen und Stellungnahmen der Organe sind rechtlich nicht bindend.
(2) Werden das Europäische Parlament und der Ministerrat mit einem Vorschlag für einen
Gesetzgebungsakt befasst, so erlassen sie in dem betreffenden Bereich keine in diesem
Artikel nicht vorgesehenen Rechtsakte.
Artikel I-33: Gesetzgebungsakte
(1) Europäische Gesetze und Rahmengesetze werden nach den in Artikel III-298
festgelegten Einzelheiten des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens auf Vorschlag der
Kommission vom Europäischen Parlament und vom Ministerrat gemeinsam erlassen.
Gelangen die beiden Organe nicht zu einer Einigung, so kommt der betreffende Gesetzgebungsakt
nicht zustande.
In den in Artikel III-160 ausdrücklich genannten Fällen können Europäische Gesetze und
Rahmengesetze gemäß Artikel III-298 auf Initiative einer Gruppe von Mitgliedstaaten
erlassen werden.
(2) In bestimmten Fällen, die in der Verfassung aufgeführt sind, werden Europäische
Gesetze und Rahmengesetze nach besonderen Gesetzgebungsverfahren vom
Europäischen Parlament mit Beteiligung des Ministerrates oder vom Ministerrat mit
Beteiligung des Europäischen Parlaments erlassen.
Artikel I-34: Rechtsakte ohne Gesetzescharakter
(1) Der Europäische Rat erlässt Europäische Beschlüsse in den in der Verfassung
ausdrücklich vorgesehenen Fällen. Der Ministerrat und die Kommission erlassen
Europäische Verordnungen oder Europäische Beschlüsse in den in den Artikeln I-35 und I-36 genannten Fällen sowie in den in der Verfassung ausdrücklich vorgesehenen Fällen. Die
Europäische Zentralbank erlässt Europäische Verordnungen und Europäische Beschlüsse,
sofern sie durch die Verfassung dazu ermächtigt ist.
(2) Der Ministerrat und die Kommission sowie die Europäische Zentralbank, sofern sie
durch die Verfassung dazu ermächtigt ist, geben Empfehlungen ab.
Artikel I-35: Delegierte Verordnungen
(1) In Europäischen Gesetzen und Rahmengesetzen kann der Kommission die Befugnis
übertragen werden, delegierte Verordnungen zur Ergänzung oder Änderung bestimmter
nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzes oder Rahmengesetzes zu
erlassen.
In den betreffenden Europäischen Gesetzen und Rahmengesetzen werden Ziele, Inhalt,
Geltungsbereich und Dauer der Übertragung ausdrücklich festgelegt. Für die wesentlichen
Vorschriften in einem Bereich ist eine Übertragung ausgeschlossen. Diese sind dem
Europäischen Gesetz oder dem Europäischen Rahmengesetz vorbehalten.
(2) In diesen Europäischen Gesetzen oder Rahmengesetzen wird ausdrücklich festgelegt,
unter welchen Bedingungen eine Übertragung vorgenommen werden kann. Dabei bestehen
folgende Möglichkeiten:
- Das Europäische Parlament oder der Ministerrat können beschließen, die Übertragung zu
widerrufen.
- Die delegierte Verordnung kann nur in Kraft treten, wenn das Europäische Parlament oder
der Ministerrat innerhalb der im Europäischen Gesetz oder Rahmengesetz festgelegten Frist
keine Einwände erheben.
Für die Zwecke von Unterabsatz 1 beschließt das Europäische Parlament mit der Mehrheit
der Stimmen seiner Mitglieder und der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit.
Artikel I-36: Durchführungsrechtsakte
(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen alle zur Durchführung der rechtlich bindenden Rechtsakte
der Union erforderlichen innerstaatlichen Maßnahmen.
(2) Bedarf es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der rechtlich bindenden
Rechtsakte der Union, so können mit diesen Rechtsakten der Kommission oder - in
entsprechend begründeten Sonderfällen und in den in Artikel I-39 genannten Fällen - dem
Ministerrat Durchführungsbefugnisse übertragen werden.
(3) Ein Europäisches Gesetz legt im Voraus allgemeine Regeln und Grundsätze für die
Kontrolle der Durchführungsrechtsakte der Union durch die Mitgliedstaaten fest.
(4) Die Durchführungsrechtsakte der Union ergehen in der Form von Europäischen Durchführungsverordnungen
oder Europäischen Durchführungsbeschlüssen.
Artikel I-37: Gemeinsame Grundsätze für die Rechtsakte der Union
(1) Wird die Art des Rechtsakts von der Verfassung nicht ausdrücklich vorgegeben, so
beschließen die Organe unter Einhaltung der geltenden Verfahren nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit gemäß Artikel I-9 jeweils, welche Art von Rechtsakt zu erlassen ist.
(2) Europäische Gesetze, Europäische Rahmengesetze, Europäische Verordnungen und
Europäische Beschlüsse sind mit einer Begründung zu versehen und nehmen auf die in
dieser Verfassung vorgesehenen Vorschläge oder Stellungnahmen Bezug.
Artikel I-38: Veröffentlichung und Inkrafttreten
(1) Europäische Gesetze und Rahmengesetze werden vom Präsidenten des Europäischen
Parlaments und vom Präsidenten des Ministerrates unterzeichnet, soweit sie nach dem
ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen wurden. In den übrigen Fällen werden sie
entweder vom Präsidenten des Europäischen Parlaments oder vom Präsidenten des
Ministerrates unterzeichnet. Die Europäischen Gesetze und Rahmengesetze werden im
Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und treten zu dem durch sie festgelegten
Zeitpunkt oder anderenfalls am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
(2) Europäische Verordnungen und Beschlüsse, die an keinen bestimmten Adressaten oder
an alle Mitgliedstaaten gerichtet sind, werden von dem Präsidenten des sie erlassenden
Organs unterzeichnet; sie werden im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und
treten zu dem durch sie festgelegten Zeitpunkt oder anderenfalls am zwanzigsten Tag nach
ihrer Veröffentlichung in Kraft.
