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Keine Bankdaten für die USA

Europaparlament fordert Aussetzung des SWIFT-Abkommens *

Als Konsequenz aus Berichten über Spionageprogramme des Geheimdienstes NSA hat das Europaparlament am Mittwoch die Aussetzung des SWIFT-Abkommens zur Übermittlung von Bankkundendaten an die USA gefordert. Es solle auf Eis gelegt werden, bis vollständig geklärt sei, ob sich US-amerikanische Dienste unter Verletzung der Vereinbarung einen nicht genehmigten Zugang zu Finanzdaten verschafft haben, verlangten die EU-Abgeordneten in einer Entschließung. Nach Informationen des brasilianischen Fernsehsenders TV Globo zapft die NSA das SWIFT-Kommunikationsnetzwerk an, in dem die Daten von Millionen Bürgern und Unternehmen in der EU gespeichert sind. Diese Angaben seien von den USA bisher nicht widerlegt worden. Zugleich verlangte die EU-Volksvertretung, dass ihr »unverzüglich alle maßgeblichen Informationen und Unterlagen« zur Prüfung des Sachverhalts übermittelt werden.

Derweil sorgen neue Enthüllungen über NSA-Aktivitäten für internationale Spannungen. Die Tageszeitung »Le Monde« hat am Mittwoch Vorwürfe des US-Geheimdienstdirektors James Clapper über angebliche Fehler in ihren Enthüllungsartikeln zur Spionage in Frankreich zurückgewiesen. Es handle sich um Angaben der NSA selbst. »Le Monde« hatte Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden ausgewertet und berichtet, die NSA spähe massiv die Telefonate französischer Bürger aus; allein zwischen dem 10. Dezember 2012 und dem 8. Januar 2013 waren es 70,3 Millionen Telefonverbindungen. Frankreichs Präsident François Hollande hat inzwischen mit seinem Amtskollegen Barack Obama eine Zusammenarbeit der Geheimdienste vereinbart, um die Anschuldigungen zu klären. Mexiko will wegen der Bespitzelung von hohen Regierungsbeamten durch die NSA ebenfalls eine Untersuchung einleiten. US-Botschafter Anthony Wayne werde erneut zu Gesprächen einbestellt. Das Thema soll heute auch beim EU-Gipfel in Brüssel besprochen werden.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 24. Oktober 2013


Kampf gegen Datenklau

Von Olaf Standke **

Das sogenannte SWIFT-Abkommen war von Anfang an heftig umstritten. Dabei geht es um Daten zum Geldtransfer von EU-Bürgern und -Unternehmen mit Staaten außerhalb der Union, auf die auch USA-Behörden zugreifen können. Alles im Namen der weltweiten Terrorbekämpfung. Im Februar 2010 hatte das Europaparlament eine erste Vereinbarung mit Washington wegen großer datenschutzrechtlicher Bedenken gekippt. Es folgten Nachbesserungen, Zustimmung im zweiten Anlauf – und weiter Warnungen vor Missbrauch.

Die seit Monaten öffentlich gemachten Spionageaktionen der US-amerikanischen NSA brachten das Fass schließlich zum Überlaufen. Denn der größte Auslandsgeheimdienst der Supermacht soll sich nicht mit der gezielten Suche nach Terrorverdächtigen begnügt, sondern das Netzwerk des für grenzüberschreitende Bankgeschäfte in der EU zuständigen Dienstleisters SWIFT gleich systematisch angezapft und so massenweise Informationen abgefischt haben. Eine eklatante Verletzung des Abkommens, werden doch seine ohnehin viel zu laschen Datenschutzstandards damit unterwandert. Trotzdem reagierte die Brüsseler Kommission bisher auffallend zurückhaltend. Umso wichtiger, dass jetzt eine Mehrheit in der einzig gewählten EU-Institution ein politisches Signal gesetzt und die Aussetzung der Vereinbarung gefordert hat. Für eine rechtsverbindliche Kündigung allerdings ist ein Beschluss der EU-Staaten notwendig.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 24. Oktober 2013 (Kommentar)


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