Mit der Brechstange
Von David Hachfeld *
In der Öffentlichkeit erweckt die Europäische Kommission gern den Eindruck, sie würde sich in
internationalen Handelsgesprächen für Umweltinteressen, Arbeitsstandards und
entwicklungspolitische Ziele einsetzen. Doch die Realität sieht anders aus. Die EU vertritt in der
Außenhandelspolitik in erster Linie die Exportinteressen europäischer Unternehmen. Das wird
besonders an der Kommissionsmitteilung
»Ein wettbewerbsfähiges Europa in einer globalen Welt«
deutlich. Der Fokus dieser unter dem Kurztitel »Global Europe« bekannten Strategie liegt auf
bilateralen Verhandlungen zur Marktöffnung von Staaten, die aufgrund ihrer Größe und ihres
Wirtschaftswachstums als Konkurrenten angesehen werden. Dazu gehören u.a. die
südostasiatischen ASEAN-Staaten, der südamerikanische Mercosur-Raum und Indien.
Mit diesen und einer Reihe anderer Entwicklungsländer verhandelt die EU inzwischen über neue
Freihandelsabkommen. Neben der weit gehenden Marktöffnung für europäische Agrar- und
Industrieexporte versucht sie dabei die weit reichende Deregulierung der Dienstleistungsmärkte
durchzusetzen. Das allerdings würde Parlamente und Regierungen der Entwicklungsländer
erheblich darin einschränken, Dienstleistungsmärkte im Interesse des Gemeinwohls zu steuern.
Daneben versucht die EU mit ihrer Forderung nach Niederlassungsfreiheit für europäische
Unternehmen die Freihandelsabkommen gleichzeitig zu Investitionsschutzabkommen auszubauen.
Gerade für Entwicklungs- bzw. Schwellenländer ist jedoch die Möglichkeit zur Steuerung von
Investitionen unerlässlich, um deren Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit sicherzustellen.
Eine ähnlich wichtige Steuerungsfunktion kann die Vergabe von öffentlichen Aufträgen haben, die
die EU ebenfalls in den Abkommen regeln möchte. Öffentliche Aufträge machen in
Entwicklungsländern nämlich bis zu 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Von einer solchen
Liberalisierung verspricht sich die EU daher erhebliche Auftragszuwächse für ihre Unternehmen.
Wenn jedoch Vergabestellen Aufträge stets an das Unternehmen mit dem wirtschaftlichsten Gebot
vergeben müssen, werden sie lokale, kleine und mittelständische Betriebe gegenüber
internationalen Konzernen nicht bevorzugen können. Sinnvolle Wirtschaftsförderung würde so
unmöglich gemacht.
Bisher ist die EU mit ihrer »Global Europe Strategie« jedoch weitaus weniger erfolgreich als erhofft. Die Verhandlungen mit den ASEAN-Staaten sind ebenso wie die mit dem Mercosur-Raum
ausgesetzt, und auch in den anderen Regionen kommt die EU viel langsamer voran als geplant. Erst
kürzlich sind die Gespräche mit mittelamerikanischen Staaten gescheitert, da vor allem Nicaragua
nicht bereit war, den handelspolitischen Interessen der EU nachzugeben.
Die EU sollte den bisherigen Misserfolg ihrer »Global Europe Strategie« als Anlass für eine
Kehrtwende und entwicklungspolitische Neuausrichtung ihrer Handelspolitik nehmen. Denn
internationaler Handel kann – flankiert durch die richtigen politischen Maßnahmen – einen Beitrag zu
einer gerechten, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung leisten. Mit ihrer aktuellen Handelspolitik
befördert die EU jedoch bislang vor allem die Profitinteressen ihrer Unternehmen.
* Aus: Neues Deutschland, 12. Juni 2009 (Rubrik: "Brüsseler Spitzen")
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