(3) Andere Beschlüsse werden denjenigen, an die sie gerichtet sind, bekannt gegeben und
durch diese Bekanntgabe wirksam.
Kapitel II - Besondere Bestimmungen
Artikel I-39: Besondere Bestimmungen für die Durchführung der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik
(1) Die Europäische Union verfolgt eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die auf
einer Entwicklung der gegenseitigen politischen Solidarität der Mitgliedstaaten, der
Ermittlung der Fragen von allgemeiner Bedeutung und der Erreichung einer immer stärkeren
Konvergenz des Handelns der Mitgliedstaaten beruht.
(2) Der Europäische Rat bestimmt die strategischen Interessen der Union und legt die Ziele
ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik fest. Der Ministerrat gestaltet diese Politik
im Rahmen der vom Europäischen Rat festgelegten strategischen Leitlinien nach Maßgabe
von Teil III.
(3) Der Europäische Rat und der Ministerrat erlassen die erforderlichen Europäischen
Beschlüsse.
(4) Diese Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird vom Außenminister der Union und
von den Mitgliedstaaten mit den einzelstaatlichen Mitteln und denen der Union durchgeführt.
(5) Die Mitgliedstaaten stimmen einander im Europäischen Rat und im Ministerrat zu jeder
außen- und sicherheitspolitischen Frage von allgemeiner Bedeutung ab, um ein
gemeinsames Vorgehen festzulegen. Bevor ein Mitgliedstaat in einer Weise, die die
Interessen der Union berühren könnte, auf internationaler Ebene tätig wird oder eine
Verpflichtung eingeht, konsultiert er die anderen Mitgliedstaaten im Europäischen Rat oder
im Ministerrat. Die Mitgliedstaaten gewährleisten durch konvergentes Handeln, dass die
Union ihre Interessen und Werte auf internationaler Ebene geltend machen kann. Die
Mitgliedstaaten sind untereinander solidarisch.
(6) Das Europäische Parlament wird zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden
Weichenstellungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik regelmäßig gehört und
über ihre Entwicklung auf dem Laufenden gehalten.
(7) Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erlassen der Europäische
Rat und der Ministerrat außer in den in Teil III vorgesehenen Fällen Europäische Beschlüsse
einstimmig. Sie beschließen auf Vorschlag eines Mitgliedstaates, des Außenministers der
Union oder des Außenministers mit Unterstützung der Kommission. Europäische Gesetze
und Rahmengesetze sind ausgeschlossen.
(8) Der Europäische Rat kann einstimmig beschließen, dass der Ministerrat in anderen als
den in Teil III genannten Fällen mit qualifizierter Mehrheit beschließt.
Artikel I-40: Besondere Bestimmungen für Durchführung der Gemeinsamen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik
(1) Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der
Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie sichert der Union die auf zivile und
militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen. Auf diese kann die Union bei
Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der
internationalen Sicherheit gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen
zurückgreifen. Sie erfüllt diese Aufgaben mit Hilfe der Fähigkeiten, die von den
Mitgliedstaaten bereit gestellt werden.
(2) Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik umfasst die schrittweise Festlegung
einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union. Diese führt zu einer
gemeinsamen Verteidigung, sobald der Europäische Rat einstimmig darüber beschlossen
hat. Er empfiehlt in diesem Fall den Mitgliedstaaten, gemäß ihren verfassungsrechtlichen
Vorschriften einen Beschluss zu diesem Zweck zu erlassen.
Die Politik der Union nach diesem Artikel berührt nicht den besonderen Charakter der
Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten; sie achtet die
Verpflichtungen bestimmter Mitgliedstaaten, die ihre gemeinsame Verteidigung in der
Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) verwirklicht sehen, aufgrund des
Nordatlantikvertrages und ist vereinbar mit der in jenem Rahmen festgelegten gemeinsamen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
(3) Die Mitgliedstaaten stellen der Union für die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits-
und Verteidigungspolitik zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der
vom Ministerrat festgelegten Ziele zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten, die untereinander
multinationale Streitkräfte bilden, können diese auch für die Gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik zur Verfügung stellen.
Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu
verbessern. Es wird ein Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische
Fähigkeiten eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und
Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung
der industriellen und technologischen Grundlage des Verteidigungssektors beizutragen und
diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer
europäischen Politik im Bereich Fähigkeiten und Rüstung zu beteiligen sowie den Ministerrat
bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen.
(4) Europäische Beschlüsse zur Durchführung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik,
einschließlich der Beschlüsse über die Einleitung einer Mission nach diesem
Artikel, werden vom Ministerrat einstimmig auf Vorschlag des Außenministers der Union oder
eines Mitgliedstaates erlassen. Der Außenminister der Union kann gegebenenfalls
gemeinsam mit der Kommission den Rückgriff auf einzelstaatliche Mittel sowie auf
Instrumente der Union vorschlagen.
(5) Der Ministerrat kann zur Wahrung der Werte der Union und im Dienste ihrer Interessen
eine Gruppe von Mitgliedstaaten mit der Durchführung einer Mission im Rahmen der Union
beauftragen. Diese Mission wird nach Maßgabe von Artikel [III-206 (ex-Artikel 18)] der
Verfassung durchgeführt.
(6) Die Mitgliedstaaten, die anspruchsvolle Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten
erfüllen und die im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen untereinander
festere Verpflichtungen eingegangen sind, begründen eine strukturierte Zusammenarbeit im
Rahmen der Union. Diese Zusammenarbeit erfolgt nach Maßgabe von Artikel III-208.
(7) Solange der Europäische Rat keinen Beschluss im Sinne des Absatzes 2 gefasst hat,
wird im Rahmen der Union eine engere Zusammenarbeit im Bereich der gegenseitigen
Verteidigung eingerichtet. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit leisten im Falle eines
bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines an dieser Zusammenarbeit beteiligten
Staates die anderen beteiligten Staaten gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen
alle in ihrer Macht stehende militärische und sonstige Hilfe und Unterstützung. Bei der
Umsetzung der engeren Zusammenarbeit im Bereich der gegenseitigen Verteidigung
arbeiten die beteiligten Staaten eng mit der Nordatlantikvertrags-Organisation zusammen.
