"Jede militärische Mission, die nicht der Verteidigung dient, ist völkerrechtswidriger, verfassungswidriger und strafbarer Angriffskrieg"
Aus einem Gutachten von Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider zur EU-Verfassung
Dass ausgerechnet der "schwarze Peter", der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler von der CSU, eine Verfassungsklage gegen die Annahme der EU-Verfassung in Deutschland anstrengt, ist für die echten Europäer und überzeugten Kritiker der EU-Militärverfassung ein Ärgernis. Ihnen sind die wahren Ablehnungsgründe Gauweilers durchaus suspekt - kommen sie doch eher aus einer nationalen Richtung ähnlich der Haltung der Haiderpartei in Österreich oder der Rechtsradikalen eines Le Pen in Frankreich. Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, der den CSU-Abgeordneten bei seiner Klage juristisch unterstützt, hat indessen ein Gutachten vorgelegt, das sich in der Zunft sehen lassen kann und von einigem Gewicht ist.
Im Folgenden dokumentieren wir einen Auszug aus dem Gutachten (Teil 9), das sich mit den Aspekten der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU befasst. Das ganze Gutachten gibt es als pdf-Datei ebenfalls auf dieser Homepage: "Argumente gegen die Zustimmung
zum Vertrag über eine Verfassung für Europa".
9. Ermächtigung der Europäischen Union zum Kriege und Verlust der existentiellen
Verteidigungshoheit der Mitgliedstaaten
Zur existentiellen Staatlichkeit gehört die Verteidigungshoheit, aber auch die Verteidigungsfähigkeit.
Der Verfassungsvertrag überträgt nicht nur die Verteidigungshoheit der
Mitgliedstaaten weitgehend auf die Europäische Union, sondern begründet weit über die
bisherige gouvernementale Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hinaus eine militärische
Unionsmacht, welche zu entwickeln und zu stärken Verpflichtung der Mitgliedstaaten
wird (Art. – 41 Abs. 3 Unterabs. 2 VV). Zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
gehören auch die Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung,
Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung
mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen (Art. I - 41 Abs. 1, Art. III - 309
Abs. 1 VV). Die Union ermächtigt sich auch zur Bekämpfung des Terrorismus auch in
Drittländern (Art. III – 309 Abs. 1 S. 2 VV). Der Begriff des Terrorismus ist denkbar unklar.
Mit der Annahme des Terrorismus läßt sich der Einmarsch in ein Drittland und die
Besetzung eines Drittlandes rechtfertigen. Damit mißt sich die Union ein Recht zum
Kriege (ius ad bellum) zu, das sie zu Angriffskriegen ermächtigt, welche mit den genannten
Zwecken nicht gerechtfertigt werden können. Das Gewaltverbot ist ein Grundpfeiler
des modernen Völkerrechts (Art. 2 Abs. 1 UNO-Charta). Es verbietet Interventionen,
auch die humanitäre Intervention. Der Weltfrieden rechtfertigt den Einsatz militärischer
Gewalt aber auch nur, wenn dies der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschließt
(Art. 42 UNO-Charta).
Die Mitglieder der Vereinten Nationen haben das Recht zur Verteidigung, auch zur Verteidigung
im Bündnis (Art. 51 UNO-Charta). Jede militärische Mission, die nicht der
Verteidigung dient, ist völkerrechtswidriger, verfassungswidriger und strafbarer Angriffskrieg.
Die Grenzen, welche die Charta der Vereinten Nationen zieht, werden durch
die Kriegsverfassung des Verfassungsvertrages überschritten. Das Europäische Parlament
ist im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht entscheidungsbefugt,
erst recht sind es nicht die Parlamente der Mitgliedstaaten. Allerdings müssen
die Mitgliedstaaten ihrer Beteiligung an Missionen zustimmen (Art. III – 310 VV).
Der Verteidigung eines angegriffenen Mitgliedstaates dürfen sie sich nicht entziehen
(Art. I – 41 Abs. 7 VV). Weil die militärischen Fähigkeiten der Mitgliedstaaten integriert
sind und diese Integration verstärkt werden soll, kommt es realpolitisch nicht in Betracht,
daß jedenfalls Deutschland sich einer Teilnahme an einer Mission verweigert. Langfristig
soll eine gemeinsame Verteidigung der Union geschaffen werden, die der Europäische
Rat einstimmig beschließen kann. Dann endet die eigenständige Verteidigungshoheit und
Verteidigungsfähigkeit der Mitgliedstaaten und damit ein wesentlicher Teil deren existentieller
Staatlichkeit gänzlich.
Vorher können die Mitgliedstaaten, welche im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen
untereinander weitergehende Verpflichtungen eingegangen sind, eine ständig
strukturierte Zusammenarbeit im Rahmen der Union begründen, d.h. die militärische
Angriffsfähigkeit bestimmter Mitgliedstaaten kann eigenständig entwickelt werden. Das
militärrechtliche Parlamentsprinzip, welches demokratierechtlich, jedenfalls in der verfassungsrechtlichen
Praxis (BVerfGE 90, 286 (381 ff.; 104, 151 (205)), geboten ist, ist
vom Verfassungsvertrag nicht übernommen. Die Verteidigungs- und (vermeintliche)
Friedenspolitik wird vielmehr von „dem Geist der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität“,
welche die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Mitgliedstaaten bestimmen
soll, geleitet, so daß eine eigenständige, etwa pazifistische Friedenspolitik Deutschlands
(Nie wieder Krieg!) ausgeschlossen ist. Die Militarisierung der Europäischen Union
beendet die Friedenspolitik Deutschlands, die vom Grundgesetz gefordert ist, welches die
Bundeswehr (abgesehen von begrenzten innenpolitischen Aufgaben und Befugnissen) für
die Verteidigung eingerichtet hat (Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG).
Die Europäische Union bezweckt mit der Sicherheits- und Verteidigungspolitik des Verfassungsvertrages,
sich als Weltmacht oder Großmacht neben die Vereinigten Staaten von
Amerika zu stellen. Das verläßt das Friedensparadigma Europas, welches ausgerechnet
als die große Rechtfertigung der europäischen Integration vorgegeben wird.
Hier geht es zum Gesamttext des Gutachten:
Argumente gegen die Zustimmung
zum Vertrag über eine Verfassung für Europa
Von Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider, Erlangen-Nürnberg (24. Mai 2005)
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