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Grenzwertige Bilder erwünscht

Fotowettbewerb der EU-Agentur Frontex wird von Kritikern umgedeutet

Von Peter Nowak *

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex wird aus guten Gründen vor allem mit der Abwehr von Flüchtlingen und der Sicherung der Festung Europa verbunden. Durch einen Fotowettbewerb versucht die Behörde ihren Ruf aufzupolieren - in diesem Jahr mit einer besonders makabren Losung.

Unter dem Motto »Ties that bind: Bridging borders in modern Europe« (Schwellen, die verbinden: Brückengrenzen im modernen Europa) können Interessierte auch in diesem Jahr bis zum 30. April Fotos vom Geschehen an Europas Grenzen an die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (Frontex) senden. Dem Gewinner winken 500 Euro, der zweite Platz wird mit 250 und der dritte mit 200 Euro vergütet.

»Die Beiträge sollen die Bedeutung und den Einfluss von Grenzen als Verbindungen in physischer, psychischer, sozialer, kultureller, ökonomischer und ethnischer Hinsicht zeigen«, heißt es in dem Aufruf im Internet. »Oft werden Grenzen als Hindernisse zwischen Bevölkerungen wahrgenommen. Selten werden sie hingegen als wichtige Wegscheide gesellschaftlicher Integration gesehen«, so Frontex.

Die Redaktion des linken Magazins »Prager Frühling« überschrieb einen kritischen Artikel zu dem Frontex-Aufruf mit den Worten »Menschenjäger auf Fotosafari«. Sie selbst wirbt jetzt, bei der vierten Auflage des Frontex-Wettbewerbs, erstmals für eine Beteiligung an dem Bewerb. Das Motto »Ties that bind« könne man mit »Schwellen, die verbinden« übersetzen. Doch »bind« wird im Englischen ebenso für »fesseln« benutzt und »tie« für Kabelbinder. »Wir wollen das Motto einer subversiven Lesart unterziehen und rufen auf, sich mit kritischen Beiträgen, die etwas anderes zeigen als ›die inspirierende Schönheit europäischer Landschaften‹ (Zitat aus dem Aufruf von Frontex) am Wettbewerb zu beteiligen«, heißt es auf der Internetseite.

»Frontex ist ein wichtiger Akteur bei der Grenzabschottung Europas und bei der gewaltsamen Abschiebung von Migrantinnen und Migranten«, begründet Stefan Gerbing vom »Prager Frühling« die Begleitung der Frontex-Aktion gegenüber »nd«. Er hielte es für begrüßenswert, wenn sich die Tätigkeit der Grenzschutzagentur in Zukunft auf Fotowettbewerbe beschränken würde. Allerdings sei das nicht zu erwarten. Der Fotowettbewerb selbst gehört zum Begleitprogramm des »Europäischen Tages für den Grenzschutz« (ED4BG) in Warschau. Bei dieser Konferenz, an der auch der Gewinner des Fotowettbewerbs teilnehmen darf, soll es zum Beispiel um »Grenzkontrollen in Zeiten der Krise« gehen. »Das ist das Problem, das wir thematisieren wollten«, sagt Gerbing. Dass womöglich ein Foto mit antirassistischer Aussage zu den Gewinnern zählen könnte, glaubt er nicht. Schließlich bestehe die Jury aus Angestellten von Frontex. Dagegen spricht auch die Auswahl der vergangenen Jahre. Sie zeigen Grenzpolizisten im Sonnenuntergang und auf einem Quad durch den Schnee rasen oder einen Schäferhund im Halbprofil, der Eisenbahnschienen beschnüffelt. »Subversion und Ironie waren dort bisher keine üblichen Mittel der künstlerischen Auseinandersetzung«, erläutert Stefan Gerbing.

Allerdings hat die Redaktion des »Prager Frühlings« zusätzliche Hürden eingebaut, um nicht von Frontex instrumentalisiert zu werden. So wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Teilnehmer nur Fotos einreichen sollten, die sich schwer umdeuten lassen. »Ein Foto mit einem Sticker der Kampagne ›Kein Mensch ist illegal‹ oder mit Anti-Frontex-Slogans ist vermutlich schwer seiner Aussage zu berauben.« Die Redaktion des »Prager Frühlings« habe sich auch mit Antirassismusgruppen beraten, betont Stefan Gerbing. Frontex selbst habe bisher nicht auf die »subversive Begleitung« des Wettbewerbs reagiert. Die Behörde vermeldete am Donnerstag vielmehr eine deutliche Abnahme von »illegalen Grenzübertritten« in die EU. Begründet wird diese Entwicklung mit einer schärferen Überwachung und dem Bau einer rund zehn Kilometer langen Zaunanlage am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros.

Ausschreibung zum Fotowettbewerb bei Frontex: ed4bg.eu

* Aus: neues deutschland, Freitag, 19. April 2013


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