Die Teilnahmemodalitäten und die praktischen Modalitäten sowie die dieser
Zusammenarbeit eigenen Beschlussfassungsverfahren sind in Artikel III-209 enthalten.
(8) Das Europäische Parlament wird zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden
Weichenstellungen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik regelmäßig
gehört und über ihre Entwicklung auf dem Laufenden gehalten.
Artikel I-41: Besondere Bestimmungen zur Verwirklichung des Raums der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts
(1) Die Union bildet einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
- durch den Erlass von Europäischen Gesetzen und Rahmengesetzen, mit denen, soweit
erforderlich, die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in den in Teil III aufgeführten Bereichen
einander angeglichen werden sollen;
- durch eine Förderung des gegenseitigen Vertrauens zwischen den zuständigen Behörden
der Mitgliedstaaten, insbesondere auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung der
gerichtlichen und außergerichtlichen Entscheidungen;
- durch operative Zusammenarbeit der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten einschließlich
der Polizei, des Zolls und anderer auf die Prävention und die Aufdeckung von
Straftaten spezialisierter Behörden.
(2) Im Rahmen des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts können sich die
nationalen Parlamente an den Bewertungsmechanismen nach Artikel III-156 beteiligen und
werden in die politische Kontrolle von Europol und die Bewertung der Tätigkeit von Eurojust
gemäß Artikel III-169 und III-172 einbezogen.
(3) Im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verfügen die
Mitgliedstaaten über ein Initiativrecht nach Artikel III-160.
Artikel I-42: Solidaritätsklausel
(1) Die Union und ihre Mitgliedstaaten handeln gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn
ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag oder einer Katastrophe natürlichen oder
menschlichen Ursprungs betroffen ist. Die Union mobilisiert alle ihr zur Verfügung stehenden
Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel, um
a) - terroristische Bedrohungen im Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten abzuwenden;
- die demokratischen Institutionen und die Zivilbevölkerung vor etwaigen Terroranschlägen
zu schützen;
- im Falle eines Terroranschlags einen Mitgliedstaat auf Ersuchen seiner politischen
Organe
innerhalb seines Hoheitsgebiets zu unterstützen;
b) im Falle einer Katastrophe einen Mitgliedstaat auf Ersuchen seiner politischen Organe
innerhalb seines Hoheitsgebiets zu unterstützen.
(2) Die Modalitäten für die Durchführung dieser Bestimmung sind in Artikel III-226 enthalten.
Kapitel III - Die verstärkte Zusammenarbeit
Artikel I-43: Die verstärkte Zusammenarbeit
(1) Die Mitgliedstaaten, die untereinander eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der
nicht ausschließlichen Zuständigkeiten der Union begründen wollen, können in den Grenzen
und nach den in diesem Artikel und den Artikeln III-318 bis III-325 vorgesehenen Modalitäten
die Organe der Union in Anspruch nehmen und diese Zuständigkeiten unter Anwendung der
einschlägigen Verfassungsbestimmungen ausüben.
Eine verstärkte Zusammenarbeit ist darauf ausgerichtet, die Ziele der Union zu fördern, ihre
Interessen zu schützen und ihren Integrationsprozess zu stärken. Sie steht bei ihrer
Begründung und anschließend gemäß Artikel III-321 jederzeit allen Mitgliedstaaten offen.
(2) Die Ermächtigung zur Einleitung einer verstärkten Zusammenarbeit wird vom Ministerrat
als letztes Mittel gewährt, wenn im Ministerrat festgestellt worden ist, dass die mit ihr
angestrebten Ziele von der Union insgesamt nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums
verwirklicht werden können, und sofern an der Zusammenarbeit mindestens ein Drittel der
Mitgliedstaaten beteiligt ist. Der Ministerrat beschließt nach dem in Artikel III-vorgesehenen Verfahren.
(3) Nur die Mitglieder des Ministerrates, welche die an der verstärkten Zusammenarbeit
beteiligten Staaten vertreten, nehmen an der Annahme der Rechtsakte im Ministerrat teil. An
den Beratungen des Ministerrates dürfen jedoch alle Mitgliedstaaten teilnehmen.
Die Einstimmigkeit bezieht sich allein auf die Stimmen der Vertreter der an der verstärkten
Zusammenarbeit beteiligten Staaten. Als qualifizierte Mehrheit gilt die Mehrheit der Stimmen
der Vertreter der beteiligten Staaten, sofern diese mindestens drei Fünftel der Bevölkerung
dieser Staaten repräsentiert.
Wenn der Ministerrat gemäß der Verfassung nicht auf der Grundlage eines Vorschlags der
Kommission beschließen muss oder wenn nicht auf Initiative des Außenministers beschließt,
so entspricht die erforderliche qualifizierte Mehrheit zwei Dritteln der beteiligten Staaten,
sofern diese mindestens drei Fünftel der Bevölkerung dieser Staaten repräsentieren.
(4) An die im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit erlassenen Rechtsakte sind nur die
an dieser Zusammenarbeit beteiligten Staaten gebunden. Sie gelten nicht als Besitzstand,
der von beitrittswilligen Ländern angenommen werden muss.
TITEL VI - DAS DEMOKRATISCHE LEBEN DER UNION
Artikel I-44: Grundsatz der demokratischen Gleichheit
Die Union achtet in ihrem gesamten Handeln den Grundsatz der Gleichheit ihrer Bürgerinnen
und Bürger. Die Bürgerinnen und Bürger genießen ein gleiches Maß an Aufmerksamkeit
seitens der Organe der Union.
Artikel I-45: Grundsatz der repräsentativen Demokratie
(1) Die Arbeitsweise der Union beruht auf dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie.
(2) Die Bürgerinnen und Bürger sind auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen
Parlament vertreten. Die Mitgliedstaaten werden im Europäischen Rat und im Rat von ihren
jeweiligen Regierungen vertreten, die ihrerseits den von den Bürgerinnen und Bürgern
gewählten nationalen Parlamenten Rechenschaft ablegen müssen.
(3) Alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, am demokratischen Leben der Union
teilzunehmen. Die Entscheidungen werden so offen und so bürgernah wie möglich getroffen.
(4) Politische Parteien auf europäischer Ebene tragen zur Herausbildung eines europäischen
politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der
Union bei.
Artikel I-46: Grundsatz der partizipativen Demokratie
(1) Die Organe der Union geben den Bürgerinnen und Bürgern und den repräsentativen
Verbänden in geeigneter Weise die Möglichkeit, ihre Ansichten zu allen Bereichen des
Handelns der Union öffentlich bekannt zu geben und auszutauschen.
(2) Die Organe der Union pflegen einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit
den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft.
(3) Um die Kohärenz und die Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten, führt
die Kommission umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durch.
(4) Eine erhebliche Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern - nicht weniger als eine Million -
aus einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten können die Kommission auffordern,
geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht der
Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um diese Verfassung
umzusetzen. Die Bestimmungen über die besonderen Verfahren und Bedingungen, die für
eine solche Bürgerinitiative gelten, werden durch ein Europäisches Gesetz festgelegt.
Artikel I-47: Die Sozialpartner und der autonome soziale Dialog
Die Europäische Union anerkennt und fördert die Rolle der Sozialpartner auf Ebene der
Union unter Berücksichtigung der Unterschiedlichkeit der nationalen Systeme; sie fördert den
sozialen Dialog und achtet dabei die Autonomie der Sozialpartner.
Artikel I-48: Der Europäische Bürgerbeauftragte
Das Europäische Parlament ernennt einen Europäischen Bürgerbeauftragten, der
Beschwerden über Missstände bei der Tätigkeit der Organen, Einrichtungen, Ämter oder
Agenturen der Union entgegennimmt, ihnen nachgeht und darüber Bericht erstattet. Der
Europäische Bürgerbeauftragte übt sein Amt in völliger Unabhängigkeit aus.
Artikel I-49: Transparenz der Arbeit der Organe der Union
(1) Um eine verantwortungsvolle Verwaltung zu fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft
sicherzustellen, handeln die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der
Union unter weitest gehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit.
(2) Das Europäische Parlament tagt öffentlich; dies gilt auch für den Ministerrat, wenn er
über Gesetzgebungsvorschläge berät oder beschließt.
(3) Jede Unionsbürgerin und jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person
mit Wohnsitz oder mit Sitz in einem Mitgliedstaat hat unter den in Teil III festgelegten
Bedingungen das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen, Ämter und
Agenturen der Union, und zwar unabhängig davon, in welcher Form diese Dokumente
erstellt werden.
(4) In Europäischen Gesetzen werden die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher
oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des Rechts auf
Zugang zu solchen Dokumenten festgelegt.
(5) Im Einklang mit den in Absatz 4 genannten Europäischen Gesetzen legen die in Absatz 3
genannten Organe, Einrichtungen, Ämter oder Agenturen in ihren jeweiligen
Geschäftsordnungen besondere Bestimmungen für den Zugang zu ihren Dokumenten fest.
Artikel I-50: Schutz personenbezogener Daten
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten.
(2) Europäische Gesetze legen Regeln über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen
der Union sowie durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in
den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und über den freien Datenverkehr fest. Die
Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Behörde überwacht.
Artikel I-51: Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften
(1) Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften
in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt
ihn nicht.
(2) Die Union achtet den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften in gleicher Weise.
(3) Die Union pflegt in Anerkennung der Identität und des besonderen Beitrags dieser
Kirchen und Gemeinschaften einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit
ihnen.
TITEL VII - DIE FINANZEN DER UNION
Artikel I-52: Die Haushalts- und Finanzgrundsätze
(1) Alle Einnahmen und Ausgaben der Union werden gemäß den Bestimmungen von Teil III
für jedes Haushaltsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingesetzt.
(2) Der Haushaltsplan ist in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen.
(3) Die in den Haushaltsplan eingesetzten Ausgaben werden für ein Haushaltsjahr gemäß
dem Europäischen Gesetz nach Artikel III-314 bewilligt.
(4) Die Ausführung der in den Haushaltsplan eingesetzten Ausgaben setzt den Erlass eines
verbindlichen Rechtsakts voraus, mit dem die Maßnahme der Union und die Ausführung der
entsprechenden Ausgabe gemäß dem Europäischen Gesetz nach Artikel III-314 eine
Rechtsgrundlage erhalten. Dieser Rechtsakt muss in Form eines Europäischen Gesetzes,
eines Europäischen Rahmengesetzes, einer Europäischen Verordnung oder eines Europäischen
Beschlusses ergehen.
(5) Damit die Haushaltsdisziplin gewährleistet wird, erlässt die Union keine Rechtsakte, die
erhebliche Auswirkungen auf den Haushaltsplan haben könnten, ohne die Gewähr zu bieten,
dass der betreffende Vorschlag bzw. die betreffende Maßnahme im Rahmen der Eigenmittel
der Union und der im mehrjährigen Finanzrahmen nach Artikel I-54 finanziert werden kann.
(6) Der Haushaltsplan der Union wird entsprechend dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der
Haushaltsführung ausgeführt. Die Mitgliedstaaten arbeiten mit der Union zusammen, um
sicherzustellen, dass die in den Haushaltsplan eingesetzten Mittel nach dem Grundsatz der
Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung verwendet werden.
(7) Die Union und die Mitgliedstaaten bekämpfen Betrug und sonstige gegen die finanziellen
Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen gemäß den Bestimmungen von
Artikel III-317.
Artikel I-53: Die Finanzmittel der Union
(1) Die Union stattet sich mit den erforderlichen Mitteln aus, um ihre Ziele erreichen und ihre
Politik durchführen zu können.
(2) Der Haushalt der Union wird unbeschadet der sonstigen Einnahmen vollständig aus
Eigenmitteln finanziert.
(3) Die Obergrenze für die Finanzmittel der Union wird in einem Europäischen Gesetz des
Ministerrates festgelegt, durch das auch neue Mittelkategorien eingeführt und bestehende
Kategorien abgeschafft werden können. Dieses Gesetz tritt erst nach Zustimmung der
Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen Verfassungsbestimmungen in Kraft. Der
Ministerrat beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments.
(4) Die Modalitäten der Finanzmittel der Union werden in einem Europäischen Gesetz des
Ministerrates geregelt. Der Ministerrat beschließt nach Zustimmung des Europäischen
Parlaments.
Artikel I-54: Der mehrjährige Finanzrahmen
(1) Mit dem mehrjährigen Finanzrahmen soll sichergestellt werden, dass die Ausgaben der
Union innerhalb der Grenzen der Eigenmittel eine geordnete Entwicklung nehmen. Im mehrjährigen
Finanzrahmen werden die jährlichen Obergrenzen für die Mittel für Verpflichtungen
je Ausgabenkategorie im Einklang mit den Bestimmungen von Artikel III-304 festgesetzt.
(2) Der mehrjährige Finanzrahmen wird in einem Europäischen Gesetz des Ministerrates
festgelegt. Der Ministerrat beschließt nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, das
mit der Mehrheit seiner Mitglieder Stellung nimmt.
(3) Bei der Aufstellung des jährlichen Haushaltsplans der Union ist der mehrjährige Finanzrahmen
einzuhalten.
(4) Bei der Festlegung des ersten mehrjährigen Finanzrahmens nach Inkrafttreten der Verfassung
beschließt der Ministerrat einstimmig.
Artikel I-55: Der Haushaltsplan der Union
Das Europäische Parlament und der Ministerrat erlassen auf Vorschlag der Kommission
gemäß den Modalitäten des Artikels III-306 das Europäische Gesetz zur Feststellung des
jährlichen Haushaltsplans der Union.
TITEL VIII - DIE UNION UND IHRE NACHBARN
Artikel I-56: Die Union und ihre Nachbarn
(1) Die Union entwickelt besondere Beziehungen zu den Staaten in ihrer Nachbarschaft, um
einen Raum des Wohlstands und der guten Nachbarschaft zu schaffen, der auf den Werten
der Union aufbaut und sich durch enge, friedliche Beziehungen auf der Grundlage der
Zusammenarbeit auszeichnet.
(2) Zu diesem Zweck kann die Union nach Artikel III-222 spezielle Abkommen mit den
betreffenden Ländern schließen und durchführen. Diese Abkommen können gegenseitige
Rechte und Pflichten umfassen und die Möglichkeit zu gemeinsamem Vorgehen eröffnen.
Zur Durchführung der Abkommen finden regelmäßig Konzertierungen statt.
TITEL IX - ZUGEHÖRIGKEIT ZUR UNION
Artikel I-57: Kriterien und Verfahren für den Beitritt zur Union
(1) Die Union steht allen europäischen Staaten offen, die die in Artikel I-2 genannten Werte
achten und sich verpflichten, ihnen gemeinsam Geltung zu verschaffen.
(2) Jeder europäische Staat, der Mitglied der Union werden möchte, kann seinen Antrag an
den Ministerrat richten. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente der
Mitgliedstaaten werden von diesem Antrag unterrichtet. Der Ministerrat beschließt einstimmig
nach Anhörung der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments. Die
Bedingungen und Modalitäten der Aufnahme werden durch ein Abkommen zwischen den
Mitgliedstaaten und dem antragstellenden Staat geregelt. Dieses Abkommen bedarf der
Ratifikation durch alle Vertragsstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften.
Artikel I-58: Aussetzung der mit der Zugehörigkeit zur Union verbundenen Rechte
(1) Auf begründeten Vorschlag eines Drittels der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments
oder der Kommission kann der Ministerrat mit der Mehrheit von vier Fünfteln seiner
Mitglieder nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einen Europäischen Beschluss
erlassen, mit dem festgestellt wird, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden
Verletzung der in Artikel I-2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat besteht. Der
Ministerrat hört, bevor er eine solche Feststellung trifft, den betroffenen Mitgliedstaat und
kann nach demselben Verfahren Empfehlungen an ihn richten.
Der Ministerrat überprüft regelmäßig, ob die Gründe, die zu dieser Feststellung geführt
haben, noch zutreffen.
(2) Auf Vorschlag eines Drittels der Mitgliedstaaten oder der Kommission und nach
Zustimmung des Europäischen Parlaments kann der Europäische Rat einstimmig einen
Europäischen Beschluss erlassen, mit dem festgestellt wird, dass eine schwerwiegende und
anhaltende Verletzung der in Artikel I-2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat vorliegt,
nachdem er den betroffenen Mitgliedstaat zu einer Stellungnahme aufgefordert hat.
(3) Wurde die Feststellung nach Absatz 2 getroffen, so kann der Ministerrat mit qualifizierter
Mehrheit einen Europäischen Beschluss erlassen, mit dem bestimmte Rechte, die sich aus
der Anwendung der Verfassung auf den betroffenen Mitgliedstaat herleiten, einschließlich
der Stimmrechte des Mitgliedstaats im Ministerrat ausgesetzt werden. Dabei berücksichtigt
er die möglichen Auswirkungen einer solchen Aussetzung auf die Rechte und Pflichten
natürlicher und juristischer Personen.
Die sich aus der Verfassung ergebenden Verpflichtungen des betroffenen Mitgliedstaats sind
für diesen auf jeden Fall weiterhin verbindlich.
(4) Der Ministerrat kann zu einem späteren Zeitpunkt mit qualifizierter Mehrheit einen Europäischen
Beschluss erlassen, mit dem die nach Absatz 3 getroffenen Maßnahmen
abgeändert oder aufgehoben werden, wenn in der Lage, die zur Verhängung dieser
Maßnahmen geführt hat, Änderungen eingetreten sind.
(5) Für die Zwecke dieses Artikels beschließt der Ministerrat ohne Berücksichtigung des
betroffenen Mitgliedstaats. Die Stimmenthaltung von anwesenden oder vertretenen
Mitgliedern steht dem Zustandekommen von Beschlüssen nach Absatz 2 nicht entgegen.
Dieser Absatz gilt auch, wenn Stimmrechte nach Absatz 3 ausgesetzt werden.
(6) Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 beschließt das Europäische Parlament mit der
Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und mit der Mehrheit seiner Mitglieder.
Artikel I-59: Freiwilliger Austritt aus der Union
(1) Jeder Mitgliedstaat kann gemäß seinen internen Verfassungsvorschriften beschließen,
aus der Europäischen Union auszutreten.
(2) Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat seine Absicht
mit; dieser befasst sich mit der Mitteilung. Auf der Grundlage der Leitlinien des Europäischen
Rates handelt die Union mit diesem Staat ein Abkommen über die Modalitäten des Austritts
aus und schließt es, wobei der Rahmen für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur
Union berücksichtigt wird. Das Abkommen wird nach Zustimmung des Europäischen
Parlaments vom Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit im Namen der Union geschlossen.
Der Vertreter des austretenden Mitgliedstaats nimmt weder an den diesen Mitgliedstaat
betreffenden Beratungen noch an der diesbezüglichen Beschlussfassung des Europäischen
Rates oder des Ministerrates teil.
(3) Diese Verfassung findet auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des
Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der in Absatz 2 genannten Mitteilung
keine Anwendung mehr, es sei denn, dass der Europäische Rat im Einvernehmen mit dem
betroffenen Mitgliedstaat beschließt, diese Frist zu verlängern.
(4) Ein Staat, der aus der Union ausgetreten ist und erneut Mitglied werden möchte, muss
dies gemäß dem Verfahren des Artikels I-57 beantragen.
TEIL II
DIE CHARTA DER GRUNDRECHTE DER UNION
PRÄAMBEL
Die Völker Europas sind entschlossen, auf der Grundlage gemeinsamer Werte eine friedliche
Zukunft zu teilen, indem sie sich zu einer immer engeren Union verbinden.
In dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf
die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit
und der Solidarität. Sie beruht auf den Grundsätzen der Demokratie und der
Rechtsstaatlichkeit. Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns, indem sie die
Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet.
Die Union trägt zur Erhaltung und zur Entwicklung dieser gemeinsamen Werte unter Achtung
der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker Europas sowie der nationalen Identität
der Mitgliedstaaten und der Organisation ihrer staatlichen Gewalt auf nationaler, regionaler
und lokaler Ebene bei. Sie ist bestrebt, eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung zu
fördern und stellt den freien Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie
die Niederlassungsfreiheit sicher.
Zu diesem Zweck ist es notwendig, angesichts der Weiterentwicklung der Gesellschaft, des
sozialen Fortschritts und der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen den
Schutz der Grundrechte zu stärken, indem sie in einer Charta sichtbarer gemacht werden.
Diese Charta bekräftigt unter Achtung der Zuständigkeiten und Aufgaben der Union und des
Subsidiaritätsprinzips die Rechte, die sich vor allem aus den gemeinsamen
Verfassungstraditionen und den gemeinsamen internationalen Verpflichtungen der
Mitgliedstaaten, aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten, aus den von der Union und dem Europarat beschlossenen Sozialchartas
sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergeben. In diesem Zusammenhang wird die
Charta von den Gerichten der Union und der Mitgliedstaaten unter gebührender
Berücksichtigung der Erläuterungen, die auf Veranlassung und in eigener Verantwortung des
Präsidiums des Konvents zur Ausarbeitung der Charta formuliert wurden, ausgelegt werden.
Die Ausübung dieser Rechte ist mit Verantwortlichkeiten und Pflichten sowohl gegenüber
den Mitmenschen als auch gegenüber der menschlichen Gemeinschaft und den künftigen
Generationen verbunden.
Daher erkennt die Union die nachstehend aufgeführten Rechte, Freiheiten und Grundsätze
an.
TITEL I - WÜRDE DES MENSCHEN
Artikel II-1: Würde des Menschen
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.
Artikel II-2: Recht auf Leben
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Leben.
(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.
Artikel II-3: Recht auf Unversehrtheit
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.
(2) Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet
werden:
a) die freie Einwilligung des Betroffenen nach vorheriger Aufklärung entsprechend den
gesetzlich festgelegten Modalitäten,
b) das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von
Menschen zum Ziel haben,
c) das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von
Gewinnen zu nutzen,
d) das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.
Artikel II-4: Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder
Behandlung
Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung
unterworfen werden.
Artikel II-5: Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit
(1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.
(2) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.
(3) Menschenhandel ist verboten.
TITEL II - FREIHEITEN
Artikel II-6: Recht auf Freiheit und Sicherheit
Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.
Artikel II-7: Achtung des Privat- und Familienlebens
Jeder Mensch hat das Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner
Wohnung sowie
seiner Kommunikation.
Artikel II-8: Schutz personenbezogener Daten
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten.
(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit
Einwilligung
der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage
verarbeitet werden. Jeder Mensch hat das Recht, Auskunft über die ihn betreffenden
erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.
(3) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.
Artikel II-9: Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen
Das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach den
einzel-staatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln.
Artikel II-10: Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses
Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die
Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich
oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.
(2) Das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nach den
einzelstaatlichen Gesetzen anerkannt, welche die Ausübung dieses Rechts regeln.
Artikel II-11: Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die
Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe
und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.
(2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.
Artikel II-12: Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
(1) Jeder Mensch hat das Recht, sich insbesondere im politischen, gewerkschaftlichen und
zivilgesellschaftlichen Bereich auf allen Ebenen frei und friedlich mit anderen zu versammeln
und frei mit anderen zusammenzuschließen, was das Recht jedes Menschen umfasst, zum
Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten.
(2) Politische Parteien auf der Ebene der Union tragen dazu bei, den politischen Willen der
Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zum Ausdruck zu bringen.
Artikel II-13: Freiheit von Kunst und Wissenschaft
Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.
Artikel II-14: Recht auf Bildung
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung sowie auf Zugang zur beruflichen Ausbildung
und Weiterbildung.
(2) Dieses Recht umfasst die Möglichkeit, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht
teilzunehmen.
(3) Die Freiheit zur Gründung von Lehranstalten unter Achtung der demokratischen
Grundsätze sowie das Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder
entsprechend ihren eigenen religiösen, weltanschaulichen und erzieherischen
Überzeugungen sicherzustellen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen geachtet,
welche ihre Ausübung regeln.
Artikel II-15: Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten
(1) Jeder Mensch hat das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen
Beruf auszuüben.
(2) Alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die Freiheit, in jedem Mitgliedstaat
Arbeit zu suchen, zu arbeiten, sich niederzulassen oder Dienstleistungen zu erbringen.
(3) Die Staatsangehörigen dritter Länder, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten arbeiten
dürfen, haben Anspruch auf Arbeitsbedingungen, die denen der Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger entsprechen.
Artikel II-16: Unternehmerische Freiheit
Die unternehmerische Freiheit wird nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt.
Artikel II-17: Eigentumsrecht
(1) Jeder Mensch hat das Recht, sein rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu
nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen
werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den
Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige
angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums
kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.
(2) Geistiges Eigentum wird geschützt.
Artikel II-18: Asylrecht
Das Recht auf Asyl wird nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des
Protokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie gemäß der
Verfassung gewährleistet.
Artikel II-19: Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung
(1) Kollektivausweisungen sind nicht zulässig.
(2) Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat
ausgeliefert
werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer
anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.
TITEL III - GLEICHHEIT
Artikel II-20: Gleichheit vor dem Gesetz
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Artikel II-21: Nichtdiskriminierung
(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der
ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion
oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu
einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder
der sexuellen Ausrichtung sind verboten.
(2) Im Anwendungsbereich der Verfassung ist unbeschadet ihrer einzelnen Bestimmungen
jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.
Artikel II-22: Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen
Die Union achtet die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen.
Artikel II-23: Gleichheit von Männern und Frauen
Die Gleichheit von Männern und Frauen ist in allen Bereichen, einschließlich der
Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen. Der Grundsatz der
Gleichheit steht der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das
unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen.
Artikel II-24: Rechte des Kindes
(1) Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen
notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre Meinung wird in den
Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden
Weise berücksichtigt.
(2) Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen muss
das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.
(3) Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte
zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.
Artikel II-25: Rechte älterer Menschen
Die Union anerkennt und achtet das Recht älterer Menschen auf ein würdiges und
unabhängiges Leben und auf Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben.
Artikel II-26: Integration von Menschen mit Behinderung
Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf
Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen
Eingliederung und ihrer
Teilnahme am Leben der Gemeinschaft.
TITEL IV - SOLIDARITÄT
Artikel II-27: Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer im Unternehmen
Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Vertreter muss auf den geeigneten
Ebenen eine rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung in den Fällen und unter den
Voraussetzungen gewährleistet sein, die nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten vorgesehen sind.
Artikel II-28: Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oder
ihre jeweiligen Organisationen haben nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten
Ebenen auszuhandeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive
Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen, einschließlich Streiks, zu ergreifen.
Artikel II-29: Recht auf Zugang zu einem Arbeitsvermittlungsdienst
Jeder Mensch hat das Recht auf Zugang zu einem unentgeltlichen Arbeitsvermittlungsdienst.
Artikel II-30: Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung
Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat nach dem Unionsrecht und den
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Anspruch auf Schutz vor
ungerechtfertigter Entlassung.
Artikel II-31: Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen
(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und
würdige Arbeitsbedingungen.
(2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der
Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten
Jahresurlaub.
Artikel II-32: Verbot der Kinderarbeit und Schutz der Jugendlichen am Arbeitsplatz
Kinderarbeit ist verboten. Unbeschadet günstigerer Vorschriften für Jugendliche und
abgesehen von begrenzten Ausnahmen darf das Mindestalter für den Eintritt in das
Arbeitsleben das Alter, in dem die Schulpflicht endet, nicht unterschreiten.
Zur Arbeit zugelassene Jugendliche müssen ihrem Alter angepasste Arbeitsbedingungen
erhalten und vor wirtschaftlicher Ausbeutung und vor jeder Arbeit geschützt werden, die ihre
Sicherheit, ihre Gesundheit, ihre körperliche, geistige, sittliche oder soziale Entwicklung
beeinträchtigen oder ihre Erziehung gefährden könnte.
Artikel II-33: Familien- und Berufsleben
(1) Der rechtliche, wirtschaftliche und soziale Schutz der Familie wird gewährleistet.
(2) Um Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang bringen zu können, hat jeder
Mensch das Recht auf Schutz vor Entlassung aus einem mit der Mutterschaft
zusammenhängenden Grund sowie den Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub
und auf einen Elternurlaub nach der Geburt oder Adoption eines Kindes.
Artikel II-34: Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung
(1) Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen
Sicherheit und zu den sozialen Diensten, die in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit,
Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit oder im Alter sowie bei Verlust des Arbeitsplatzes Schutz
gewährleisten, nach Maßgabe des Unionsrechts und der einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.
(2) Jeder Mensch, die in der Union seinen rechtmäßigen Wohnsitz hat und seinen Aufenthalt
rechtmäßig wechselt, hat Anspruch auf die Leistungen der sozialen Sicherheit und die
sozialen Vergünstigungen nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.
(3) Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die
Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung,
die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein
sicherstellen sollen, nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts und der einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.
Artikel II-35: Gesundheitsschutz
Jeder Mensch hat das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche
Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.
Bei der Festlegung und Durchführung der Politik und Aktionen der Union in allen Bereichen
wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt.
Artikel II-36: Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
Die Union anerkennt und achtet den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse, wie er durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und
Gepflogenheiten im Einklang mit der Verfassung geregelt ist, um den sozialen und
territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.
Artikel II-37: Umweltschutz
Ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität müssen in die
Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung
sichergestellt werden.
Artikel II-38: Verbraucherschutz
Die Politik der Union stellt ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher.
TITEL V - BÜRGERRECHTE
Artikel II-39: Aktives und passives Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament
(1) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger besitzen in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren
Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen
Parlament, wobei für sie dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des
betreffenden Mitgliedstaats.
(2) Die Mitglieder des Europäischen Parlaments werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier
und geheimer Wahl gewählt.
Artikel II-40: Aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger besitzen in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren
Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen, wobei für sie
dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats.
Artikel II-41: Recht auf eine gute Verwaltung
(1) Jeder Mensch hat ein Recht darauf, dass seine Angelegenheiten von den Organen,
Einrichtungen, Ämtern und Agenturen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer
angemessenen Frist behandelt werden.
(2) Dieses Recht umfasst insbesondere
- das Recht eines jeden Menschen, gehört zu werden, bevor ihm gegenüber eine für ihn
nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird,
- das Recht eines jeden Menschen auf Zugang zu den ihn betreffenden Akten unter
Wahrung des legitimen Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und
Geschäftsgeheimnisses,
- die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen.
(3) Jeder Mensch hat Anspruch darauf, dass die Gemeinschaft den durch ihre Organe oder
Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen
Rechtsgrundsätzen ersetzt, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.
(4) Jeder Mensch kann sich in einer der Sprachen der Verfassung an die Organe der Union
wenden und muss eine Antwort in derselben Sprache erhalten.
Artikel II-42: Recht auf Zugang zu Dokumenten
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit
Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat haben das Recht auf Zugang
zu den Dokumenten der Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union,
unabhängig davon, in welcher Form diese Dokumente erstellt werden.
Artikel II-43: Der Bürgerbeauftragte
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit
Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat haben das Recht, den
Bürgerbeauftragten der Union im Falle von Missständen bei der Tätigkeit der Organe,
Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union, mit Ausnahme des Gerichtshofs und des
Gerichts in Ausübung ihrer Rechtsprechungsbefugnisse, zu befassen.
Artikel II-44: Petitionsrecht
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit
Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat haben das Recht, eine Petition
an das Europäische Parlament zu richten.
Artikel II-45: Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit
(1) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben das Recht, sich im Hoheitsgebiet der
Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
(2) Staatsangehörigen dritter Länder, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats aufhalten, kann gemäß der Verfassung Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit
gewährt werden.
Artikel II-46: Diplomatischer und konsularischer Schutz
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger genießen im Hoheitsgebiet eines Drittlandes, in
dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, nicht vertreten ist, den
Schutz der diplomatischen und konsularischen Stellen eines jeden Mitgliedstaats unter
denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates.
TITEL VI - JUSTIZIELLE RECHTE
Artikel II-47: Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht
Jeder Mensch, dessen durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten
verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehen
Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.
Jeder Mensch hat ein Recht darauf, dass seine Sache von einem unabhängigen,
unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren,
öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jeder Mensch kann sich
beraten, verteidigen und vertreten lassen.
Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt,
soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu
gewährleisten.
Artikel II-48: Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte
(1) Jeder Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als
unschuldig.
(2) Jedem Angeklagten wird die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet.
Artikel II-49: Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im
Zusammenhang mit Straftaten und Strafen
(1) Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit
ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf
auch keine schwerere Strafe als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt
werden. Wird nach Begehung einer Straftat durch Gesetz eine mildere Strafe eingeführt, so
ist diese zu verhängen.
(2) Dieser Artikel schließt nicht aus, dass eine Person wegen einer Handlung oder
Unterlassung verurteilt oder bestraft wird, die zur Zeit ihrer Begehung nach den allgemeinen,
von der Gesamtheit der Nationen anerkannten Grundsätzen strafbar war.
(3) Das Strafmaß darf gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein.
Artikel II-50: Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder
bestraft zu werden
Niemand darf wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz
rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt
oder bestraft werden.
TITEL VII - ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN ÜBER DIE AUSLEGUNG UND
ANWENDUNG DER CHARTA
Artikel II-51: Anwendungsbereich
(1) Diese Charta gilt für die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union unter
Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der
Durchführung des Rechts der Union. Dementsprechend achten sie die Rechte, halten sie
sich an die Grundsätze und fördern sie deren Anwendung gemäß ihren jeweiligen
Zuständigkeiten und unter Achtung der Grenzen der Zuständigkeiten, die der Union in
anderen Teilen der Verfassung übertragen werden.
(2) Diese Charta dehnt den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die
Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch
neue Aufgaben für die Union, noch ändert sie die in anderen Teilen der Verfassung
festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben.
Artikel II-52: Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze
(1) Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und
Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und
Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen
Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der
Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des
Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
(2) Die Ausübung der durch diese Charta anerkannten Rechte, die in anderen Teilen der
Verfassung geregelt sind, erfolgt im Rahmen der in diesen Teilen festgelegten Bedingungen
und Grenzen.
(3) So weit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben
sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention
verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union
einen weiter gehenden Schutz gewährt.
(4) Soweit in dieser Charta Grundrechte anerkannt werden, wie sie sich aus den
gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, werden sie im
Einklang mit diesen Überlieferungen ausgelegt.
(5) Die Bestimmungen der Charta, in denen Grundsätze festgelegt sind, können durch Akte
der Gesetzgebung und der Ausführung der Organe und Einrichtungen der Union sowie durch
Akte der Mitgliedstaaten zur Durchführung des Rechts der Union in Ausübung ihrer
jeweiligen Zuständigkeiten umgesetzt werden. Sie können vor Gericht nur bei der Auslegung
dieser Akte und bei Entscheidungen über deren Rechtmäßigkeit herangezogen werden.
(6) Den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ist, wie in dieser Charta
bestimmt ist, in vollem Umfang Rechnung zu tragen.
Artikel II-53: Schutzniveau
Keine Bestimmung dieser Charta ist als eine Einschränkung oder Verletzung der
Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen, die in dem jeweiligen Anwendungsbereich
durch das Recht der Union und das Völkerrecht sowie durch die internationalen
Übereinkommen, bei denen die Union oder alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind,
darunter insbesondere die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten, sowie durch die Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt werden.
Artikel II-54: Verbot des Missbrauchs der Rechte
Keine Bestimmung dieser Charta ist so auszulegen, als begründe sie das Recht, eine
Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, die darauf abzielt, die in der Charta
anerkannten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als dies
in der Charta vorgesehen ist.
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